Ich denke, dass Jens Weinreich einigen hier im Forum ein Begriff sein dürfte. Nur dürfte seine Art des Journalismus von den öffentlich-rechtlichen Medien weder als massengeschmacktauglich noch als gewünscht wahrgenommen werden.
Wobei Weinreich einer ist, der bewusst ausschließlich dahin geht, wo's wehtut (wichtig, dass das einer macht!). Den da alleine hinzustellen, wäre aber wie eine selbstproduzierte Mafia-Serie statt Fußball-WM.

Thomas Kistner von der SZ ist prinzipiell eine ähnliche Kerbe (sind übrigens beides Fußballfans, trotzdem!). Er vertritt ja die These von Sportjournalisten als Fans, die es irgendwie über die Absperrung geschafft haben. Oder anders: Auch unter Journalisten wäre der kritische Blick oder die Distanz gar nicht erwünscht. Es könnten ja (Kindheits-)Helden fallen. Oder die Auflage sinken.
Nähe korrumpiert bekanntlich häufig, und wir reden hier von Sportjournalisten. Die Erfahrung auf diese Berufsgruppe bezogen lehrt, dass viele Sportjournalisten sich gewissermaßen schon selbst korrumpieren – beispielsweise über das Glücksgefühl, dass sie in diesem Job und damit ihren Helden des Sports so nahe sein zu dürfen. Wer seinen Fußball- oder Olympiahelden statt der Autogrammkarte das Mikro hinhalten darf, braucht gar nicht mehr im herkömmlichen Sinne bestochen zu werden – der kommt oft erst gar nicht auf dumme Gedanken.
Zum Beispiel auf den dummen Gedanken, sich einmal die gnadenlosen Polit- und Wirtschaftsmechanismen hinter dieser wundervoll geschmierten Industrieshow mit den perfektionierten Leibern genauer anzusehen. Huch: Da könnten ja die Fan- und Konsumenten-Träume platzen! Aber man braucht gar nicht so tief in die internationale Sportpolitik eindringen – es genügt ja schon zu beobachten, wie der Sportjournalismus mit der endemisch verbreiteten Dopingproblematik umgeht.
Die höchste Verdrängungsstufe hat auch hierin der Fußballjournalismus erreicht: Dem ist nahezu unbekannt, dass es so etwas wie Doping gibt – abseits von Radsport und Gewichtheben. Dabei sind die Beweise und die verlässlichen Anzeichen dafür immens.
http://www.droemer-knaur.de/magazin/Thomas+Kistner+im+Interview.7784662.htmlLetztens bei Facebook noch ein Bild eines Boulevardmediums gesehen: gut, Boulevard. Aber da waren alle Redakture mit Fähnchen und Girlanden behängt, alle Redkationsrechner schwarz-rot-geil geschminkt und über den Bildschirmen und Fernsehern hingen ebenso Fahnen. Likes gab es jede Menge. Die Frage, ob da denn noch eine gesunde Grunddistanz zum Thema gäbe, stellte sich niemand (und die Redaktion machte sich darum offenbar auch selbst keine Gedanken). Apropos Boulevard, der hat ja längst auch den Kicker erreicht. Im Teaser auf der Homepage nach dem Portugalspiel wurde ja ebenfalls emotionalisiert und gefühlsgeduselt: ein ganzes (Sch)land hätte vier Jahre nichts anderes getan als auf dieses eine Spiel gewartet, ernsthaft.