Ich sehe das auch so, beides keine Elfmeter. Dass der VAR jeweils nicht eingreift, ist aber letztlich auch konsequent, weil die Regeln das derzeit so bestimmen. Gibt daher insbesondere zwei Dinge, die mich stören:
1. Die Unfähigkeit der Journalisten und insb. von Sky, zu verstehen, wann der VAR eingreifen darf und wann nicht - unabhängig davon, ob man die Auswirkung richtig findet, ist das ja eindeutig geregelt.
2. Ich würde mir wünschen, dass Zweifelsfälle anders behandelt werden. Nicht so wie derzeit, dass der VAR nur bei klarer Fehlentscheidung eingreifen darf, sondern so, dass Handspiel im Strafraum einfach immer routinemäßig vom Schiedsrichter per Field-Review überprüft wird. Dauert etwas, aber wäre gerechter.
Wie kommst du darauf, dass die Regeln das genau so bestimmen? Gibt es eine Definition für "klare Fehlentscheidung"? Wie war das bei Stuttgart gegen Wiesbaden? Da hat der VAR für einen Handelfmeter gesorgt, obwohl der Hauptschiedsrichter das nicht mal auf den Monitor gesehen hat. Ich könnte mir vorstellen, dass der Schiedsrichter Boatengs Ellbogeneinsatz gar nicht gesehen hat. Es hat sich auch kein Dortmunder beschwert. Müsste der VAR nicht eingreifen, wenn der Schiedsrichter diese Szene nicht sieht? Bei Can zeigte der Schiedsrichter, dass dessen Arm ausgefahren war. Das ist mMn ebenfalls ein Wahrnehmungsfehler, der Arm war eng am Körper. Für mich ist das einfach nur Willkür, wann da wie eingegriffen wird. Das ändert sich von Spieltag zu Spieltag und teilweise von Spiel zu Spiel. Vielleicht bin ich aber nicht fähig, die klare Systematik dahinter zu sehen. Dann wäre es vielleicht am DFB da klarere Statements rauszugeben und sich dann daran auch zu halten.
Ich finde einfach, man muss da Differenzieren zwischen der Frage, ob die klare Fehlentscheidung schlecht oder unzureichend definiert ist oder ob der Einsatz des VAR schlecht definiert ist: Es ist eben eindeutig, dass der VAR nur dann eingreifen darf, wenn es sich um eine klare Fehlentscheidung handelt. Die Regel ist an sich äußerst einfach und verständlich. Problematisch wird zugegebenermaßen, dass nicht immer verständlich ist, was als klare Fehlentscheidung gilt. Wobei ich auch hier das Problem als geringer erachte als bislang besprochen. Beispielhaft auf die von dir genannten Fälle angewandt:
Boateng: Es gibt hier zwei Möglichkeiten, zu argumentieren. Die erste ist, dass Boateng sich in der Bewegung befindet. Er versucht aufzustehen und seinen Körper in den Schuss zu bewegen. Die Armbewegung entsteht durch den Kraftaufwand, aufzustehen, er zieht den Arm sogar an, der Ellenbogen bleibt leicht vom Körper weg, was anatomisch bei dem Kraftaufwand auch gar nicht anders möglich ist. Wenn er den Unterarm einfach gestreckt lässt, gilt es als Stützarm und darf nichtmal gepiffen werden. Die Argumentation spricht gegen den Elfmeter. Man kann aber auch sagen, dass er fahrlässig handelt, weil er nicht einfach liegen bleibt und das Aufstehen somit ein bewusstes in Kauf nehmen ist, durch die leicht vergrößerte Körperfläche, den Ball mit der Hand zu spielen. Das spricht für Elfmeter. Ergo: VAR darf nicht eingreifen, solange der Schiedsrichter angibt, die Szene gesehen zu haben.
Can: Spricht nahezu alles für kein Elfmeter. Maximal, dass der Ellenbogen eben vor dem Körper liegt, anstatt seitlich, Can sich nämlich gleichzeitig wegdreht und somit die Körperfläche minimal vergrößert (siehe Foto anbei). Ergo: Tatsächlich etwas knifflig, hier würde ich für ein ON-Field-Review plädieren.
Stuttgart: Hier ist es doch eindeutig: Schiedsrichter hat angegeben, nichts zu sehen, VAR hat was gesehen, also On-Field-Review. Soweit so richtig. Danach wird es knifflig, weil die Kommunikation zum Ende nicht ganz klar ist. Aber das ist ja dann eher eine Frage, was der Schiedsrichter macht/versteht/denkt, und kein Problem, dass der VAR eingegriffen hat. Das war lehrbuchhaft, dass eingegriffen wurde.
Was mich stört ist wirklich, dass so getan wird, als ob unklar ist, wann überhaupt eingegriffen werden darf. Das ist doch aber wirklich glasklar. Die unklare Frage ist, ob die Bedingungen dafür epistemisch immer zugänglich sind. Und klar, darüber lässt sich streiten. Die Frage darf dann aber nicht sein: Wieso hat der VAR (nicht) eingegriffen, sondern: Wieso wurde eine Szene so bewertet, wie sie bewertet wurde. Das zeigt dann nämlich das eigentliche Problem auf: Es gibt schwammige Regeln. Die gibt es allerdings schon vor dem VAR.