Grundsätzlich hat Ensimismado die Sache mit dem Zugang schon völlig richtig dargestellt, mit einer kleinen Ausnahme. Die Rechnung geht dann als zugestellt, wenn sie in den Herrschaftsbereich des Adressaten gelangt ist. In der Rechtssprechung wird davon ausgegangen, dass eine Privatperson abends um 19 Uhr in den Briefkasten schaut. Sobald der Brief also in den Briefkasten geworfen wird, gilt er ab 19Uhr als zugestellt, weil er in deinen Herrschaftsbereich gelangt ist. Wenn nun beispielsweise ein Fax bei einer Bank am Sonntag Abend ankommt, zu dieser Zeit niemand arbeitet und nachts um 23Uhr explodiert in der Bank eine Bombe, vernichtet unter anderem auch das Fax, dann gilt das Fax als zugestellt, auch wenn niemand aus der Bank das Fax lesen konnte. Das tatsächliche Erhalten spielt also im Prinzip keine Rolle, das Stichwort ist hier immer Herrschaftsbereich. Soviel dazu.
Die Beweispflicht, dass ein Schreiben (Rechnung) tatsächlich in deinen Herrschaftsbereich gelangt ist, trägt im Zweifel der Absender. Wenn das Krankenhaus/Krankenkasse dir also sagt, dass sie dir Rechnungen geschickt haben, dann müssen sie den Nachweis erbringen, dass dir diese Rechnungen tatsächlich zugestellt wurden. Der Mahnende ist in der Beweispflicht und das ist in der Regel schwierig zu beweisen.
Ich würde wie folgt vorgehen:
- Den Anwalt darum bitten, einen Nachweis der Bevollmächtigung durch die Krankenkasse/Krankenhaus zu senden, um Rechtsmissbrauch auszuschließen. Du kannst dich dabei auf §174 BGB berufen. Meistens liegt so ein Schreiben dabei, wenn es nicht dabei liegt, würde ich immer zuerst die Vertretungsvollmacht verlangen. Es kann aber natürlich auch sein, dass die Krankenkasse den Anspruch auf die Zahlung des offenen Betrages an den RA abgetreten hat.
- förmlichen Widerspruch gegen jegliche Art von Mahngebühren und Anwaltskosten einlegen. Schriftlich, vllt sogar per Übergabe-Einschreiben. Auf keinen Fall irgendeinen Cent bezahlen, bevor ihr euch nicht geeinigt habt.
- Sich mit dem Anwalt in Verbindung setzen und den Sachverhalt erklären. Dabei hervorheben, dass dir niemals Rechnungen in irgendeiner Form zugegangen sind und du auch nicht unbedingt damit rechnen konntest, dass die Rechnungen zugehen würden, da du die Sache mit dem Krankenhaus eigentlich für geklärt gehalten hast. Dir ist, aus deiner Schilderung, kein schuldhaftes oder gar fahrlässiges Verhalten nachzuweisen. Du musst nicht nachfragen, ob das mit der Bezahlungen seinen Weg gegangen ist, wenn das Krankenhaus dir gesagt hat, dass sie sich mit der Krankenversicherung in Verbindung setzen.
- Wenn der Anwalt sich bockig stellt, weiße ihn darauf hin, dass er dir beweisen muss, dass dir diese Schreiben zugestellt wurden. Dies wird es wohl kaum können/wollen, somit sind, meiner Meinung nach, jegliche Schadensersatzforderungen neben der Leistung aus §180 ff BGB hinfällig.
- mache in den Schreiben klar, dass du gerne jederzeit bereit bist, die ursprüngliche Rechnungssumme zu entrichten, sobald der Sachverhalt für beide Seiten geklärt ist.
1. Die Anwaltkosten solltest du auf jedenfall nicht bezahlen müssen, da du ohne Rechnung oder sonstige Mitteilung nicht im Zahlungsverzug bist und die Anwaltkosten als typischer Verzugsschaden somit nicht ersetzbar sind. Schwierig wird es nur, wenn die Gegenseite nachweisen kann, dass sie die Rechnung versandt haben, diese aber unter mysteriösen Umständen nie bei euch angekommen ist.
Nein, die Gegenseite muss den Zugang beweisen, den Versand zu beweisen reicht meiner Meinung nach nicht aus. Das Risiko beim Versand trägt der Sender, nicht beim Empfänger. Wenn die Rechnung also aufgrund mysteriöser Umstände nicht zugestellt wird (=nicht in den Herrschaftsbereich den Empfängers kommt) ist das nicht dem Empfänger anzulasten. Wenn der Sender auf Nummer sicher gehen will, soll er/sie halt per Einschreiben versenden.
Außerdem muss der Schuldnerverzug nicht zwangsläufig durch eine erste Mahnung eintreten. Was du beschreibst, ist §286 I BGB, da kommen aber noch ein paar Absätze: Verzug tritt auch ohne Mahnung ein, wenn die Fälligkeit einer Rechnung an ein bestimmtes Kalenderdatum gebunden ist (§286 II Nr. 1 BGB), wenn der Schuldner die Leistung glaubhaft, endgültig und ernsthaft verweigert (§286 II Nr. 3 BGB) oder in der Regel 30 Tage nach Zustellung der Rechnung (§286 III BGB).
( Wenn du jetzt eine Jura-Prüfung schreibst und Punkte absahnen willst, solltest du als Voraussetzungen für Verzug natürlich noch das Nichtbestehen von Einreden erwähnen, wie einer Verjährung oder Zurückbehaltung, etc)
3. Praktischer Tipp: eventuell mit dem Anwalt in Verbindung setzen und sagen/schreiben, dass du die Hauptforderung anerkennst, die Anwaltkosten aber nicht bezahlst, da du dich mangels Rechnung nicht im Zahlungsverzug befindest.
Genau, das ist gut formuliert.