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Autor Thema: [FM 20 bis 24] Lavayeuxs Europatour - Die Geschichte eines Luxemburgers  (Gelesen 177761 mal)

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Drama, baby!



Ende Juli 2030, Stade Emile Mayrisch, Esch d'Alzette, Luxemburg


"Zunächst einmal - vielen Dank, Herr Lavayeux, dass Sie bereit waren, so kurz vor diesem wichtigen Spiel für ein kurzes Interview bereitzustehen."

"Sehr gern, Frau Muller."

"Ich will Ihre knapp bemessene Zeit nicht verschwenden, daher gleich auf den Punkt: rechnen Sie sich Chancen aus, heute wirklich die Senastion zu schaffen und in die dritte Runde der Conference-Qualifikation einzuziehen?"

"Wenn dem nicht so wäre, bräuchten wir gar nicht anzutreten, oder? Außerdem: finden Sie nicht, dass bereits die Tatsache, dass Sie mir vor dem Rückspiel eine solche Frage stellen können, schon eine veritable Sensation IST?"

"Da haben Sie natürlich nicht ganz unrecht ..."

"Da habe ich absolut recht, meinen Sie wohl!" *lacht kurz* "Nein, aber im Ernst: vor dem Hinspiel wurde doch eigentlich nur darüber gesprochen, wie hoch die Niederlage wohl ausfallen würde. Und jetzt stehen wir - trotz der Hinspielniederlage - mit einer gar nicht so schlechten Ausgangslage da und brauchen nur ein einziges Tor, um alles wieder auf Anfang zu stellen."

"Wird Ihnen Plazonja dabei helfen können? Das Hinspiel hatte er ja aufgrund einer Wadenzerrung verpaßt und Sie hatten sich gestern in der Pressekonferenz sehr bedeckt gehalten, was das Thema angeht..."

"Ja, Karlo wird starten können. Er hat in den letzten Tagen alles dafür gegeben, gegen einen der großen Vereine seines Heimatlandes auf dem Feld stehen zu können und wir sind sehr froh, dass es geklappt hat. Mit seiner Geschwindigkeit und Kaltschnäuzigkeit im letzten Drittel bekommen wir offensiv nochmal andere Optionen als im Hinspiel."

"Letzte Frage: Ihr Tip für heute abend?"

"Ich gebe grundsätzlich keine Tips vor einem Spiel ab, aber eins steht fest: wenn wir mit der gleichen Leidenschaft und Motivation in dieses Spiel gehen wie ins Hinspiel, dann wird das Weiterkommen für Rijeka ganz sicher kein Selbstläufer. Ich glaube an meine Jungs."

"Vielen Dank, Herr Lavayeux und viel Glück! - Und ich gebe jetzt hinauf zu Gerd Grubenklauer, der diesesSpiel für Sie gewohnt kompetent und humorig kommentieren wird."
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"Danke, Madeleine. - Herzlich willkommen, liebe Zuhörer, zu diesem unerwartet spannungsgeladenen Rückspiel hier in Esch im "Emile Mayrisch". Unerwartet deswegen, weil wohl niemand der FOLA zugetraut hätte, den großen kroatischen Favoriten in seinem Wohnzimmer an den Rand einer Niederlage zu bringen, schon gar nicht ohne ihren Goalgetter Karlo Plazonja. Aber genau das ist vor Wochenfrist passiert. Und auch wenn FOLA am Ende mit gewissermaßen leeren Händen dastand, so läßt dieses 1:2 dem Team doch zumindest auf dem Papier noch alle Chancen auf ein Weiterkommen. - Es hat schon etwas Verrücktes, diesen Satz auszusprechen, das muß ich zugeben... Naja, in etwas mehr als zwei Stunden sind wir schlauer und können besser einschätzen, wie verrückt ein solcher Satz ist. Kurze Werbeunterbrechung und dann sind wir gleich wieder da, rechtzeitig zum Anstoß."



Anstoß

"Und da sind wir auch schon wieder, liebe Zuhörer. Die Mannschaften sind noch nicht auf dem Rasen, lange kann es aber nicht mehr dauern. Kurz zu den Aufstellungen - wenig bis keine Überraschungen bei der FOLA. Bernardino, der inzwischen registriert werden konnte, verdrängt Voinier auf der Rechtsverteidiger-Position, aber das war ja allgemein erwartet worden. Und im Sturm muß Perez, der in Rijeka das möglicherweise noch sehr wichtige Tor erzielt hat, auf die Bank weichen und Plazonja nimmt wieder seinen Platz im Sturmzentrum ein. Ansonsten keine Änderungen, angeblich soll auch die Formation die gleiche bleiben, aber solche Aussagen sind ja immer mit ein bißchen Vorsicht zu genießen, so manch ein Trainer hofft darauf, dass der Gegner sich durch solche Aussagen zu einer unvorsichtigen Taktikänderung hinreißen läßt.

Bei Rijeka steht Gajzler in der Startelf. Hinter seinem Einsatz hatte ja ein Fragezeichen gstanden, da er im Hinspiel mit einer Wadenverhärtung kurz vor Schluß raus mußte. Scheint er überwunden zu haben.

So, jetzt führt der Schiedsrichter beide Mannschaften aufs Feld, die knapp tausenddreihundert Zuschauer klatschen und rufen ... aber das wird die Gäste wohl kaum beeindrucken. Die spielen in der kroatischen Liga auch schon mal vor einigen zehntausend Zuschauern."



2. Minute

"Das war knapp! Mein lieber Schwan, das wäre beinahe der klassische Fehlstart für die FOLA gewesen, Gajzlers Schuß wird von Ofosuhene mit vollem Einsatz gerade noch so über die Latte abgelenkt.
Erste Ecke Rijeka .... Sore! Die Ecke kommt ein bißchen zu nahe vors Tor und da rauscht der FOLA-Keeper heran, wie man es von ihm kennt und schnappt sich die Kugel sicher aus der Luft."


5. Minute

"Rijeka scheint hier so schnell wie möglich für klare Verhältnisse sorgen und das aus ihrer Sicht wenig rühmliche Hinspiel vergessen machen zu wollen. FOLA findet bisher nur am und im eigenen Strafraum statt, die Gäste rennen pausenlos an und werfen sich entschlossen in jeden Gastgeber-Pass. Wer die Gäste eher abwartend erwartet hat, wird jetzt sehr überrascht sein. Die FOLA-Mannschaft ist es auf jeden Fall.
Und Coach Lavayeux tigert jetzt schon am äußersten Rand seiner Coaching Zone herum und versucht das Spiel seiner Mannschaft durch Zurufe besser auf den Gegner einzustellen. "Enger!" und "Raus, raus!", das war jetzt grade deutlich zu hören. Also steht nicht nur uns die FOLA deutlich zu defensiv im Moment, Lavayeux schmeckt der Anblick offenbar genausowenig."


12. Minute

"So ganz langsam ebbt der ganz große Anfangsdruck der Kroaten ein wenig ab und FOLA kann mal über ein paar Stationen aufbauen. Fiorillo hat den Ball auf dem rechten Flügel, nahe der Mittelline. Gibt nach innen, zu Rapnouil ... oh Mist, was für ein schlampiger Pass! Jankovic dazwischen, spielt sofort nach vorn auf Kasunic .... der hat Platz und geht schräg nach innen, ist schon an der Strafraumkante .... herrlicher Pass an den Elfmeterpunkt, Sore kommt raus ... aber Gajzler ist schneller ..... TOR für den FC Rijeka!
Gerade hab ich noch gesagt, dass sie die FOLA etwas befreit und jetzt diese kalte Dusche. Eins zu Drei in der Gesamtwertung, jetzt wird es sehr sehr schwer!
Man kann diskutieren, ob Sore vielleicht eher herauskommen muß in dieser Situation, aber wenn er das tut, macht er ja die kurze Ecke für Kasunic auf ... wenn man überhaupt jemandem hier den Schwarzen Peter zuschieben will, dann Fiorillo, dessen schlampiges Passpiel diesen herausragend gespielten Konter ja erst ermöglichte.
Bitter für FOLA. Aber das ist natürlich auch genau die Gefahr. Nur defensiv spielen geht nicht, und wenn man nach vorn spielt, besteht die Gefahr eines Konter, was gerade Rijeka auch einfach überragend beherrscht."


25. Minute

"Seit dem Gegentor haben paradoxerweise die Gastgeber die Zügel des Spieles mehr und mehr in die Hand genommen - was aber auch deswegen möglich war, weil sich Rijeka nun deutlich weiter zurückzieht. Sie wollten dieses Tor, sie haben es - und jetzt verlassen sie sich scheinbar darauf, dass FOLA keine drei Tore in einer Stunde schießen wird.
Wobei, Chancen sind ja durchaus da. Alleine Plazonja hätte schon zwei Tore erzielen können, scheiterte aber einmal am Pfosten und einmal an Gästekeeper Pilipovic. Dazu der Thuillier-Freistoß, der noch das Lattenkreuz streichelte ... die FOLA ist wie schon im Hinspiel gut in der Partie. Allerdings liegt sie auch wieder zurück. Noch ist genug Zeit, aber je länger dieses Null zu Eins bestand hat, desto schwerer wird es, die Ruhe und Konzentration zu bewahren.

Olajzola mit einer schönen Flanke aus dem Halbfeld - herausgeköpft. Marien schnappt sich den Abpraller und hält aus gut fünfundzwanzig Meters einfach mal drauf.... nee, weit drüber.
FOLA mit Feldvorteilen, Rijeka mit der Führung, wenns so bleibt, sind die Rotweißen ehrenvoll ausgeschieden."


38. Minute

"So ganz langsam kann man die Gästeführung mit Fug und Recht "glücklich" nennen. Das eben war der dritte - oder wenn man Thuilliers Freistoß mitrechnet, sogar der vierte - Schuß, der an Pfosten oder Latte scheitert. Dazu drei gute Torwartparaden... FOLA hätte den Ausgleich längst verdient."


Halbzeit

"Halbzeit im Stade Emile Mayrisch, und FOLA hadert mit der Chancenverwertung. Während die Gastgeber ein halbes Dutzend Chancen nicht in ein Tor umwandeln konnten, reichte Rijeka ein einziger grober Fehler Fiorillos, um durch ihren Sturmtank Gajzler den bislang einzigen Treffer zu erzielen.
So ganz langsam läuft FOLA natürlich nun auch die Zeit weg - sie brauchen mindestens zwei Tore, um zumindest die Verlängerung zu erreichen."


56. Minute

"FOLA ist mit einer Menge Wucht aus der Kabine gekommen, in den zehn Minuten nach Wiederanpfiff haben sie sich schon wieder drei gute Chancen herausgespielt, ohne zählbaren Erfolg allerdings.
Nächster Anlauf. Rapnouil mit einem langen Ball vom Mittelkreis aus nach vorn ... den könnte Plazonja erreichen ... ist eher am Ball als Smolcic ... ist im Strafraum, Pilipovic verkürzt den Winkel, Plazonja lupft .... TOOOOOOOOOR! Tor für die FOLA! Plazonja haucht den Gastgebern neues Leben ein, es fehlt nur noch ein einziges Tor für die Verlängerung! Herrlicher Pass von Rapnouil und herrlich verarbeitet von Plazonja, dessen Jubel man ansieht, wie viel Last ihm da von den Schultern fällt. Das war schon seine fünfte große Chance heute.

Anstoß Rijeka, Gajzler und Jankovic suchen direkt den Weg nach vorn .... Fiorillo dazwischen ... langer Ball in die Spitze ... da ist Plazonja wieder .... zieht direkt ab .... ich werd verrückt! TOOOOOOR für die FOLA, Plazonja mit zwei Toren in nichtmal zwei Minuten! Die machen mich fertig! Erst schießen sie eine Stunde lang aus allen Lagen auf Tor und scheitern ein ums andere Mal ... und dann zwei Tore in neunzig Sekunden...

Anstoß Rijeka, Gajzler ... schaut ... langer Ball auf auf Jankovic .... der ist frei vor dem Tor ... TOR für Rijeka! Das ist doch Wahnsinn! Die Kroaten gleichen aus, Stand jetzt ist FOLA wieder ausgeschieden! Wie kann man denn Jankovic so ungedeckt lassen - das war eine Kopie des Plazonja-Tores eben ... und ein absoluter Schlag in den Nacken. Die Gastgeber schienen gerade Oberwasser zu bekommen und jetzt brauchen sie erneut ein Tor, genauso wie schon beim Anpfiff. Drei Tore in nichtmal vier Minuten, absolut verrückt..."


75. Minute

"FOLA versucht alles, sie ackern, als ginge es um ihr Leben. Lavayeux hat inzwischen Voinier für den völlig ausgepumpten Bernardino gebracht, der nach der Pause deutlich schwächer unterwegs war als im ersten Abschnitt.
Und außerdem hat er Pereira für Marien gebracht und auf ein flaches vier vier zwo umgestellt.
Rijeka kommt kaum noch über die Mittellinie, sie wirken, als würden ihnen langsam die Beine schwer. Das Spiel ist aber auch von mörderisch hohem Tempo geprägt. Schon die erste Halbzeit war phasenweise sehr schnell, aber jetzt in der zweiten Hälfte sind beide Mannschaften sichtbar an ihre Grenzen gegangen ... und teilweise darüber. Balcaen muß mit Krämpfen raus, für ihn kommt Berbachi. Das ist für die Defensive keine gute Nachricht, den Balcaen gibt dem Defensiven Mittelfeld meist mehr Stabilität als der etwas offensiver denkende Berbachi. Andererseits, es sind nur noch etwa siebzehn, vielleicht achtzehn Minuten. So langsam muß Lavayeux das Risiko erhöhen..."


82. Minute

"Diesen Wechsel hätte ich schon eher erwartet: Olajzola muß auf dem linken Flügel für den pfeilschnellen Asrihi weichen. Olajzola ist natürlich paßstärker, aber eine vernünftige Flanke kann auch Asrihi schlagen. Und der ist wirklich wahnsinnig fix unterwegs. Mit Plazonja und Pereira sind ja inzwischen auch zwei Abnehmer für hohe Flanken im Strafraum vorhanden, vielleicht kommt ja doch noch eine durch?
Irgendwas muß jedenfalls passieren, die Kroaten haben sich inwzsichen ganz gut auf das vier vier zwo eingestellt und haben in den letzten Minuten absolut gar nichts mehr zugelassen."


88. Minute

"So langsam wird es immer wahrscheinlicher, dass sich die FOLA für das Riesenspiel, das sie hier vor allem in der zweiten Halbzeit abliefert, nicht belohnen kann. Immer wieder scheitern sie am letzten Abwehrbein und müssen neu aufbauen....
Innenverteidiger Prouchet hat den Ball am Mittelkreis, ihn hält auch nichts mehr hinten. Gibt nach links zu Berbachi, der gibt nach rechts zu Gasmi, der gerade für Fiorillo gekommen ist, weil der am Ende seiner Kräfte war.
Wieder nach links zu Berbachi ... sie suchen die Lücke .... Berbachi mit langem Pass ganz nach links zu Asrihi, der hat ein bißchen Platz .... doch da wird er schon von Smolcic gestellt und .... Asrihi tanzt ihn aus und nimmt Tempo auf, ist schon auf Höhe des Strafraum ... das kommt die Flanke .... Pereira! ... Pfosten! Plazonja ... TOOOOOOOOOOOOOOOOR! Tor für die FOLA und es ist Plazonjas drittes Tor am heutigen Abend! Hattrick gegen die Heimat sozusagen! Die Zuschauer, die in den letzten Minuten immer ruhiger geworden waren, sind jetzt wieder voll da, Stand jetzt gibt es Verlängerung .... und dieses dritte Tor ist sowas von hochverdient!"


Ende der regulären Spielzeit

"FOLA zwingt den haushohen Favoriten FC Rijeka tatsächlich in die Verlängerung. Lavayeux steht inmitten seiner Spieler, die einen Kreis um ihn herum gebildet haben. Wir können nicht hören, was er ihnen sagt, aber ich gehe fest davon aus, dass er sie lobt und anfeuert.  Und Lob haben sie verdient, allesamt. Was für eine Leistung bis hierhin."

102. Minute

"Man merkt den Spielern beider Mannschaften an, dass sie inzwischen über einhundert Minuten temporeichen Fussballs ohne große Verschnaufpausen in den Knochen haben, das ganz große Spektakel ist die Partie in der Verlängerung bis hierhin nicht ... auch weil beide Mannschaften das Risiko ein bißchen scheuen .... jetzt vielleicht Asrihi nochmal .... wird nicht angegriffen auf seiner linken Seite ... kann in Ruhe flanken .... Pereira gewinnt das Kopfballduell im Strafraum! Schieß doch aufs Tor, Mann! ... aber Pereira gibt nach links, da kommt Plazonja angerauscht ... Pfosten! ... Nein Innenpfosten, der Ball kullert ins Gästetor .... TOOOOOOOOR für FOLA! TOOOOOOOOOOR! Das ist das Vier zu Zwei! Unfaßbar, ein Kunstschuß! Der Name "Plazonja" wird nach diesem Abend jedem Kroaten geläufig sein, da bin ich mir sicher. Viererpack!"

117. Minute

"Nur noch wenige Minuten überstehen, dann ist die Riesensensation perfekt ... aber noch ist es nicht so weit, Rijeka kommt nochmal .... Jankovic schon Mitte der gegnerischen Hälfte ... steckt nach vorn durch für ... Gajzler .... Gaizler! ... Sore hält .... Oh nein! Gajzler nimmt den Abpraller volley und versenkt ihn.... TOR für Rijeka. Das zweite für Gajzler an diesem Abend, ein weiterer Nackenschlag für eine FOLA-Mannschaft, die inwzischen ganz offensichtlich auf dem Zahnfleisch kriecht. Mehrere Spieler schleppen sich nur noch von einem Krampf zum nächsten .... und es sind keine Wechsel mehr möglich, da inzwischen auch Araujo für den angeschlagenen Ofosuhene auf dem Feld steht.

Und es sind immer noch mindestens drei Minuten zu spielen."



Ende der Verlängerung

"Elfmeterschießen! FOLA kann sich tatsächlich glücklich schätzen, dieses noch erreicht zu haben, denn Sekunden vor dem Abpfiff retteten Sores Fingerspitzen und die Latte die knappe Führung.

Jetzt natürlich die bange Frage - wer fühlt sich bereit, um in dieser Drucksituation einen Elfmeter zu schießen?

....

Schöne Bilder auf dem Rasen eben - Sore wurde von allen FOLA-Spielern, auch den Reservisten, abgeklatscht und nochmal angefeuert.

Rijeka hat den ersten Elfmeter.

Erstes Duell lautet Gajzler gegen Sore. Zweimal hat er heute schon getroffen ... kurzer Anlauf ... schießt nach links .... Sore hält ihn! Er hält ihn! Vorteil FOLA!

....

Erster FOLA-Schütze ist natürlich Plazonja. Ganz kurzer Anlauf nur ... TOR! Rechts oben versenkt, das sah extrem abgezockt aus. Keine Chance für Pilipovic.

....

Zweiter Gästeschütze ist Banda. Langer Anlauf diesmal .... schießt wieder links ... SORE! Der hält auch den zweiten! Unglaublich!

....

Zweiter für FOLA ist Rapnouil .... TOR! Unten links, keine Chance für den Keeper.

....

Jetzt Tomek als dritter Schütze für Rijeka .... Tor. Der war zu platziert für Sore, obwohl er die Ecke wieder hatte.

....

Pereira für FOLA .... vier lange Schritte Anlauf ... und unten rechts versenkt! Drei zu Eins für die Gastgeber.

....

Frigan muß jetzt für Rijeka treffen ... tut er auch. Souverän ins linke Eck, Sore verladen.

....

Aber jetzt kanns trotzdem gleich vorbei sein. Wenn Kapitän Gasmi trifft, ist FOLA in der dritten Runde. Läuft an ... TOOOOOOOOOOOOOR! JAAAAAAAA! FOLA gewinnt ein hochdramatisches Rückspiel gegen den FC Rijeka verdient nach Elfmeterschießen und zieht in die dritte Runde der Conference League-Qualifikation ein! Was für ein Spiel, was für eine Leistung!"



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« Letzte Änderung: 02.August 2023, 20:24:48 von Achtelprofi »
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Einschub: Geschichte, Teil I


Aus der Vogelperspektive wirkt die Stadt noch kleiner, als sie sowieso schon ist.
35.000 Einwohner, was ist das schon? Ein auffällig winziger Klecks auf der Luftkarte, die gerade über den Bildschirm flimmert.
Was allerdings auch sofort auffällt: der winzige Klecks namens "Esch-sur-Alzette" ist dicht umringt von vielen anderen kleinen Klecksen, die jeder Escher Schüler sofort zu benennen weiß:
im Osten Schifflingen, im Südosten Rümelingen, im Nordwesten Monnerich, im Westen Oberkorn, Niederkorn, Belvaux und Differdingen. Alles in einem Radius von unter zehn Kilometern um Esch herum.
Und eher am Rande des Bildausschnittes, in einem Radius von etwa 15 bis 20 Kilometern, sind noch viele, viele weitere kleine, sehr kleine und winzige Kleckse zu sehen, die der erfahrene Luxemburg-Kenner natürlich ebenfalls sofort zuordnen kann:
(Für alle anderen wird nach einigen Augenblicken eine Reihe von Namen und Pfeilen eingeblendet, die auch dem unerfahrenen Luxemburg-noch-nicht-so-gut-Kenner verraten, welche Ortschaften da gerade zu sehen sind.)
Düdelingen, Bettembourg, Petingen, Käerjeng, Rodingen, Tetingen, Hesperingen, Strassen, Mamer ....
.... und im Nordosten schließlich ein mittelgroßer Klecks: die Hauptstadt Luxemburg.

Während die Kamera etwas näher heranzoomt, bis nach einigen Augenblicken ausschliesslich noch der Südwesten des Landes zu sehen ist, beginnt eine beruhigende, seriöse, tiefe, männliche Stimme zu sprechen.


"Die Minett, eine hügelige Kulturlandschaft im Südwesten Luxemburgs.
Benannt nach der Minette, rotem Eisenerz, das mit Beginn der Industrialisierung hier in großer Menge abgebaut und verhüttet wurde.
Hier, in dieser über viele Jahrzehnte von Gruben, Schächten, Eisenhütten und rauchenden Schloten beherrschten Bergbauregion ... hier beginnt unsere Geschichte.

Diese Region hat den Fussball in unserem Land seit dem Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts eindrücklich geprägt und prägt ihn bis heute. Die meisten bedeutenden Vereine sind hier zu finden, bis zum Jahre 2002 war jeder einzelne luxemburgische Meister entweder hier oder in der Hauptstadt Luxemburg beheimatet....

... und hier, in diesem kleinen Dreieck zwischen Rodingen im Westen, Luxemburg-Stadt im Nordosten und Düdelingen im Südosten ... hier trat der luxemburgischen Fussball ins Leben.
Und seine Geschichte beginnt mit einem Lehrer."


Die Karte Südwestluxemburgs macht einer historischen Ansicht Esch-sur-Alzettes platz, zu sehen sind auf den zu einer Collage zusammengestellten verblichenen Photographien Straßen und Plätze, eine Eisenhütte, verrußte Bergwerksarbeiter und so weiter.
Ein Querschnitt durch das, was Anfang des 20. Jahrhunderts in einem Ort, der vom Eisen lebt, zu sehen war. Rechts im Bild ein Schulgebäude.


"1902 kehrte der Englischlehrer Jean Roeder von einem langjährigen Aufenthalt in Mittelengland zurück und begann an der Industrie- und Handelsschule in Esch-sur-Alzette Englisch zu unterrichten. Allerdings nicht nur Englisch - denn Roeder, der aufgrund seines langen Englandaufenthalts den Spitznamen "John" bekam, hatte von seiner Reise auch eine heftige, chronische Infektion mitgebracht. Die Krankheit, mit der er sich angesteckt hatte, wurde im deutschen Sprachraum bald "die englische" genannt - und es handelte sich dabei natürlich um das Fussballspiel."


Die Photo-Collage weicht unscharfen Stummfilmaufnahmen, die ein Fussballspiel zeigen. Einige Spieler mit einfarbigen hellen bzw dunkel längsgestreiften Trikots kämpfen auf einer Wiese um einen Ball. Im Hintergrund sind dichtgedrängt Zuschauer in der Mode der frühen Zwanziger zu sehen. Zum Ende des Filmausschnitts gelingt es einem der Dunkelgekleideten, die Lederkugel mit derartiger Wucht in ein etwas schiefstehendes Tor zu befördern, dass es das Tornetz samt der Torstangen umwirft.
Auf einer ins Bild gehaltenen Schiefertafel steht "And that's how The Wednesday won the Steel City Derby!", danach bricht die Aufnahme ab.


"Fairerweise sei erwähnt, dass Roeder nicht der erste war, der Fussball in Luxemburg propagierte. Aber von denen, die vor ihm solche Versuche unternahmen, kennen wir im besten Falle den Namen und ein, zwei Eckdaten - wie im Falle eines gewissen Henri Baclesse, der bereits 1889, ebenfalls nach einer Englandreise, Fussballspiele in Luxemburg zu organisieren versuchte. Die Begeisterung dieser frühen Pioniere war vielleicht genausogroß wie die Roeders, aber sie fiel nicht ansatzweise auf so fruchtbaren Boden und so waren sie bald wieder vergessen.
Roeders Fussballbegeisterung dagegen wurde von seinen Schülern rasch geteilt. Wie in England auch war der neue Sport im Großherzogtum zunächst eher ein weiteres Elitenvergnügen, das vornehmlich an Universitäten und sonstigen Lehranstalten des Bürgertums gespielt wurde. Oft genug wurden die Fussballvereine nur gegründet, um im Winter eine Alternative zum dann oft nicht möglichen Kricket zu haben."


Das Bild zeigt nun ein idyllisches Bild großbürgerlicher Zerstreuung in einem Park. Die Damen in Reifrock und hochgeschlossenen Blusen unter ausladenden Hüten und Sonnenschirmen anmutig lächelnd, knicksend und kichernd, die Herren wahlweise ernst und wichtig dreinblickend oder auf einen Blick der erwähnten Weiblichkeit hoffend auf- und abstolzierend, jedoch in jedem Falle in Frack und Zylinder.


"Die mit dem Fussballspiel zusammenhängenden Werte wie Großzügigkeit, Uneigennützigkeit oder Eigeninitiative sollten idealerweise zur Entstehung einer "neuen Ritterlichkeit" in den Söhnen des Bürgertums führen.
Arbeiterkinder wurden als ungeeignet angesehen, sich solch hehren Idealen zu verschreiben.
Wie erwähnt, hatte das neue Ballspiel auch in England so seinen Anfang genommen, sich jedoch entgegen aller Verhinderungsversuche des Bürgertums über alle Bevölkerungsschichten hinweg ausgebreitet - und früh schon kam es zur ersten großen Spaltung im Fussball, als nämlich der sogenannte association football und das heutige Rugby getrennte Wege gingen.
Und in Kontinentaleuropa wiederholte sich die seuchenartige Ausbreitung des Fussballspiels - über Kaufleute in den Häfen und eingewanderte Arbeiter verbreitete sich der Fussball auch in Frankreich, Belgien, den Niederlanden oder Deutschland rasch in allen Bevölkerungsschichten.

Und Luxemburg konnte sich dieser Entwicklung natürlich nicht verschließen.
Als Roeder am 09. Dezember 1906 den ersten luxemburgischen Fussballverein gründete, da steckte schon im Namen der elitäre Anspruch, denn der Club firmierte unter dem Namen "FOotball and LAwntennis Esch", kurz FOLA Esch.
Aber schon ein reichliches halbes Jahr später, genauer am 13. August 1907, gründete einer der Schüler Roeders, ein gewisser Jean-Pierre Weber, im Arbeiterviertel "op der Escher Grenz" einen weiteren Verein, die Jeunesse la Frontière d'Esch, heute besser bekannt als Jeunesse Esch.
Hier die FOLA, der "Verein der besseren Leute", wie er noch in den Fünfzigers verschrien war, da die Jeunesse, der Arbeiterclub.

Startpunkt einer bis heute andauernden Rivalität und des ältesten Fussballderbies in Luxemburg."



Die Dokumentation wird an dieser Stelle jäh unterbrochen, als das Logo einer luxemburgischen Bank ins Bild rückt und eine weibliche Stimme, die sich vor Begeisterung fast überschlägt, nullkommaachtfünf Prozent Guthabenzins für Konten bei ebendieser Bank anpreist.
Werbung also.



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« Letzte Änderung: 04.August 2023, 15:22:02 von Achtelprofi »
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Muffi

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Sehr, sehr stark! Vor allem Gratulation zum zweiten Pokalsieg, dem guten Abschneiden in der Meisterschaft und vor allem dem sensationellen Weiterkommen im Europapokal! Grandios ein solches Schwergewicht auszuschalten, jetzt bin ich gespannt wer in der nächsten Runde wartet.
Heute geht's wieder nach Hause und ich denke mal, dass es dann in den nächsten Tagen Berichte aus Estland geben wird.  :)
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MAZ ab!



Ende Dezember 2030, Studio 3 des Senders "Earth Luxemburg", Luxemburg-City



Der dunkelgrüne Ohrensessel, der mir im Halbdunkel angeboten wird, ist zwar bereits ein bißchen abgewetzt, sieht aber sehr gemütlich aus.
Ich deute eine leichte Verbeugung meiner Gastgeberin gegenüber an, dann setze ich mich, bereue das aber sofort.
Dieser Stuhl sieht nicht nur gemütlich aus  - der verschluckt mich regelrecht! Ich versinke wie in einem Wasserbett und muß mich arg beherrschen, nicht mit den Armen zu rudern wie ein Ertrinkender.

Frau Muller gibt ihr Bestes, kann das Grinsen, das sich auf ihre Mundwinkel stiehlt, jedoch selbst bei diesen Lichtverhältnissen nicht ganz verbergen.
Mühsam rappele ich mich wieder auf und rutsche auf dem Sessel weiter nach vorn, so dass ich fast aufrecht sitze, immerhin. Bequem ist daran jedoch nun gar nichts mehr, ich fühle mich, als würde ich jeden Moment nach hinten umfallen.

Glücklicherweise werde ich in diesem Moment von meiner Pein abgelenkt, denn der große Scheinwerfer über uns wird just jetzt eingeschaltet und taucht sowohl Frau Muller als auch mich in ein warmes Licht.
Gleichzeitig tönt eine enthusiastische männliche Stimme aus dem Off:

"Herzlich Willkommen bei 'Reingegrätscht', dem Fussballtalk. Bitte begrüßen Sie mit einem kräftigen Applaus die frischgebackene Gewinnerin des Luxemburger Fernsehpreises, Madeleine Muller ... und ihren heutigen Gast, den Trainer des CS FOLA Esch ... Gerard Lavayeux!"

Aus den dunklen Bereichen jenseits der Bühne brandet ein in der Tat starker Applaus zu uns ins Licht.

Frau Muller - wie immer in ihr Markenzeichen, den ihre Haare perfekt zur Geltung bringenden smaragdgrünen Anzug, gekleidet - nimmt den Beifall mit einem strahlenden Lächeln entgegen und begrüßt mich dann ihrerseits mit einer einladenden Handbewegung, während sie sich zum Publikum dreht.

"Gerard Lavayeux, meine Damen und Herren!"

Gekonnt - weil zigmal geübt - wendet sich sich genau im richtigen Moment wieder mir zu:

"Herzlich Willkommen, Gerard ... ich darf Sie doch Gerard nennen, oder? ... ich freu mich wirklich sehr, dass Sie unserer Einladung gefolgt sind. Dass es ausgerechnet zu unserer fünfzigsten Folge geklappt hat, macht es umso schöner, dass Sie heute da sind!"

"Die Freude ist ganz meinerseits, Frau Muller. Genaugenommen streichelt es mein Ego, dass ich eingeladen wurde."

Sie unterdrückt ein Lachen. "Fühlen Sie sich prominent?"

"Ja und nein. Ja, weil auf diesem Stuhl hier erfahrungsgemäß ausschließlich bekannte Menschen aus der Welt des Fussballs sitzen. Nein, weil ich ohne meine Mannschaft nicht hier säße und mich daher eher wie ein Platzhalter für die Jungs fühle."

Sie lacht nun doch. "Sie quellen ja geradezu über vor Bescheidenheit, Gerard. Sind Sie nicht wenigstens ein bißchen stolz auf das, was Sie in den letzten Monaten erreicht haben?"

Ihr Lachen bringt mich nochmal um den Verstand. Sie ist inzwischen 41, falls Wikipedia nicht lügt, aber wenn sie lacht, wirkt sie immer noch wie eine übermütige Teenagerin und zieht mich auch noch genauso in ihren Bann.

(Ganz genauso wie früher, als ich die Zusammenfassung der Spieltage in den unteren Ligen nur deswegen im Fernsehen verfolgt habe, weil sie die Moderatorin war. Als sie - da war ich noch Trainer in Grevels und wir hatten gerade den Amateurpokal gewonnen - das erste Interview mit mir (mit MIR! SIE! Ein Interview!) führte, fühlte ich mich wie ein König. Und hab auch genausoviel Unsinn erzählt wie ein solcher. Zum Glück gibts davon nur einen winzigen Ausschnitt bei youtube - der ist aber schon schlimm genug.)

Zusammen mit den wahlweise lebens- und angriffslustigen Augen, den roten Locken und ihrer quirligen Gestik wirkt sie auch heute im Studio keineswegs, als sei sie ganze drei Jahre älter als ich. Ich komm mir eher so vor, als sei sie zehn Jahre jünger... aber ich schweife schon wieder ab.
Ich muß mich wirklich innerlich zur Ordnung rufen, um ihre Frage zu beantworten - statt sie wie ein verliebter Siebtklässler anzustarren.

"Stolz? Ja, vielleicht, aber wie gesagt - eher auf die Jungs als auf mich. Ich fühle mich wie ein absoluter Glückspilz, weil es einfach Spaß macht, mit diesem Team zu arbeiten, trotz der Widrigkeiten, mit denen wir zu kämpfen haben und trotz aller Sachzwänge."

Sie nickt, was ihren Locken ein faszinierendes Eigenleben verleiht und mich erneut kurz ablenkt, so dass ich nur noch einen Teil ihrer nächsten Frage mitbekomme.

"... enttäuscht, dass Sie gegen Dnipro -2 ausgeschieden sind?"

Ich überlege blitzschnell, wie der erste Teil des Satzes wohl gelautet haben könnte, wenn ich das vorherige Thema in betracht ziehe, dann antworte ich:

"Enttäuschung ist ganz sicher auch dabei, natürlich. Wir waren sehr nahe dran an einer weiteren großen Sensation. Wenn ich zum Beispiel an den Pfostenschuß in der Nachspielzeit denke .... Aber mit ein wenig Abstand muß ich auch sagen, dass das vorherrschende Gefühl definitiv Stolz auf das Erreichte ist. Nach der klaren und verdienten Heimspielniederlage auswärts so zurückzukommen und die Gastgeber so anzuknocken - das war schon stark von der Mannschaft. Dass ich hier sitzen und im Brustton der Überzeugung behaupten kann, dass wir den Tabellendritten der ukrainischen Liga beinahe noch aus dem Wettbewerb gekegelt hätten, ist genauso schwer zu glauben wie wahr."







"Man darf ja auch nicht vergessen, dass wir ausgerechnet während dieser Zeit ungewollte Fluktuation im Kader zu verzeichnen hatten  - Daniel Perez kündigte seinen Abgang im Winter an, was uns hart getroffen hat."

Sie nickt. "Und nicht zu vergessen die Querelen um Plazonja und Olaizola, die beide öffentlichkeitswirksam erklärten, den Verein aufgrund extrem lukrativer Angebote sofort verlassen zu wollen - ein Vorhaben, dem der Verein jedoch ebenso öffentlichkeitswirksam einen Riegel vorgeschoben hat. Inwieweit war das in der Mannschaft ein Thema?"

"Ich werde keine Interna ausplaudern, bitte haben Sie dafür Verständnis. Was ich sagen kann, ist dies: wir freuen uns wirklich sehr, dass beide Spieler noch bis zum Ende der nächsten Saison unserem Team angehören. Sie sind ungeheuer wichtig für die Mannschaft, auf und neben dem Platz. Und ich persönlich rechne es beiden hoch an, dass sie - bei allem verständlichen Ärger über die abgelehnten Angebote von Rijeka bzw Willem II - weiterhin einhundert Prozent für Mannschaft und Verein geben."


"Wie wichtig gerade Karlo Plazonja ist, konnte man im Herbst sehen, als FOLA in seiner Abwesenheit mehrfach Punkte gegen Abstiegskandidaten liegenließ. Gegen die Topmannschaften der Liga sehen Sie dagegen im Allgemeinen deutlich besser aus. - Hat die FOLA ein ernsthaftes Problem damit, das Spiel zu machen, Gerard?"

Ich schüttele den Kopf. "Das würde ich nicht so verallgemeinernd sagen, nein. Sicher ist unser Spielansatz leichter umzusetzen, wenn der Gegner das Spiel machen will, aber mit Marien, Roger oder auch Pereira und Rapnouil haben wir genügend kreative Energie in der Mannschaft. Ich sehe es eher als ein Konzentrationsproblem - an dem wir auch arbeiten. Denn auch die viel zu hohe Anzahl später Gegentore ist inakzeptabel.

Aber, um das klar zu sagen, das ist Meckern auf sehr hohem Niveau, denn wir stehen in der zweiten Saison in folge deutlich besser da als erwartet. Wir sind äußerst knapp aus dem Europacup ausgeschieden, haben dort aber in sechs Spielen sagenhafte vier Siege herausgespielt. Wir stehen im Pokal in der fünften Runde und sind in der Liga Siebter mit vagem Blickkontakt zu den internationalen Plätzen. All das ist alles andere als selbstverständlich, sondern Beleg dafür, dass wir bei FOLA definitiv auf dem richtigen Weg sind."


"Und auch die Geldprobleme der Vergangenheit gehören ja offenbar der, nunja, Vergangenheit an," grinst Muller. "Nicht nur der Europacup, sondern auch die clevere Verkaufspolitik des Vereins haben für kräftige, unerwartete Einnahmen gesorgt."

"Ja, im Europacup sind alles in allem fast anderthalb Millionen Euro an Extraeinnahmen zusammengekommen, dazu haben wir durch die Weiterverkaufsbeteiligungen bei Langlois , Cissé und Vintonji nochmal vier Millionen Euro eingenommen, die bei der Weiterentwicklung des Vereins natürlich sehr hilfreich sind."





"A propos Finanzen - stimmt es eigentlich, dass die FOLA zur nächsten Saison - als erst sechster luxemburgischer Verein überhaupt - auf vollprofessionelle Füße gestellt wird? Und stimmt es, dass die Infrastruktur einer signifikanten Erweiterung entgegensieht?"

Diesmal kann ich mir das Grinsen nicht verkneifen - ich war mir sicher, dass diese Frage Teil des Interviews wird und habe mir daher im Voraus die folgende Antwort von Edwin Thill absegnen lassen: "Das wird gerade intern diskutiert, die Umwandlung in einen vollständig professionell arbeitenden Verein bietet allerdings neben allerlei Vorzügen auch signifikante Risiken. In dieser Angelegenheit gibt es von der FOLA vorerst nichts zu berichten. Wenn sich das ändert, werden wir die Öffentlichkeit sofort benachrichtigen."

(Unter uns gesagt - da gibt es schon seit einigen Monaten nichts mehr zu diskutieren, im Hintergrund läuft die Vorbereitung auf diesen womöglich entscheidenden Schritt in der Geschichte der FOLA auf Hochtouren. Aber das binden wir zum jetzigen Zeitpunkt niemandem auf die Nase - auch dann nicht, wenn diese Nase wie im vorliegenden Fall wirklich ausnehmend hübsch ist.)




Muller nickt.
"Kommen wir mal kurz zurück zu sportlichen Themen. In der Liga stehen Sie deutlich über dem offiziellen Saisonziel - Sie wollten nichts mit dem Abstieg zu tun haben. Stattdessen haben Sie nun sogar noch theoretische Chancen auf eine erneute Europapokalteilnahme. Wie schätzen Sie die Situation ein?"


"Nun, erst einmal möchte ich festhalten, dass wir nach Ausweis aller Statistiken, inklusive des heutzutage offenbar unverzichtbaren xG-Wertes, besser dastehen als zu erwarten ist. Insofern wäre es für niemanden im Verein eine Überraschung, wenn am Ende der Saison vielleicht sogar 'nur' ein zweistelliger Platz zu buche stünde. Es ist aber natürlich auch klar, dass wir Platz Sieben nicht kampflos aufgeben wollen. Immerhin geht es, neben dem sportlichen Wert, auch um den einen oder anderen Euro an Platzierungsprämien. Wir haben eine inzwischen gut eingespielte Mannschaft, die in nahezu allen Mannschaftsteilen doppelt besetzt ist, wir haben einen Teamgeist, den wir Trainer uns nicht besser wünschen könnten und wir haben ein Publikum, das, wenn auch mitunter nicht allzu zahlreich, immer zu einhundertundzehn Prozent hinter uns steht. Gerade Letzteres ist bei der wenig ruhmreichen Geschichte der FOLA in der letzten Dekade keineswegs selbstverständlich und wir schätzen diesen Support wirklich sehr.

Um Ihre Frage etwas konkreter zu beantworten: wir möchten gern mindestens einen einstelligen Tabellenplatz, aber dieses Ziel haben ein Dutzend andere Mannschaften in der Liga auch. Und deswegen werden wir so hart wie möglich für die Erreichung dieses Zieles arbeiten - was dann schlußendlich dabei herumkommt, werden wir sehen."


Muller schmunzelt. "Das war ja äußerst konkret, Gerard."
Ich hebe in einer, wie ich hoffe, charmant-entwaffnenden Geste die Hände.

"Themawechsel. In der Stadt gibt es ja drei Fussballvereine. Und während die US Esch nicht als ernsthafte Konkurrenz wahrgenommen wird, besteht zwischen FOLA und der Jeunesse eine der, wenn nicht sogar DIE erbittertste Rivalität, die es zwischen zwei Luxembuger Vereinen gibt. Schauen Sie in dieser Saison schadenfroh zu den Nachbarn rüber?"

"Nein. Zum einen wissen wir genau, wie bescheiden es sich anfühlt, den eigenen Ansprüchen so weit hinterherzuhinken, zum anderen - wenn Esch Südwest wirklich absteigt, könnten wir ja höchstens noch im Pokal mit ihnen die Klingen kreuzen. Und das wäre schrecklich für die Fans, aber auch für uns. Die Stadtduelle sind die wichtigsten Spiele in einer Saison, und daher drücke ich den Schwarzgelben alle Daumen, dass sie Platz zwölf vielleicht doch noch erreichen."





Muller lächelt ob meiner diplomatischen Antwort, ein bißchen ironisch, wie es scheint.
"Ich habe da noch eine andere Frage, die mit dem Sportlichen nichts zu tun hat," beginnt sie langsam. Ihr Lächeln ist jetzt eindeutig ein fast schon süffisantes Grinsen. Was kommt denn jetzt?!

"Werden Sie in der Kabine eigentlich ab und an mal aufgezogen?"


Ich schaue sie verständnislos an. "Worauf wollen Sie hinaus, Frau Muller?"

"Nun, als bekennender Heavy-Metal-Fan stellen Sie ja doch so etwas wie einen Exoten in der Fussballwelt dar."


Meine Anspannung löst sich in einem befreiten Lachen. Da frag ich mich, was für ein finsteres Geheimnis sie wohl ausgegraben hat und sie kommt mit meinem Musikgeschmack um die Ecke!

"Nein, das ist in der Kabine sehr, sehr selten überhaupt mal Thema. Andererseits halte ich das ja auch nicht geheim, wer mich auch nur ein bißchen kennt, weiß, dass ich Rock und Metal sehr gern mag und auch häufiger auf entsprechende Konzerte gehe, wie jetzt am 25. zur Reunion-Tour von Heaven Shall Burn in Metz und ...."
Ich breche ab, weil aus Mullers Gesicht in einem Sekundenbruchteil ein riesengroßes "OH!" steht.

"Die haben sich wiedervereinigt?!"
"Öhm, ja, haben Sie - kennen Sie die Band etwa?"
Ich bin ein bißchen perplex ob dieser Reaktion.

"Die sind eine meiner absoluten Lieblingsbands!", sagt die Moderatorin, die in diesem Moment ganz im Gegensatz zu ihrer gewohnten Souveränität ein bißchen fahrig wirkt. "Wissen Sie, ob es noch Karten gibt?"

Ich fühl mich, als hätte ich einen Puls von dreihundert, weil sich vor mir plötzlich eine ganze Welt von Möglichkeiten auftut, an die ich niemals gedacht hätte.
Schon zwei Minuten später habe ich keine Erklärung mehr dafür, wie ich es geschafft habe, nach außen so komplett ruhig und gelassen zu bleiben - aber ich schaffe es. Für diesen einen, kleinen, wichtigen Moment schaffe ich es.

"Die Karten für alle Konzerte waren innerhalb von wenigen Minuten ausverkauft", entgegne ich. Dann warte ich den einen Sekundenbruchteil, den es braucht, damit ihr Gesicht die ersten Anzeichen von Enttäuschung zeigt. Und DANN füge ich hinzu: "Aber ich kenne jemanden, der eine Karte übrig hat und einen Begleiter sucht, weil derjenige, der mitkommen wollte, abgesagt hat."

Für einen Moment herrscht im ganzen Studio vollkommene Stille.
Dann räuspert sich Madeleine.
"Ist das eine offizielle Einladung?"
"Wenn Sie mir gestatten, Sie einzuladen - dann ja, sehr gern."

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« Letzte Änderung: 11.August 2023, 10:16:43 von Achtelprofi »
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Was für ein Wahnsinnsrun in Europa! Selbst das Aus gegen Dnipro war mit diesem engen Ausgang der Stoff für eine weitere von Lavas Luxemburgische Legenden! Jetzt bleibt nur zu hoffen, dass es für den guten mit Madeleine diesmal besser verläuft als in seinem Traum. Sonst gibt das am Ende noch...
BLACK TEEEEEAAAAAAARS! *Dedededededededede*  ;D
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...und der Teufel schickt uns einen Kuss, wir haben von alledem gewusst!

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Erneut starke Runde und ein schöner Beitrag! Schön eingebettet in das Interview und die Liebeleien Lavayeuxs' würzen das Ganze.
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Sehr sehr cool! Schön, dass du die hübsche Madeleine wieder eingebaut hast, aber natürlich Gratulation zu der tollen Leistung in Europa und vor allem dem baldigen Profistatus!
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Casanova is overrated



Frühjahr 2031, Esch d'Alzette, Luxemburg


Das Interview produziert weniger Schlagzeilen als ich erwartet habe.

Der Boulevard kann es sich zwar nicht verkneifen, die eine oder andere suggestive Headline in die Zeitung zu ka ... äh ... setzen ("Muller: ist ER ihr Neuer?", darunter eine ziemlich schlechte Photomontage von uns beiden, die ein verliebtes Pärchen suggerieren soll), aber alles in allem bleibt der Aufruhr im Blätterwald weitgehend aus.

Ganz im Gegenteil zu meinem Kopf, da herrscht zwischen dem Interviewabend und dem Moment, indem ich Madeleine zum Konzert abhole, komplettes Chaos.

Ich male mir dutzende mögliche Szenarien aus, von "Hui" bis "Pfui", werde von Tag zu Tag immer nervöser und bin mehrmals kurz davor, die ganze Aktion unter Krankheitsvorwand abzublasen, damit ich mich mit meinem Interesse an ihr nicht zum Deppen machen kann.

(Meine Erfahrungen mit dem Tretminenfeld der Zweisamkeit sind, äh .... begrenzt. Abgesehen von einer flüchtigen Jugendliebe hab ich bisher nur Erfahrungen als Trittbrett vorzuweisen. Soll heißen: das Dasein als Hannes' bester Freund hatte unter anderem den Nachteil, dass ich bei allen an mir interessierten Damen fest davon ausgehen durfte, dass sie eigentlich nur einen Weg suchten, an Hannes heranzukommen.

Und auch wenn die Freundschaft seit seinem Wechsel nach Wien deutlich abgekühlt ist und wir eigentlich nur noch unregelmäßig belanglose whatsapp-Nachrichten austauschen - die fixe Idee, dass da, wo Frauen und Gefühle gleichzeitig im Spiel sind, für mich eigentlich nur Enttäuschung lauert ... diese fixe Idee werde ich irgendwie nicht los.)


Und dann ist der Abend da, ich habe natürlich nicht abgesagt (wär ja auch schön dämlich gewesen - eine so zwanglose Gelegenheit, Madeleine näher kennenzulernen, bekomme ich so schnell nicht wieder!) ... und wir verbringen einen sehr angenehmen (wenn auch natürlich zeitweise sehr lauten) Abend miteinander, stellen etliche Gemeinsamkeiten fest und unterhalten uns prächtig, wie ich finde.

Ich habe mich fünf Minuten vor dem Treffen spontan dazu entschlossen, den Abend mit freundlicher, aber professionell-distanzierter Einstellung zu bestreiten - eben so, wie ein in der Öffentlichkeit stehender, ungebundener Fussballtrainer einen Abend mit einer ebenso ungebundenen und noch mehr in der Öffentlichkeit stehenden Journalistin bestreiten sollte, damit es kein unnötiges Gerede gibt.
Gentleman halt.

Auch als wir nach der dritten Zugabe (die auch endlich den Coversong "black tears" umfaßt, der mir als beinhartem Edge-of-Sanity-Fan ein extrabreites Grinsen ins Gesicht zaubert) noch auf einen Absacker an der Bar des Hotels landen, das wir uns für die Übernachtung geleistet haben (Madeleines Idee) bleibe ich höflich und anständig, blocke jegliche allzu privaten Nachfragen mit - so hoffe ich - charmantem Worten ab und verabschiede mich schlußendlich an ihrer Zimmertür mit einer galanten Verbeugung.


Als ich später allein auf dem Balkon meines Hotelzimmers stehe und mir einen letzten Drink vor dem Schlafengehen genehmige, proste ich mir selbst zu.
Lief doch sehr gut für ein erstes Treffen, ich bin sicher, dass sie nun einen wirklich guten Eindruck von mir hat.
Und das leise "Idiot!" in dem Moment, als ihre Zimmertür zuschlug, habe ich mir mit Sicherheit eingebildet, das war wahrscheinlich wieder mal meine eigene Unsicherheit, sonst nichts.

Am nächsten Morgen erwache ich vom Summen meines Telefons - eine Whatsapp-Nachricht. Von Madeleine, wie ich kurz darauf feststelle.

"Guten Morgen, ich mußte schon los, Termin im Studio. Danke für den Abend, Madeleine"


Ein bißchen kurz, normalerweise spricht (und schreibt) sie etwas ausführlicher, aber wahrscheinlich war sie nur im Streß. Ich schreibe ihr also beim Frühstück im Hotelbistro zurück:

"Guten Morgen Madeleine, ich fand den Abend auch sehr schön, vielleicht kann man das ja bei Gelegenheit mal wiederholen? GG (Grüße, Gerard)"

Als ich fünf Tage später noch immer keine Antwort erhalten habe, hake ich nochmal nach:

"Alles in Ordnung?"

Die Antwort trifft zwei Tage später ein:

"Ja, alles in Ordnung. Melde mich wegen Wiederholung."

Na dann werde ich mal Gentleman-Qualitäten beweisen und geduldig warten.


~~~~~~~~~~


Zum Glück gibt es ein bißchen Ablenkung für mich - in Form des CLubs, den ich trainiere.
Die Ausgangslage für einen Angriff auf die internationalen Plätze könnte natürlich besser sein, aber andererseits sind diese Plätze ja gar nicht unser Ziel.

Sei es wie es sei - das neue Fussballjahr beginnt für uns mit einem Auswärtsspiel beim FC Rodange.
Die Gastgeber stecken ein bißchen im Niemandsland fest. Halbwegs vernünftiges Polster nach unten, nach oben brauchen sie in dieser Saison gar nicht mehr zu schauen - und wir zeigen ihnen auch relativ deutlich, wieso. Unsere Abwehr steht - nach einem frühen Blackout, den wir mit dem Rückstand "veredeln" - sicher, und vorne sticht zweimal Plazonja-Vertreter Mundadi, der sich zwar eher hinter den Spitzen wohlfühlt als im Sturmzentrum, der das heute aber einfach überragend macht. 2:1-Auswärtssieg. Klingt nach Arbeit, war es auch, aber unverdient ist das ganz sicher nicht, wie sogar der Rodange-Trainer nach der Partie freimütig zugibt.

Danach ist das wichtigste Heimspiel der Saison angesagt - gegen Esch Südwest sollen unbedingt drei weitere Punkte her. Die Schwarzgelben stecken weiterhin tief im Abstiegsschlamassel, das darf uns aber nicht interessieren.
Die Partie ist ein Geduldsspiel, denn auch wenn wir recht früh durch einen umstrittenen, durch Plazonja aber souverän verwandelten Elfmeter in Führung gehen, bleiben die Gäste bei ihrer strikten Kontertaktik und igeln sich fast das gesamte Spiel über am eigenen Stadion ein. Mit der Führung im Rücken riskieren wir natürlich gar nichts und so ergibt sich ein dermaßen langweiliges Ballgeschiebe, dass so mancher Zuschauer mehr geschwitzt haben dürfte als die Akteure auf dem Rasen.
Immerhin: nächster Sieg.

In Mamer, beim nächsten Gegner, erwischt Olaizola einen Sahnetag und trifft in den ersten 20 Minuten gleich zwei mal. Diese Führung hat bestand bis zum Schlußpfiff, damit sind wir nur noch 3 Punkte hinter dem vierten Rang, der ja abhängig vom Ausgang des Pokalfinales für die internationale Teilnahme reichen kann.

Danach kommt Ettelbrück zu Gast. Die Blauweißen haben sich im Laufe des Spätherbstes kontinuierlich nach oben gearbeitet und stehen zur Zeit auf Platz neun. Und auch im "Stade Emile Mayrisch" sind sie eine Halbzeit lang mindestens gleichwertig. Und verdammt effektiv! Zwei Chancen, zwei Tore. Bei uns fehlen mit Plazonja, Mundadi und Pereira die Stürmer eins bis drei in der Rangliste, so dass Alan Logrillo zu seinem ersten Startelfeinsatz seit mehr als einem Jahr kommt. Und auch wenn er ganz sicher kein Stammspieler mehr in Esch wird, so kann man ihm zumindest den unbedingten Einsatz nicht absprechen. Er holt vor unserem zweimaligen Ausgleich (Berbachi, 19. sowie Ofosuhene, 33.) jeweils die Ecke heraus, die dann zum Tor führt. Den umjubelten Führungstreffer kurz vor der Pause besorgt er dann - ebenfalls nach Ecke - selbst.
In der zweiten Spielhälfte neutralisieren sich beide Teams erfolgreich gegenseitig, so dass am Ende ein knapper, umkämpfter, aber durchaus verdienter 3:2-Erfolg für die FOLA stehenbleibt. Vier Ligaspiele, 12 Punkte. Geht kaum besser, nur die dämlichen Gegentore dürfen die Jungs so langsam mal abstellen, mein armes Herz, ey!

Das nächste Rückrundenspiel führt uns zum Kellerkind Titus Petange. Mein Appell, von Beginn an hellwach zu sein, trägt Früchte ... also nach dem erneut schlafmützig hergeschenkten 0:1, versteht sich. Nach dreißig Sekunden liegen wir zurück, danach beginnt die Mundadi-Show. Zweite Minute - Ausgleich. 40. Minute: Elfmeter verschossen (Plazonja, der etatmäßige Schütze, befindet sich noch im Aufbautraining), 62. und 78. Minute: Mundadi kann zwei Riesenchancen nicht nutzen. 88. Minute: 2:1 durch Mundadi. 89. Minute 3:1 durch Mundadi. Wir erobern vorerst Rang vier!
Und ich bin wieder um 10 Jahre gealtert.

Zum nun folgenden Ligaknaller Swift Hesperingen (Erster) gegen FOLA Esch (Vierter) ist Plazonja endlich wieder einsatzbereit, allerdings noch nicht für die Startelf. Mundadi vertritt ihn erneut. Wir sind defensiv hochkonzentriert und diszipliniert, offensiv verdaddeln wir jedoch eine Chance nach der anderen. Und so steht es immer noch 0:0, als ich Plazonja in der 78. Minute für den heute glücklosen Mundadi einwechsele.
13 Minuten später haben wir durch eine fulminante Direktabnahme des Kroaten in der 91. Minute mit 1:0 in Hesperingen gewonnen und liegen plötzlich mit nur noch einem Punkt Rückstand zur Tabellenspitze auf dem dritten Rang!
Hat allerdings wenig zu bedeuten, da erstens das gesamte erst Tabellendrittel extrem eng beieinanderliegt und zweitens alle Teams um uns herum weniger Partien absolviert haben als wir.

Blöde Situation, irgendwie - denn während es einerseits wirklich fabelhaft aussieht, kann ein einziges Nachholspiel der Konkurrenten uns wieder runter auf Platz 5 schicken.
Wir können daran nichts ändern, wir können einfach nur versuchen, Punkte zu hamstern, als hinge unser Leben davon ab - und dann mal schauen, was dabei herumkommt.

Die nächste Chance dazu bietet uns das Auswärtsspiel beim Racing FC Luxemburg. Die Hauptstädter liegen mit fünf Punkten Rückstand zwei Plätze hinter uns, wenn sie noch ein Wörtchen im Rennen um die Conference League-Quali mitreden wollen, brauchen sie jeden Punkt, insbesondere gegen direkte Konkurrenten wie uns. (Dass wir das in der Vorbesprechung des Spieles so sagen können, zaubert allen - Spielern wie Trainern - ein fettes Grinsen ins Gesicht.)
Die Gastgeber beginnen äußerst druckvoll, bestimmen eigentlich die komplette erste Hälfte. Große Chancen sind allerdings absolute Mangelware, wir lassen sie zwar bis zu Defensivdrittel vorrücken, dort verengen wir die Räume allerdings dermaßen geschickt, dass lediglich zwei halbwegs gefährliche Fernschüsse zu buche stehen, als der Schiedsrichter zum Pausentee pfeift.
Nach dem Seitenwechsel zunächst das gewohnte Bild: Racing im Vorwärtsgang, wir verteidigen konsequent.
Nach einer Stunde führt einer unserer seltenen Konter zu einer Ecke, Neuzugang Balcaen steigt am höchsten - und plötzlich führen wir. Die Gastgeber müssen nun natürlich mehr ins Risiko gehen und so ergeben sich Räume. Wie in der 81. Minute, als Olaizola nach Steilpass von Marien allein auf den Keeper zuläuft und von diesem gelegt wird. Elfmeter. Plazonja läßt sich diese Chance nicht entgehen und macht den Deckel drauf. Racing verliert trotz überlegenen Spiels durchaus verdient mit 0:2, denn wir hatten eindeutig nicht nur mehr, sondern auch die besseren Chancen.

Atempausen gibt es jetzt im Frühjahr kaum noch, das nächste Spitzenspiel folgt auf dem Fuße. Wir empfangen Progres Niederkorn im "Emile Mayrisch" und sind entschlossen, die Chance auf die Tabellenführung zu ergreifen, wenn sie sich bietet - denn parallel spielen Düdelingen und Hesperingen gegeneinander.
Am Ende gewinnen wir ein chancenarmes aber taktisch hochklassig geführtes Spiel mit 2:1. Der gegentreffer fällt praktisch mit dem Schlupfiff und stellt der erste wirklich gute Gäste-Chance dar.
Hesperingen verliert und rutscht hinter uns ab, Düdelingen ist der neue Tabellenführer.

Und für uns geht es nun bei Alisontia Steinsel, beim Tabellensechsten, weiter.
Warum soll man eine Taktik ändern, die perfekt funktioniert?
Wir bleiben beim 442 mit Doppelsechs und ziehen damit auch der Steinsel-Offensive komplett den Zahn. Plazonjas Abstaubertor kurz vor der Pause reicht uns für den neunten (!) Rückrundensieg in Folge.
Reicht aber nicht für die Tabellenführung, denn Düdelingen siegt genauso weiter.

26. Spieltag. Heimspiel gegen Una Strassen. Der Tabellenneunte kann schon längst entspannt für die neue Saison planen. Weder nach oben noch nach unten geht noch irgendetwas. Und genauso entspannt und sicher spielen sie leider auch. Wir dominieren das Spiel zwar, aber ein einziger guter Angriff reicht den Gästen leider, um kurz nach der Halbzeit in Führung zu gehen. Der sonst so sichere Sore wirkt bei einer Gäste-Ecke ein einziges Mal unsicher und es klingelt sofort.
Wir versuchen wirklich alles, aber mehr als das ultraspäte 1:1 durch Berbachi will einfach nicht mehr gelingen.
Düdelingen hat erneut gewonnen, Niederkorn ebenso. Und damit sind wir mit fünf Punkten Rückstand auf Platz eins Tabellendritter.
Positiv: den vierten Rang haben wir vier Runden vor Schluß nahezu sicher, der dritte und auch zweite Platz sind noch in Reichweite.

27. Spieltag. Wir reisen nach Schifflingen, zum Tabellenzwölften. Die Gelben spielen eine gar nicht mal so üble Saison, wenn man bedenkt, dass sie zum engsten Kreis der direkten Abstiegskandidaten gezählt wurden.
Gegen einen Plazonja in Bestform fällt ihnen allerdings herzlich wenig ein. Der Kroate schnürt den Dreierpack, Kapitän Gasmi bedankt sich für seinen Startelfeinsatz mit dem zwischenzeitlichen 2:0.
Alle Teams auf den ersten Plätzen gewinnen, damit ändert sich im Tabellenbild wenig.






28. Ligaspiel. Wir empfangen den Tabellenfünfzehnten und nahezu sicheren Direktabsteiger Bettemburg. Die Gäste versuchen sich mit aller macht einen Punkt zu ermauern. Und fast wären sie auch erfolgreich gewesen, denn wir finden absolut kein Mittel gegen die vielbeinige Abwehr.
Diesmal muß Plazonja weichen und Mundadi gibt den Joker. Und er wird tatsächlich tief in der Nachspielzeit doch noch zum Matchwinner, als er eine scharfe Hereingabe von Asrihi am Keeper vorbei ins Netz murmelt. Düdelingen spielt nur Unentschieden und wir sind wieder auf drei Punkte heran, haben aber das um 11 schlechtere Torverhältnis.
Daran läßt sich vielleicht etwas drehen, denn ....

Spieltag 29. Wir empfangen den Tabellenführer F91 Düdelingen. Mehr als 4300 Fans wollen dieses Spiel sehen - und sie bekommen ordentlich etwas geboten für ihr Geld. Beide Teams kämpfen mit Haken und Ösen um jeden Meter, es gibt gute Chancen auf beiden Seiten - und die FOLA behält am Ende äußerst knapp mit 2:1 die Oberhand!
Damit gehen beide Teams mit 60 Punkten in das entscheidende letzte Spiel.






FOLA muß nach Differdingen, Düdelingen empfängt Käerjeng.

Auf dem Papier ist das eine klare Sache - denn Differdingen ist Siebter, Käerjeng dagegen hat am vorletzten Spieltag die letzte Chance auf die direkte Rettung verspielt und wird in die Relegation müssen.
(Genauso wie unsere Lieblingserzfeinde von Esch Südwest übrigens, die die Saison auf einem beschämenden 14. Platz beenden werden.)

Vielleicht, nur vielleicht ist noch eine Sensation möglich - und so schwören wir die Mannschaft auf einen Sturmlauf ein.
Nur ist die Mannschaft leider nicht in der Lage, das Differdinger Bollwerk zu knacken.
Das 0:0 ist am Ende deutlich zu wenig, denn Düdelingen gewinnt sein Heimspiel souverän und holt sich erneut den Meistertitel.









Der zweite Platz, den FOLA errungen hat, ist natürlich komplett jenseits aller realistischen Erwartungen und damit aller Ehren wert, wird aber durch zwei Ereignisse "überschattet".

Zum einen ereilt Esch Südwest in der Relegation der "Tod" in Form einer Niederlage nach Verlängerung. Besonders demütigend für die Schwarzgelben - sie steigen ausgerechnet in UNSEREM Stadion ab!





Und zweitens - FOLA Esch holt sich erneut den Pokal! Diesmal haben die Rotweißen in allen Spielen Heimrecht und treffen erst im Viertelfinale zum ersten Mal auf einen Erstligisten, lassen sich aber auf dem Weg zur nächsten Trophäe von niemandem mehr aufhalten.




~~~~~~~~~~



Der Name "Gerard Lavayeux" wird gegen Ende der Saison immer öfter mit verschiedenen Vereinen im In- und Ausland in Verbindung gebracht, insbesondere Differdingen und mehrere französische Drittligisten sollen konkretes Interesse an seinem Trainerdiensten haben.

Bisher hat er dem Vernehmen nach jedoch jedes Angebot abgelehnt und auf seinen gerade erst verlängerten und nunmehr bis zum Juni 2033 laufenden Vertrag bei FOLA verwiesen.




Zur allgemeinen Überraschung wird Lavayeux übrigens trotz seiner Wahl zum Luxemburger Trainer des Jahres nicht erneut zu "Reingegrätscht!" eingeladen. Der Boulevard will wissen, dass Frau Muller auch keinerlei Ambitionen verspürt, mit dem Jungstar des Luxemburger Fussballs erneut auf ein Metalkonzert oder irgendeine sonstige Festivität zu gehen.

Stattdessen bringt ihr Sender eine einstündige Dokumentation über den Kader der FOLA und die diversen "Stars" (Luxemburger Level), die der Verein inzwischen in seinem Reihen hat.



















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« Letzte Änderung: 21.August 2023, 22:06:31 von Achtelprofi »
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"Danke für den Abend, Madeleine" <-- Puh, Herr Lavayeux... Nicht gut gelaufen. Habe auch diesen erzählerischen Teil mit Hochspannung erwartet, wurde aber von Lavayeux enttäuscht. Dachte es knistert ein wenig mehr ;-)

Naja, sportlich läuftes dafür stark. Gratulation zu der starken Saison und dem Pokalsieg, wenngleich Platz 1 natürlich noch schöner gewesen wäre.
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Sportlich überragend, gar keine Frage, Vizemeister und den erneuten Pokalsieg - stark!

Aber privat ist das natürlich noch ausbaufähig, aber es gibt ja nichts, was man nicht noch lernen könnte.  ;)
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Sommer 2031, Esch d'Alzette, Luxemburg


Wenn man auf Arbeit alle Hände voll zu tun hat, fällt es einem leicht, private Dinge zur Seite zu schieben und zu verdrängen.
Es sei denn ...
Anfang Juni richtet der luxemburgische Fussballverband - zum ersten Mal übrigens - ein "Sommerfest" genanntes Event aus, das glücklicherweise ohne Zusätze wie "...der Volksmusik" oder "...im Big Brother Haus" auskommt.
Laut der Einladung, die ich erhalte, geht es wohl darum, dass "in der abgelaufenen Saison hervorstechende Luxemburger Fussballspieler und -funktionäre die Möglichkeit erhalten, sich nicht nur untereinander über ihre Erfahrungen auszutauschen, sondern gemeinsam auch über Möglichkeiten zu diskutieren, wie der Luxemburger Fussball als Ganzes gestärkt und nach vorn gebracht werden kann".

Das klingt zunächst mal interessant und so sage ich ohne großes Zögern zu.


Als ich am Abend des 05. Juni in der Festhalle voller Vorfreude auf einige interessante Diskussionen in Luxemburg ankomme, dauert es allerdings nicht allzulange, bis ich meine Zusage zumindest ein bißchen bereue.
Denn die Moderatorin des heutigen Abends (oder zumindest des offiziellen Teils, denn es gibt auch einen "privaten" Teil mit Gesprächsrunden, zu denen Journalisten ausdrücklich nicht zugelassen sind) kommt mir mit ihren roten Locken und dem grünen Anzug sofort bekannt vor.

Glücklicherweise bin ich keiner der Redner beim offiziellen Teil (und muß somit nicht auf die Bühne) - das ist wichtigeren Personen vorbehalten.
Steve Ferreira beispielsweise, dem Trainer der luxemburgischen U21-Auswahl. Der sportlich wirkende Mittvierziger hält ein flammendes Plädoyer für eine noch stärkere Fokussierung auf die Ausbildung und Förderung einheimischer Talente.
Oder Nationalmannschaftskapitän Daniel Sinani, der nicht nur fast 300 Spiele in den ersten beiden englischen Ligen (unter anderem bei Norwich, Stoke und Wigan), sondern auch beeindruckende 101 Länderspiele für Luxemburg vorweisen kann.
Er unterstützt Ferreira in dessen Anliegen und macht deutlich, dass spektakuläre Ergebnisse wie die beiden Siege gegen Finnland in der Nation League C im letzten Jahr oder die Unentschieden gegen Moldawien kein Grund zum Ausruhen, sondern ganz im Gegenteil Ansporn sein sollten, die Kräfte noch mehr zu bündeln und unsere kleine Nation fussballerisch voranzubringen.
Er beendet seine Rede mit den Worten:
"Sie können sich gar nicht vorstellen, wie satt wir Spieler es haben, stets und ständig als die "halbprofessionellen Fussballzwerge" belächelt zu haben, die ins Ausland gehen müssen, um mal bei einem professionellen Verein zu spielen. Sie - also die Manager und Präsidenten der großen luxemburgischen Vereine - haben es in der Hand, durch kluge Finanzpolitik und vielleicht auch durch die Öffnung hin zu weiteren Investoren dafür zu sorgen, dass gute luxemburgische Spieler nicht gehen müssen, um Erfolg zu haben.
Sondern dass sie Erfolg auch hier haben können. Vielen Dank."

Diese Schlussworte werden von Madeleine - Medienprofi, der sie ist - natürlich dankend aufgenommen, als es zur Podiumsdiskussion geht. Die Teilnehmer sind bunt gemischt.
Neben Ferreira und Sinani nehmen auch Düdelingen-Trainer Andre Fernandes de Sousa und Muller selbst daran teil. Vervollständigt wird die Runde durch den CEO des Becca-Konsortiums, Javier de Gelabert.
Madeleine stellt Sinanis Schluss-Statement aus seiner Rede gleich zu Beginn zur Diskussion und erntet von de Sousa und de Gelabert sofort deutlichen Widerspruch.
Düdelingen sei doch das beste Beispiel, dass der luxemburgische Vereinsfussball auf dem Vormarsch sei. Und in der Tat ist der Verein in den letzten beiden Jahren jeweils in die Gruppenphase der Conference League eingezogen und hat beide Male sogar den dritten Platz erreicht.
Sinani hält entgegen, dass ein einzelner Verein wohl kaum eine zufriedenstellende Ausbeute sei - beim Nachbarn in Deutschland seien die Bayern international ja auch erfolgreich und dennoch gelte der Fussball des Landes als auf dem absteigenden Ast. Es brauche schon mehrere Vereine, die sich hervortun, damit man von einer guten Entwicklung sprechen könne.

Und so weiter und so fort - je länger die Diskussion dauert, desto klarer wird mir, dass hier eher kein vernünftiges, auf Lösungen orientiertes Gespräch, sondern eher gegenseitige Schuldzuweisungen und Schutzbehauptungen zu erwarten sind.

Nach dieser Podiumsdiskussion - also in etwa einer Dreiviertelstunde -  wird der offizielle Teil der Veranstaltung beendet sein und die Teilnehmer sollen nach einer kurzen Pause Gelegenheit für Klein-Gruppen-Diskussionen erhalten.
Das verspricht zumindest auf dem Papier interessanter zu werden, davon will ich nichts verpassen.
Ich stehle mich also leise aus der Halle und suche erstmal die Waschräume auf.
Danach hole ich mir am Buffet ein paar Schnittchen und einen Kaffee und setze mich vor dem Hinterausgang auf eine Bank. Hinter der Festhalle liegt ein Park, ich sitze so, dass ich sowohl das augenentspannende Grün genießen als auch die Uhr über dem Eingang im Blick behalten kann.
Eine Stunde noch, Zeit, ein wenig durchzuatmen.

Es dauert nicht lange und meine Gedanken beginnen zu schweifen - es ist selten, dass ich in einer dermaßen ruhigen Umgebung Zeit für mich habe, um nachzudenken.
Die letzten Jahre waren eine regelrechte Achterbahnfahrt - aber alles in allem kann ich eigentlich sehr zufrieden sein, glaube ich.

Ich werde aus meinen Gedanken gerissen, als ich die schwere Eingangstür der Festhalle zuklappen höre. Hochschreckend werfe ich einen Blick zur Tür, nur um festzustellen, dass die Person, die aus jener Tür getreten ist, bereits den halben Weg zu den Bänken (und damit zu mir) zurückgelegt hat.

Wir starren uns einem Moment wortlos an - sie nicht weniger überrascht von dieser Begegnung als ich, wie es aussieht - dann nicken wir nahezu gleichzeitig.
"Guten Abend, Gerard."
"Guten Abend, Madeleine."

Dann starren wir wieder einige Sekunden.
Es ist einer dieser peinlichen Momente, in denen alle Anwesenden unsicher sind, was sie sagen sollen (oder unwillig, etwas zu sagen) ... so lange, bis die Stille dermaßen unerträglich wird, dass einer etwas total idiotisches sagt, einfach nur, damit diese Stille aufhört.

"Na, fertig mit der Diskussion?"
"Ja."
"Mhmm. War ein gutes Gespräch."
"Hab ich gesehen, dass Dir das gefallen hat, deswegen bist Du wahrscheinlich auch gegangen, oder?"
Meine Wangen fühlen sich an, als stünden sie in Flammen.
"Mhmm ..."
Stille.

Ich überlege, wie ich die Frage stellen soll, die mir auf der Zunge liegt, aber meine Lippen sind fest verschlossen.
Madeleine dreht sich nach einiger Zeit von mir weg und schaut ins Grüne. Es scheint, als würde sie auf etwas warten.
Meine Lippen wollen sich immer noch nicht öffnen.
Ein unmerkliches Zucken ihrer Schultern, dann dreht sie sich zum Eingang.
"Bis die Tage, Gerard."
"... Ja, bis die ... "
Ich hole tief Luft. Jetzt oder nie.
"Madeleine?"
Sie dreht sich zu mir.
"Ja?"
"Warum ... ich meine, was habe ich ... also, wieso ...?"
Ich stammele unzusammenhängend.
Sie steht nur da, verschränkt die Arme und schaut mich unverwandt und ziemlich fragend an.
Ich hole noch einmal tief Luft.

"...Was habe ich falsch gemacht? Warum bist Du so ausweichend seit dem Konzert? Ich meine, ich ..."
Der Ausdruck in ihrem Gesicht ändert sich. Eben noch die professionelle Neutralität in Person, ist jetzt deutlich Frust und Ärger zu erkennen. Ihre Augen blitzen.
"Willst Du mich auf den Arm nehmen?!"
"Nein, wieso sollte ich? Ich ..." Seufz. "Madeleine, ich hab mir an dem Abend wirklich alle Mühe gegeben und ich verstehe wirklich nicht, was ich Dir getan habe."
Sie legt den Kopf schief, in den Ärger mischt sich jetzt Unglaube - auch in ihrer Stimme.
"Du hast Dir alle Mühe gegeben?! Ist das Dein Ernst?"
"Ähm ... ja, ich habe keine Ahnung, was ich hätte anders machen sollen ..."
"Na für den Anfang hätte es mir gefallen, wenn Du mir das Gefühl gegeben hättest, dass ich nicht einfach nur der Notnagel für Deinen Kumpel bin, weil der nicht kommen konnte. - Als Du mich live im Fernsehen eingeladen hast, dachte ich, Du wärest an mir interessiert. Aber da hab ich mich wohl getäuscht. Und deswegen bin ich enttäuscht. Weiß nicht, was daran so schwer zu verstehen ist!"
Ich sitze da wie vom Donner gerührt.

Stille.

Stille.

"Krieg ich jetzt vielleicht mal eine Reaktion von Dir oder läßt Du mich schon wieder am ausgestreckten Arm verhungern? Warum zum Geier hast Du mich überhaupt eingeladen, kannst Du mir das erklären?!"
Ich räuspere mich.
"Madeleine, ich ... ich wollte alles richtig machen, ich wollte nicht, dass Du mich für einen von diesen Typen hältst, die ... die Frauen nicht ernstnehmen und ..." Seufz. "Ich hab Dich eingeladen, weil ich es mir herrlich vorgestellt habe, mir Dir zu diesem Konzert zu gehen und .... und dann hab ich mir vorgenommen, das sehr erwachsen zu handlen und nicht gleich mit der Tür ins Haus zu fallen ..." Nachdem ich jetzt ein halbes Jahr Zeit hatte, mir genau eine solche Situation - Madeleine und ich unter vier Augen - wieder und wieder vorzustellen und mir auszumalen, was wohl alles passieren, schiefgehen könnte und was wer sagen könnte ... und nachdem ich in diesem halben Jahr niemanden außer meinen Hirn hatte, um dieses Problem hin und her zu wälzen, bricht jetzt metaphorisch gesprochen ein Damm. Als ich einmal angefangen habe, kann ich nicht mehr aufhören.

Ich rede und rede und rede, den Kopf inzwischen gesenkt (ich will den Frust in ihren Augen gerade nicht sehen), das meiste wahrscheinlich unzusammenhängendes Zeug, der eine oder andere verständliche Halbsatz dazwischen.

"...ich wollte, dass Du merkst, dass ich Dich als Person respektiere .... ich wollte keiner dieser Typen sein, die einfach nur mit Eroberungen prahlen und .... ich meine, was hättest Du denn gedacht, wenn ich Dir an dem Abend gesagt hätte, dass ich seit zig Jahren in Dich verschossen bin ... das klingt doch wie aus einem Schundroman ... da wär ich an Deiner Stelle schreiend davongerannt und ..."

Weiter komme ich nicht, denn ich fühle mich plötzlich beidhändig an der Anzugjacke gepackt und hochgezerrt.
Als ich erschrocken den Kopf hebe, höre ich ein unterdrücktes "Du bist echt ein Idiot!", zwei Hände legen sich seitlich um meinen Kopf, ich werde nach vorn gezogen .... und dann reduziert sich meine Welt im Bruchteil einer Sekunde auf zwei Lippenpaare, die sich finden.


...


...


Klick.
Klick, klick, klick.


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Kitsch as Kitsch can II



Sommer 2031, Esch d'Alzette, Luxemburg


Den Rest des Abends verbringen zwei gleichermaßen überraschte wie glückliche Luxemburger im Park hinter dem Tagungsgebäude, wie auch immer unsere Abendplanung vorher aussah - sie ist uns jetzt herzlich egal.
Viel wichtiger ist es, endlich mal Klartext zu reden und Karten auf dem Tisch zu packen, von denen das Gegenüber gar nicht wußte, dass sie im Spiel sind.
Mir ist zum Beispiel völlig neu, dass Madeleine nicht nur mit aller Macht darauf gedrungen hat, dass sie mich zu "Reingegrätscht!" einladen durfte, sondern dass sie auch schon dieses bewußte Interview in Grevels unbedingt selbst führen wollte . . .
Ihr hingegen gehen die Augen über, als sie erfährt, dass ich "Neues aus dem Amateurfussball" ausschließlich wegen ihr geschaut habe.

Diese und andere kitschig-melodramatischen Geständnisse halten uns eine Weile in Atem, zumal wir zwischendurch immer wieder Redepausen einlegen müssen, weil ... ach naja, das kann man sich ja denken.
Wir vergessen unsere Umgebung jedenfalls für einige Stunden ziemlich vollständig - bis zu dem Moment, als wir vom Lichtkegel einer Taschenlampe angestrahlt werden und ein sichtlich überraschter, möglicherweise sogar ein wenig peinlich berührter, Wachmann uns bittet, "den Park doch jetzt zu verlassen".
Arm in Arm schlendern wir grinsend an ihm vorbei auf die Straße, entscheiden uns spontan, zu mir zu gehen und schlafen keine Stunde später aneinandergeschmiegt in meinem Bett ein - ohne dass irgendetwas geschehen wäre, das man am Frühstückstisch nicht erzählen könnte.

Als ich wieder wach werde, ist es bereits taghell.
Das Geräusch, von dem ich wach wurde, ist ein Vibrationsalarm eines Smartphones.
IHRES Smartphones, genauer gesagt. Sie hat es bereits in der Hand und starrt mit großen Augen darauf.
"Wasn los?", frage ich schlaftrunken, das selige Grinsen eines Mannes zur Schau tragend, der gerade neben seiner Traumfrau in seinem Bett aufgewacht ist.
Sie schaut nach einigen Momenten zögernd zu mir herüber.
"Hast Du gestern mitbekommen, dass uns irgendwer fotografiert hat?"
"Hm? Nein, wieso?"
Statt einer Antwort reicht sie mir wortlos ihr Telefon.

Die Onlineversion des "Luxemburger Promiblicks" (ziemlich üble, aber auch ziemlich beliebte Boulevardgazette), titelt heute mit uns beiden, wie es scheint.




Ich zucke mit den Schultern.
"Na und? Sollen sie doch, ist mir egal."
"Ja schön, Du hast auch nicht das große Problem. Ich dagegen ..."
"Hm?" Ich richte mich auf und schaue sie von der Seite forschend an. "Was meinst Du?"
"Na ich sag nur 'Interessenskonflikt' . Eine Journalistin, die mit dem Trainer eines der Vereine, über die sie objektiv berichten soll, ins Bett geht, ist doch wohl kaum..."
"Naja, genaugenommen waren wir ja noch gar nicht im...", setze ich zu einem relativ lahmen Scherz an. Ein rascher Seitenblick von ihr genügt allerdings und der Witz stirbt mir noch auf dem Weg zur Pointe an spontaner Entkräftung weg.

Sie seufzt und schüttelt dann energisch den Kopf, so dass die Locken nur so fliegen.
"Egal, das kläre ich am Montag mit Tom."
"Tom?"
"Tom Groß. Der Sportchef vom Sender."

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

Der restliche Sonntag gehört zu den schönsten Tagen, die ich in meinem bisherigen Leben so mitgemacht habe.
Der Ernst des Lebens wird uns morgen noch früh genug wieder einholen.

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

Im Endeffekt bleiben die Konsequenzen für Madeleine überschaubar.
Anders gesagt:
Sie wird von Tom gebeten, Berichte und Interviews zum Thema "FOLA Esch" an andere Kollegen abzugeben.
Ende der Auflagen.
Na wenns weiter nichts ist...



Mein Privatleben ist also im Moment rosarot - vom Job kann ich das leider nicht behaupten.
Der Juni stellt sich vielmehr als eine Aneinanderreihung mehr oder minder frustrierender Tage und Gespräche heraus.
Das geht damit los, dass der Vorstand sich auch weiterhin weigert, mir endlich den einen zusätzlichen Trainer zu genehmigen, den ich noch bräuchte, um endlich einen Trainingsplan umzusetzen, der unseren Spielern rundum die besten Entwicklungschancen ermöglicht.
Gleiches gilt auch für die U19, nur sind es da gleich zwei Trainerstellen, die uns fehlen. Einziger "Lichtblick": in der U19 darf sich Ken Risch um dieses Problem kümmern, er ist als U19-Manager schließlich dafür verantwortlich.

Nächster Frustauslöser: innerhalb von nur drei Tagen schnappen uns ein belgischer und ein deutscher Zweitligist (RE Virton und der MSV Duisburg) gleich zwei Riesentalente aus der U17 weg, wenige Monate, bevor wir sie mit einem Profivorvertrag ausstatten können.







Drittes Ärgernis: unsere äußerst wichtige Führungsspielerachse Sorè (Tor) - Marien (Mittelfeld) - Olaizola (linker Flügel) und Plazonja (Sturm) weigert sich unisono, auch nur darüber zu sprechen, wie es mit einer Verlängerung über den Sommer 2032 hinaus aussieht.
Alle vier geben zu Protokoll, hier weg zu wollen, da sie dem Verein sowieso längst entwachsen seien.
Und während das in allen Fällen korrekt ist, erfüllt es mich beim Gedanken an die übernächste Saison doch mit großer Sorge.
Wenn sich nicht wenigstens zwei der vier noch zu einer Verlängerung überreden lassen, erwartet uns ein Kaderumbruch, der sich gewaschen hat!

Viertes Ärgernis: Slavia Prag. Die gehen mir fast den gesamten Monat über auf den Senkel, weil sie mich unbedingt als neuen Trainer wollen.
Ich verfasse Antworten in englisch, französisch, deutsch, letzeburgisch und zu guter Letzt sogar (dank der freundlichen Hilfe von Frau G.Oogletranslate) in tschechisch, aber die Herren Prager sind scheinbar taub für das Wort "nein". Erst am 30. 06. hören sie endlich mit dem E-Mail-Terror auf.
Warum sie ausgerechnet an mir einen solchen Narren gefressen haben, verraten sie mir selbstverständlich auch nicht...





Fünftes Ärgernis: Edwin Thill verhängt im Juni ein Transferembargo wegen weit fortgeschrittener Übernahmegespräche mit einem Konsortium interessierter Escher Geschäftsleute.
Als diese Übernahme sich endlich zerschlägt, haben wir dermaßen viel Zeit verloren, dass wir eventuelle Neuzugänge nicht mehr rechtzeitig für die Qualispiele registriert bekommen.

Dessen ungeachtet sorgen wir in Europa allerdings erneut für Furore.
In der ersten Qualifikationsrunde werden wir den Isländern von Breidablik zugelost, die für das Aufeinandertreffen klare Favoriten sind.
Allerdings ist das Duell bereits nach unserem Heimspiel quasi entschieden, da wir dank eines entfesselt aufspielenden Karlo Plazonja (drei Tore, ein Assist) sensationell mit 5:1 gewinnen.
Das Rückspiel endet nach einem erneuten Plazonja-Treffer mit 1:0.
In der zweiten Runde wird die Herausforderung sogar noch größer, denn wir müssen gegen den slovenischen Vertreter FC Koper ran.
Auswärts halten wir bis in die Nachspielzeit ein 0:0, fangen uns dann aber noch ein saudämliches Kontertor (!) und gehen damit mit einer knappen 0:1-Niederlange ins Rückspiel.
In dieser Partie zeigen wir uns defensiv erneut sehr aufmerksam und offensiv verbessert, Ofosuhene (Kopfball nach Ecke) und Plazonja (Elfmeter) schießen uns genauso unerwartet wie souverän in Runde drei.

Dort wartet die größte Mannschaft, gegen die ich je als Trainer angetreten bin.
Und auch wenn wir zwei Niederlagen kassieren - zweimal 1:2 gegen Lazio Rom zu verlieren, ist nicht nur keine Schande, das ist genaugenommen die dritte Sensation unseres Qualisommers.




Wir konzentrieren uns also ab sofort auf die nationalen Wettbewerbe. Und als der August vorüber ist und die ersten vier Ligapartien gespielt sind, grinsen wir uns breit an und klatschen vorfreudig in die Hände.

1:0 gegen Niederkorn, 1:0 in Rodingen, 1:0 gegen Hesperingen, 2:0 gegen Aufsteiger Schifflingen. Vier Spiele 5:0 Tore, 12 Punkte, Tabellenerster.
Das darf aber mal sehr gerne so weitergehen!
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Kitsch as Kitsch can III



Spätherbst 2031, Esch d'Alzette, Luxemburg


"Das heißt, Du bist heute abend schon wieder sehr spät zuhause?"
Sie sitzt mit einem Brötchen in der Hand an dem winzigen Tisch in ihrer Küche, ich stehe mit der Tasse in der Hand am Kaffeeautomaten.
Die Enttäuschung in ihrer Stimme ist mit Händen greifbar.
"Ja, leider - wir müssen dringend noch über die beiden ... äh, über etwas vereinsinternes sprechen."
"Aha." Sie grummelt noch ein bißchen und zuckt dann mit einem fatalistischen Seufzer mit den Schultern. "Na gut, eigentlich ist es ja gar nicht so verkehrt, dann kann ich noch ein bißchen an dem Text feilen, den ich morgen früh einreichen will."

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

Der Alltag hat uns mit Riesenschritten eingeholt - wir hatten gerade genug Zeit, um eine Woche "Kennenlernurlaub" zusammen zu machen, immerhin im Sommer und immerhin am Wasser. Ich wollte eigentlich an die Mittelmeerküste, sie nach Schweden, am Ende haben wir uns für einen Kompromiß entschieden und haben eine Woche am Bodensee verbracht.
Schöne Gegend, aber voller unverständlich brummelnder Menschen, denen es offensichtlich einen großen Spaß bereitete, uns ein Fragezeichen ins Gesicht zu zaubern.
Aber wie gesagt: Gegend und Wetter entschädigten für so einiges.
Auch für die gewöhnungsbedürftige Küche, die uns übermäßig zwiebel- und salzlastig erschien.
Und während wir anfangs noch dachten, dass vielleicht einfach etwas mit unserem Geschmack nicht stimmt, trafen wir im Laufe der Woche doch so einige Leute, die der gleichen Ansicht waren.

Darunter übrigens witzigerweise zwei Dänen - genauer gesagt eine junge Frau und ihren Vater - die nicht nur exakt die gleiche Meinung zu den Speisen auf dem Tisch hatten, sondern die sich darüber hinaus auch als Fachleute in Sachen Fussball herausstellten.
Wir verbrachten einen sehr angenehmen Nachmittag mit den Jensens, die aus Kopenhagen stammen und dort offenbar einen Amateurverein leiten, Papa Per Ole als Präsident und Tochter Svea (die überraschenderweise in Luxemburg studiert hat!) als Sportdirektorin. Der Verein heißt übersetzt ungefähr "Vorwärts Kopenhagen" - hatten wir beide noch nie von gehört, aber die beiden Dänen waren mit Herzblut bei der Sache, das merkte man sehr schnell. Wir sprachen vage über die Möglichkeit, eventuell mal ein Feundschaftsspiel gegeneinander zu bestreiten (immerhin habe ich sowieso vor, die FOLA-Mannschaft mal in ein Trainingslager mitzunehmen, warum nicht nach Dänemark?) und tauschten E-Mail-Adressen aus.

Am Abend - wir waren längst wieder zu zweit unterwegs - mußte ich mich einiger leicht eifersüchtiger Sticheleien erwehren, da Madeleine den Eindruck gewonnen hatte, ich wäre ein bißchen ZU freundlich zur Jensen-Tochter gewesen. Totaler Humbug natürlich (auch wenn Svea wirklich ausnehmend hübsch ist!), aber ihren Verdacht auszuräumen, wollte mir an diesem Abend nicht mehr so recht gelingen.
(Dass ich vor vielen Jahren mal eine leicht verwirrte Phase hatte, in der ich oft, genaugenommen sogar sehr oft, von einer zusammenphantasierten Dänin namens Svea geträumt habe, hab ich Madeleine lieber nicht erzählt. Wer weiß, wie sie das aufgenommen hätte ...)

Glücklicherweise war die Eifersucht nach der folgenden Nacht dann doch vergessen und die restliche Urlaubstage vergingen in harmonischer Stimmung.

Nach unserer Rückkehr wurden wir beide jedoch sehr schnell in den jeweiligen Alltag hineingezogen, von einer entspannten Kennenlernphase konnte keine Rede sein - und so hab ich jetzt, Mitte Dezember, immer noch keine Ahnung, wie genau ich Madeleine in vielen Situationen einschätzen soll (und ihr geht es mit mir oft genauso, wie sie mir vor kurzem gestanden hat).
Mit anderen Worten - wir sind einfach ein weiteres von vielen Pärchen, die knietief im Arbeits- und Alltagssumpf stecken und sich nicht oft genug von dieser täglichen Routine freimachen können, um sich wirklich aufeinander einzuspielen.
Dass wir noch nicht zusammengezogen sind, hilft da natürlich auch überhaupt nicht.
Aber wir sind uns einig, dass das einfach verfrüht wäre.

Und so wohnen wir theoretisch getrennt, in der Realität schlafen wir mal bei ihr, mal bei mir, kochen mal zusammen, gehen mal essen oder einfach so aus ... ein ziemliches Durcheinander.
Zwischendurch haben wir uns auch für über einen Monat gar nicht gesehen - ihr Chef beim Sender hat nämlich eine sehr pragmatische Lösung gefunden, die potentiellen Probleme zu minimieren, die ihm durch die Liaison seiner Starreporterin mit dem Trainer eines Erstligisten ins Haus wachsen könnten: er schickt sie auf Reisen. Und wenn sie auf Reisen ist, dann berichtet sie aus den grenznahen französischen, deutschen und belgischen Fussballstadien - Vereine wie der FC Metz, Racing Straßburg oder Stade Reims haben in Luxemburg ja schließlich genauso ihre Fans wie Lautern, die Frankfurter Eintracht oder auch der Effzeh, wie die Kölner ihren größten Fussballclub liebevoll benennen.

Ich bekomme dadurch mitunter den einen oder anderen Infohappen mit, bevor er öffentlich wird - dass Reims nach dem katastrophalen Saisonstart seinen Trainer entläßt, erfahre ich so einige Stunden vor der breiten Öffentlichkeit. Denn auch wenn Madeleine natürlich offiziell keinesfalls mit irgendeinem Redaktionsfremden über so etwas sprechen darf, rutscht ihr doch manchmal das eine oder andere raus.
Geht mir ja nicht anders - als im Spätherbst erneut das Damoklesschwert der Übernahme durch ein Konsortium über der FOLA schwebt, weiß Madeleine das auch lange vor der Öffentlichkeit.
Wir beide schaffen es immerhin, die so erlangten "Geheiminformationen" für uns zu behalten.
Nicht auszudenken, was für Ärger wir bekommen würden, wenn so ein Datenleck bekannt würde!

Lieber gar nicht allzulange drüber nachdenken und in die Arbeit stürzen - eine Strategie, die ich laut Madeleine perfektioniert habe.

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

"Auch wenns mir heute ganz gut paßt, dass Du erst später da bist - man könnte meinen, Du bist mit dem Club verheiratet", meint sie nun mit einem Anflug von Ärger in der Stimme.
"Ganz ehrlich, so hatte ich es mir eigentlich nicht vorgestellt, mein Leben in einer Beziehung. Wir sehen uns ja kaum."

"Ich bin damit auch nicht glücklich, aber es ist nunmal mein Job. Und ich sitze halt nicht im Büro und wälze Akten, die geduldig darauf warten, dass ich am nächsten Morgen wiederkomme. - Du müßtest Das doch aus der Erfahrung Deiner eigenen Arbeit verstehen können..."
Sie nickt, sieht dabei aber so unglücklich aus, dass ich nicht anders kann, als meine Tasse abzustellen, mit zwei großen Schritten durch die Winzküche zu eilen, sie hochzuziehen und in die Arme zu nehmen.
"Am Wochenende nehmen wir uns endlich mal wieder richtig Zeit für uns, in Ordnung? Nur wir zwei. Wir könnten in die kleine Pension im Elsaß fahren, von der Du mir erzählt..."
Ich verstumme, da ich gerade das Gefühl bekomme, sie mit jedem Wort näher an die Tränen zu schubsen.
"Was ist denn los?"
Sie murmelt: "Am Wochenende muß ich nach Nancy...Auftrag von Tom."
Wir seufzen beide, halten uns noch ein paar Augenblicke aneinander fest, dann gebe ich ihr einen langen Kuss.
"Ich muss los ..."
"Ich weiß."

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

In unser beider Jobs läuft es zum Glück etwas besser, andernfalls wär das ein arg trübseliger Herbst.
Während Madeleine mit ihrer Dokuserie über die zweite französische Liga Aufsehen erregt, coache ich weiterhin FOLA mit einigem Erfolg.

Der September hält die Ligaspiele fünf und sechs für uns bereit.
Und während das Heimspiel gegen Etzella Ettelbrück eine arg zähe Angelegenheit ist, die erst durch einen Sonntagsschuß von Olaizola zu unseren Gunsten entscheiden wird, ist die Auswärtspartie bei Schlußlicht Käerjeng eine klare, nie gefährdete Sache.
Übrigens: Sechs Spiele und noch immer kein Gegentor. Unsere Abwehr verdient sich in diesem ersten Saisonviertel Bestnoten.




Es ist aber natürlich klar, dass man als zu Saisonbeginn auf Platz zehn bis zwölf getippter Sensationstabellenführer nicht für alle Zeiten verlustpunktfrei und gegentorlos bleiben kann.
Am siebten Spieltag - dem ersten im Oktober - erwischt es uns dann doch. Ärgerlicherweise sogar gegen ein bisher noch siegloses Kellerkind - nämlich gegen Mondorf.
Wir verschlafen die ersten zwei Minuten und kassieren sofort die Quittung in Form des 0:1. Und auch wenn Plazonja (wer denn auch sonst?!) quasi sofort ausgleicht, will der Siegtreffer nicht mehr fallen.

Naja, kein Beinbruch, wir bekommen ja sofort die Gelegenheit, das wieder gutzumachen, denn als nächstesn Gegner empfangen wir den erstaunlich gut in die Spielzeit gestarteten FC Mamer.
Die Gäste bekommen von Minute eins an zu spüren, dass uns das Unentschieden in Mondorf ganz und gar nicht geschmeckt hat.
Leihgabe Castellani (4.), Plazonja (6.), Mundadi (22.), nach reichlich zwanzig Minuten ist das Spitzenspiel bereits entschieden.

Der Tabellenzweite aus Düdelingen - unser nächster Gegner - ist also gewarnt.
Nützt ihnen nur nix. Erst gibts einen Doppelpack von Plazonja, nach dem späten Anschluß der Gäste macht Mundadi tief in der Nachspielzeit den Deckel drauf. Wir spielen uns langsam ein kleines Polster auf Rang zwei heraus (den Düdelingen nach dieser Niederlage auch erstmal abgeben muß).

Auch noch schön: dritter ungeschlagener Monat in Folge.




November. Draußen wirds grau und schmuddelig, auch das Stade Emile Mayrisch sieht ganz und gar nicht einladend aus.
Wir beschweren uns also nicht allzulaut, dass wir in diesem Monat ausschließlich auswärts spielen.
Wobei das natürlich egal ist, denn alle anderen Stadien sind ja genauso trist wie unseres...

Macht aber nix, wir bringen dennoch Leben in die Bude.
Erstmal ein klares und verdientes 4:0 in Rosport. Die Gastgeber halten sich bisher mit Mühe über dem Strich, der in der Tabelle die Relegationsplätze anzeigt und sehen auch gegen uns zunächst gar nicht mal sooo schlecht aus. Sie schaffen es sogar, unseren phänomenalen Doppelsturm Plazonja/Mundadi aus dem Spiel zu nehmen. Naja fast jedenfalls.
Blöd für Rosport: wenn unsere Stürmer gut gedeckt sind, haben andere Platz zum Laufen und Schießen. Rapnouil zum Beispiel, oder Mittelfeldtalent Bausson.

Differdingen im nächsten Spiel versucht daher alle gleichzeitig zu decken - und scheitert spektakulär. Drei mal Mundadi, dazu der fast obligatorische Plazonja-Treffer: nächster deutlicher Sieg.

Der November wird abgerundet durch ein spannendes und ausgeglichenes Spiel bei Luxemburg City. Zeitweise schwimmen wir sogar ordentlich - die Gastgeber beschäftigenuns dermaßen effektiv, dass an eigene Angriffe kaum zu denken ist. Erst als ihre Kräfte erlahmen, gelingt uns der eine gute Konter, der Mundadi zum Siegtor reicht. Glücklicher Sieg!




Tjoa und dann ist schon Dezember.
Die Presse schreibt uns quasi schon zum Titel ... und so ganz aus der Luft gegriffen scheint das ja oberflächlich betrachtet auch nicht zu sein.
Auch wenn noch mehr als die Hälfte der Saison vor uns liegt, haben wir dennoch bereits elf (ELF!) Punkte Vorsprung vor dem Zweiten Düdelingen.
Und im Dezember haben wir auch nicht die ganz dicken Brocken aus dem Weg zu räumen - in allen vier Partien geht es bestenfalls gegen das obere Mittelfeld der BGL Ligue, das sollte doch machbar sein?

Nunja, wie sich herausstellt, ist für uns absolut nichts in dieser Liga ohne 110% Einsatz selbstverständlich.
Das Heimspiel gegen den Racing FC ist ein zähes Gewürge, die Gäste stehen defensiv extrem sicher - und kontern uns einmal klassisch aus.
Erste Saisonniederlage! Und weil das an schlechten Nachrichten natürlich nicht reicht, fallen auch noch Plazonja (Zerrung) und Olaizola (fünfte Gelbe) fürs nächste Spiel aus. Super.

Mit Wut im Bauch empfangen wir Steinsel eine Woche später zum letzten Heimspiel des Jahres ... und machen einmal mehr deutlich, wie abhängig wir von Topvorbereiter Olaizola und Goalgetter Plazonja sind.
Positiv: wir stehen immerhin defensiv sicher.
Negativ: innerhalb von nur zwei Ligapartien hat sich unser Vorsprung auf Düdelingen nahezu halbiert.

In Strassen und in Schifflingen müssen jetzt Siege her, sonst feiern wir Silvester möglicherweise nicht als Tabellenführer!

Gut, dass wir alle Mann wieder an Bord haben - so kann Plazonja sich nochmal richtig ins Schaufenster stellen. Fünf der sechs Tore, die wir gegen die beiden Abstiegskandidaten schießen, gehen auf sein Konto.
Unglaublich!




Damit gehen wir mit einem immer noch komfortablen Vorsprung in die zweite Saisonhälfte.
Wie schnell so ein paar Punkte weg sind, haben wir allerdings gerade am eigenen Leibe zu spüren bekommen, vordringlichste Aufgabe fürs Trainerteam wird also die Bekämpfung der Selbstzufriedenheit sein.
Wir haben eine gute Chance, etwas wirklich sensationelles zu schaffen - aber dafür muß alles passen.
Und das meint zuallererst mal unsere eigene Leistung.




Wermutstropfen:
Unsere Schlüsselspieler (Torwart Soré, Linksverteidiger Kettel, Mittelfeldspieler Marien, Linksaußen Olaizola und Vollstrecker Plazonja) lehnen final alle Vertragsangebote ab.
Wir entschließen uns also schweren Herzens, die Jungs zum Verkauf anzubieten - alle diese Spieler ablösefrei abzugeben, können wir uns schlicht finanziell nicht leisten.
Da wir andererseits ohne diese Fantastischen Fünf wohl kaum noch allzulange Tabellenführer sein werden, teilen wir allen potentiellen Interessenten mit, dass ein Verkauf nur unter der Bedingung zustandekommt, dass wir den jeweiligen Spieler bis Saisonende zurückleihen dürfen.
Mal sehen, ob jemand darauf eingeht ....
« Letzte Änderung: 29.August 2023, 09:35:13 von Achtelprofi »
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Re: [FM 20/23 Journey] Lavayeux' Europatour - Die Geschichte eines Luxemburgers
« Antwort #254 am: 02.September 2023, 12:14:41 »


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Titeljagd und andere Katastrophen



Frühjahr 2032, Esch d'Alzette, Luxemburg

Die privaten Unstimmigkeiten ziehen sich auch im Frühjahr durch.
Nicht weil Madeleine oder ich in irgendeiner Form Interesse an permanent schlechter Stimmung hätten, sondern weil uns der Alltag metaphorisch gesprochen auffrißt.

Sie wird vom Sender mit beklagenswerter Regelmäßigkeit irgendwo in die ausländische Provinz geschickt. Insbesondere nachdem ihr Chef Tom die Einschaltquoten der von ihr verantworteten Dokumentationen und Auslandsberichte ein paar Monate mit größer werdenden Augen verfolgt hat, nimmt das überhand. Sie ist eigentlich jedes Wochenende auf Achse.

Das ist natürlich sehr ungünstig, sind doch die Sonntage strenggenommen die einzigen Tage, an denen ich nicht von früh bis spät mit der FOLA beschäftigt bin. Der Verein durchlebt eine Phase des Erfolgs und das wollen wir - angefangen vom Präsidenten Edwin Thill bis runter zum Greenkeeper und dem Busfahrer - selbstverständlich nicht durch Nachlässigkeit gefährden.
Und es gibt da so dermaßen viele Stellschrauben, die mit akribischer Arbeit eingestellt sein wollen.

Natürlich betrifft mich davon eigentlich strenggenommen "lediglich" das Training und die Taktik der Seniorenmannschaft, aber wenn nur als Beispiel Ken Risch auf mich zukommt und um meine Meinung und meine Hilfe bittet, kann und werde ich doch nicht nein sagen!
Risch ist der Cheftrainer unserer U19 und seit letztem Frühjahr zunehmend "arbeitsbelastet", denn unsere Investitionen in die Jugendarbeit und vor allem ins Jugendscouting zahlen sich zunehmend aus. Zur neuen Saison, soviel können wir jetzt schon sagen, werden mindestens drei oder vier der Jungspunde erstligatauglich sein.
Vor allem in der Innenverteidigung und im defensiven sowie zentralen Mittelfeld bietet die Nachwuchsmannschaft einige für luxemburgische Verhältnisse geradezu herausragende Talente.
Risch und ich sind schon letzte Saison übereingekommen, dass es Sinn ergibt, in Maßen (!) regelmäßig gemeinsame Trainings der "kleinen" und der "großen" FOLA durchzuführen.
Und wir Trainer hospitieren gegenseitig, auch das regelmäßig, einfach nur, damit es immer auch einen gewissen "Blick von außen" gibt. Der kann selbstverständlich nie komplett objektiv sein (immerhin sind wir alle Angestellte des gleichen Vereins), aber es stellt sich schnell als hilfreich heraus, wenn der Jugendtrainer dem Cheftrainer ab und an über die Schulter schaut und umgekehrt.

Wir haben mit meinem Einstieg in den Verein sowieso generell beschlossen, dass die Trainerstäbe aller Mannschaften so eng wie nur irgend möglich zusammenarbeiten, das schließt nicht nur das Training ein, sondern auch die taktische Aufstellung in Spielen.
Das 442 mit Fokus auf direktem Spiel (variabel über beide Flügel oder die Mitte) ist die Basis all dessen, was wir mit den Jungs trainieren. In Absprache mit unserem Vorstand ist das - also attraktives, explosives Direktspiel statt selbstverliebter "Noch'n-Querpass"-Orgien - die Spielweise, für die wir den CS FOLA Esch bekannt machen wollen.

Auch unsere Scoutingabteilungen nehmen diese taktischen Vorgaben als "Blaupause" für ihre Spielersichtungen, völlig egal, ob sie nach einer Verstärkung für die Erste oder nach dem nächsten Jugendjuwel suchen.

Und wie gesagt, es zahlt sich aus.
Die Spieler aller Mannschaften kennen sich durch diese Vorgehensweise, die Jungspunde bekommen regelmäßig direktes Trainingsfeedback im Vergleich zu den Spielern, die in der Ersten auf ihren Positionen spielen...

... und ich hab oft genug bis spät in die Nacht im Verein zu tun, weil es so viel zu koordinieren, zu besprechen  und zu planen gibt, dass "Trainingssschluß" für mich (und etliche andere Angestellte) oft genug nicht "Feierabend" bedeutet, sondern: "So, kurze Pause und  dann treffen wir uns im Besprechungsraum. Wer kocht den Kaffee?"

Es macht einen Heidenspaß und ist eine ungeheur erfüllende und befriedigende Arbeit - aber zu behaupten "mein Privatleben leidet darunter ein wenig" ist die Untertreibung des Jahrzehnts.
Es gibt ganze Wochen, in denen Madeleine und ich uns nicht nur nicht sehen, sondern auch kaum Zeit zum telefonieren finden.
Und wenn wir uns dann sehen, sind Unstimmigkeiten oft unvermeidlich, weil die beiderseitige Unzufriedenheit mit der Situation ein Ventil braucht....


Im Verein (und damit in meinem Job) läuft es deutlich besser.
Wobei auch in diesem Satz eine mächtige Untertreibung steckt, denn genaugenommen läuft es absolut fantastisch bei der FOLA.
Wir gehen ja wie erwähnt als Tabellenführer mit einem komfortablen Vorsprung in die Rückrunde.
Sechs Punkte vor Düdelingen, acht vor Mamer und sogar zehn (!) vor Ligakrösus Hesperingen.

Das sorgt für ein gehöriges Selbstbewußtsein, das am 17. Spieltag zunächst mal unser erster Ligagegner im Jahr 2023, der FC Rodingen, zu spüren bekommt.
Erster Angriff, 1:0 durch Plazonja, zweiter Angriff, 2:0 durch Fiorillo.
Nach drei Minuten ist die Partie eigentlich schon entschieden. Spätestens nachdem Plazonja Mitte der ersten Halbzeit einen Konter zum 3:0 versenkt, sind die Messen endgültig gelesen und auch der Anschlußtreffer in der 78. Minute ändert daran nichts mehr. Guter Start ins Jahr, so will ich das sehen!

Als nächstes geht unsere Reise nach Niederkorn, zu Progres. Das ist ein deutlich anderes Spiel, die erste Hälfte geht mit einem 0:0 und leichten Feldvorteilen für die Gastgeber zuende.
Aber zum Glück haben wir ja unseren Mister Zuverlässig im Sturm. Zum wiederholten Male gelingt Karlo Plazonja ein Doppelpack. Und da unsere Abwehr wieder einmal dichthält, bedeutet das einen weiteren Sieg auf dem Weg zum Titel (?).

Hinter uns hat sich nichts getan, alle vier Topvereine sind ebenfalls mit zwei Siegen aus der Winterpause gekommen, das wird sich zwingend ändern, denn wir gastieren beim Tabellenvierten Hesperingen. Zweimal bringt uns Plazonja in Front, zweimal gleicht Hesperingen aus - gerechtes Unentschieden in einem unterhaltsamen Spiel.




Wermutstropfen: Düdelingen gewinnt und ist auf 4 Punkte dran. Kein Beinbruch, aber ärgerlich.
Zumal wir am 26. Spieltag noch ein Auswärtsspiel bei unserem ärgsten Verfolger haben. Und wenn es in Düdelingen eine Niederlage setzen sollte, wird es verdammt eng an der Tabellenspitze - immer vorausgesetzt, wir gewinnen alle anderen Partien. Und DAS vorauszusetzen, grenzt schon an Arroganz, denn FOLA ist rein kadertechnisch halt eher im unteren Tabellenmittelfeld zu verorten. Wir schwimmen auf einer Welle des Erfolgs, aber die ist keineswegs selbstverständlich!
Den Spielern diese Warnung immer und immer wieder einzubläuen, ohne sie zu demotivieren, ist denn aktuell auch unsere wichtigste Aufgabe im Trainerstab.

Die nächste Bewährungsprobe ist ein weiteres Auswärtsspiel (das dritte am Stück in der Liga): Etzella Ettelbrück wartet.
Die Partie ist schnell zusammengefaßt: wir verschlafen die Anfangsphase, kassieren das 0:1 ... und dann beginnt die Plazonja-Show. 24., 85., 94.
Endergebnis: 3:1.

Es folgt endlich mal wieder ein Heimspiel, wir empfängen Käerjeng. Und da Plazonja heute nicht seinen besten Tag erwischt hat (ich wechsle ihn Mitte der zweiten Halbzeit sogar aus), braucht es eine Ecke und den unbedingten Willen von Mittelfeldtalent Mateo Bausson, damit wir kurz vor Schluß doch noch die drei Punkte sichern. Die knapp 350 Zuschauer frieren sich den Allerwertesten ab, Werbung für die FOLA war dieses Spiel ganz sicher nicht.

Nächstes Heimspiel, diesmal gegen Kellerkind Viktoria Rosport. Da wird doch sicher alles besser und die FOLA zeigt endlich mal wieder ein überzeugendes, mitreißendes Spiel, oder?
Ja, Pustekuchen!
Wir gehen zwar durch einen Doppelpack von Olaizola (27. und 36.) rasch mit 2:0 in Führung, kassieren aber durch zunehmende Nachlässigkeit Mitte der zweiten Halbzeit zwei Kontertore und steuern plötzlich auf eine Enttäuschung ersten Ranges zu.
Ich bringe Plazonja (der heute mal für Pereira auf der Bank geblieben ist) - und der Junge beweist einmal mehr, wie unersetzbar er für uns im Grunde genommen ist.
Keine Minute nach seiner Einwechslung narrt er die halbe Rosporter Hintermannschaft, umrundet den Keeper und schiebt zum Siegtreffer ein.
Puh, Glück (und Plazonja) gehabt!

Uuuund weils so schön war, gleich noch ein Heimspiel hinterher!
Mondorf liegt auf einem Relegationsplatz und sollte doch bitte einen dankbaren Aufbaugegner abgeben, oder?
ODER?!
Ja, Pustekuchen zum Zweiten! Wir liegen nach exakt 31 Sekunden hinten, weil sich Balcaen und Ofosuhene komplett mißverstehen (ein Mißverständnis der Sorte "nimm Du ihn, ich hab ihn") und auch wenn unsere Mittelfeldarbeitsbiene Berbachi postwendend ausgleicht, nimmt danach ein gähnend langweiliges Spiel seinen Fortgang.
Und dieses Langeweilefestival (bei dem etliche der reichlich 400 Zuschauer bestimmt bereuen, überhaupt in der Kälte aufden Stehplätzen ausgeharrt zu haben) wäre unentschieden ausgegangen ... wenn nicht (man ahnt es) Karlo Plazonja etwas dagegen gehabt hätte. Der hat erneut einen eher gebrauchten Nachmittag erwischt, ist aber in der 89. (!) Minute dann doch noch zur Stelle, um eine butterweiche Olaizola-Flanke am konsternierten Mondorfer Keeper vorbei in die Maschen zu drücken.
Puh, das war schon wieder viel zu glücklich für meinen Geschmack.




Mit solchen Leistungen wird es jetzt beim Spitzenspiel in Düdelingen eine heftige Klatsche geben, das steht fest. Also will ich gefälligst endlich wieder mal die siegeshungrige, konzentrierte und mit dem Messer zwischen den Zähnen spielende FOLA sehen, teile ich der Mannschaft mit.
Vor 5000 (!) Zuschauern setzen die Jungs das bravourös um. Die Gastgeber sind auf dem Papier turmhoch über uns anzusiedeln. Da sind Spieler unter Vertrag, die verdienen glatt 15mal so viel wie unsere Topverdiener (!). Sogar ein belgischer und zwei österreichische Nationalspieler finden sich in ihren Reihen.
Aber die FOLA-Elf setzt dem eine, wie es im Journalisten-Letzeburgisch so schön heißt, "geschlossene Mannschaftsleistung" entgegen und hält die Gastgeber konsequent vom eigenen Tor fern. Düdelingen hat beim Schlußpfiff drei (!) Schüsse auf unser Tor zu verzeichnen, die allesamt eine sichere Beute von Sorè werden.
Und in ihrem eigenen Strafraum (den sie zugegebenermaßen auch ziemlich dicht halten) entwischt ihnen - na, wer wohl? - Plazonja doch mal und netzt in der 74. Minute humorlos zum 1:0 ein.
Ein Ergebnis, das wir über die Zeit bringen und damit einen riesigen Schritt Richtung Meisterschaft machen.

Oder besser: gemacht hätten, wenn wir nicht zuerst das folgende Auswärtsspiel in Mamer (das wir durchaus hätten gewinnen können, Chancen hatten wir genug!) mit 0:0 beendet hätten, um dann auch noch das Heimspiel gegen Differdingen sang- und klanglos mit 0:2 zu verlieren.




Krise bei der FOLA?
Naja, die zwei Wochen mit diesen beiden Spielen sind sicher nicht schön, aber wir fokussieren uns "einfach" auf uns (das ist immer so leicht gesagt!) und auf die kommenden beiden Spiele bei beim Racing FC und gegen Luxembourg City.
Außerdem stellen wir die Taktik gezwungenermaßen leicht um - statt 442 mit zwei DM und Doppelspitze gibt es ein 4411 mit zwei DM.
Warum?
Weil uns ausgerechnet jetzt Karlo Plazonja mit einer Bänderdehnung ausfällt!
Mit etwas Glück ist er beim Saisonfinale wieder dabei, aber wir planen erstmal ohne ihn.

Mundadi soll daher aushilfsweise den Alleinunterhalter im Sturm geben, hinter ihm wird der erfahrene Pereira auf die Chance für Abpraller lauern.

Und was soll ich sagen?
Funzt!
Wir gewinnen zwar glücklich - aber wir gewinnen eben! Und zwar zweimal.

Vor dem nun folgenden Heimspiel gegen UNA Strassen betreiten wir noch das Halbfinale im luxemburgischen Pokal.
Moment, häh?
Pokalhalbfinale?
Wie das?

Nun ja, ganz einfach, kurz und langweilig geht die Geschichte so:

Dank günstiger Auslosungen und vor allem dank Karlo Plazonja mogeln wir uns mit durchwachsenen Leistungen durch die Pokalsaison.
Das einzige wirklich gute (und schwierige) Spiel ist die Fünftrundenpartie bei Progres Niederkorn, die wir dank eines Plazonja-Doppelpacks knapp mit 2:1 für uns entscheiden können.

Im Halbfinale wartet mit dem FC Luxembourg City ein durchaus machbarer Gegner auf uns - und wir reisen ja nach den beiden letzten Siegen auch mit breiter Brust an.
Aufstellung ist wieder das 4411 (das eigentlich ein verkapptes 4231 ist, in dem lediglich die Flügelspieler etwas zurückgezogener agieren, aber da ich in Interviews nicht müde werde zu erzählen, wie einfallslos das 4231 ist, behalte ich das lieber für mich).


(click to show/hide)


Die Mannschaft ist logischerweise irgendwie geknickt, die Spannung aus dem Team ist irgendwie raus - und UNA Strassen ist irgendwie hungriger als wir in der nun folgenden Partie des vorletzten Spieltages.
Mit viel Glück duseln wir uns irgendwie zu einem 1:1.

Unbefriedigender Abschluss eines unbefriedigenden Monats, irgendwie.




Saisonabschluß findet heuer auswärts statt, bei Alisontia Steinsel.
Die haben bisher ganze drei Saisonsiege auf dem Konto.
Plazonja ist auch wieder einsatzbereit.
Also wenigstens ein versöhnliches Saisonfinale?

Von wegen!
Steinsel will auch die letzten zweifel am direkten Klassenerhalt beseitigen (hätten sie gar nicht gemußt, weil Konkurrent Mondorf sowieso verliert) und besiegt uns trotz einen finalen Saisontreffers von Plazonja verdient mit 2:1




Bleibt die Frage - wie drückt sich dieser Schlendrian auf dem letzten Saisonmetern tabellarisch aus?


(click to show/hide)


Und wie es in kleinen Nationen nunmal so ist, gibt es für Fussballvereine - egal ob erfolgreich oder nicht - nach dem Saisonende oft genug noch schlechte Nachrichten zu verkünden.
Unsere sind richtig, richtig, RICHTIG schlecht.




Der Stammkeeper der letzten beiden Jahre verläßt uns gen USA. Absolut fantastischer Rückhalt, stark auf der Linie und in der Luft, stark im Herauslaufen und auch eine passable Anspielstation für die Verteidiger.
Wie wir den ersetzen sollen, ist uns unklar - Joyce fällt in allen Belangen deutlich ab, auch wenn er charakterlich top ist.




Nominell nur der Backup auf der Linksverteidigerposition, hat er unserem Eigengewächs Tuillier (das wir glücklicherweise halten können, trotz verschiedener Angebote, u.a. aus der zweiten französischen Liga) mächtig Druck gemacht und kam auf 16 Saisonspiele.
Kein passender Ersatz in Sicht bisher - der hochtalentierte Moussa Coulibaly in der U19 braucht noch mindestens eine Saison, um für die Erste in Betracht zu kommen.




Das Herz unseres Spiels. Dass er nach nur einem Jahr wieder geht, ist ein absoluter Tiefschlag. Aber wenn die zweite portugiesische Liga lockt, wird es halt schwer.
Sein Ersatz Roger ist schon im Verein, spielt aber nicht mal im Ansatz auf Mariens Niveau.




Auch unser Topvorbereiter geht. 17 Assists (in 35 Pflichtspielen), das wird sackschwer zu kompensieren sein. Sein einziger ligatauglicher Vertreter Asrihi ist bereits in fortgeschrittenem Alter und seine einzige wirkliche Waffe (die Schnelligkeit) beginnt bereits nachzulassen.
 



DER Verlust. Die anderen vier sind schlimm genug, aber dass auch Karlo Plazonja geht, ist ein absoluter Schlag in die Fresse.
Nicht, weil er sich nicht korrekt verhalten hätte!
Ganz im Gegenteil - Olaizola und er teilten uns bereits im Winter mit, dass sie gehen werden. Aber beide stimmten sofort zu, als wir sie darum baten, sich bis Saisonende zurück an uns verleihen zu lassen.
Wenn man sich die Statistiken der Rückrunde ansieht, erkennt man sofort, dass beide Spieler wirklich mit vollem Einsatz bis zum letzten Spiel rotweiß getragen haben.

Nein, der Schlag in die Fresse bezieht sich darauf, dass es absolut unmöglich ist, diesen Spieler auch nur halbwegs zu ersetzen.
Die Statik unseres Spieles wird sich komplett verändern (müssen).

Wobei das natülich für die gesamte Startelf gilt.
Wir haben eine komplette Achse hochwichtiger Spieler verloren, der FOLA steht ein gigantischer Umbruch bevor.
Und das Schlimmste: wir haben nur einen Monat Zeit, denn Mitte Juni müssen wir bereits den Kader für die Champions League-Qualifikation melden.
Champions League! Die FOLA!
Dieser Gedanke stimmt dann doch wieder optimistisch.

Und immerhin spülen die Abgänge der fünf genannten Spieler reichlich Geld in die Kasse - genauso wie der Titelgewinn:




Das Abenteuer Champions League muß die FOLA allerdings - und damit kommen wir zum letzten Wermutstropfen - ohne den langjährigen Vereinspräsidenten Edwin Thill angehen.
Dieser teilt bereits Ende Februar mit, dass er mit Ablauf der Saison von all seinem Ämtern zurücktreten und sich in den Ruhestand begeben wird.






Nachfolger wird der seit Jahrzehnten in Luxemburg lebende und arbeitende rumänische Bauunternehmer Constantin Varga, der nicht den allerbesten Ruf genießt, unter anderem, weil er gerüchteweise dubiose Kontakte in den Nahen Osten unterhalten soll. Genaueres weiß natürlich wie gewöhnlich keiner, aber der Name Varga wird - zusammen mit einem anderen eher zwielichtigen Prominenten, der Remicher Größe M.A. Rados, - immer wieder im Zusammenhang mit Saudi-Arabien genannt...
... das kann ja heiter werden.


Allerletzte Nachricht: UNA Strassen, die die Saison als 12. abgeschlossen haben, möchten mich als Trainer verpflichten! Uiuiui!




PFFFF! Als ob, ey!
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Re: [FM 20/23 Journey] Lavayeux' Europatour - Die Geschichte eines Luxemburgers
« Antwort #255 am: 02.September 2023, 20:35:19 »


Cercle Sportif FOLA Esch




Leichter wirds nicht!



Sommer 2032, Esch d'Alzette, Luxemburg


„Mit die beste Wünsche von die Chef!“
Ich schaue mir die Karte mit skeptischem Gesichtsausdruck noch ein paar Mal an, aber da ist keine andere geheime Botschaft mehr zu finden.
Nur dieser eine Satz – und zwei „VIP“-Tickets für ein Konzert von … äh … Iron Driver.
In … öhm … Remich? Im Stadion?!
Von der Band hab ich noch nie gehört – aber wenn sie sogar Stadionkonzerte gibt, kann sie ja nicht allzuschlecht sein.
Andererseits haben Def Leppard ja auch zu „Adrenalize!“-Zeiten noch Stadien gefüllt und von Guns'n'Roses will ich lieber gar nicht erst anfangen. Oder von Rammstein. Oder Marilyn „Zwinker mal!“ Manson...

Ich google jedenfalls mal kurz nach Iron Driver … und stolpere nach kurzer Suche über einen youtube-Link zu ihrem 2020er „smells of perdition“-Longplayer.
Die Linernotes geben zumindest eine ganz rudimentäre Infobasis ab.
Russische Band, aha. Wie kommen die denn nach Remich?
Alle Bandmember haben „Iron“ als Vorname, wie originell.
Ich klicke „play“ und suche währenddessen im Netz weiter nach Informationen.

Nach ein paar Sekunden stelle ich fest, dass nicht nur mein linker Fuß, sondern auch der Kopf sachte im Takt der Musik wippen und ich lasse das mit dem Suchen erstmal sein, um mich aufs Lauschen zu konzentrieren.
Das ist gar nicht mal sooo übel, muß ich zugeben.
Klar, es ist ein ziemlich dreister Versuch, die Anfangsjahre von Maiden zu kopieren, garniert mit dem einen oder anderen musikalischen Zitat aus den frühen Achtzigern (ich meine kurzzeitig Helloween, Saxon oder sogar Angel Witch (!) rauszuhören, aber das Gefühl hält jeweils nur ein paar Takte an). Dazu kommen einige fast schon thrashige Parts, die aber im Gegensatz zu den Originalen kein bißchen „free&wild“-Flair versprühen, sondern eher bemüht wirken.

Der Sänger schließlich macht für mich einiges der Untergrund-Faszination kaputt, weil er eben weder Di'Anno noch Dickinson ist – der hier versprüht eher Random- oder gar Randalica-Flair.
Außerdem wirken die Gitarrenmelodien, wenn sie denn mal auftauchen, fast wie zusätzlich aufgepappt und fügen sich kaum mal harmonisch ein.
Kein Vergleich mit den Früh-Achtziger-Helden.

Andererseits – warum nicht mal wieder zu einer (mir) unbekannten Band gehen? Seit ich in Rümelingen Trainer war, hab ich für sowas überhaupt keine Zeit mehr gefunden.
Ich spreche also Madeleine darauf an – und nachdem sie ebenfalls probegehört hat, beschließen wir, dass es keinen Grund gibt, NICHT hinzugehen.

Als wir am Abend in Remich auftauchen, fällt uns neben dem Stadion als erstes ein großes häßliches schwarzgelbes SUV auf, ein Auto, das ziemlich laut „Ich hab den Längsten!“schreit.
Wem das wohl gehört?

Wir nähern uns dem Stadioneingang.... komisch, so groß hatte ich das Spielfeld in Remich gar nicht in Erinnerung … da sind ja komplett rund ums Spielfeld Tribünen errichtet worden. Zum Teil gar überdacht.
Und statt des windschiefen Tores, an das ich mich aus einem Spiel mit Excelsior Grevels vor gefühlt 10 Jahren erinnere, steht jetzt ein richtiges Tor mit Kassenhaus und allem Pipapo hier!
„Mannmannmann, das muß ja ein Vermögen gekostet haben.“, sage ich zu Madeleine.
Plötzlich klickt es neben uns und wir werden von einem ziemlich hellen Blitz geblendet.
Wir zucken instinktiv zusammen und provozieren so ein kehliges Lachen.
„Aber, aber, wer wird denn so schreckhaft sein? - Willkommen, Herr Lavayeux – und willkomen, Frau Muller. Sie sehen noch zauberhafter aus als im Fernsehen!“
Wir drehen uns überrascht zum Sprecher um, der ganz offensichtlich aus den eher östlichen Regionen Europas stammt, denn so schön rollt sonst niemand ein R.
'Den hab ich doch schon mal gesehen', denke ich.

Unser Gegenüber deutet meinen Gesichtsausdruck offenbar richtig.
Michail Andrejewitsch Rados“, er verneigt sich sogar ein wenig, was allerdings bei einem solchen Hünen irgendwie tollpatschig wirkt, insbesondere weil er trotz der lauen Abendluft Pelzmantel trägt.
Und – na klar – Sonnenbrille!

„Ein kleiner Willkommenstrunk gefällig?“
Eine junge, adrett gekleidete Frau kommt mit einem kleinen Tablett angetänzelt und Michail nimmt zwei Gläser Sekt, von denen er eines Madeleine und das andere mir reicht.
Das dritte behält er selbst und stößt mit uns an.
„Prost, auf einen schönen Abend!“
Wir trinken pflichtschuldigst einen Schluck.
Sofort stößt er noch einmal mit uns an.
„Prost!“
Schluck.
Der Sekt ist ziemlich stark, wie mir scheint, vielleicht liegt es auch an dem fehlenden Abendessen, aber ich merke sofort, wie mir der Alkohol zu Kopfe steigt.

„Ich freue mich, dass Sie angenommen haben meine Einladung.“
Klick. Blitz.
„Kommen Sie, ich habe vorbereitet Loge.“
Klick. Blitz.
„Loge? Welche Loge?“
Klick. Blitz.
„Ihre Loge – oder Sie wollen schauen Konzert mit das gemeine Pöbel auf Wiese?“ Er schaut einen Moment in unsere verdutzten Gesichter, dann lacht er dröhnend. „Nur Scherz, nur Scherz! - Aber Loge wirklich bereit, kommen Sie, wir reden müssen.“
„Müssen wir?“
So langsam schwirrt mir der Kopf.“
„Müßt ihr?“
Madeleine schaut mich mit zusammengekniffenen Augen an.
Gerard, Du hattest gesagt, wir gehen zum Konzert! Es war keine Rede davon, dass es hier wieder nur um irgendwelche Geschäfte und wahrscheinlich um Fussball gehen soll!“ Sie dreht sich zu Michail.
„Geht es um Fussball?“
„Natürlich, möchte ich Gerard etwas anbieten ...“
Madeleine holt tief Luft und dreht sich wieder zu mir, Zornesröte kriecht über ihre Wangen..
„Du Arsch! Und ich blöde Gans dachte, Du willst Zeit mit mir verbringen! Dabei brauchst Du mich nur als Anhängsel für ein Geschäftsessen oder was?! Du kannst mich mal!“
Sprichts, macht auf dem (ziemlich hohen) Absatz kehrt und stakst schnaubend Richtung Auto davon.
Ach, erwähnte ich schon, dass wir mit IHREM Auto hier sind?

Ich stehe jedenfalls da wie vom Donner gerührt und finde ein, zwei Sekunden gar keine Worte – zumal ich überhaupt nicht weiß, wie mir geschieht. Von irgendwelchen Geschäften oder Angeboten wußte ich schließlich bis eben auch nichts!
Schließlich erwache ich aus meiner Starre und will loslaufen, hinter ihr her.
Madeleine, warte, so war es gar nicht, ich ...“
Aber da fühle ich mich schon am Arm gepackt und Rados zieht mich zurück.
„Lass Sie gehen. - Sie kommt schon zurück. Und wenn nicht ...“, er zuckt mit den Schultern. „Dann sie kommt morgen zurück. - Komm, wir gehen in Loge, dann wir können reden.“

Wie betäubt folge ich ihm, den Kopf immer wieder zurückwendend, dahin, wo ich in der Abenddämmerung das Auto zu sehen glaube.

Wenige Augenblicke später sind wir – vorbei an allen Kontrollen und unter dem imposanten Torbogen hindurch, auf dem in riesigen Lettern RADOS-Arena“ prangt – in „der Loge“ angekommen.
Eins fällt mir sofort auf – dieser Ort ist vor allem dazu da, ungesehen zu bleiben. Denn durch die vom Boden bis zur Decke reichende Panoramascheibe kann man nur raus, aber nicht rein schauen.
Woher ich das weiß?
Na, weil wir, um reinzugehen, erst mal von draussen herangehen müssen, ganz einfach.
Drinnen steht Luxus pur.
Bequeme Couches und Sessel, die größte Minibar, die ich je gesehen habe, ein erlesenes Buffet – und drei lächelnde junge Frauen, eine hübscher als die andere.
„Tatjana, Natascha und Elena“, stellt sie mir mein Gastgeber vor. Ihr Lächeln wird noch etwas breiter, während Michail mich sanft, aber mit Nachdruck in einen der Sessel drückt.
Sekundenbruchteile später habe ich das größte Wodkaglas aller Zeit in der Hand, halbvoll mit – genau.

„Nastrowje!“, prostet mir der Pelzmantelträger zu.
Immer noch wie in Trance nehme ich einen Schluck und fange fast das spucken an – purer Wodka auf nüchternen Magen.
Um das zu trinken, ohne eine Miene zu ziehen, muß man wohl wirklich Russe sein.
Michail lacht und stößt wieder mit mir an.
Und wieder.
Und wieder.
Und nochmal.
Irgendwann habe ich – wie auch immer das passieren konnte – das ganze halbe Glas getrunken.
Vermutlich sogar mehr, denn ich meine mich zu erinnern, dass Rados mindestens einmal nachgefüllt hat.
Ganz sicher bin ich mir aber nicht, denn ich fühle mich irgendwie … sonderbar.
Leicht, beschwingt, nicht ganz von dieser Welt.... und die Damen, die inzwischen um mich herum Platz genommen haben, sind alle so liebreizend, sie lachen so herrlich ...

„So, nun zu Geschäft...“, höre ich Michail wie durch einen Nebel. Er wedelt mit irgendetwas (Papier?).
„Machen wir so, Du geben mir Unterschrift hier...“
Er führt meine Hand, die plötzlich einen Stift hält (??!) zum Blatt und ich unterschreibe.
„... und ich machen Dich reich. Sehr reich.“
Ich will ihn fragen, was genau ich da eigentlich gerade unterschreibe, aber plötzlich hat eine der Damen ihre Finger an einer sehr unangemessenen Stelle und ihre Lippen auf meinen und irgendwie lenkt mich das alles ein bißchen ab.

„Ist win-win für Dich, für Verein und für …. Saudi-Arabien.“

„Es dauert einem Moment, aber dann trifft mich die Bedeutung der Worte wie ein Vorschlaghammer und ich setze mich abrupt auf.
Tatjana (oder Elena?) fällt fast von meinem Schoß.
Ich fühle mich plötzlich sehr nüchtern, so als hätte man mir einen Eimer kaltes Wasser ins Gesicht geschüttet.
„Saudi-Arabien?!“
„Ja, wird Dir gefallen dort. Ist schönes Land! Und Fussball wächst.“
„Ich gehe ganz sicher … *örp* … nicht nach Saudi-Arabien, was soll ich … *rülps* … denn da?!
„Trainierst Du Aufsteiger in Saudi Pro League. Spieler aus Westen meine Geschäftspartner kaufen gerade.“
„Nicht in diesem Leben!“
Plötzlich kommt mir das alles hier genau so falsch vor wie es ist, die Wirkung des Alkohols ist wie weggeblasen.
„Geben Sie mir den Vertrag, der ist ungültig.“
Beim Versuch, ihm das Papier aus der Hand zu reißen, scheitere ich – falle dabei aber immerhin aus dem Sessel auf den Boden und Elena (oder Natascha?) desgleichen.
„Nanana, Vorsicht. Sie machen Teppich schmutzig!“
„Geben Sie mir den Vertrag!“
„Nein, Vertrag ist gültig. Sie sind ab sofort Trainer bei Al-“ … was auch immer er sagen will, geht in meinem Wutschrei unter, als ich mich aufrappele und auf ihn stürze.
Dann verliere ich plötzlich den Boden unter den Füßen und fühle mich emporgehoben.
Strampeln hilft nicht – Rados' Leibwächter hat mich fest im Griff.

Michail lächelt nur süffisant.
„Strampeln Sie nur.“ - sein Akzent ist wie weggeblasen.
„Der Vertrag ist gültig und Sie WERDEN in Saudi-Arabien Trainer sein.“
„Und wie wollen Sie das anstellen? Wollen Sie mich entführen?“
„Nein, Sie gehen freiwillig.“
„Vergessen Sie's!“
„Dann endet Ihre Karriere als Trainer in einem Bestechungsskandal, der sich gewaschen hat.“
„Das ist doch irre! Warum ich? Ich bin doch nur ein winziges Licht als Trainer, Sie könnten hunderte bessere haben!“
„Haben alle abgesagt – dummerweise war nämlich keiner von denen so dumm, vorher vom Sekt zu trinken. Und deswegen hat auch keiner unterschrieben.“
Der Sekt!
„Sie … Sie ...“

Ich strample verzweifelt weiter …. bis ich mit einem dumpfen Knall auf dem Boden aufschlage und wach werde.
Keine Loge, kein hinterlistiger Russe, kein ergaunerter Vertrag, leider keine aufreizenden jungen Damen – aber zum Glück auch keine stinkwütende Madeleine.
Ganz im Gegenteil.
Sie beugt sich gerade schläfrig, aber durchaus besorgt über die Bettkante und schaut auf mich herunter.
„Alles in Ordnung?“
„Mhmmm … Alptraum“, murmele ich und reibe mir den schmerzenden Hintern, während ich zurück ins Bett krieche.
Kurz darauf bin ich wieder eingeschlafen.


Zum Konzert gehen wir dann zwar (auch wenn mir nach diesem sehr plastischen Traum alles andere als wohl ist), aber mehr als den schwarz-gelben Hummer bekommen wir glücklicherweise nicht zu sehen.
Das Konzert findet auch nicht im Stadion, sondern im Clubhaus daneben statt.
Und wir sind zwei von exakt 121 zahlenden Gästen, die Iron Driver und deren luxemburgische Vorband Dogs of War (eine Saxon-Coverband) bejubeln.
Danach ist der Abend noch jung genug, dass ich Madeleine zum Essen einladen kann.
Und DANACH ist der Abend noch jung genug, um nach Hause zu fahren und ….


Am nächsten Morgen muss sie leider schon wieder los.
Tom und sie werden die nächsten beiden Wochen in Österreich verbringen, um an einer Dokumentation über den dortigen Fussball zu drehen (und insbesondere über den Einfluss von RB Salzburg auf die Liga ... und natürlich, selbstverständlich auch mit einem kleinen Extra-Feature über einen jungen Mann namens Hannes Ringlwadl, der ziemlich erfolgreich Austria Wien trainiert).
Dass Madeleine schon wieder wochenlang mit Tom unterwegs ist, schmeckt mir zwar gar nicht, aber was soll ich machen? Ich hab hier so viel zu tun, dass ich nichtmal dann mitfahren könnte, wenn das von seiten des Senders möglich wäre.

Es gilt immerhin, für die halbe Stammelf – inklusive Torhüter, Mittelfeldzentrale und Sturmtank – möglichst adäquaten Ersatz zu finden.
Zusätzlich haben wir ja auch noch mit Araujo den vierten Innenverteidiger abgegeben, auch da sollte Ersatz her.
Glücklicherweise haben wir wenigstens für die beiden offenen Defensivpositionen (zentral und links) schnell Ersatz gefunden – in der eigenen U19 nämlich.
Eigentlich wollte ich Moussa Coulibaly noch eine Saison reifen lassen, aber Ken Risch versichert mir ein ums andere mal, dass der Junge bereit ist für den Backupposten hinter Thuillier – und auch als RV-Backup sei er zu grbrauchen.
Ich schau mir den Spieler noch ein paar Mal im Training an und stimme dann zu.
Bei Rodolfo Brito und Huseyin Delorge gibt es dagegen keine zwei Meinungen – die beiden sind überfällig, was die Beförderung in die Erste angeht.
Während Brito dabei eher um einen Platz in der Innenverteidigung kämpfen wird, ist Delorge der fast schon ideale defensive Part in einem Zweiermittelfeld.
Zweikampf- und passtark, mit Übersicht, Nervenstärke und Mut, guten Entscheidungen... dass er auch noch physisch eine ziemliche Kante ist für die Liga, in der wir spielen, ist dann nur die Kirsche auf der Torte.
Wir verlängern seinen Vertrag bis 2038 (!) und bestimmen ihn nach den ersten Vorbereitungsspielen zum Stammsechser.
Außerdem befördern wir noch Wu Shijie in die Seniorenmannschaft, auch wenn wir dadurch jetzt 5 Innenverteidiger im Kader haben.
Der chinesischstämmige Verteidiger ist zu gut, um ihn länger bei den Junioren versauern zu lassen, der soll mit der Ersten trainieren. Bei Bedarf kann er ja dennoch weiterhin in der U19 spielen.

Außerdem verpflichten wir ein paar Spieler von außerhalb:
der Ivorer Didier Sissoko kommt von Stade d'Abdijan und wurde uns von den Scouts unseres Partnervereins (Academie FOLA) empfohlen, er soll sich idealerweise den Stammplatz im Tor sichern, auch wenn Joyce in der letzten zeit durch starke Leistungen durchaus ebenfalls Ansprüche anmeldet.

Jonathan Delente soll den abgewanderten Olaizola auf dem linken Flügel ersetzen. Es stellt sich allerdings bald heraus, dass er besser rechts spielen sollte – er bildet mit Asrihi eine gute neue Flügelzange.

Im Sturm schlagen wir gleich zweimal zu, da wir sowohl Plazonja als auch absehbar Logrillo (der einfach nicht mehr auf das benötigte Niveau kommen wird) ersetzen müssen.
Von FK Bryne aus der dritten norwegischen Liga kommt Amund Knappen-Findsen, der sowohl als Vollstrecker als auch als Vorbereiter im Sturm spielen kann. Bonus: falls wir auf offensive Außen umstellen müssen, sind ihm beide Flügel ebenfalls vertraut.
Außerdem verpflichten wir den Franzosen Mathieu Monteil, der unser Turm im gegnerischen Strafraum werden soll.
Der Zwei-Meter-Hüne verfügt über herausragende Sprungkraft, Balance und Stärke und wird, so unser Plan aufgeht, wahlweise Mundadi oder Knappen-Findsen mit Kopfballvorlagen füttern.

Zu guter Letzt – das erste Champions-League-Qualifikations-Spiel steht quasi schon vor der Tür – ziehen wir mit Antonio Apicella noch ein Talent fürs Mittelfeld in die Erste. Auch der junge Halbitaliener soll eher als Notfalloption dienen und im Allgemeinen nur mit der Ersten trainieren, aber in der U19 spielen.
Wir fühlen uns gerüstet!



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Die Presse sieht unseren Kader übrigens deutlich weniger optimistisch als wir, wenn es nach denen geht, kämpfen wir - als amtierender Meister! - nur ums Überleben in der Liga und um nichts sonst.


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Re: [FM 20/23 Journey] Lavayeux' Europatour - Die Geschichte eines Luxemburgers
« Antwort #256 am: 03.September 2023, 09:54:33 »

„Damals, als Lava auf Europatour bei den Saudis landete…“  O0 Ganz stark!

Ach so: Herzlichen Glückwunsch an den Meistertrainer und Don Schuan!
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Re: [FM 20/23 Journey] Lavayeux' Europatour - Die Geschichte eines Luxemburgers
« Antwort #257 am: 03.September 2023, 11:39:04 »

Ich lieb deine Story, einfach immer wieder schön zu lesen und super geschrieben. Freue mich immer wieder wenn es hier Updates gibt :)
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Re: [FM 20/23 Journey] Lavayeux' Europatour - Die Geschichte eines Luxemburgers
« Antwort #258 am: 04.September 2023, 12:55:34 »

Die besten Glückwünsche zur Überraschungsmeisterschaft! Und gleich anschließend mein Beileid zum Zwangsumbruch, so etwas hat kein Trainer gern, aber wenn man bei einem kleineren Team angestellt ist, ist das wohl unvermeidlich.

Tja, und was soll ich zum letzten Part sagen? Der Hammer, ich habe mich köstlich amüsiert  ;D
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Re: [FM 20/23 Journey] Lavayeux' Europatour - Die Geschichte eines Luxemburgers
« Antwort #259 am: 04.September 2023, 21:38:40 »

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Cercle Sportif FOLA Esch




To Europe and back



Spätherbst 2032, Esch d'Alzette, Luxemburg


Die Geschichte unserer Europareise ist in diesem Sommer leider sehr schnell erzählt und läßt sich in folgendem Satz zusammenfassen:
"Wir sollten zukünftig versuchen, zweimal auswärts zu spielen."

Meine ersten Champions-League-Qualifikations-Spiele (und die ersten für FOLA seit über 10 Jahren) bestreiten wir gegen Qarabag Agdam aus Aserbaidschan. Ungeachtet des etwas sperrigen Namens ist der Verein ein Dauergast im Europacup.
Und wie sich herausstellt, sind sie mindestens eine Nummer zu groß für uns.
Wir spielen zuerst zuhause und vor der für unsere Verhältnisse beachtlichen Kulisse von fast zweieinhalbtausend Zuschauern wollen wir natürlich eine gute Figur abgeben. Mindestens. Vielleicht können wir ja auch für eine Überraschung sorgen?
Den Zahn ziehen uns die Gäste aber sehr schnell. Genaugenommen innerhalb der ersten Viertelstunde.
3. Minute, 11. Minute., 14. Minute - patsch, patsch, patsch schlägt es dreimal in Sissokos Kasten ein.
Als Innenverteidiger Balcaen nach einer reichlichen halben Stunde eine Ecke einnickt, ist das zwar das erste Mal, das ich einen Champions-League-Treffer meiner Mannschaft als TRainer erlebe - nur zu jubeln gibts halt nix.
Zumal wir in der zweiten Halbzeit noch in zwei leider echt gut gespielte Konter laufen und mit einem desaströsen 1:5 in die Kabinen gehen.

Für das Rückspiel nehmen wir uns nicht viel vor - außer defensiv sicherer zu stehen.
Und das klappt auch. Obwohl wir erneut früh in Rückstand geraten (diesmal in der 8. Minute), können wir den Spieß diesmal durch einen Doppelschlag von Delente und Ofosuhene umdrehen und gehen in der Ferne sogar als Sieger vom Platz. Ist sportlich komplett irrelevant, aber für die Moral natürlich Gold wert.

Durch das Ausscheiden steigen wir in die Conference League ab, wo uns mit den Slowenen von NK Maribor ein ähnlich haushoher Favorit erwartet.
Wir versuchen - wieder zuerst zuhause - aus einer dichtgestaffelten Abwehr zum Erfolg zu kommen, aber Maribor kontert zwei unserer eigenen Konter dermaßen hochklassig, dass uns hören und sehen vergeht. Schon wieder eine Europapokalniederlage vor den eigenen Fans!

In Maribor verkaufen wir uns deutlich besser, können die Gastgeber auch erfolgreich am Toreschießen hindern - nur selbst erzielen wir leider auch keins. Und da wir für eine Verlängerung sogar mindestens zwei benötigt hätten, ist diesmal "schon" nach der zweiten Europapokalrunde Schluß und wir können uns komplett auf die beiden nationalen Wettbewerbe konzentrieren.




Das Preisgeld ist zusammen mit den verschiedenen Spielerverkäufen immerhin mehr als ausreichend, um unser Defizit zu decken, aber irgendwelche Infrastruktursprüunge sind diese Saison definitiv nicht drin.
Ist aber nicht so schlimm.
Die Jugendarbeit ist inzwischen die mit Abstand beste im Land und unsere Trainingseinrichtungen können sich ebenfalls sehen lassen.

Und sie rentieren sich ja inzwischen auch, denn mit den erwähnten Coulibaly (der aus unserer ivorischen Partnerakademie stammt), Delorge, Brito, Shijin und Apicelli stehen gleich fünf Eigengewächse im Kader für die neue Saison.
Die ebenfalls bereits erwähnten externen Zugänge sind aus unserer Sicht ebenfalls überdurchschnittlich und beheben punktgenau vorhandene Schwachstellen im Kader, so dass wir mit einigem Optimismus in unser erstes Ligaspiel gehen.

Da es auswärts "nur" gegen einen Aufsteiger geht, grabe ich eine meiner fixen Taktikideen wieder mal aus und lasse die Mannschaft in schiefen 442 auflaufen, mit Delente als vorgeschobenem und nach innen ziehenden Flügelspieler auf der rechten Seite.
Eine meiner weniger schlauen Ideen, denn als das erste Saisonspiel abgepfiffen wird, brennt der Baum.

Warum? Weil meine Jungs mit 0:4 untergegangen sind.
Und zwar gegen Esch Südwest.
Höchste FOLA-Derby-Niederlage seit über vierzig (!) Jahren.
Die FOLA-Fans zerreißen mich im Internet in der Luft ob der "idiotischen" Taktik, die Presse drückt sich zwar gewählter aus, zeigt sich aber ebenfalls besorgt ob meiner "exzentrischen" Idee.
Und der Vorstand macht mir sehr deutlich, dass sowas auch schon mal ein Entlassungsgrund in Esch war. Soweit sei es zwar in meinem Falle noch lange nicht, man wisse ja um meine Verdienste, aber hier sei schleunigst Wiedergutmachung angesagt!

Ich halte mich mit Erwiderungen tunlichst zurück, den unser neuer Vereinspräsident Constantin Varga ist nicht nur deutlich weniger umgänglich als sein Vorgänger, nein, er versteht auch überhaupt gar keinen Spaß.
Liegt möglicherweise daran, dass er zwar gut letzeburgisch spricht, es aber schlicht nicht seine Muttersprache ist.
Oder vielleicht liegt es auch daran, dass er ein Zahlen- und Tabellenfetischist ist.
Hat BWL studiert.
Ohne Nebenfach.
Und nebenbei seine ersten Firmen hochgezogen (und wieder in den Sand gesetzt).
Woher das Geld dafür denn wohl stammte, ist Gegenstand so manches halblauten Kneipengesprächs in Luxemburg (und so manches investigativen Presseartikels).

Oh übrigens: Varga LIEBT ellenlange Rundmails an alle Mitarbeiter, in denen er die Ergebnisse seiner Zahlenspielereien für uns alle in ECXEL-Tabellen und PDF-Anhängen aufbereitet.
Nach der ersten derartigen Mail überfliege ich noch drei weitere, brauche jedesmal mehrere Aspirin , um ohne Schreikrämpfe und Angstzustände wieder Farben und Linien anschauen zu können und lasse darum alle weiteren seiner Mail ungeöffnet im Outlook-Ordner "Präsidiale Statistiken" verschwinden. Natürlich NACHDEM ich sie auf "gelesen" gesetzt habe.
Wenn er mal unangemeldet im Büro stehen sollte, will ich nicht erklären müssen, warum alle Mails in "seinem Ordner" von mir ignoriert wurden.

All das kann, nein muss uns jetzt aber egal sein.
Für die Mannschaft und mich zählt nur eins: Derbywiedergutmachung.
Nur gut, dass mit Rümelingen gleich das nächste Derby ansteht.

Keine Experimente mehr, lautet mein Motto.
Wir kehren also zum langweilig- vertrauten flachen 442 zurück und stellen Monteil und Mundadi zusammen in den Sturm.
Ergebnis?
Ein klares, eindeutiges und zu niedrig ausgefallenes 3:0.

Eine Woche später, in Petingen, lassen wir uns den Sieg zwar durch einen Sonntagsschuß kurz vor Ende des Spiels noch aus der Hand nehmen, aber spätestens der erneut klare 3:0-Erfolg gegen Mamer bringt uns dann endgültig wieder in Tabellenregionen, die auch bierernste Rumänen namens Varga akzeptabel finden.

Madeleine und ihr Chef sind übrigens gleich zur nächsten Dokumentation weitergereist, diesmal in die schöne Schweiz.
Wieder wochenlang, drei diesmal.
Grummel.




Die FOLA spielt währenddessen weiter erfolgreich auf.
In Düdelingen liefern wir vor fast 5000 Zuschauern eine defensive Meisterleistung ab und vorne sagt Monteil nach einer Ecke "Danke, die Herren!", als drei Gastgeberspieler nur halbherzig zum Kopfball gehen.
Auch ein 1:0 ist ein Auswärtssieg!
Eine Woche später, zuhause gegen Luxemburg City, machen wirs wieder mal deutlich, auch wenn die Gäste uns aus dem Spiel heraus gar nichts erlauben. Aber wir können ja Standards ...
Drei Eckentore, dazu ein Freistoß durch Bernardino, macht bei einem Gegentor ein schönes rundes 4:1.




Im Oktober geht dafür fast nichts, da sich die Gegner mehr und mehr darauf verlegen, gegen uns mit massiven Deckungsverbünden aufzulaufen. Ettelbrück steht zum Beispiel die gesamten 95 Minuten komplett in der eigenen Hälfte, nur beim Anstoß zur zweiten Halbzeit kommt einer ihrer Spieler einmal kurz über die Mittellinie.
Wir finden überhaupt kein Mittel gegen diese Mitspielverweigerung und lassen beim 0:0 demzufolge Federn.

Eine Woche später sind wir zwar auf dem Papier erfolgreicher - immerhin steht ein 2:1 gegen Strassen zu buche - aber das, was die Zuschauer geboten bekommen, ist erneut Magerkost. Bestenfalls.

Und zum Monatsabschluß gibts dann auswärts bei Steinsel noch einen weiteren Dämpfer.
1:1. Und das war glücklich. Denn Steinsel kann kontern, wie sie uns fröhlich grinsend mehrfach beweisen.
Wir haben dagegen zum Glück einen glänzend aufgelegten Sissoko im Tor.
Immerhin.
Ohne ihn hätten wir nichtmal den einen Punkt geholt, da bin ich mir ziemlich sicher.




Also ab in den November und gegen Racing FC Luxemburg mal wieder die ollen Kamellen entstaubt. Im Klartext: 4312 mit klassischer Zehn. Hab ich seit Jahren nicht mehr spielen lassen.
Funktioniert aber, der Überraschungseffekt ist wohl groß genug.

Probieren wir zuhause gegen Hesperingen also gleich nochmal.
Funktioniert Null. Kein Zugriff aufs Spiel, keine Chancen, keine Tore.
Aber zwei Gegentore.
Pfiffe im Emile Mayrisch.

In Mondorf, beim Tabellen-Fünften, stehen wir also ein bißchen (*hust*) unter Druck.
Zurück zum Altbewährten, lautet meine Devise. (Gut, eigentlich ist es die Mannschaft, die mich sanft schubst, bis ich endlich auf 442 mit Doppelsechs umstelle.)
Und gugge, es wirkt!
Doppelpack Monteil, Panikleihe Lessa Locko erzielt den Siegtreffer.
Den haben wir geholt, weil zwischendrin mit Rapnouil, Delorge, Berbachi, Bausson und Apicelli FÜNF zentrale Mittelfeldspieler ausfallen.
(Im Nachhinein betrachtet ist dieser November der Monat, in dem unsere Verletztenmisere beginnt. Ab diesem Zeitpunkt haben wir bis zum Saisonende nie weniger als drei verletzte Stammspieler. Selbst unser Innenverteidiger Nummer fünf sammelt in einer 30-Spiele-Liga-Saison am Ende acht Startelfeinsätze!)




Dezember.
Es ist kalt, es ist duster - und unsere Stimmung wird schon kurz vor Nikolaus auf einen neuen Tiefpunkt gedrückt, als wir im Heimspiel gegen Düdelingen offensiv gar nicht stattfinden und defensiv einmal patzen.
0:1 und nun beträgt der Rückstand auf die Tabellenspitze schon neun Punkte.

Da wir dann auch gleich noch das Auswärtsspiel in Niederkorn mit 1:2 in den Sand setzen, sinds Mitte Dezember schon elf Zähler, die wir hinter Düdelingen liegen.

Das 1:0 gegen Rodingen zum Jahresabschluß tröstet da nur bedingt.




Positiv: wir liegen auf dem dritten Platz, der fürs internationale Geschäft reichen würde.
Negativ: bei unseren Leistungen ist das ein mittleres Wunder.
"Konstanz" können wir nicht mal buchstabieren, eine eingespielte Stammformation kann sich dank horrend angestiegener Verletztenzahlen nicht etablieren, Effizienz vor dem gegnerischen Kasten halten meine Stürmer für Teufelszeug und zu allem Überfluß baggern verschiedene belgische Vereine neuerdings an unserem Wunderkind Delorge herum, der deswegen so ganz langsam Flausen im Kopf hat.
Leitwolf Thuillier läßt sich davon anstecken und sinniert offen über die Vor- und Nachteile eines Vereinswechsels. Als ich ihm deutlich mache, dass er einen Vereinswechsel absolut vergessen kann, zieht er eine Schnute und murrt im Training fürderhin so laut, dass die Stimmung im gesamten Team deutlich leidet.
Und unser bis dato zuverlässigster Scorer Monteil hat sich soeben zum zweiten Mal eine Muskelverletzung zugezogen, die ihn mehrere Woche außer Gefecht setzt.
Muss ich erwähnen, dass wir keinen auch nur annähernd gleichwertigen Ersatz für ihn im Kader haben und deswegen die Taktik schon wieder komplett umgebaut werden muß?!

Immerhin sieht es finanziell weiterhin wirklich gut aus - dabei hilft auch, dass wir zustimmen, uns die Weiterverkaufsklauseln von Marien und Plazonja abkaufen zu lassen.






Und ich bekomme kurz nach Weihnachten eine kurzen Flattermann in der Magengegend, als mir eine E-Mail aus Italien ins Postfach geliefert wird:




Nach kurzem Nachdenken sage ich aber ab.
Obwohl das Angebot durchaus verlockend erscheint, fühle ich mich zum einen nicht bereit für eine solch große Aufgabe (schon gar nicht ohne italienisch-kenntnisse) und habe zweitens gerade eine sehr spannende Aufgabe hier in Esch vor der Brust.

Denn das Frühjahr wird spannend, soviel steht schon mal fest!


Madeleine ist über Weihnachten wieder nicht da, eine Delegation ihres Senders hospitiert beim "ZDF-Sportstudio" in Deutschland.
Derjenige, der errät, ob Tom Groß Teil dieser Delegation ist, bekommt einen virtuellen Keks.
Aaaaargh!
« Letzte Änderung: 04.September 2023, 22:08:04 von Achtelprofi »
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“Goodness is about what you do. Not who you pray to.” (Terry Pratchett)
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