Kurze Fortführung der Lehrerdiskussion aus dem Lustige-Videos-Thread:
Also ich stütze meine Aussage, dass ich die mangelnde Lehrerausbildung als einen Grund für das schlechte Schulsystem sehe, auf 2 Punkte.
1. Ich darf an einer Uni Seminare halten. Das mag jetzt komisch klingen, aber letztendlich qualifiziert mich rein gar nichts dafür, zu unterrichten, außer mein Fachwissen. Ich hatte von Pädagogik nicht die geringste Ahnung, bis ich mich selbstständig und freiwillig auf dem Gebiet weitergebildet habe. Es gibt aber eine Menge Profs an Unis, die wissenschaftlich und fachlich herausragend sind, die die Forschung auf ihrem Gebiet maßgeblich mitbeeinflusst und vorangetrieben und die ein immenses Wissen angesammelt haben. Aber als dozierende Professoren sind sie einfach grausam. Da gibt es Profs, die ihre eigenen Skripte vorlesen, andere, die unkoordiniert und unorganisiert durch die Gegend schwafeln; wieder andere, die von Beteiligung von Studenten gar nichts halten, sondern dort reine Informationsvorlesungen abhalten, ohne auch nur im Geringsten mit ihren Lernenden zu interagieren; weitere, die die ganze Zeit reden, es aber nicht für nötig halten, Handouts oder dergleichen ins Internet zu stellen...kurzum: von Didaktik haben viele nicht den geringsten Schimmer und der Fakt, dass ein Prof_in eine Koryphäe auf dem jeweiligen Fachgebiet ist, qualifiziert ihn/sie noch lange nicht zu einer guten Lehrkraft. Aber gut, das ist vielleicht noch ein Uniproblem.
2. habe ich mittlerweile (seit der Bolognisierung der Uni) viele Lehramtsstudenten in meinen Seminaren/Tutorien. Die müssen leider leider genauso viel lesen, wie die Monobachelor-Studenten. Für eine Seminarstunde erwarte ich in die Durcharbeitung eines Textes von etwa 30 Seiten Umfang. Wohlgemerkt: Durcharbeitung, nicht lesen. Das reine Lesen macht beim Durcharbeiten etwa 20% aus, die Studenten hier wissen, was ich meine. Das kann ich von Monobachelor-Studies locker verlangen, auf dieser Grundlage kann mensch sich wunderbar und tiefgreifend in ein Thema einarbeiten. Ich bin da auch absolut kulant, wenn jemand nebenbei arbeiten muss oder Kinder zu versorgen hat. Aber die armen Lehramtsstudenten tun mir wirklich leid. Die belegen ja 2 Studiengänge. Von denen wird aber von der Universität aus dasselbe verlangt, wie von Monobachelor-Studies. Das ist total absurd. Ich hatte letztes Jahr im Tutorium 2 Studenten, die Politik mit 60LP als Nebenfach studiert haben, Englisch war ihr Kernfach mit 90LP. Ich habe dann interessehalber mal gefragt, wie ihre Seminarvorbereitung für Englisch aussieht. Die müssen pro Woche ein halbes literarisches Buch durcharbeiten, Sachtexte über mittelalterliches Englisch lesen, die Canterbury Tales lesen und verstehen (die sind in Middle English verfasst, also eine komplett neue Sprache) und dann eben den enormen Aufwand auch für Politik betreiben. Nebenbei haben sie noch 1-2 Didaktik-Seminare.
Und das ist das eigentlich absurde. Wenn ich mit diesen Lehramtlern Friedens- und Konflikttheorien durcharbeite, dann weiß ich ganz genau, dass sie das niiiiiiiieeeeeeeeeemals an ihrer späteren Schule brauchen werden. Genauso ist es mit mittelalterlichem Englisch, mit Linguistik usw. Es ist ja ganz nett, davon mal gehört zu haben, aber es reicht, wenn es dazu 1 Seminarstunde gibt, in der die wesentlichen Fakten kurz präsentiert werden. Eigentlich müssten die Lehramtler 70% Didaktik-Seminar und Kurse belegen und 30% an ihrem Fachwissen feilen. Jeder der Studenten hat Abitur gemacht, also ist im Prinzip jeder mehr oder weniger auf dem Wissensstand, dass das Abitur vermitteln soll.
Natürlich gehört noch ein wenig Festigung dazu, ebenso wie die Vertiefung zum vollen Durchdringen, aber dazu müssen die armen Schweine nicht die Canterbury Tales lesen und auch nicht den Leviathan von Hobbes mit aristotelischen Konzepten von Herrschaft, Macht, Legitimität und Regierung vergleichen, wobei sie im Besonderen Bezug zum Dualismus von Leviathan und Behemoth nehmen sollen, wobei die Frage, ob Behemoths Naturzustand gerade aristotelische Konzepte personifiziert, erörtert werden muss. Die sollten viel lieber Rhetorik-Seminar belegen; psychologisch geschult werden, sozial geschult werden und vor sollte ihnen ein großes Repertoire von didaktischen Möglichkeiten an die Hand gegeben werden, wie sie spätere Schüler für ein Fach begeistern können, aus diesem sie dann in vollen Zügen schöpfen können. In der universitären Lehrerausbildung wird dermaßen viel Zeit verschwendet mit Unnützem Scheiß (und nichts anderes ist der Leviathan für einen Lehramtsstudenten), der von unfähigem Personal vermittelt wird, was sich auch nicht zwangsläufig positiv auf die späteren pädagogischen Konzepte der werdenden Lehrer auswirkt. Wenn jemand Monobachelor Politik studiert, kriegt er zwar auch viel unnützes Wissen präsentiert, das stellt sich dann aber erst später heraus, ob es unnütz war. Wenn jemand beispielweise mit seinem Politikstudium Politikredakteur bei einer Zeitung wird, dann braucht er sein Wissen über den Leviathan vermutlich auch nicht mehr. Aber im Gegensatz zum Lehramtsstudenten, bei denen mensch ja eigentlich genau weiß, was die später alles können müssen, ist das bei einem reinen Politikstudenten eben überhaupt nicht einzuschätzen.
Es tut mir wirklich leid, für diese Lehramts-Studies. Ich spreche das auch jedes Jahr mindestens einmal an, ich sage ihnen, dass sie meine Unterstützung hätten, wenn sie diese Missstände mal mit einem Streik oder ähnlichem thematisieren. Das Lehramtsstudium muss grundlegend reformiert werden in meinen Augen, aber leider leider finden sich unter Lehramtsstudenten an meiner Universität kaum Leute, die ihre eigene Situation durchschauen. Da wird munter selbstzerstörerisch jeder blöde Text gelesen, bis in die Nacht hinein, der für ihren späteren beruflichen Alltag keine Rolle spielt. Die trotten munter mit, wie die berühmten Kälber, die selbst zum Schlachter laufen. Diese Verschwendung tut mir echt leid, ich spreche das auch jedes Jahr bei Sitzungen des Lehrstuhls an, auch bei Sitzungen der Seminarleiter usw. Grundsätzlich stimmen immer alle zu, dass das Blödsinn ist (bis auf die verbohrten Gestalten, die selbst im Mittelalter mal zur Universität gegangen sind), aber getan wird dagegen nichts. An Unis bewegt sich ohnehin gar nichts, wenn es keinen Druck gibt. Eine Uni ist ja eigentlich das Zentrum des Wissens, aber was da teilweise für eine Lethargie vorherrscht, was für eine weltfremde Verweigerung mal über den Tellerrand zu schauen, ist unglaublich.
Aber gut, ich schweife ab. Jedenfalls ist es wenig effektiv, werdende Lehrern Fachwissen ohne Ende einzudrillen, was sie ohnehin nicht alles behalten, weil sie wie gesagt 2 Studiengänge abschließen und das einfach kein Mensch alles behalten kann. Dazu kommt, dass die Lehramtsstudenten, die ich bisher hatte, oft diejenigen aus dem Seminar waren, die am schlechtesten Referate halten oder Gruppenarbeitsergebnisse präsentieren konnten. Das führt mich zum nächsten großen Problem an Universitäten: der NC! Was interessiert es mich bei einem Deutsch und Englisch-Lehrer, wie gut der in Mathe, Kunst, Physik, Sport oder Bio war? Ist doch völlig wurscht. Die Auswahl bei Lehrern sollte doch auf keinen Fall nach NC erfolgen (den NC lehne ich bei absolut jedem Studiengang generell ab, aber das führt jetzt hier zu weit), sondern nach ihrer Eignung, anderen Menschen etwas beibringen zu können. Dazu gehört das klare und freie Sprechen vor der Gruppe. Dazu gehört aber auch die Fähigkeit einen Sachverhalt kurz, prägnant und verständlich wiedergeben zu können. Dazu gehört ebenso die soziale Kompetenz eines Menschen. Das sind die Prämissen, die von Lehramtsstudenten bedient werden müssen und nicht die schulischen Ergebnisse in völlig Fachfremden Themengebieten. Und wenn es der NC sein soll, dann sollte sich dieser doch ausschließlich auf die Fächer beschränken, die der Student später unterrichten möchte. Ich sehe absolut keinen Grund darin, dass die Musik-Note auf dem Abizeugnis eines Schülers ausschlaggebend dafür sein sollte, ob dieser Sport und Erdkunde auf Lehramt studieren darf.
So genug geschrieben, ich habe bei dem Thema ne Menge Frust. Vor allem stört mich, dass die Lehramtsstudenten einfach ihre eigene Misere gar nicht sehen. Da sitzen einige bei mir im Tutorium, die ackern sich zu Tode in 2 Studiengängen, machen also doppelt soviel wie der normale Student mit einem Studienfach, arbeiten vielleicht noch nebenbei und schreiben dann Hausarbeiten, die natürlich einfach nicht auf dem Niveau eines Monobachelors sein können und ich muss die leider irgendwie auch bewerten.