Nachdem ich nun bereits über 50 Stunden in Kingdom Come: Deliverance gesteckt habe, möchte ich mal meine Einschätzung des Spiels, Stand jetzt, mit euch teilen.
Nachdem ich im letzten Frühjahr das neue Mass Effect herbeigesehnt hatte und furchtbar enttäuscht wurde (es war so langweilig und uninteressant, dass ich es nach ca. 25-30 Stunden abgebrochen habe), hatte ich bei KCD natürlich ein paar Bedenken, immerhin freue ich mich schon seit dem Beginn der Kickstarter-Kampagne auf das Spiel. Um es vorweg zu nehmen: KCD hat mich nicht enttäuscht.
Rein technisch ist das Spiel etwas holprig. Ich spiele auf der XBox One und da gibt es schon immer wieder Probleme und Schwächen. Kurze Freezes, immer mal wieder ein Absacken der Framerate, aufploppende Objekte, verwaschene Texturen, fehlende Lippensynchronität, hakelige Animationen, verbuggte Wachen,.... Hier hat man definitiv auch nicht ausreichend für die Konsole optimiert, hoffentlich gelingt das noch mit nachfolgenden Patches. So ist das manchmal ein wenig nervig. Von den häufig gemeldeten Abstürzen hatte ich bis dato zwei, nach recht langen Zock-Sessions. Ansonsten läuft das Spiel aber stabil. Hinzu kommen einige Questbugs bei Nebenquests, die dann einfach nicht abgeschlossen werden können. Ärgerlich. Dazu ist die Menüführung teilweise sehr fummelig und umständlich. Das Menüdesign (und auch und vor allem die Karte) gefallen mir wiederum ausgesprochen gut.
Auch optisch wirkt das Ganze etwas altbacken, als wäre das Spiel bereits 4-5 Jahre alt - der Witcher 3 sieht, meiner Meinung nach, heute noch besser aus. ABER die Landschaft sieht einfach großartig aus und ist eine der ganz großen Stärken. Da merkt man einfach, wie überhaupt am gesamten Weltdesign, dass unheimlich viel Liebe zum Detail drin steckt und so macht die Erkundung der Welt richtig viel Spaß. Gut gefällt mir insbesondere, dass man hier nicht alle Nase lang auf einen Gegner trifft, sondern auch einfach mal genießen kann. Die Erkundungen werden zwar nicht immer mit Schätzen belohnt, dafür aber mit tollen Postkartenansichten von Böhmen. Die Landschaft fühlt sich wirklich echt an, man riecht den Wald förmlich.
Überhaupt hat KCD einige tolle Ideen umgesetzt, die mich sehr ansprechen, z.B. das Erlernen von Fähigkeiten. Nun ist die Verbesserung durch Anwendung keine Neuheit, ich finde es allerdings super, dass man z.B. erst Lesen lernen muss, bevor man Informationen aus Büchern erlangen kann. Die "Survival-Aspekte" (Essen und Schlafen) sind auch gut umgesetzt, da sie nicht zu präsent sind, einen aber daran erinnern, dass man eben auch nur ein Mensch ist. Dazu finde ich es klasse, wie Zustand, Sauberkeit und Qualität der Kleidung den Eindruck verändern, den man auf die NPCs macht. Die (wichtigeren) NPCs sind übrigens fast durchgehend gut ausgearbeitet, die deutsche Synchronisation kann sich auch hören lassen.
Auch, dass man Quests auf sehr unterschiedliche Weise lösen kann und Dinge eben auch passieren, wenn man sich nicht direkt daran beteiligt, finde ich großartig. Das gibt der Spielwelt ein authentisches Flair und dem Spieler nicht das Gefühl, als würde alle Welt nur auf einen warten. Das Questdesign selbst ist meist nicht besonders innovativ, aber trotzdem motivierend. Manche Nebenquests machen großen Spaß und haben in teilweise sehr lustigen Eskapaden geendet. Die Hauptquest ist gut erzählt, spannend, aber auch nicht zu episch. Man ist eben nicht der große Held, sondern der Sohn eines Schmiedes.
Gerade dass man kein großer Held, sondern im Grunde ein Niemand ist, gefällt mir gut. Zwar kann man relativ schnell jemand werden, aber ein Niederschnetzeln von 5 Gegner wird selbst mit guten Fähigkeitswerten (Schwertkampf 16, Verteidigung 15, Stärke, Agilität und Vitalität ebenfalls in dem Bereich) und einer ritterlichen Ausrüstung kein Selbstläufer. Überhaupt ist das Kampfsystem nicht einfach, aber macht, gerade im 1 gg 1 großen Spaß und fühlt sich richtig dynamisch an. Gegen mehrere Gegner ist es manchmal doch recht fummelig und wird schnell zum Hauen stechen (was wiederum nicht unrealistisch ist).
Fazit: Wer kleinere bis mittlere technische Mängel verzeihen kann und bereit ist, in eine mittelalterliche Geschichte und Spielwelt einzutauchen, in der es bisweilen etwas geruhsamer zugeht, der kann an KCD viel Freude haben. Die tolle Atmosphäre wird übrigens von einem sehr guten Soundtrack untermalt.