Lindner hat sich im Bundestag "entschuldigt."
Damit ist die FDP offiziell tot. Wer sollte die noch wählen?
Grundsätzlich ist das doch eher eine noble Geste, wenn man Fehler zugibt, oder?
Ja, schon. Ich kann auch durchaus nachvollziehen, dass viele die FDP-Wahl als Fehler ansehen, für welchen sich Lindner nun entschuldigt. Da gehe ich absolut mit dir d'accord.
Die Aussage bezieht sich eher darauf, ob das in Hinblick auf die FDP-Zielgruppe (und Hand aufs Herz: Das sind sicherlich nur die wenigsten Wähler der Linken, der Grünen, SPD und AFD...vllt. ein paar CDUler) sinnvoll war. Die FDP hätte entweder die ganze Aktion von vornerein lassen sollen - oder es durchziehen. Nach dem Motto "ist der Ruf erst ruiniert", wenn man so will. So hat man das maximaldämlichste Szenario gewählt in Bezug auf das eigene Fortbestehen als Partei.
Warum sollte das Stammklientel der FDP nun noch FDP wählen? Es waren doch Liberale im klassischen Sinne, Leute denen die AFD zu krass ist (siehe Bundestagswahlkampf) und ehemalige CDU-Wähler. Wieso sollte Jemand aus diesen Gruppen nun noch FDP wählen?
Die Liberalen bei den Liberalen sind sauer, weil die FDP nun einem Linken (= Feindbild hier im Kontext) den Vortritt lässt und vor dem kuscht.
Die AFD-Lightis sind ebenso not amused, auch weil die persönlichen Angriffe auf FDPler (von blöden Sprüchen bis hin zu weniger lustigem Kram wie die Bedrohung Kemmerichs Familie) eher ein Grund wären "jetzt erst recht(s)!" zu sagen, anstatt vor dem "Feind" zu kuschen.
Die ehemaligen CDU-Wähler werden ein zweites Mal verprellt: Zuerst von der CDU, nun von der FDP.
Der Rest der FDP-Wähler ist dann einfach nur irritiert ob des Schlingerkurses.
Wie gesagt, alles bezogen auf FDP-Wähler. Im Rahmen der freiheitlich demokratischen Grundordnung muss sich die FDP in erster Linie um "ihre" Zielgruppe kümmern. Die FDP kann und sollte nicht für ALLE Zielgruppen da sein (dafür gibt es ja ein Parlament, wo ALLE idealerweise vertreten sind). Diese FDP-Zielgruppe ist sicherlich nun extrem...pissed.
Mir kann Niemand erzählen, dass die Strategen das Wahlszenario "die AFD wählt Kemmerich" nicht durchdacht haben. Ob Absicht (also bewusst Kalkül) oder Dummheit ("wird schon nicht so kommen") ist insofern nebensächlich.
Wenn die FDP das "alles nicht wollte", dann hätte Kemmerich die Wahl ABLEHNEN sollen. Er hätte dennoch ein Zeichen gegen die AFD UND die Linken gesetzt (in Bezug auf die eigenen Wähler). Er hätte dagestanden (vor den eigenen Wählern) als Jemand, der die AFD in ihre Schranken verweist, aber den Linken auch zeigt "ihr könnt ohne uns (und die CDU) nicht einfach so weitermachen, da ihr keine Mehrheit habt". Das hätte Ramelow gezwungen, für seine neue Regierung tatsächlich auch CDUler und FDPler in seine Regierung aufzunehmen - was er ja vorher NICHT wollte. Wollte ja weitermachen wie bisher, was natürlich ohne eigene Mehrheit ohne Zugeständnisse halt nicht realistisch ist. So hätte man ihm das "nahelegen" können einzulenken, ohne das Jemand sein Gesicht verliert.
Wenn die FDP das "alles wollte", dann hätte Kemmerich NICHT zurücktreten sollen und eine Expertenregierung wie in Österreich anstreben. Aber: Hierfür hätte es Politiker eines Formates wie Bismarck, Brandt, Schmidt oder Stresemann gebraucht. So einer hätte daraus was vllt. was machen können.
Diese beiden Optionen hätte man durchdenken können. Egal welche man davon haben wollte (als FDP-Spitze): Das "hü und hott" von jetzt ist beschissener als beides. Man hat sich das "Nazistigma" geholt, gilt ein zweites Mal öffentlich als "Umfallerpartei" und das anscheinend die überrascht waren wie persönlich Kemmerich und gut durch die....außerparlamentarische Opposition...angefeindet wurden überrascht mich sehr. Ich heiße die Leute die andere Menschen aufgrund ihrer politischen Haltung persönlich angreifen nicht gut, gleich welcher Coleur. Nur wäre ich mir bewusst, dass dies nach so einer Aktion passieren würde und es dann nur die Flucht nach vorne geben KANN. Das jetzt ist einfach nur Murks.
Die FDP wird das Nazistigma so nicht mehr los, beraubt sich aber zusätzlich der Deutungshoheit in Bezug auf die eigene Wählerschaft. Ergo die Frage: Warum sollte ein FDP-Wähler nun noch FDP wählen?
*Im Übrigen hätte ich mir da mehr staatstragende Worte von Ramelow bezüglich der persönlichen Angriffe auf Kemmerich gewünscht, als solche Auftritte in Talkshows am späten Abend, wo er "seinen" Posten zurück will. Aus der Ecke habe ich noch KEINE Verurteilung der Angriffe gehört. Glaube nicht, dass das Ramelows Position stärken wird.