Vom Debattierclub und Literaturpreisen bin ich weit entfernt.
Aber ganz ehrlich: Was mich am Internet in den letzten 3-4 Jahren am meisten nervt, ist dass jeder eine Meinung zu allem haben muss. Voellig ohne jegliche Grundlage, voellig ohne Fakten, manchmal wird einfach irgendein Viertel- bis Halbwissen nachgeplappert und wenn sich dann genuegend Leute finden, fuer die sich das irgendwie richtig anhoert, dann ist das ploetzlich die gaengig vertretene Meinung.
Leute, die keine Ahnung von (Straf-)recht haben, lassen sich im Duktus eines Topexperten darueber aus, welche Straftat wie bestraft gehoert. Als Herr Lubitz die Lufthansa-Maschine in die Alpen gesteuert hat, waren an Tag 1 alle Luftfahrtexperten und wussten, dass da irgendwelche Gase ins Cockpit geleitet worden sein muessen. Haargenau die gleiche Leute waren am naechsten Tag Topexperten fuer Psychologie und wussten wie man depressive Menschen davon abhalten kann ein Flugzeug zu fliegen. Genau diese Menschen wussten ein paar Wochen vorher oder spaeter aber auch 100% sicher, wie man die europaeische Finanzkrise loesen kann und wie Herr Draghi jetzt bitte agieren moege.
Alles wird im Brustton der voelligen Ueberzeugung vorgetragen. Leute, die 3 Wikipediaartikel gelesen haben, denken von sich selbst, sie haetten eine fundierte Grundlage fuer eine ausgepraegte Meinung. Selbstzweifel oder der Satz "Ich bin mir nicht sicher, wie ich den Sachverhalt bewerten soll..." oder gar "...das habe ich nicht bedacht, da gebe ich Dir Recht." fallen im Internet nicht.
Was wir hier betreiben ist keine Diskussion, kein Diskurs, kein Austausch, sondern ein stumpfes Praesentieren der eigenen Meinung als absolute Wahrheit. Und selbst wenn die eigene Einschaetzung noch so abseitig und unlogisch ist: Es findet sich im Internet schon noch eine Quelle, die auch diesen Stumpfsinn irgendwie belegt. Also habe ich doch Recht!
Ich finde das einigermassen bedenklich, da ich gerade im Berufsleben (ich fuehre in den letzten Jahren im Schnitt etwa 40-50 Mitarbeiter und Fuehrungskraefte) auch immer mehr bemerke, dass die Faehigkeit zur Selbstreflektion und zum Eingestaendnis von Fehlern oder von Nichtwissen immer geringer wird.
Und das ist fuer ein Wirtschaftsunternehmen und fuer die Gesellschaft hoechst problematisch.