Danke für die Einblicke, dann sollte ich wohl wirklich mal einen Trip nach Asien planen. Vielleicht ja im nächsten Sommer.
Hier in Sofia hat die Schule schon am 3. Januar begonnen. Das war vielleicht eine Tortur, zwei Tage nach Silvester wieder morgens um 6 rauszumüssen. Ansonsten kann ich rückblickend noch etwas zu bulgarischen Gepflogenheiten rund um die Feiertage erzählen.
Im Voraus muss ich bekennen, dass ich zum ersten Mal in meinem Leben Weihnachten und Silvester im Ausland gefeiert habe. Davor feierte ich das doch tatsächlich immer in Deutschland. Hätte ich so auch nicht für möglich gehalten.
Weihnachten habe ich demnach zusammen mit meiner Freundin und ihrer bulgarischen Familie gefeiert. In Deutschland gibt es ja auch sehr unterschiedliche Bräuche, bisher kannte ich es jedenfalls so, dass man an Heiligabend eventuell Kaffee und Kuchen isst und dann gibt es abends den obligatorischen Kartoffelsalat mit Würstchen. Nach dem Abendessen ist Bescherung und das war es auch schon. An einem der beiden Feiertage gingen wir dann meist irgendwo abends oder mittags essen, haben dafür aber dann den restlichen Tag nichts gegessen und am anderen Feiertag gab es dann den Festtagsbraten (ob Fisch, Wild oder Ente ist dabei unerheblich, mal etwas Großes und anderes).
Hier war das nun anders. Oma stand den ganzen Tag in der Küche und hat gekocht wie verrückt. Es gab unzählige Speisen und eigentlich arbeitet man sich von vegetarischen zu fleischhaltigen Speisen vor, doch gefühlt war überall Gehacktes oder einfach nur Wurst dran. So hemmungslos geschlemmt habe ich zu Weihnachten noch nie. Irgendwann konnte ich dann nicht mehr. Die Bescherung gab es trotzdem noch und jeder bekam eine Tüte mit seinen persönlichen Geschenken. Währenddessen lief im Hintergrund wie immer der Fernseher. Irgendein Musikkanal mit Rocksongs. Ich fand es etwas surreal, aber sehr witzig. Die folgenden Tage haben wir dann Spaziergänge gemacht, keine großen Dinge, auch keine feierlichen Essen, also sehr entspannt. Das fand ich persönlich gut und ich konnte ein wenig abschalten.
Dann stand auch schon Silvester vor der Tür und ich musste mich erneut umstellen, da niemand hier in Bulgarien das so nennt. Meist spricht man einfach nur vom Neujahr. Hier mein kurzer Einwurf vor der Party:
Vor Jahren träumte ich davon, im Ausland mal Silvester zu feiern. Nun denken manche dabei vielleicht an eine super chice Party in einem hippen Ort oder Land und ursprünglich dachte ich auch so, aber tatsächlich begehe ich heute meine erste Neujahresparty im schönen Bulgarien, wo ich heute zunächst mit meiner Freundin ein Kloster und einen Wasserfall besuchte in der Nähe von Etropole, um nun bei Botevgrad zu feiern. Wo? Genau, am Arsch der Welt in einem Hotel der Marke Realsozialismus. Aber es ist unglaublich cool und die vielen Leute hier haben Bock auf Party. In diesem Sinne. Kommt gut rein ins Jahr und feiert mit denjenigen, die euch am Herzen liegen.
Das Hotel war schon speziell. Ein riesiger Bunker, Marmor überall, die Zimmer sahen dann aber eher mittelprächtig aus. Wir waren glücklicherweise die ersten Gäste und konnten somit die Präsidentensuite abstauben. Wir haben sie so getauft, weil das Zimmer über eine großflächige Glasfront verfügte und an der Ecke des Gebäudes lag. Das Panorama war also nicht schlecht. Rund um das Hotel gab es nichts. Eine gigantische gepflasterte Ortsmitte mit Rathaus und Spielplätzen, allerdings nahezu ausgestorben. Treppen führten auf grüne Wiesen und die modernen Sportgeräte und umzäunten Kinderspielplätze standen im krassen Gegensatz zu den größenwahnsinnigen administrativen Gebäuden.
Die Party war gut durchorganisiert, nicht ganz so streng wie in einem FDGB-Erholungsheim, aber gewisse Ähnlichkeiten lassen sich nicht von der Hand weisen. Wir haben zusammen mit knapp 20 Freunden gefeiert, die alle um die 30 herum waren, wir waren auch die einzigen mit zwei Babys am Tisch und gleich zwei weitere Freundinnen sind schwanger angereist. Da wir im Hotelsaal nicht die einzige Gesellschaft waren, gab es noch diverse andre Gruppen, vermutlich war unsere jedoch die zahlenmäßig größte. Der Salat war überraschend gut, das muss man dem Caterer zugutehalten, die Hauptspeise war dagegen ziemlich mau und "bulgarisch warm" (d.h. geradeso lauwarm). Ein interessantes Konzept habe ich bei den Getränken beobachten können. Eine gewisse Zahl war je Tisch bereits im Preis inbegriffen, alles weitere musste man entweder bestellen und direkt bezahlen oder konnte es selbst mitbringen. Ich also nochmals rauf in unser Zimmer und eine Pulle Schnaps und einen Wein aus dem Kühlschrank geholt und direkt damit einmal durch den Saal. Witzig fand ich, dass die anderen Gäste das teilweise kaschiert haben, indem die Flaschen in Tüten gebracht wurden. Ich war mir da mal wieder nicht zu schade, meinen Alkoholkonsum offen zur Schau zu stellen.
Es gab im Saal einen DJ, der zunächst einen Mix aus unzähligen bulgarischen Folkloretänzen und bulgarischer Popmusik anbot. Zu den Folkloretänzen später mehr. Auch eine Sängerin war vor Ort, die einige Klassiker geträllert hat. Da das Publikum eher Mitte 40 und älter war, war auch die Songauswahl entsprechend, was mich aber noch nie gestört hat. Pünktlich vor Mitternacht hielt der bulgarische Präsident seine Neujahrsansprache, dann gab es den Countdown und unmittelbar nach Mitternacht wurde die Nationalhymne gespielt und mitgesungen. Im Anschluss daran wurde der dunavsko horo gespielt, ein sehr einfacher Folkloretanz, zu dem dann der komplette Saal aufbrach. Ich habe mich erkundigt und mir wurde versichert, dass das die traditionelle Abfolge ist. Ansprache, Countdown, Hymne, dunavsko horo. Enttäuscht war ich aber vom Feuerwerk. Das Hotel hatte angeblich auch etwas versprochen, was ich aber nicht wirklich gesehen habe. Die meisten haben geböllert, so dass unsere 100er Batterie mit vielen Raketen wohl das Interessanteste war. Viel später am Abend tauchte dann noch eine Blaskapelle auf, die dem Publikum so richtig eingeheizt hat. Inzwischen war auch die Musik fest in der Hand des Tschalga, dem bulgarischen Popfolk, den angeblich nie jemand hört, der aber so beliebt zu sein scheint. Man denke hierbei an Musik der Marke Helene Fischer, nur mit dem kleinen Unterschied dass sie sich in bulgarischen Tschalga-Songs als absolut williges Sexobjekt darstellen würde.
Am nächsten Morgen waren wir recht früh wach, weil wir nicht bis zum Ende auf der Party waren (ich war pünktlich zu Silvester etwas verschnupft). Die Suche nach einer Kneipe gestaltete sich sehr schwierig. Im Nachbarort konnten wir schließlich unsere Kater und Kätzchen mit Ayran und deftigen Suppen besänftigen. Einige mussten schon am 2. Januar wieder arbeiten, weshalb wir den Abend dann genutzt haben, um bei einem gemütlichen Abendessen das Neue Jahr entspannt zu beginnen. Endlich wieder essen... Eine letzte Tradition habe ich dabei noch kennengelernt. Die Surwakari. Mit einer Rute aus Kornelkirschenzweigen beglückwünschen einen kleine Kinder zum Neuen Jahr. Da unsere Kleinsten noch nicht sprechen können, haben das die Eltern gemacht. Ich fand es witzig, vor allem gibt man als Beglückwunschter normalerweise einen kleinen Obulus für diesen Segen. Auspeitschen gegen Bezahlung zu Beginn des Jahres? Oh yeah!
Traditionell gibt es rund um Silvester auch die Baniza, ein Blätterteiggebäck, das mit Joghurt und Ei gebacken wird. Ich behaupte ja, dass meine Oma die beste macht, aber das behauptet sowieso jeder waschechte Bulgare von sich selbst. In die Baniza werden Glückslose gesteckt, ich kenne es auch mit Kornellkirschenzweigen, die je nach Form etwas Bestimmtes zu bedeuten haben. Meist zieht man Wünsche wie Gesundheit, eine neue Liebe, ein Haus, Geld usw. Ich kenne diesen Brauch schon lange und finde ihn eigentlich sehr sympathisch.
Das mal als kleiner Einblick.