An einen Machtkampf glaube ich da tatsächlich überhaupt nicht. Was die reine Zusammenarbeit mit der Vereinsführung angeht, war das Gespann Nagelsmann/Salihamidzic von außen betrachtet das harmonischste seit Heynckes/Hoeneß bzw. Guardiola/Sammer. Nein, ich denke tatsächlich, man war von Nagelsmann sportlich nicht mehr überzeugt, aber hätte ihn bis zum Saisonende weitermachen lassen, wenn Tuchel nicht kurz davor gewesen wäre woanders zu unterschreiben. Das war die Sackgasse, auf die man zugelaufen ist. Das Risiko eingehen, diese Saison zu verkacken, daran als Vereinsführung Schuld zu sein und dann aber mit Tuchel als absolutem Wunschtrainer alles auf Anfang stellen können; oder das Risiko eingehen, diese Saison zu verkacken, die Schuld dann zwar Nagelsmann geben zu können, aber im Sommer ohne vernünftige Alternative dazustehen. Ob man es nun gut oder schlecht finden mag, um sich für Option 1 zu entscheiden, bedarf es schon der von Kahn geforderten und oft zitierten "Eier."
Kimmichs und Goretzkas Reaktion würde ich nicht zu hoch bewerten, die sind Profis und wollen erfolgreich sein. Die werden deswegen nicht weniger auf Tuchel hören, nur weil sie Nagelsmann gerne weiter als Coach gehabt hätten. Im Gegenzug beflügelt das hoffentlich ein paar Spieler, die mit Nagelsmann nicht so gut klarkamen. Gravenberch, Neuer, eventuell auch Müller, Gnabry, Sané. Ein Fragezeichen steht dafür für mich hinter Stanisic, Tel, Mazraoui und Pavard. Insbesondere unser Überangebot an Rechtsverteidigern könnte zum Problem werden. Nicht unbedingt wegen der Spielpraxis, im Sommer ist mindestens einer weg und fast alle können mehr als eine Position spielen, als problematisch sehe ich eher an, wer dann letzten Endes weggeht. Einem Tuchel traue ich zu, vehement die 70 Mio. für Cancelo einzufordern und dem Fall stehe ich extrem kritisch gegenüber. Aber das würde jetzt zu weit führen.