Ich packe es mal hier rein, um den Politik-Thread nicht zu torpedieren.
Die Bedingungen in Bulgarien sind nach wie vor unverändert. Corona existiert in den Köpfen vieler Leute hier nicht, obwohl die nächste Welle bereits am Horizont deutlich zu sehen ist. EU-weit ist man abgeschlagenes Schlusslicht bezogen auf die Corona-Impfungen (letzten Meldungen zufolge hat man immerhin 20% Erstimpfungen erreichen können), was ich nicht so recht verstehen kann, aber vermutlich ist die Dunkelziffer der bereits Erkrankten und wieder Genesenen auch im Vergleich mit anderen europäischen Ländern um ein Vielfaches höher, da sich nicht viele einen Arztbesuch leisten können bzw. generell das Gesundheitssystem hier chronisch unterfinanziert ist.
Ich will aber das Politikthema aufgreifen und nur ganz kurz schildern, warum seit April eigentlich Stillstand herrscht. Bei den Neuwahlen im April wurde die konservative Regierung aus Gerb (in etwa die CSU Bulgariens, wenn man so will) und einigen rechten und rechtsextremen Kräften abgewählt, erstmals hat es keine rechtsextreme Partei ins Parlament geschafft, was definitiv ein Erfolg ist. Dafür kamen drei neue Parteien ins Parlament, zwei reine Protestparteien und eine liberale Partei, die vor allem in den Großstädten ihre Mandate holen konnte. Die beiden anderen Parteien sind die Sozialisten, die eine auffällig hohe Nähe zu Russland suchen und eine Minderheitenpartei, die ebenfalls in Skandale und Vorwürfe des Stimmenkaufs bei Bulgaren mit türkischer Abstammung oder Bulgaren im türkischen Ausland verwickelt sind. Die oben genannten Protestparteien sind zum einen eine Partei rund um den ehemaligen Showmaster und Musiker Slavi Trifonov, die aber nur drei echte politische Forderungen hatten und sonst zu allem einen Kommentar verweigern und die auf Anhieb zweitstärkste Fraktion geworden sind. Die andere Protestpartei ist alternativ geprägt und ebenfalls vor allem in den Großstädten vertreten und zieht ihre Wählerschaft vor allem aus den landesweiten Protesten, die letztes Jahr im Sommer losgetreten worden sind, als sich der Ministerpräsident Borisov (Gerb) und der von den Sozialisten unterstützte Staatspräsident Radev Scharmützel über die Medien geliefert haben und kompromittierende Fotos im Netz die Runde machten. Kurz gefasst gibt es einen übermächtigen Generalstaatsanwalt, der in Korruptionsvorwürfe verstrickt ist; einen Regierungschef, der ebenfalls in zahlreiche Korruptionsvorwürfe verstrickt ist; einen Parteivorsitzenden, der Sonderschutz genießt und investigative Journalisten von einem öffentlichen Strand durch die Polizei abführen ließ und der gleichen noch vieles mehr. Die Mehrheit der Bulgaren (insbesondere die jungen Leute) hatten es also satt und waren dann monatelang bei Protesten, bis der Herbst kam und die Bewegung etwas abflaute, dennoch profitierten die drei neuen Parteien erheblich davon.
Nun fand man jedoch keinerlei Mehrheiten und eine Expertenregierung übernahm, um vorgezogene Neuwahlen vorzubereiten. Diese Experten stellte aber der Präsident zusammen, weshalb die politische Schlammschlacht zwischen dem abgewählten Borisov und seiner konservativen Gerb auf der einen und Radev und den Sozialisten auf der anderen Seite weiterging. Bei den Neuwahlen im Juli gab es dann den nächsten Paukenschlag. Showmaster Trifonov gewann mit seiner Partei knapp die Mehrheit vor den konservativen Gerb, die Sozialisten verloren weiter an Boden, auch die Minderheitenpartei verlor. Zu den weiteren Gewinnern zählte die liberalen Großstadtpartei und die dritte Protestpartei. Dann ging das politische Kaspertheater aber erst so richtig los. Jede Partei machte klar, mit wem sie nicht koalieren wollten und das hätte ein Viererbündnis aus den drei Protestparteien und den Sozialisten bedeutet. Statt aber Sondierungen abzuwarten, wurden bereits Schattenkabinette aufgestellt und Leute öffentlich gehandelt. Die parlamentarischen Gepflogenheiten sind vollkommen aus den Fugen geraten und so wie es aussieht, wird im Oktober zum dritten Mal gewählt. Wichtige Anliegen sind eingefroren, eine einheitliche Politik bezüglich Corona sieht auch anders aus, da derzeit alles nur interimsmäßig entschieden wird. Erschwerend hinzu kommt noch, dass im Herbst dann auch noch ein neuer Präsident gewählt wird, es könnte sich also eine handfeste Verfassungskrise anbahnen. Ich verfolge die Ereignisse mit großem Interesse, fürchte allerdings, dass auch die nächsten Neuwahlen keinen klaren Sieger hervorbringen werden. Ich werde sicherlich berichten, was sich tut.
Ansonsten kann ich leider etwas Negatives berichten. Ich war mit meiner Freundin für mehrere Wochen in Deutschland, um einige bürokratische Termine wahrzunehmen und dergleichen, aber natürlich in erster Linie, um ihr die Orte zu zeigen, an denen ich aufgewachsen bin, Verwandte und Freunde zu besuchen und selbst ein wenig auszuspannen auf der romantischen Straße von Tauberbischofsheim bis hinab nach Lindau. Sehr schön, Wetter tw. durchwachsen, aber sehr gut gegessen und vieles gesehen. Nun der traurige Aspekt. Nach unserer Rückkehr haben wir festgestellt, dass bei uns eingebrochen worden ist. Wir leben nach wie vor in dem Block (siehe meine Berichte auf den ersten Seiten) im vierten Stock und die sind über den Balkon in die Küche eingestiegen und zwar so, dass man es an der Balkontür kaum sieht. Ich habe den starken Verdacht, dass sie über das Gerüst auf den Nachbarbalkon geklettert sind und von dort zu uns. Das Gerüst zur Sanierung wurde aber erst kurz nach unserer Abreise nach Deutschland aufgebaut. Nun das Rätselhafte: Die haben sämtlichen Goldschmuck meiner Freundin mitgehen lassen, aber nicht den Silberschmuck, auch ihr verstecktes Bargeld haben sie zum Glück nicht gefunden. Elektronik wie Laptops oder Kopfhörer lagen z.T. offen auf unserem Schreibtisch - das hat die nicht interessiert. Sogar meine recht teure Silberuhr von Citizen lag ganz offen unter meinem Monitor - kein Interesse. Total merkwürdig. Die sind definitiv nicht durch die Wohnungstür, sondern durch die Küche. Und das müssen absolute Profis gewesen sein, denn die Wohnung sah bis auf eine offene Balkontür vollkommen unberührt aus. Nichts war umgeworfen oder auf dem Bett Kleidung zerstreut, nein, die haben sich sogar die Mühe gemacht, die Kisten, in denen das meine Freundin versteckt hatte, wieder ordentlich im Schrank zu verstecken. Dass die Handschuhe anhatten, versteht sich natürlich von selbst.
Da wir spätabends gelandet sind, haben wir relativ lange auf CSI Sofia warten müssen. Hätte ich auch nicht gedacht, dass ich Spurensicherung am Tatort mal live miterlebe. Bei den Nachbarn unter uns sind sie nicht eingebrochen, obwohl die noch viel länger als wir weg waren. Auch bei niemandem sonst sind sie anscheinend eingestiegen. Ich finde das jedenfalls sehr suspekt und der Schock saß und sitzt bei meiner Freundin noch immer. Wir suchen nach Möglichkeiten der Absicherung der Wohnung, ansonsten steht ja schon länger der Plan einer neuen Wohnung, den wir nun wohl forcieren werden.