"Meet your stuff" ....
Es ist irgendwie schon lustig. Klar darf jeder am Anfang Fehler machen, aber warum zur Hölle muss er das hochladen und allen zeigen, wie er sich anstellt? Und wer schaut sich sowas an? Ich meine irgendwelche Tutorials sind bei Youtube wirklich sinnvoll. Die Startcheckliste für eine MD10 in einem hochkomplexen Flugzeugsimulator zum Beispiel oder die Tutorials, die Octa hier hochgeladen hat. Aber wer schaut sich denn (nicht nur zur Unterhaltung) an, wie irgendein 14-jähriger komplett von einem Spiel überfordert wird. Und dann sticht bei der Betrachtung des Videos auch sofort die unglaubliche Ungeduld dieses Jungen hervor. Das ist sowieso so ein Problem. In einer Zeit, in der Computerspiele ihr eigentliches Potenzial völlig verfehlt haben und immer simpler werden, nimmt sich niemand mehr die Zeit, sie zu lernen. Früher wurde ein Spiel gekauft und musste erst durchdrungen werden. Ein Spielekauf hatte zu meiner Zeit auch noch etwas Zeremonielles, das kann aber auch daran liegen, dass Computerspiele in den USA nicht so verbreitet waren. Aber da stand ich mal im BestBuy, habe mir Der Patrizier gekauft. Auf dem Rückweg wurde das Handbuch studiert, dann wurde sich ins Spiel reingetastet, Dinge entdeckt, Sachen ausprobiert. Dann hat die Faszination eingesetzt, ich habe meine Leidenschaft für Politik eigentlich ursprünglich diesem Spiel zu verdanken. Denn ich wollte das Handelssystem durchblicken und habe mir Bücher über Handelstheorien gekauft, gelernt wie Zinskredite genau funktionieren und letztendlich beim Recherchieren was eine Kogge denn eigentlich war, sogar etwas über europäische Geschichte und die Hanse gelernt. Das hat dann monatelang gefesselt, mal mehr, mal weniger.
Damals hatte ich sicherlich auch mehr Zeit, aber heute gibt es Spiele zu kaufen, die mensch in 6 Stunden komplett durchspielt, von der "Trainingsmission" bis zum "Endgegner". Diese Art der Faszination hat sich mir nie erschlossen, ich bin kein Ballerspiel-Fan, auch wenn ich Mafia 1, The Saboteur, Assassins Creed 2 und die Hitman-Serie wirklich gut finde. Aber gerade Spiele wie Europa Universalis, Hearts of Iron und dergleichen haben im Prinzip einen hohen pädagogischen Wert. Counter-Strike kann auch eine schöne Art der Entspannung und des Wettkampfes mit anderen sein, aber es reizt eben das oben angesprochene Potenzial eines Computerspiels nicht aus. Die Tendenz der Computerspiele scheint aber deutlich in Richtung hirnloser Einheitsbrei zu gehen. Hauptsache gute Grafik, tolle Präsentation und einfach Bedienung. Am besten wie auf der Konsole. Intellektuell schlanker als Konsole ist ohnehin nicht mehr möglich, das ist reine Reaktionssteuerung und keine Intuitions-/Intentionssteuerung. Auf dem Weg dahin scheinen sich leider auch Computerspiele zu befinden. Counter-Strike hat im Vergleich zu heutigen Shootern ja noch taktischen Tiefgang. Bei den ganzen Call of Duty-Spielen gehts eigentlich fast nur noch um Geschwindigkeit. Hauptsache schnelle(s) Schlachten. Positive Randerscheinung sind dann eben HoI, Europa Universalis und eben der FM, wobei sowohl HoI 3, als auch der FM11 zu stark Dinge vereinfachen und dem Spiel somit die Tiefe rauben. HoI3 artet mit seinen über 10.000 Provinzen in ein elendes Micromanagement aus (oder der Spieler kapituliert und schaut der eigenen KI beim strategischen Planen zu, wie langweilig!) und der FM11 hat mit Taktikgenerator und gefühlt schwindendem Tiefgang in Sachen Management sicherlich die Eintrittsschwelle für neue Spieler tiefer gelegt, gleichzeitig aber auch Verfahren simplifiziert, deren Durchdringung doch einen großen Reiz ausgemacht haben (lobenswerterweise sind die meisten Simplifizierungen des FM11 optional, weshalb dieses Spiel immernoch großartig ist!).
Trotzdem scheinen diese Spiele immernoch undurchdringbar zu sein für viele. Das wäre an sich kein Problem, jeder soll das Spielen, was ihm Spaß macht, aber leider ist der etwas simplere Teil der Computerspielergemeinschaft in einer so großen Überzahl, dass sich die meisten Entwickler leider nach dieser Gruppe richten und Spiele "einstiegsfreundlicher" gestalten (was nichts anderes als die Simplifizierung des Spiels bedeutet und nicht etwa die Aufstockung des Handbuches oder die Verbesserung von Ingame-Tutorials). Das zerstört leider die Computerspielkultur, wie ich sie liebengelernt habe. Ein Spiel wie Patrizier 2 wäre heute ein absolutes Nischenprodukt. Modern Warfare kann mit etwas Glück von meinen Kaninchen gespielt werden, aber für Europa Universalis und Victoria ist nunmal ein funktionsfähiges und kreatives Gehirn von Nöten. Letzteres wird von "modernen Computerspielen" kaum noch geschult. Patrizier 4 war eine Beleidigung des Intellekts, Die Gilde 2 eine große Enttäuschung, ganz zu schweigen von der elenden Entwicklung von Age of Empires (obwohl der 2. Teil herausragend war), Empire Earth, Civilization (in meinen Augen). Minecraft ist das erste Spiel seit langem, das wieder zu etwas Kreativität anregt und darüber hinaus über eine abscheuliche Grafik verfügt. Trotzdem ist es sehr erfolgreich, das sollte einigen Entwicklern zu denken geben. Vielleicht ist es ja nicht die voranschreitende Anspruchslosigkeit der Spielgemeinde, die für einen Qualitätsverfall bei Spielen sorgt, sondern vielmehr die sinkende Fähigkeit von Entwicklern, eine Spielidee zu entwickeln und diese kreativ und anspruchsvoll zu verpacken, dass der Spieler auch nach einer Woche noch eine Menge aus dem Spiel lernen kann.
Aber für diese Theorie ist das Video natürlich ein schlechtes Beispiel....