Der Grund, warum eine Albanien-Flagge von Serben abgebrannt wurde, ist doch klar oder wird die Geschichte des Zerfalls und der Aufteilung des ehemaligen Jugoslawien in Deutschland in der Schule nicht besprochen? Das hat mit der sehr umstrittenen Erschaffung des Staates Kosovo zu tun. Jugoslawien ist ja nach dem Zerfall der Sowjetunion in mehreren Phasen selbst zerfallen in die einzelnen Bestandteile seiner Bevölkerungsgruppen. Natürlich hatten die USA und die NATO da immer (und vor allem immer völkerrechtswidrig) ihre Finger im Spiel bei der Größenverteilung der neuen Gebiete und um den Anstoß für die jeweilige Autonomisierung zu geben. Der gesamte Konflikt geht aber schon sehr viel weiter zurück, bis 1875 zum russisch-osmanischen Krieg, bei dem dann auf dem Berliner Kongress endete, auf dem die Aufteilung der Balkanländer verhandelt wurde. Da wurden von den damaligen Großmächten DR, Ungarn-Österreich, Frankreich, GB, Italien, Russisches Zarenreich und dem Osmanischen Reich haarsträubende Fehler begangen, unter denen die heutigen Bewohner des Balkans immernoch zu leiden haben. Auf Volksgruppen, Religionen oder Zugehörigkeitsgefühle wurde keine Rücksicht genommen, der Balkan wurde in größtenteils wahllose Staaten aufgeteilt.
Hm, um jetzt genau zu erklären, wie der Hass nationalistischer Serben auf Albaner (und den sogenannten Kosovaren) entstanden ist, müsste ich jetzt eigentlich die ganze Geschichte von 1878 (Ende des russisch-osmanischen Krieges) zusammenfassen, denn da gab es viele Krisen und Kriege (der nächste größere war der Balkankrieg 1912-1913, das so einer der Wegbereiter für den 1. Weltkrieg war). Ich empfehle aber jedem, der darüber nicht soviel weiß, ein paar Bücher zu dem Thema zu kaufen, denn die Geschichte des Balkans ist unendlich interessant und so ziemlich jedes Land hat in dem Konflikt Dreck am Stecken (man erinnere sich an den Ausspruch im deutschen Kaiserreich kurz vorm 1. WK: "Jeder Serb' muss sterb'").
Das Thema ist deshalb so interessant, weil der ganze Balkan-Konfliktherd im Prinzip kein politischer ist, es geht nicht um Geopolitik, Rohstoffe, Einflüsse oder sonstige Dinge, die ansonsten immer einen Kriegsgrund darstellen. Auf dem Balkan geht (bzw ging es bis 1999, als die NATO auch mal mitspielen wollte) ausschließlich um ethnische Auseinandersetzungen, Volksteilungen und Bürgerkriege. Die Parallele dazu ist in Afrika zu sehen, dort herrschen ganz ähnliche Probleme, bzw gibt es dort ganz ähnliche Ursachen für die Bürgerkriege in Ruanda, Zaire (Kongo) und weiß der Teufel wo genau überall gerade Kriege herrschen. Die Kolonisierungs-Probleme in Afrika sind in Deutschland ja auch hinlänglich bekannt, da kann man den den Franzosen und Briten die Schuld zuschieben, aber dass man im Balkangebiet genauso scheiße gebaut hat und darunter die Menschen heute z.T. immernoch leiden (von der Uranmunition, den Clusterbomben und den Landminen, die die gesamte NATO in dem Gebiet ab 1999 fröhlich dort verteilt hat ganz zu schweigen), das könnte auch mehr Eingang in die Schuldbildung erhalten.
Aber kurz zurück zum Kosovo-Problem: Der heutige Autonomiestaat Kosovo (der aber nur von der Hälfte aller Staaten weltweit anerkannt wird, unter anderem von Deutschland, den USA, den NATO-Ländern, NICHT aber von Russland und anderen) war Teil des serbischen Territoriums, welches wiederum bis 1990 Teil des Vielvölkerstaates Sozialistisches Jugoslawien war, neben der soz. Rep. Bosnien-Herzegowina, soz. Rep. Kroatien, soz. Rep. Mazedonien, soz. Rep. Montenegro und der soz. Rep. Slowenien. Also kann man sich Jugoslawien als ein föderalistisches kommunstisches System vostellen, in dem die einzelnen Länder und Volksgruppen zusammengefasst waren und über wenig Autonomie verfügten. Tito war der Machthaber und obwohl man es vermuten könnte, waren die Beziehungen zur Sowjetunion nicht besonders rosig. Zwar war Jugoslawien nach eigenem Bekunden sozialistisch-kommunistisch (das waren sie aber, wie alle anderen Länder, die das vorgaben nicht) und auch Mitglied des Warschauer Pakts, aber da endete im Allgemeinen auch die Gemeinsamkeit mit Sowjetrussland, es gab über die Jahre sogar immer mehr Annäherung an den Westen. Schon zu Titos Lebzeiten in den 1970ern wurde Serbien in Kernprovinzen und Autonomieprovinzen aufgesplittet. Eine der 2 autonomeren Provinzen war der Kosovo. Als Tito dann 1980 starb, begann der Zerfall Jugoslawiens (und nicht mit dem Zerfall der Sowjetunion, wie oft behauptet wird, um einen starken Zusammenhang Jugoslawiens mit der SU zu konstruieren). Der erste Aufstand im Kosovo war, glaube ich, schon 1981. Man muss dazu wissen, dass im Kosovo hauptsächlich Albaner leben und die wollten nach Titos Tod eine eigene Autonomierepublik "Kosovo" im System Jugoslawiens erhalten, also gleichgestellt mit Kroatien, Mazedonien, Montenegro, Bos-Herz und Serbien sein. Als mit Milosevic dann ein Serbe an die Macht Jugoslawiens kam, änderte sich die Situation Serbiens etwas. Die weitgehende Autonomie des Kosovo wurde zurückgenommen. Was dann 1991 folgte, waren lange Jahre der Unabhängigkeitskämpfe zwischen der Jugoslawischen Volksarmee und den Kroaten, Slowenen und Bosniern, die allesamt die Unabhängigkeit ausgerufen hatten. Im Dayton-Abkommen wurde dann 1998 das Ende des Bosnienkrieges besiegelt und der Zerfall Jugoslawiens in seine einzelnen Teilgebiete war soweit abgeschlossen.
Jugoslawien existierte nicht mehr, die einzelnen "Bundesländer" Jugoslawiens (Kroatien, Slowenien, Bos-Herz, Mazedonien, Serbien, Montenegro -> war aber noch etwas länger an Serbien als "Serbien und Montenegro" angeschlossen) haben ihre Unabhängigkeit erklärt und somit war die Situation eigentlich erledigt.
Aber die Situation im Kosovo hatte sich immer weiter verschlimmert, die Albaner, die wie gesagt mehrheitlich dort lebten, wurden von den Serben unterdrückt und gründeten eine terroristische militärische Vereinigung, die UCK, um den Kosovo loszulösen. Die Serben wollten das aber nicht, weil es noch nie einen Staat Kosovo gab, sondern die Provinz schon immer auf serbischem Königsgebiet (also vor 1944) war. Sie argumentierten, dass die Kosovo-Albaner ja auch einfach nach Albanien auswandern könnten. Also standen sich serbische Nationalisten Albanern im Kosovo gegenüber, die mit nunmehr terroristischen Aktivitäten versuchten, den Kosovo aus Serbien herauszulösen.
Die Situation eskalierte, die USA gaben Milosevic und den Serben daran die alleinige Schuld und so kam es zum Kosovo-Krieg, bei der die UCK, die ebenfalls (wie die Serben) Kriegsverbrechen beging, ethnische Säuberungen an den im Kosovo lebenden Serben vornahm von der NATO unterstützt wurde.
Die Bombardierung der Zivilbevölkerung, die Clusterbomben und die Verstreuung der Minen durch die NATO führte dann schließlich dazu, dass der Serben kapituliert haben und der Kosovo sich als eigenständiger Staat lösen konnte.
Das hängt bei vielen in der Bevölkerung noch nach und dieses Verbrennen der albanischen Fahne ist Ausdruck des Protestes serbischer Nationalisten, die die Abtrennung ihres Staatsgebietes seelisch nicht verkraftet haben. Diese würden niemals einen kosovarische Fahne in die Hand nehmen, denn für sie gibt es sowas wie einen Staat "Kosovo" nicht und weil es eben mehrheitlich Albaner waren, die im Kosovo leben, verbrennt man eben die albanische Flagge.
Aber ich habe es eingangs schon angedeute, der Konflikt lässt sich nicht ganz so profan zusammenfassen. Also aus Sicht der Hooligans sicher schon, die sind zu beschränkt dafür, die Gesamtheit der Geschichte nachzuvollziehen. Seinen Ursprung findet der Konflikt in der willkürlichen Grenzziehung auf der Berliner Kongress. Seitdem gehört zusammen, was nie zusammengehörte und nicht zusammengehören will.
EDIT: Achso, ich möchte noch kurz was zur Wertung sagen. Man kann es sich jetzt einfach machen und nach dieser Hool-Aktion im politischen Konflikt auf der Seite des "Kosovo" stehen. Das wäre aber genauso beschränkt wie die Aktion in Genua. Der Konflikt ist schwer aufzudröseln und es gibt neben den nationalistischen Serben auch sehr viele nationalistische Kosovo-Albaner, die genauso gemordet haben, wie die Serben. Im Jahre 2004, also nach dem Ende des Kosovokrieges, als viele Albaner wieder zurückkehrten in den Kosovo, kam es auch zu großen Gewaltausbrüchen, bei denen 6000 Albaner 19 Serben im Kosovo getötet und tausende verletzt und vertrieben haben. Und all das unter den Augen der NATO, die in dem Gebiet dauerhaft stationiert ist. Als nach der einseitigen und höchst umstrittenen Ausrufung der "Republik Kosovo" im Norden des "Landes" wo noch immer sehr viele Serben leben, die Serben Ausschreitungen begangen haben, sind die NATO Truppen dort einmarschiert und haben "für Ruhe gesorgt" wie nur die NATO das kann.
Auch die UN hat sich bei der Bewertung des Kosovo nicht endgültig festgelegt. Eine Unabhängigkeit muss immer beidseitig erklärt werden, Serbien lehnt die Unabhängigkeit des Kosovo allerdings immernoch ab, was durchaus nicht unverständlich ist, denn schon allein die Art und Weise, wie diese "Unabhängigkeit" durchgedrückt wurde mit einem völkerrechtswidrigen Krieg, bei dem in DenHaag neben Milosevic auch Bush, Schröder, Clark und alle anderen, die sich daran beteiligt haben und der sehr viele Opfer unter der serbischen Zivilbevölkerung gefunden hat und immernoch findet, macht ein Annehmen der Unabhängigkeit ziemlich schwer.
Und gerade mit der deutschen Geschichte vor Beginn des ersten Weltkrieges sollte ein deutscher Außenminister wie Westerwelle eigentlich sehr sehr vorsichtig damit sein, in Belgrad von der serbischen Regierung zu verlangen, den Kosovo anzuerkennen, wie er es vor ein paar Wochen getan hat.