Da hast du mich missverstanden oder ich habe mich missverständlich ausgedrückt. Unser Rektor ist kurz gesagt der Meinung, dass es keine Geisteswissenschaften braucht, und daher wollte er letzten Sommer eine große Umstrukturierung klammheimlich durchbringen. Das wurde aber der Presse und natürlich den Studenten gesteckt (ich war rein zufällig einer der ersten, der davon erfahren hat) und im Zuge des Bildungsstreiks fanden sich dann schnell zahlreiche Unterstützer in Stuttgart für uns Studenten. Aber das ist eine andere Geschichte (die leider nicht vom Tisch ist, sondern jetzt hinter verschlossenen Türen verhandelt wird)...
Ja, diesen Trend kann ich aus eigener Erfahrung bestätigen. Das ist bei weitem nicht nur in Stuttgart so, aber das wird dich vermutlich nicht trösten

Der Grund ist völlig simpel: Geisteswissenschaften bringen kein Geld. Wenn Stuttgart zur TU wird, wie München, dann gibts fette Werbeverträge mit Daimler, EnBW und Konsorten. Dadurch erhöht sich das Salär des Rektors und eines kleinen Teils der Belegschaft (damit meine ich jetzt nicht die Essenfrauen/männer). Gesellschafswissenschaften sind ökonomisch erstmal nicht so wichtig. Das ist überall der selbe Scheiß, lasst euch das nicht gefallen!
Und ja, das Projekt ist demokratisch legitimiert von unseren Volksvertretern. So ist das nun mal in der Demokratie. Ich weiß natürlich auch, dass Koalitionen wechseln können und dass Bürger Wege und Mittel haben, sich gegen politische Vorhaben zu wehren. Doch in der aktuellen Situation sehe ich nicht viele Möglichkeiten. Die Situation in Stuttgart ist extrem aufgeheizt. Wie soll da ein Dialog möglich sein? Und vor allem, wie soll ein solcher Dialog aussehen? K21 ist mit S21 nicht zu machen und umgekehrt.
Hm, du widersprichst dir da selbst. Die Sache ist beschlossen durch sogenannte Volksvertreter. Der Bürger sollte in der Regel noch Mittel und Wege haben, um sich gegen politische Vorhaben zu wehren (nicht nur Wahlen alle 5 Jahre). Du sagst doch selbst, dass es in der aktuellen Situation kaum Möglichkeiten gibt. Im Prinzip ist der Protest auch schon das einzige Mittel. Der Volksentscheid (der ohnehin nicht bindend ist) wurde aus politischen Gründen abgeschmettert und dann wars das auch schon mit den Instrumenten der glorreichen Demokratie. Was will man denn noch mehr als 30.000-50.000 Menschen, die sich in einer Stadt der Demonstration anschließen? Naja, beim Afghanistan-Kriegseintritt Deutschlands waren in Berlin auch 800.000 Menschen auf der Straße, in Paris und London waren es 1mio, in Rom 700.000. Das hat ja auch niemanden interessiert. Wo ist denn da das "demos" in der "kratie"?
Weil die Situation in Stuttgart aufgeheizt ist, soll man einfach weitermachen wie bisher und die Sache einfach durchziehen? Also das ist nicht mein Demokratieverständnis. Ein Volksentscheid wäre ein simpler Anfang. Aber nö, man hat Angst vor dem eigenen Volk, wohlgemerkt in einer "Demokratie", in der das Volk die Herrschaft innehaben sollte. Das ist dermaßen absurd, dass ich fast nur noch drüber lachen kann.
Und wie gesagt, es gibt verschiedene Möglichkeiten, die Verkehrssituation in Stuttgart (die bei weitem nicht so dramatisch ist, wie in Ruhrgegenden, wo das Geld weitaus dringender nötig wäre) zu entschärfen. Aber was hat man davon, wenn man anfängt zu bauen und es Bodenverschiebungen gibt, weil Anhydrid in Kontakt mit Wasser kommt und sich somit ausdehnt. Oder was passiert bei einem 33km langen Tunnelsystem eigentlich mit dem Grundwasser? Um diese Fragen werden sich die Behörden und zuständigen Politiker schon gekümmert haben? Ja klar, genau wie in Duisburg, genau wie Köln (
http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2010-02/koeln-u-bahn-pfusch). Zumal die 7 Milliarden (!), die man mittlerweile aus den 2 Milliarden gemacht hat, eine offene Schätzung sind. Das ist nichtmal eine Kostenveranschlagung. Die realistischeren Schätzungen gehen auf 11 Milliarden hoch, einige sprechen von 14 Milliarden. Wenn man sich mal anschaut, was der Berliner Hauptbahnhof für eine preisliche Entwicklung durchgemacht hat, dann kann man davon ausgehen, dass selbst die 14 Milliarden nicht reichen.
Aber der Grund, warum das Projekt durchgeprügelt werden muss ist wieder mal sehr banal: Die Bahn geht irgendwann behämmerterweise an die Börse und bevor nachher die Anteilseigner die Kosten decken, schröpft man lieber noch schnell den Bund, das Land und die Stadt Stuttgart ab. Also bei aller Liebe, aber wie kann das Interesse an einem Durchgangsbahnhof so stark sein, dass das alles keine Rolle spielt?!