http://www.gamestar.de/news/pc/3312408/1250_euro_rechnung_fuer_f2p_spiel.html
Hatte den Fall gestern Nacht schon bei Tagesschau gelesen. Ich verstehe nicht wie sowas bis zum BGH hochkommen kann. Taschengeldparagraph, schwebende Unwirksamkeit und beschränkte Geschäftsfähigkeit aufgrund des jungen Alters, garniert mit einem nach Treu und Glauben fragwürdigen Geschäftsmodell des Anbieters, Verstoß gegen UWG Regel 28 (Gezielt Kinder ansprechen)...wieso muss das "so hoch" gehen? Das kann jedes Amtsgericht abschließend beurteilen.
Hatte da der Anbieter gehofft die Gegenseite zu zermürben - oder ein Versäumnisurteil zu erwirken?
Der Einwand mit "die Mama muss selber schauen was mit dem Telefon angestellt wird" ist so hohl, da frage ich mich wofür die Gerichte in den vorherigen Instanzen bezahlt werden? Folgen wir dem für einen Moment: Ruft der Sohnemann eine Sexhotline an, dann besteht automatisch die Pflicht der Gegenseitige sich zu vergewissern dass der Anrufende volljährig ist - analog gilt dies auch für andere Geschäfte. F2P-Zahlungen sind meist ab 18 - ergo besteht implizit eine PFlicht zur Altersverifikation. Der ist der Betreiber wohl nicht nachgekommen - und der Junge war auch nicht 17, sodass man sagen könnte "klang erwachsen."
Selbst wenn er die Kreditkarte von Mutti geklaut hätte und sich mit nem Stimmverzerrer gemeldet hätte, ist der Bub einfach nicht voll geschäfts- und deliktfähig. In so einem Fall stünde dem Anbieter vielleicht eine Unkostenentschädigung für die Rückabwicklung etc. zu, die sich irgendwo bei 50-100€ einpendeln würde.
Was ja auch wenig bekannt ist, ist dass Telekommunikationsanbieter eigentlich bei so größeren Summen den Anschluss vorübergehend sperren...weil es "suspicious" wirkt.
Allein schon das Telekommunikationsgesetz zu bemühen obwohl die Sache "genereller" schon im BGB geregelt ist...und selbst mit dem Taschengeldparagraph wäre spätestens nach dem 2ten Anruf Schluss gewesen, da die Gesamtsumme in kurzer Zeit zu betrachten zumutbar für den Anbieter ist.
So einfach ist das leider nicht. Ich kann die Urteile des Amtsgerichts und des Landgerichts nicht online finden und die Begründung des BGH ist ebenfalls noch nicht draußen (nur eine Pressemitteilung), aber es ging meines Erachtens nach zu keinem Zeitpunkt darum, dass der Sohn selbst einen wirksamen Vertrag durch die Anrufe geschlossen hätte. Vielmehr läuft die "Pay by Call" Variante so ab, dass der Vertragspartner anonym bleibt und nur über den Telefonanbieter identifiziert wird d.h. dass aus Sicht des Anbieters der Vertrag mit dem Inhaber des jeweiligen Telefonanschlusses, in diesem Fall mit der Mutter, geschlossen wird. Es ist nirgendwo ersichtlich, aber ich gehe stark davon aus, dass man beim "Pay by Call" nicht mit einem Menschen, sondern nur mit einer Computerstimme "sprechen" wird. Dies hindert den Vertragsschluss grundsätzlich nicht, da das Angebot des Anbieters bereits aus der Anzeige im Spiel hervorgeht und man dieses mit einem Anruf nur noch annimmt. Jedenfalls geht aber der Einwand ins Leere, dass man hätte hören müssen, dass der Minderjährige noch minderjährig ist.
Beim Anruf eines Minderjährigen handelt dieser unter Bezugnahme auf das bereits Gesagte automatisch nicht in eigenem, sondern in oder unter fremden Namen (nämlich dem des Inhabers des Telefonanschlusses). Ob dies dem Inhaber des Telefonanschlusses zurechenbar ist, hängt grundsätzlich davon ab, ob in diesem Fall der Minderjährige eine Vollmacht für das Geschäft hatte oder ob man die Erklärung unter Rechtsscheingesichtspunkten zurechnen kann. Eine ausdrückliche Vollmacht der Mutter lag hier selbstverständlich nicht vor, eine Zurechnung über Rechtsscheingesichtspunkte ist nach Ansicht des BGH ebenfalls nicht möglich. Allerdings - und da kommt das TKG ins Spiel, mit dem ich bisher nur sehr wenig zu tun hatte - gibt es in
§ 45i Abs. 4 S. 1 TKG eine Beweislastregel für Zurechnungen. Die besagt erstmal nur, dass der Inhaber des Telefonanschlusses nachweisen muss, dass ihm eine bestimmte Leistung des Anbieters nicht zugerechnet werden kann. Dies ist in allgemeiner Form meines Erachtens eine sehr sinnvolle Regelgung, da der Anbieter selbstverständlich nicht nachweisen kann, ob X, Y oder Z einen bestimmten Anruf vom Anschluss des X getätigt hat. In diesem Fall würde diese Regelung übrigens nicht zugunsten, sondern zulasten der Mutter gehen, da das Gesetz die widerlegbare Vermutung aufstellt, dass Erklärungen dem Inhaber des Telefonanschlusses (d.h. in diesem Fall der Mutter) zugerechnet werden können.
Nun hat der BGH diese Vorschrift aus dem TKG aber für nicht anwendbar gehalten. Die Begründung dafür ist, dass in diesem beim "Pay by Call" Verfahren gleichzeitig ein nicht autorisierter Zahlungsvorgang vorläge, da der Anruf nur die Abwicklung der Bezahlung regele, selbst aber keinen Leistungsaustausch beinhalte. Für solche nicht autorisierten Zahlungsvorgänge gibt es im BGB Sondervorschriften, die nach Ansicht des BGH den Vorschriften aus dem TKG vorgehen. Nach diesen Sondervorschriften, insbesondere
§ 675u BGB, hat der Zahlungsdienstleister des Zahlers im Fall eines nicht autorisierten Zahlungsvorgangs keinen Anspruch auf Erstattung seiner Aufwendungen. Deswegen musste in diesem Fall die Mutter nach Ansicht des BGH nicht zahlen. Bei dem von dir ins Spiel gebrachten Telefonsex könnte das sogar wieder anders aussehen, da auf Grund eines direkten Austausches von Leistungen wiederum kein reiner nicht autorisierter Zahlungsvorgang vorläge.
Mit dem Taschengeldparagraph, schwebender Unwirksamkeit und beschränkter Geschäftsfähigkeit hatte das alles aber wenig bis nichts zu tun.