@Signor Rossi: Dass der Klimawandel nur begrenzt werden kann, wenn alle mitziehen, da stimme ich dir zu. Dass in Paris nur Ziele, aber keine Maßnahmen ausgehandelt wurden, geschweige denn Verbindlichkeiten und Möglichkeiten der Sanktionierung - leider Realpolitik. Ich formuliere es also um: Es wäre wünschenswert, würde das Pariser Abkommen als bindend erachtet werden.
Aber: Das nimmt uns doch noch lange nicht aus der Verantwortung. Man sollte erst einmal vor der eigenen Haustür kehren, bevor man mit dem Finger auf andere zeigt oder den Kopf in den Sand steckt. Dazu kommt eben doch eine Vorbildfunktion und sei sie nur wirtschaftlicher Natur (vgl. Tonys Szenario des "Wirtschaftsfaktors Nachhaltigkeit"). Es ist definitiv kein Fehler, auf nachhaltige Technologien zu setzen. Schon heute sind im Bereich der erneuerbaren Energien die Hälfte der im Energiesektor beschäftigten Arbeitnehmer tätig (bei knapp 38% Marktanteil 2018). Das ist durchaus ein Faktor - und nur ein Beispiel. Thema Wirtschaftsfaktor, auch dort, wo keine "Raketenwissenschaft" (
) gefragt ist: Mittlerweile kommen ca. 60% der weltweit produzierten Solarzellen von chinesischen Produzenten. Dazu investiert China eben doch massiv in die erneuerbaren - innerhalb wie außerhalb Chinas waren es 2017 knapp 133 Mrd. US-Dollar. Mehr als Europa und die USA zusammen. Ich will nicht sagen, dass alles Gold ist, was glänzt, aber die Bemühungen abzutun, wäre ein Fehler und China ist nun in der Position, dass man in Sachen Solarenergie kaum mehr an ihnen vorbeikommt.
Abgesehen davon halte ich auch viel von einer Vorbildfunktion - wenn wir alles daran setzen, uns an die Klimaziele von Paris zu halten, dann geraten auch andere unter moralischen (Handlungs-)Druck.
Gäbe es eine solche Vorbildfunktion dürfte es zum Beispiel auf der Welt keinen Krieg und keine Unterdrückung fremder Völker mehr geben. Gibt es aber, en masse, daher glaube ich nicht an eine solche Vorbildfunktion.
Der Vergleich hinkt, finde ich. Krieg ist (leider) eine Konstante der Menschheitsgeschichte, der Klimawandel aber eine nie dagewesene, existenzielle Bedrohung für sämtliche Spezies der Erde und nicht zuletzt unsere Gesellschaften in ihrer jetzigen Form. Der betrifft alle. Abgesehen davon sehe ich keine andere Möglichkeit, als mit gutem Beispiel voranzugehen. Wirklich bindende, internationale Klimaschutzverträge wird man vermutlich nicht einmal auf EU-Ebene durchbringen, auch wenn ich mir das sehr wünsche.
Die deutsche Klimaschutzpolitik taugt doch auch eher als abschreckendes Beispiel, wie man es besser nicht macht.
Richtig, denn die deutsche Klimaschutzpolitik ist meines Erachtens nicht wirklich existent. Die Umweltministerin und ihre Vorgängerin haben beide gute Vorschläge gemacht, wurden jedoch abgekanzelt und mit einem Klimaschutzgesetzt scheint es (überraschenderweise...) nichts zu werden. Die deutsche Klimaschutzpolitik ist Mist, weil sie sich nach der Maxime der Wirtschaftspolitik zu richten hat, dabei sollte der umgekehrte Fall gängige Praxis sein: Wirtschaftspolitik hat sich der Maxime des Klimaschutzes unterzuordnen. Das ist eine Frage von (falsch gesetzten) Prioritäten.
Davon ab habe ich den Eindruck, dass wir in dem, was passieren müsste (entschlossenes, internationales Handeln) gar nicht so weit auseinander liegen. Lediglich die Interpretation dessen, was daraus realpolitisch folgt, fällt bei uns unterschiedlich aus. Korrigiere mich, wenn ich falsch liege. Es ist sicher kein Fehler, sich auf die Folgen des Klimawandels einzustellen - das müssen wir so oder so, denn wir können ja jetzt nicht sofort den Stopp-Schalter umlegen. Der Klimawandel ist da und wird sich noch verschärfen, selbst wenn wir bis 2030 (völlig utopisch) sämtlichen Treibhausgasausstoß weltweit auf Null senken. Die Frage ist nicht mehr, ob wir den Klimawandel aufhalten können - der Zug ist abgefahren - sondern bei welchem Punkt wir ihn begrenzen können. Ich bin, um noch etwas auf die Tränendrüse zu drücken (
), hier auch deshalb so vehement, weil ich möchte, dass meine Tochter in eine lebenswerten Welt aufwachsen und leben kann. In der Hinsicht finde ich übrigens den aktuellen Bericht des Weltbiodiversitätsrats einmal mehr sehr eindrücklich und erschütternd.