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Autor Thema: Bilanzen lesen  (Gelesen 2424 mal)

fussballmonster

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Bilanzen lesen
« am: 28.Juni 2020, 20:55:53 »

Ich bin aktuell auf Jobsuche da ich mir nicht sicher bin ob mein derzeitiger Arbeitgeber die Corona Krise überlebt.
Aktuell sucht ein Unternehmen in der Umgebung einen Mitarbeiter der das können soll was ich sehr gut kann. Es könnte also passen.

Kann jemand Bilanzen lesen? Und kann man anhand dieser Zahlen sehen ob das Unternehmen gesund ist?
2015 wurde neu gebaut, das als Hintergrundinfo. Leider kann ich nicht sehen wie hoch der Umsatz war.


Vielen Dank
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Signor Rossi

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Re: Bilanzen lesen
« Antwort #1 am: 28.Juni 2020, 21:05:05 »

Die Gewinn- und Verlustrechnung wäre deutlich wichtiger zu kennen, die Bilanz ist auch schon recht alt, anhand dieser Zahlen kann man imho nicht abschätzen, wie das Unternehmen durch die Krise kommt.
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fussballmonster

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Re: Bilanzen lesen
« Antwort #2 am: 28.Juni 2020, 21:23:24 »

Die Gewinn- und Verlustrechnung wäre deutlich wichtiger zu kennen, die Bilanz ist auch schon recht alt, anhand dieser Zahlen kann man imho nicht abschätzen, wie das Unternehmen durch die Krise kommt.
Aktuell boomt deren Geschäft. Radsportbranche.
Die Bilanz ist von 2018. Kann man die Gewinn- und Verlustrechnung beim Bundesanzeiger einsehen?
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Signor Rossi

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Re: Bilanzen lesen
« Antwort #3 am: 28.Juni 2020, 21:44:00 »

Ab einer gewissen Größe des Unternehmens muss eine GuV mit angegeben werden, die ist hier aber - glaube ich - noch nicht erreicht, suchen kannst du aber trotzdem mal danach, evtl. gibt es auch schon einen Abschluß für 2019. Immerhin wurde in den Jahren 16, 17 und 18 ein ordentlicher Gewinn erwirtschaftet, die Vorräte sind auch sehr hoch, gleiches gilt allerdings auch für die Verbindlichkeiten, hier kommt es aber auf Art und Laufzeit an, mit der Immobilie kann die Höhe nicht erklärt werden, dazu sind die Sachanlagen zu gering. So grob überflogen halte ich das Unternehmen aber für solide und wenn die Branche von Corona profitiert, sieht das nicht schlecht aus. Ein bisschen bedenklich finde ich den geringen Kassenbestand etc., dafür kann es aber sehr viele Erklärungen geben.

Man muss aber wissen, dass es im HGB von Wahlrechten wimmelt, man kann seinen Abschluß also schon noch - in gewissen Grenzen - auch schönfärben, angesichts der Höhe der letzten Gewinne würde ich aber meinen, dass man da eher nach unten optimiert, da dürften also Reserven schlummern, zB. in der Bewertung der Vorräte.

Das alles natürlich ohne Gewähr, ich bin kein Wirtschaftsprüfer ;)
« Letzte Änderung: 28.Juni 2020, 21:46:18 von Signor Rossi »
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Henningway

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Re: Bilanzen lesen
« Antwort #4 am: 28.Juni 2020, 22:01:49 »

Eine GuV sagt Dir, wie die aktuelle wirtschaftliche Lage eines Geschäftes ausschaut. Eine monatsaktuelle BWA (Betriebswirtschaftliche Analyse) mit kumulierter Wirtschaftsjahrangabe wäre noch besser. Allerdings kennt man zu den Zahlen ja auch nie deren Hintergrund.

Die Bilanz liest sich so, dass der Betrieb im Jahr 2018 offenbar massiv investiert hat. Die Vorräte wurden um über eine Million aufgestockt, bezahlt wurde das offenbar mit Anlagevermögen und aus deren Bankguthaben. Ein Kredit dafür wurde nicht aufgenommen, im Gegenteil: Verbindlichkeiten wurden sogar gesenkt. Die Firma hat außerdem ein gutes Geschäftsjahr gehabt und nutzt dieses für den Aufbau von Rückstellungen, was ich für ziemlich sinnvoll halte.

Das können auch Fehlinterpretationen sein, denn, wie gesagt: man weiß nicht, was genau dahinter steht.

Tony Cottee müsste Dir noch besser helfen können, denn ist er nicht Banker?
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Emanuel

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Re: Bilanzen lesen
« Antwort #5 am: 29.Juni 2020, 08:28:48 »

Um belastbare Aussagen zu treffen, bräuchte man weitere Unterlagen. Bilanzen der Vorjahre, Gewinn- und Verlustrechnungen, BWA's, SuSa's etc...
Aber die Bilanz von 2018 sieht auf jeden Fall solide aus. Es wurde ein Gewinn erwirtschaftet, Verbindlichkeiten reduziert, das passt schon. Ein Freund von mir hat selbst einen eigenen Fahrradladen und wegen Corona geht das Geschäft derzeit blendend. Zahlen dürften sich also eher verbessert haben durch Covid.

Ansonsten steht hier viel Unsinn:

- "verbindlichkeiten sind sehr hoch" - EK-Quote liegt irgendwo zwischen 40 und 50%, das ist für so eine kleine Bude recht anständig, da ist noch deutlich Spiel nach unten

- "bedenklicher geringer Kassenbestand" - völlig egal. Die Bilanz ist eine stichtagsbetrachtung zum 31.12. Da wir hier über einen Fahrradhändler reden, der im Winter seine Vorräte aufstocken wird und damit Cash verliert, während er es im Sommer verdient, ist ein geringer Bestand an liquiden Mitteln zu erwarten. Wo das Cash hingegangen ist, sieht man. In die Vorräte. Selbst wenn die liquiden Mittel aufgezehrt sind, haben Unternehmen bei den Banken in aller Regel ausreichende Kontokorrentlinien (quasi ein Dispo für Unternehmen). Da gehen sie dann in die Verfügung und gut ist.

- "stille Reserven in der Bewertung der Vorräte" das ist ein Fahrradhändler. Der kauft Fahrräder ein und verbucht die Rechnung 1:1 in der Bilanz. Da gibts keinen Spielraum bei der Bilanzierung.

- "Vorräte wurden mit Anlagevermögen bezahlt" das ist unmöglich... AV ist leicht gesunken, da werden die ganz normalen Abschreibungen gelaufen sein. Die Bilanzpositionen hängen nicht zusammen.

- "Aufbau von Rückstellungen mit dem Jahresgewinn" Rückstellungen sind Verbindlichkeiten, die baut man nicht freiwillig auf. Rücklagen sind dem Eigenkapital zuzuordnen. Eine Rückstellung ist eine der Höhe oder dem Zeitpunkt nach ungewisse Verbindlichkeit. Wenn das Fahrrad nicht richtig montiert war und der Kunde ist auf einer Kreuzung in ein Auto gerauscht, weil die Bremsen kaputt waren und dieser Kunde verklagt den Händler nun auf 500 TEUR. Dann bildet der Händler eine Rückstellung für den Fall, dass er vom Gericht verurteil wird. Eine Rückstellung ist somit losgelöst vom Jahresergebnis und als Belastung zu werten.

Lange Rede, kurzer Sinn: Bilanz ist okay.
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Tony Cottee

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Re: Bilanzen lesen
« Antwort #6 am: 29.Juni 2020, 10:54:07 »

Tony Cottee müsste Dir noch besser helfen können, denn ist er nicht Banker?

Ja, bin Banker und nein, kann leider nicht helfen. Ich arbeite im Back Office, da muss ich keine Bilanzen lesen.
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fussballmonster

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Re: Bilanzen lesen
« Antwort #7 am: 29.Juni 2020, 11:52:42 »

Vielen Dank für die Infos. Das hört sich sehr gut an und deckt sich mit meinem durchweg positiven Eindruck den ich von dem Unternehmen hatte.
In dieser Woche werden die Bewerbungen gesichtet und ich hoffe sehr auf ein Gespräch beim Geschäftsführer.
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Henningway

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Re: Bilanzen lesen
« Antwort #8 am: 30.Juni 2020, 10:13:59 »

@ Emanuel:

Belastbare Aussagen kannst Du keine treffen, aber um andere Aussagen als Unsinn zu deklarieren reicht es? Seriöser Mann.

Mein Steuerbüro definiert eine Rückstellung als Sparvolumen, eben zurückgestelltes Geld für schlechte Zeiten. Nur am Rande.
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bertifux

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Re: Bilanzen lesen
« Antwort #9 am: 30.Juni 2020, 12:28:03 »

Die Rückstellung als "Sparvolumen" kann man so sehen, bei korrekter und richtiger Bewertung sollte das aber nicht so sein... denn eine Rückstellung ist wie Emanuel richtig sagt, eine der Höhe/und oder der Fälligkeit nach ungewisse Verbindlichkeit. Bestehen tut sie aber mit einer Wahrscheinlichkeit von mehr als 50%, dass sie eintritt. Das einzige Sparvolumen darin, ist ein bisschen bei der Steuer. Wenn die Rückstellung aber nicht werthaltig ist, fliegt dir die um die Ohren... das Beispiel von Emanuel: die Gesellschaft stellt 500k zurück, weil ja evtl. ein Fahrrad falsch montiert sein könnte und dich dann einer verklagen könnte wenn er nen Unfall baut. Dafür wird kein Mensch/Wirtschaftsprüfer/Betriebsprüfer eine Rückstellung akzeptieren.
Gab es den Unfall und der Prozess läuft bereits, dann ist die Rückstellung okay. Allerdings wäre dann auch damit zu rechnen, dass die Gesellschaft tatsächlich die 500k berappen muss...
Das einzige Sparvolumen darin, ist wie gesagt ein bisschen bei der Steuer und im hier vorliegenden Fall könnten in den Rückstellungen auch knapp 200k Gewerbesteuerrückstellung drinstecken, die sich nicht mal steuerlich auswirken. Insofern bin ich da eher bei Emanuel, als bei dem deinem Steuerbüro ;)

Letztlich ist das hier ne "verkürzte" Bilanz einer kleinen Kapitalgesellschaft. Da lässt sich eigentlich gar nichts rauslesen.
Schlecht geredet: Die Jungs haben sich 70% des Vorjahresüberschusses ausgeschüttet und jetzt auf den 1. Blick (ohne Kreditlinien) nicht mal die Liquidität, die zu erwartende Steuernachzahlung leisten zu können. Ergebnistechnisch sieht das mit dem Jahresüberschuss mit ca. 1 Mio sehr gut aus, wenn ich aber sehe, dass da schon 1,1 Mio Bestandserhöhung drinstecken, ist dass dann doch nicht mehr so pralle... natürlich werden die aber im gerade bestehenden Fahrrad-Boom ordentlich abverkaufen und verdienen. Zudem weiß man natürlich nicht, wieviel Gehalt sich vermutlich Gesellschafter-Geschäftsführer auszahlen und damit das bilanzielle Ergebnis schmälern.
Gut geredet: Mit über 1 Mio Jahresüberschuss eine fantastische Ertragslage, EK-Quote mit 43% ebenfalls fantastisch. Super Sache! Über den Liquiditätsgrad ist nur schwer was zu sagen, da keine Fälligkeiten zu den Verbindlichkeiten vorliegen.

Mach was draus, konkret sagen, kann wirklich keiner was.

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Henningway

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Re: Bilanzen lesen
« Antwort #10 am: 30.Juni 2020, 12:32:36 »

Danke für die Erläuterung, ohne den Gesprächspartner gleich des Unsinns zu bezichtigen. :)

Interessant auch, wie unterschiedlich Bewertungen sind. Dein Urteil steht ja eher im Widerspruch zu meinem und Emanuels.
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bertifux

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Re: Bilanzen lesen
« Antwort #11 am: 30.Juni 2020, 16:40:59 »

So negativ war das sicherlich nicht gemeint... wollte nur mal aufzeigen, dass man die vorliegende Bilanz auch schlecht reden kann und man nicht nur positive Aspekte sehen kann.

Was letztlich genau drin steckt, weiß man natürlich nicht. Genauso habe ich keinerlei Einblicke in die übliche Marge bei der Branche im allgemeinen und bei der Gesellschaft im speziellen. Haben die in 2019 die bestehenden Vorräte mit einer Marge von ca. 20% abverkauft, dann steckt da noch mal Gewinnpotential von ca. 800t€ drin. Ging in 2019 nix und die hocken immer noch auf allen "alten" Modellen, ist das suboptimal und die Werthaltigkeit der 4 Mio Vorräte müsste geprüft werden.

Sind die Verbindlichkeiten kurz- oder langfristig? Kann man aus den verkürzten Bilanzen überhaupt nicht erkennen... sind die 2 Mio kurzfristig fällig, könnte das sogar existenzbedrohend sein. Sind sie mittel- bis langfristig und der Verkauf ging gut, dann sind die Verbindlichkeiten "Peanuts". Aber daraus irgendwelche verlässlichen Aussagen zu treffen, ist sehr schwer bis absolut unmöglich.

Insgesamt ist die Bilanz sicherlich okay. Eine EK-Quote von 43% ist bei der Unternehmensgröße wirklich gut. Und mehr lässt sich verlässlich nicht sagen ohne zu spekulieren und irgendwas reinzuinterpretieren, was in der Realtität auch genau das Gegenteil sein kann...
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Joe Hennessy

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Re: Bilanzen lesen
« Antwort #12 am: 30.Juni 2020, 20:22:17 »

Statt Rätselraten einfach beim Bewerbungsgespräch nachfragen. Wenn sich ein potenzieller Mitarbeiter so um die Finanzen des Betriebs sorgt, wird er sicher auch einiges dafür tun, dass sie stabil bleiben. Und zeigt dein Interesse, auch über deinen Tätigkeitsbereich hinaus.
Die genaue Fragestellung wäre aber natürlich noch auszuarbeiten.
« Letzte Änderung: 30.Juni 2020, 20:23:57 von Joe Hennessy »
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