In den letzten Jahren ist das leider eine Entwicklung, die mich beunruhigt: Politiker scheinen zunehmend der Meinung zu sein, Gewaltenteilung sei eine Richtlinie, die man nach eigenem Ermessen überschreiten darf - und nicht etwa verfassungsmäßig vorgeschrieben. Das fängt bei so Späßen an, dass Gesetze der CSU (bzw. solche, die aus ihren Vorschlägen entstanden sind) regelmäßig vom Bundesverfassungsgericht kassiert werden - und das BVerfG dafür kritisiert wird. Auf die Idee, Gesetze zu entwerfen, die verfassungskonform sind, scheint man in diesen Situationen nicht zu kommen. Das sind vergleichsweise harmlose Vorgänge, aber sie torpedieren das Vertrauen der Menschen in eine unabhängige Gerichtsbarkeit. Wenn dann prominente Politiker fordern, Gerichte müssten sich nach dem Rechtsempfinden der Bürger richten (und nicht etwa nach geltendem Gesetz) ist das ein weiterer, kleiner Schritt in Richtung einer Auflösung des Rechtsstaates.
Und dann schaut man in unser Nachbarland Polen, wo die Unabhängigkeit der Judikative und damit die Gewaltenteilung im Grunde aufgehoben ist und das innerhalb der EU. Dass die EU in diesem Fall eine solche Schwäche an den Tag legt und es nicht fertig bringt, die innerhalb der europäischen Staatengemeinschaft geltenden Vorstellungen eines Staatsaufbaus (Gewaltenteilung, Sicherung der Grundrechte,...) durchzusetzen, und sei es durch ein Ausschlussverfahren gegen die betreffenden Länder, ist fatal und stärkt meiner Meinung nach nur autokratische, nationalisitische und extreme Tendenzen. Von Orbans Ungarn möchte ich gar nicht anfangen... Gerade jetzt müsste die EU Stärke beweisen und für die Werte eintreten, für die sie zu stehen vorgibt.
Dass ein US-Präsident die Pressefreiheit angreift und sie wiederholt der Fake-News bezichtigt, nur weil ihm deren Berichterstattung nicht passt, ist ebenso fatal. Ob Trump weiß, was er damit anrichtet? Jedenfalls entbehrt es nicht einer gewissen Ironie, dass ein Präsident, der selbst seit Beginn seiner Amtszeit nachweislich Lügen verbreitet, der Presse selbiges unterstellt. Da kann man nur hoffen, dass die aufgeklärten amerikanischen Bürger, die diesen Mist nicht glauben, in der Überzahl bleiben und diese Entwicklung positiv gestalten können. Die Kritik an den Aktionen der Zeitungen finde ich allerdings nicht unberechtigt: So eine konzentrierte Aktion kann durchaus das Bild entwerfen, die Presse würde gemeinschaftlich gegen den Präsidenten arbeiten. Für viele wird das sicher eine Bestätigung ihrer ohnehin schon gefestigten Meinung sein. Andere lassen sich dadurch vielleicht auf die Seite derer ziehen, die das Vertrauen in die Presse schon verloren haben. Es ist schwierig zu beurteilen, ob diese Aktion nun positiv oder negativ zu bewerten ist. Im Grunde finde ich es gut, dass die Presse für ihre Rechte eintritt. Ob es politisch klug war, ist eine andere Frage...