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Autor Thema: Lamentotainment - Einblick in eineinhalb Jahre einer Selbstständigkeit  (Gelesen 9776 mal)

Henningway

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Ihr lieben Meistertrainer!

Ich habe in den vergangenen Tagen mal die letzten eineinhalb Jahre meiner Selbstständigkeit notiert. Das hatte ich schon seit längerem vor, weil ich glaube, dass es eine Geschichte mit Unterhaltungswert ist. Gleichzeitig dient mir das zur Selbstreflexion und auch als Tagebuch. Ich habe die geschriebenen Worte nach Abschluss einige Tage ruhen lassen und dann erneut gelesen. Auch habe ich einen Freund korrekturlesen lassen, der meine Geschichte kennt. Ich möchte nämlich eines nicht: einfach nur jammern! Sicher, es tut mir gut, wenn ich mich hier offenbaren kann, aber das ist nicht das Hauptziel (weshalb ich den Thread ja auch 'Lamentotainment' genannt habe). Der Freund bestätigt die geschriebenen Ereignisse und ebenfalls, dass ich an keiner Stelle übertrieben habe.

Die Namen sämtlicher beschriebenen Personen sind natürlich geändert. No animal was harmed for your entertainment  :laugh:
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Prolog
« Antwort #1 am: 23.April 2020, 10:52:48 »

Mein Wirtschaftsjahr läuft vom 1. November bis 31. Oktober. Für diese Phase wird ein Businessplan erstellt. Meine beiden Apotheken unterscheiden sich dabei: ich habe eine gut etablierte, große Hauptapotheke, die gute Gewinne schreibt, ein sicheres Team beschäftigt und deren einziges Problem organisatorische Abläufe sind, bedingt durch lange Öffnungszeiten von 8:00 bis 22:00 Uhr. Die Filiale ist erst seit 2015 geöffnet und befindet sich noch in der Etablierungsphase. Allerdings beschäftige ich dort ein extrem effizientes Gespann mit einer jungen, sehr zuverlässigen und engagierten Filialleiterin und einer gestandenen, erfahrenen PTA. Die beiden brachten die Apotheke in den ersten beiden Geschäftsjahren zweistellig nach vorne. Eine Filialapotheke ist immer ein wirtschaftlich schwieriges Unterfangen, da in der Regel keine guten Standorte mehr verfügbar sind und die Konkurrenzsituation auch meistens dagegen spricht. Ich habe die Filiale aber mit der anderen Apotheke im Paket erworben und dabei einen guten Preis erzielen können. Größtes Problem bei einer Filiale ist immer die Leitung, denn es muss zwingend ein studierter Pharmazeut installiert werden. Andernfalls ist das Geschäft umgehend zu schließen.

Der Vorbesitzer meinte, mit dem Verkauf der Filiale ein gutes Geschäft gemacht zu haben, weil er selbst es nicht geschafft hat, Wachstum zu generieren. Er hat große Verluste eingefahren. Mein Team und ich haben dann, in den ersten zwei Jahren der Selbstständigkeit, die Apotheke so gut entwickelt, dass im dritten (aktuell laufenden) Geschäftsjahr nicht nur eine schwarze Null, sondern sogar ein Gewinn geplant werden konnte. Damit hätte ich ein unglaubliches Ziel erreicht, denn das war bei Kauf der Apotheken so nicht zu erwarten gewesen. Geplant war stets ein leichter Verlust, den ich aber durch andere Vorteile wie verbesserte Einkaufskonditionen, Kundenbindungen und Teamverteilung in Kauf genommen hätte. Aber jetzt stand eben die Möglichkeit eines Betriebsgewinns im Raum und das hat mich total begeistert. Davor stand natürlich noch ein weiteres Jahr mit gutem (aber nicht unrealistischem) Wachstum.

So viel zur Vorgeschichte bis August 2018.
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August 2018
« Antwort #2 am: 23.April 2020, 10:53:17 »

o   Aus meiner Zeit als Dozent an der PTA-Schule habe ich eine Praktikantin von mir überzeugen können, die sich im Unterricht immer als Topschülerin dargestellt hat. Sie ist interessiert, fleißig und motiviert. Sie fängt am 1.8. an für ein halbes Jahr.
o   Vanessa, eine weitere Dame aus der PTA-Schule, fängt außerdem ihre Ausbildung an. Sie hat die Schule abgebrochen, weil sie persönliche Probleme hat und bereits wegen psychischer Erkrankungen in Behandlung war. Ich biete ihr mit dem Ausbildungsplatz einen geregelten Tagesablauf und ein familiäres Team, das sie sehr dankbar annimmt.
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September 2018
« Antwort #3 am: 23.April 2020, 10:53:45 »

o   Die PTA-Praktikantin (ihr Name ist hier Katharina für diese Aufzählung) erweist sich tatsächlich als Topkandidatin und bestätigt meine Vermutungen. PA -8 mindestens :D. Außerdem teamfähig, humorvoll – ein gutes Paket. Das Team ist von ihr sehr überzeugt. Sie verhält sich sehr respektvoll mir gegenüber und nimmt Anweisungen und Erklärungen sehr dankbar an.
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Oktober 2018
« Antwort #4 am: 23.April 2020, 10:54:09 »

o   Seit 2016 lasse ich 33.000 Flyer monatlich drucken und verteilen im gesamten Stadtgebiet. Um herauszufinden, von wo ich überhaupt Kunden requiriere, lasse ich einen 30-Prozent-Gutschein eindrucken und gebe die Weisung und entsprechende Vordrucke aus, jeden Kunden nach seinem Wohnstadtteil zu fragen, der damit kommt. Im November startet diese Aktion.
o   Meine Filialleiterin eröffnet mir, dass sie schwanger ist. Sie wird ab März fehlen, aber will unbedingt nach einem Jahr Elternzeit wieder zurückkommen. Für die Pläne der Filiale ein schwerer Schlag, da sie mit einer älteren PTA zusammen ein kongeniales Duo bildet.
o   ich muss Ersatz suchen und finde einen syrischen Apotheker, der sehr engagiert ist. Nennen wir ihn Mustafa. Mustafa wird von mir tatkräftig bei seinem Umzug aus Berlin unterstützt. Ich gebe ihm die ersten drei Arbeitswochen bezahlt frei, suche und finde für ihn eine Wohnung und bezahle ihm außerdem einen Elektriker. Ich helfe ihm bei der Kommunikation mit der Hausverwaltung und lade ihn und seine Frau zum Essen ein, um ihnen die Akklimatisierung zu erleichtern. Er wird von mir wegen seiner noch ausgeprägten Sprachprobleme in der Hauptapotheke eingesetzt, um in aller Ruhe „anzukommen“, Beratungsgespräche zu erlernen und sich mit der Materie vertraut zu machen.
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November 2018
« Antwort #5 am: 23.April 2020, 10:54:38 »

o   Ich stelle fest, dass meine Apothekerin – Alexandra für diese Geschichte - in der Hauptapotheke unterdurchschnittliche Leistung bringt. Ich suche Ersatz.
o   Die 30-Prozent-Aktion startet, aber in den ersten Tagen kommt niemand mit einem Gutschein. Wir sind erstaunt, aber warten mal etwas ab.
o   Ein befreundeter Apotheker ruft mich an, weil er seine Apotheke abgeben möchte. Selbst nach längerer Suche hat er keinen Nachfolger gefunden. Da er mich und meine Familie schon lange kennt, möchte er mir gerne eine pharmazeutische Dienstleistung, die er mit einem Arzt zusammen seit vielen Jahren erledigt, weitergeben. Das würde meine noch im Wachstum befindliche Filial-Apotheke schlagartig in die Gewinnzone führen. Ich bin begeistert! Er schließt zum 31.12..
o   Völlig unerwartet stellt sich ein älterer Apotheker vor, der eine neue Stelle sucht. Er soll für uns jetzt Günther heißen. Sehr eloquent, humorvoll und engagiert. Er überzeugt sofort das gesamte Team. Da ich ja Ersatz für Alexandra suche und zudem meine Filialleiterin verliere, kommt mir das sehr gelegen.
o   Mein Finanzberater lässt mich wissen, dass durch die Einstellung der Apotheker die Personalkosten explodieren. Er versteht allerdings die Notwendigkeit der kurzfristigen Mehrfacheinstellung, da wegen des allgemeinen Fachkräftemangels Stellen erst nach etwa einem Jahr adäquat ersetzt werden können. Von daher ist es ein Glücksfall, dass ich gleich zwei Apotheker einfangen konnte.
o   Mitte des Monats möchte ich die 30-Prozent-Aktion bewerten, doch wir stellen fest, dass nicht ein einziger Gutschein eingelöst wurde. Ich lasse mir also von der Flyerfirma die Verteilberichte zukommen. Neben meiner üblichen 55-Stunden-Woche fahre ich die Verteilrouten ab und frage stichpunktartig bei den angeblich belieferten Haushalten, ob der Flyer tatsächlich dort angekommen ist. Ich weise mich aus und trage meine Apothekenkleidung. Nicht ein einziger Haushalt hat einen Flyer bekommen. Viele Haushalte zeigen Verständnis für meine Recherche, einige drohen mit Polizei, einer droht mir Prügel an. Manche angeblich belieferten und namentlich dokumentierten Haushalte sind bereits seit mehreren Jahren verzogen oder gar verstorben. Da ich bis zu diesem Zeitpunkt bereits seit zwei Jahren für den Service bezahle, kommen hier rund 50.000 Euro zusammen. Ich schalte meinen Anwalt ein, um zu erörtern, was ich hier tun könnte. Es steht offensichtlich ein Betrugsvorwurf im Raum.
o   Vanessa, meine Auszubildende, ist fleißig, wenn auch etwas introvertiert und langsam – was aber angesichts ihrer Erkrankung kein Wunder ist. Das Team hat ihr gegenüber keine Probleme, die nicht über das Tagesgeschäft hinausgehen.
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Dezember 2018
« Antwort #6 am: 23.April 2020, 10:55:11 »

o   Für den Betrugsfall muss ich so viele Zeugenaussagen wie möglich sammeln, die alle angeben, niemals einen Flyer im Kasten gehabt zu haben. Ich erledige das jeweils an meinen freien Tagen oder nach dem üblichen Apothekendienst. Meine Freizeit sinkt auf wenige Stunden in der Woche.
o   Ich teile Alexandra mit, dass ich mich von ihr trennen möchte. Sie versteht die Welt nicht mehr und verneint schlicht ihre schlechte Arbeitsleistung, die ich ihr anhand von Zahlen aber belegen kann.
o   In der Planung für das kommende Geschäftsjahr sieht es für die Hauptapotheke sehr gut aus, für die Filiale aber weniger, da diese sehr stark vom Engagement der Filialleiterin lebt. Günther könnte das vielleicht auffangen, aber es ist ambitioniert. Ich bin nicht restlos überzeugt. Allerdings steht die Übernahme der Dienstleistung des befreundeten Apothekers im Raum, die alles rausreißen kann.
o   Ich erhalte einen Anruf kurz vor Weihnachten: eine Apothekerin fragt, ob ich ihr meine Filiale nicht verkaufen möchte. Ich bin sehr überrascht und lehne zunächst ab, aber ich fange an zu grübeln. Nennen wir sie Frau Huhn.
o   Am 30.12. – einen Tag vor der Schließung – ruft mich der befreundete Apotheker an und sagt, dass er doch noch einen Käufer gefunden hat. Leider kann ich die Dienstleistung (und damit den Ertrag und die Konsolidierung) nicht übernehmen.
o   Katharina hat Probleme mit ihrem Freund. Obwohl ich viel Homeoffice zu tun habe, biete ich ihr meine Zeit an und wir telefonieren 90 Minuten.
« Letzte Änderung: 23.April 2020, 11:07:55 von Henningway »
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Januar 2019
« Antwort #7 am: 23.April 2020, 10:55:35 »

o   Ich rufe Frau Huhn an und sage ich, dass ich wegen des Apothekenverkaufes gesprächsbereit bin. Wir verabreden uns für die dritte Januarwoche zur Begehung der Apotheke.
o   Kurz vor der Begehung erklärt mir mein Anwalt, dass ich wegen der Flyeraktion zwar Opfer eines Betruges wurde, ich jedoch keinen Anspruch auf Rückzahlung haben werde. Grund: in den AGB der Flyerfirma (die mir nie zugegangen, auf deren Webseite aber an nicht offensichtlicher Stelle einsehbar sind) werde ich verpflichtet, innerhalb von drei Tagen nach Zustellung auf korrekte Verteilung zu prüfen und innerhalb dieser Zeit Einspruch zu erheben. Damit sind 50.000 Euro über zwei Jahre umsonst gezahlt worden.
o   Frau Huhn ist von der Filiale begeistert und will unbedingt kaufen. Alles andere wäre auch verwunderlich gewesen, denn die Apotheke ist quasi brandneu, noch nicht zu Ende entwickelt und in einer wesentlich besseren Lage als ihre alte Apotheke (die nur rund 500 Meter entfernt ist, aber stadtauswärts). Wir verabreden erste Verhandlungen für Anfang Februar.
o   Angesichts der finanziellen Verluste aus der Flyergeschichte sowie der immer noch frischen Selbstständigkeit, modifizieren wir den Geschäftsplan etwas nach oben. Die Hauptapotheke soll moderat wachsen, nicht ambitioniert; die Filiale kann in diesem Jahr mit einem ambitionierten (aber nicht unrealistischen) Wachstum den Break Even schaffen, eine schwarze Null. Das wäre für eine Filiale nach dieser kurzen Zeit eine großartige Leistung. Ganz und gar vor dem klassischen Zeitplan. Für beide Ziele muss eine strikte Kostendisziplin eingehalten werden bei gleichzeitig oben erwähntem Wachstum. Weil in der Filiale die Ziele so ambitioniert sind, die Apothekenleitung aber wechselt, wird der Verkauf zu einer guten Option. Es ist ein Glücksspiel. Sicherlich könnte ich durch den Verkauf auf kurzfristige Gewinne verzichten müssen, aber andererseits kann ich in dieser Sekunde Geld machen und damit die Hauptapotheke nach noch nicht einmal zwei Jahren deutlich entschulden.
o   Um die Ziele auch sicher zu erreichen, vereinbare ich mit einigen Mitarbeitern eine zeitnahe Trennung. Alle verstehen das und für die meisten kommt das ohnehin wegen anderer Lebensziele nicht ungelegen.
o   Trotz des vereinbarten Sparprogrammes will ich unbedingt Katharina einstellen ab April, wenn ihre Prüfung gelaufen ist. Die Rahmenbedingungen dafür wurden geschaffen und die Kosten an anderer Stelle eingespart, hauptsächlich bei meinem Unternehmerlohn. Ich bespreche mit Katharina ihre Zukunft und sie sagt mir, dass sie unbedingt bei mir bleiben möchte. Sie fühlt sich sehr wohl und hat Freundschaften geknüpft. Auch ich verstehe mich mit ihr ausgezeichnet.
o   Die Probezeit von Mustafa neigt sich dem Ende entgegen. Er ist fleißig und zuverlässig, hat jedoch offensichtliche Sprachprobleme sowie auch Schwierigkeiten, von Mitarbeiterinnen Anweisungen entgegen zu nehmen. Während er immer sehr genau zuhört, wenn ich ihm etwas sage, verweigert er die gleichen Angaben von weiblichen Mitarbeitern nahezu komplett. Er hat außerdem Probleme damit, zu fragen bei Unwissenheit und googlet stattdessen lieber einfachste Fragen, während der Kunde vor ihm steht. Es häufen sich Beschwerden. Weil ich ihm aber alle Chancen geben möchte, biete ich ihm eine Verlängerung der Probezeit an. Er lehnt einen Tag später mit Hinweis darauf, dass er dafür zu gut sei, ab. Ich weiß nicht, wie ich darauf reagieren soll. Ein paar Stunden später stelle ich zufällig (!) fest, dass er bereits seit mindestens acht Woche eine Stellenanzeige geschaltet hat. Er hat aber nie aktiv das Gespräch gesucht, dass er wechseln möchte. Es stand auch nie zur Debatte, dass er nicht übernommen wird. Ich empfinde das deshalb als Verrat. Ich übergebe ihm die Probezeitkündigung für das Ende des Monats und drücke mein Bedauern aus, insbesondere, da ich so viel für ihn persönlich getan habe. Er hat noch Überstunden, die er jetzt abfeiert. Nur am letzten Tag des Monats muss er noch einmal arbeiten kommen für zehn Stunden.
o   Am Morgen des letzten Freitages im Januar sitze ich zuhause und bereite mich auf meinen Arbeitstag vor, als mich um 6:30 per SMS die Krankmeldung von Mustafa erreicht – für seinen letzten Arbeitstag und nach zweiwöchigem Urlaub. Ich bitte ihn inständig, zur Arbeit zu kommen, weil ich die Apotheke sonst geschlossen lassen muss. Er kommt auch fröhlich und lustig zur Arbeit, nur um dann um 12:00 Uhr einfach zu gehen. Ich übernehme seine Schicht und muss dafür einen freien Nachmittag mit Freunden absagen, nachdem ich den Vormittag in der Hauptapotheke gearbeitet habe.
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Februar 2019
« Antwort #8 am: 23.April 2020, 10:55:59 »

o   Günther arbeitet jetzt in der Filiale, um später die Filialleitung zu übernehmen. Meiner Filialleiterin weist ihn entsprechend ein und verlässt Mitte des Monats den Betrieb, weil sie noch Resturlaub hat.
o   Ich rufe Frau Huhn Mitte des Monats an, um zu erfragen, wann sie denn Zeit hätte. Sie verspricht, sich wieder zu melden.
o   Eine PTA, die seit zwei Jahren bei mir ist und bereits vorher durch einen gewissen Materialismus aufgefallen ist (ihr Name für Euch ist Aishe), kommt und möchte eine Gehaltserhöhung haben. Ich verweise auf die noch keine vier Wochen zurückliegende Teamsitzung, auf der ich von Personalkostenkontrolle gesprochen habe und lehne ab.
o   Katharina hat schon wieder große Probleme mit ihrem Freund, mit dem sie auch zusammenlebt. Wir laden sie abends zum Essen ein, um ihr etwas Unterstützung zu geben. Eine PTA und meine Frau und ich bieten ihr beide einen Schlafplatz an. Am Ende fährt sie aber wieder zurück zu ihrem Partner und kommt an den folgenden Tagen immer wieder mit verweinten Augen arbeiten. Diverse Hilfsangebote von Mitarbeitern und mir werden aber abgelehnt und so stellen wir die Angebote nach zwei Tagen ein. Leider kommt auch kein Danke aus ihrer Richtung.
o   Vanessa, meine Auszubildende, hat psychische Probleme und vertraut sich mir regelmäßig privat an. Ich helfe ihr jedes Mal per WhatsApp, Telefon oder direkt in der Apotheke durch ein Vier-Augen-Gespräch. Hinterher dankt sie mir immer wieder, dass ich ihr gut helfen würde.
o   Am 22. Februar habe ich meinen einzigen Urlaubstag des gesamten Jahres geplant, weil Anna und ich in Frankfurt Joan Baez live sehen wollen. Günther reicht kurz vorher ebenfalls Urlaub für genau und ausschließlich diesen Tag ein. Ich schaffe es, bis zum frühen Nachmittag eine Vertretung zu besorgen. Die restlichen vier Stunden übernehme ich dann selbst und fahre dafür einen halben Tag früher aus Frankfurt los.
o   Wegen Mustafas Wegfall reaktiviere ich Erika, eine schon verrentete Apothekerin mit immenser Erfahrung und großer Tatkraft. Sie bot mir schon vor einem Jahr ihre Hilfe bei den ersten Schritten der Selbstständigkeit an. Sie ist äußerst meinungsstark, hat aber immer den Betrieb im Auge. Leider lässt sie keine Gelegenheit aus, mich zu kritisieren (jedoch nie böswillig, sondern zielführend, manchmal aber auch unpassend). Das Team hat sich an sie gewöhnt, gleichwohl ist sie anstrengend.
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März 2019
« Antwort #9 am: 23.April 2020, 10:56:24 »

o   Ich frage erneut bei Frau Huhn nach einem Termin. Wenige Tage später erhalten wir eine Verzichtserklärung von ihr unterschrieben, die der Übergabe von Geschäftszahlen immer verpflichten vorangeht. Diese lag ihr seit Wochen vor. Sie bekommt die Zahlen Anfang des Monats von uns und will diese nun prüfen.
o   Aishe kommt zwei Wochen nach ihrer ersten Anfrage und möchte keine Gehaltserhöhung haben, wohl aber eine Stundenreduktion bei gleichem Gehalt. Als ich ihr erkläre, dass das quasi das gleiche ist und die gleichen Bedingungen wegen der Personalkosten noch immer gelten, geht sie beleidigt weg.
o   Um Katharina bei ihrer Prüfung zu unterstützen, buche ich einen Vertretungsapotheker für 50 Euro/Stunde und fahre, direkt aus einem Notdienst, zum PTA-Institut in die Nachbarstadt. Sie freut sich sehr. Sie besteht mit einer Eins und dem Hinweis des Prüfers, er hätte viele Jahre keine so gute Schülerin mehr gehabt. Ich freue mich mit, denn ich weiß, dass ich einen Anteil daran habe. Ich habe ein Praktikumsskript von 80 Seiten A4 geschrieben und mir immer viel Zeit mit ihr genommen und sie geschult.
o   Eine Woche nach ihrer dritten Anfrage kommt Aishe erneut zu mir und möchte einen Urlaubswunsch äußern. Ich höre ihr zu und sie fragt nach sieben Wochen am Stück im August und September. Ich lehne ab und erkläre das damit, dass andere auch Urlaub haben möchte in dieser Zeit. Ich plane aber etwas um und biete ihr schließlich fünf Wochen. Sie lehnt ab und sagt, das würde ihr nicht reichen. Eine halbe Stunde später schlurft sie seufzend durch die Apotheke. Auf Nachfrage sagt sie, sie sei jetzt wohl verständlicherweise weniger motiviert und würde daher nicht die volle Leistung bringen können. Sie sagt das in Anwesenheit einer weiteren PTA. Einige Tage später und nach Rücksprache mit meinem Anwalt gebe ich ihr eine mündliche Abmahnung, weil es sich um eine „angekündigte Arbeitsminderung“ handelt. Sie weist das von sich und erwähnt, sie hätte das nie gesagt. Mein Hinweis auf eine Zeugin wird ebenso verneint. Sie empfindet die Abmahnung als Frechheit. Ich habe mir als Zeugen einen sehr besonnenen, über 80 Jahre alten Apotheker hinzugeholt, der ihr entgegenhält, dass sie mein Vorgehen als sehr entgegenkommend empfinden sollte, denn ich hätte durchaus auch eine Kündigung oder wenigstens schriftliche Abmahnung erteilen können. Wenige Tage später kommt sie zu mir und möchte weniger Stunden arbeiten. Ich stimme zu. Sie sagt dann, dass sie natürlich das gleiche Gehalt haben möchte. Ich lache fast angesichts so viel Dreistigkeit und lehne ab mit Hinweis auf vorangegangene Gespräche. Daraufhin möchte sie eine Gehaltserhöhung. Ich lehne wieder ab und sie geht. Ich suche heimlich nach einer versteckten Kamera. Eine Woche später kündigt sie. Sie erwähnt, sie möchte sich unbedingt im Guten von mir trennen und uns in ihrer restlichen Zeit nach Kräften unterstützen.
o   Frau Huhn und wir (mein Finanzberater und ich) treffen uns zu einem ersten Gesprächstermin. Sie sieht die Chancen meiner Filiale durchaus und auch die Zahlen sagen ihr zu. Die Personallage stimmt ebenfalls (das ist oft ein Stolperstein, denn ein Käufer muss das Personal zwingend übernehmen und wenn die Kosten zu hoch sind, würde das gegen eine Übernahme sprechen): in der Filiale sind nur die Filialleiterin in Elternzeit, eine PTA und eine PKA gemeldet sowie die PKA-Auszubildende Vanessa. Das passt, sagt sie. Da es keine echten Verhandlungspunkte gibt – Einrichtung, Personal, laufende Verträge, alles stimmt – sage ich, wir können die Verhandlungen kurz halten: sie macht einen Preisvorschlag, wir ebenfalls und treffen uns. Bis August sollte das alles erledigt sein. Sie stimmt begeistert zu, natürlich abhängig von der finalen Zahlenanalyse.
o   Aishe meldet sich einen Tag nach ihrer Kündigung (und trotz ihres Wunsches, sich im Guten zu trennen) für die restliche Woche krank, weshalb ich auf drei freie Tage verzichten muss und eine Kollegin ebenfalls durcharbeitet.
o   Meine erfahrene PTA aus der Filiale meldet Zweifel am neuen Filialleiter Günther an. Er verändert ihr nach ihrem Geschmack zu viel an den eingespielten Abläufen und fokussiert sich dabei auf ziemlich unnötige Dinge. Ich verspreche, mit ihm zu reden, was ich auch tue. Ich bitte ihn, die Philosophie der Filialapotheke unverändert fortzusetzen.
o   Vanessa ruft mich eines Nachts um 23:30 Uhr an und erwähnt, sie hätte sich in suizidaler Absicht gerade eine Überdosis Blutdrucksenker verabreicht. Ich liege zwar schon im Bett, trete jedoch umgehend in Aktion und informiere einen Rettungswagen. Ich beruhige sie und rede ihr gut zu. Ich hinterlasse meine Nummer und ziehe mich an, um gegebenenfalls ebenfalls vor Ort sein zu können. Vanessa hat zu ihrer Familie kaum Kontakt und ihr Freund wohnt 150 Kilometer entfernt. Der RTW trifft sie jedoch an und sie kommt auf die Intensivstation. Sie trägt keine Schäden davon, wird aber auf eigenen Wunsch in die geschlossene Psychiatrie gebracht.
o   Mein Steuerberater errechnet mir für das erste Geschäftsjahr eine hohe fünfstellige Steuererstattung. Ich juble und kann endlich die Immobilie kaufen, in der Anna und ich wohnen.
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April 2019
« Antwort #10 am: 23.April 2020, 10:56:49 »

o   Ich rufe Frau Huhn an, um nach der Analyse der Zahlen zu fragen. Sie sagt, die Analyse lägen bei ihrer Beratungsagentur, aber ihre Beraterin wäre jetzt erstmal drei Wochen im Urlaub.
o   Die Probleme in der Filiale beginnen sich zu häufen. Ich erfahre, dass Günther alles andere als ein Teamplayer ist. Er lässt meine Anweisungen reihenweise unbeachtet und macht sich sogar lustig darüber. Ich erhalte ebenfalls erste Beschwerden von Ärzten, die darauf hinweisen, dass er ihre Patienten durch schlechte Beratung verunsichert.
o   Katharina fängt bei mir an und alle freuen sich. Erika ist von ihr ebenfalls begeistert – aufgrund Erikas großer Erfahrung ist ihre Einschätzung für mich ein Maßstab.
o   Aishe und ich führen ein letztes Gespräch, in dessen Verlauf ich erfahre, in welche Apotheke sie wechselt. Ich kenne die Situation dort aus erster Hand und weiß, dass die Apotheke finanziell sehr schlecht dasteht. Ich erwähne ihr gegenüber das, weil ich weiß, dass sie für ihre behinderte Schwester finanziell aufkommt. Weil ich sie nicht wissentlich ins Messer laufen lassen möchte, setze ich sie von der Situation in Kenntnis. Einen Tag später weist sie meine Hinweise als Lüge (!) von sich.
o   Meine leitende PTA kommt zu mir und kündigt völlig unerwartet. Sie sagt, sie hätte die Arbeitszeiten satt. Ich frage sie entgeistert, warum sie denn niemals mit mir darüber gesprochen hat und sie sagt, sie hätte Angst gehabt, dass ich sie dann sofort rausschmeiße. Ich weiß nicht, was ich darauf antworten soll. Sie war viereinhalb Jahre bei mir und niemals zuvor gab es auch nur annähernd eine Situation, in der dieser Ausgang möglich gewesen wäre. Ich verstehe die Welt nicht mehr.
o   In der dritten Aprilwoche rufe ich Frau Huhn wieder an und frage nach dem Stand der Dinge. Sie sagt, ihre erste Bearbeiterin hätte noch immer keine Zeit, aber sie hat jetzt jemand anderen, der sich das anschaut. Ich drücke erneut aufs Tempo wegen der engen Personallage und frage, ob sie denn überhaupt noch interessiert sei (weil von ihr dieses Tempo nicht zu kommen scheint). Sie bejaht vehement.
o   In der letzten Woche des Monats arbeitet Aishe für eine andere PTA, die Urlaub hat. Am Freitagmorgen schreibt sie mir per WhatsApp, dass sie für heute krank ist. Sie wäre aber die einzige Abend-PTA gewesen. Als ich das ins Team verkünde, um Ersatz zu suchen, sind alle sauer: Aishe hat die ganze Woche für diesen Tag Ersatz gesucht, weil sie abends jemanden vom Flughafen abholen will. Im Laufe des WhatsApp-Gespräches zwischen ihr und mir verplappert sie sich zudem. Ich breche den Kontakt zu ihr daraufhin vollständig ab, wie es die anderen auch tun.
o   Am Monatsende sitzt die gesamte Belegschaft der Filiale in meinem Büro und beschwert sich über Günther: er lässt alle für sich arbeiten, während er selbst im Büro sitzt. Niemand weiß, was er dort tut. Ich ebenfalls nicht, denn er hat keinerlei administrative Aufgaben, die er im Büro zu erledigen hätte. Das Team ist daher sehr belastet und enttäuscht. Meine erfahrene PTA von dort ist inzwischen von Günther völlig entnervt, fühlt sich gar gemobbt. Ich selbst habe inzwischen ebenfalls erste Kostproben bekommen, denn er wirft mir in einer sehr langen WhatsApp Ungleichbehandlung vor, weil ich ihm zugesagte Urlaube wieder versagt habe und von ihm außerdem verlangt haben soll, sich entsprechend seiner Betriebszugehörigkeit hinten anzustellen. Beide Vorwürfe sind nicht nur haltlos, sondern wurden im monatlichen Betriebsnewsletter komplett anderslautend veröffentlicht (sein Urlaub wurde beide Male zugesagt, schriftlich). Mitarbeiter erwähnen ohne Ironie, dass er ein pathologisches Problem haben könnte. Erika lässt sich ihrerseits gegenüber Günther vermehrt zu spitzen Bemerkungen hinreissen, da sie ihn für komplett unfähig und unnütz hält. Erika selbst kann seinen Job der Filialleitung aber nicht übernehmen, da sie so viele Stunden nicht arbeiten kann. Sie arbeitet immer freitags und verbringt die Zeit damit, seinen Unfug der Tage Montag bis Donnerstag zu reparieren.
o   In der Konsequenz muss ich immer mehr Personal in die wesentlich kleinere Filiale stecken, da dort die krankheitsbedingten Ausfälle steigen. Das wiederum wirkt sich negativ auf den Hauptbetrieb aus. Ich dränge Frau Huhn daher erneut zur Eile, da ich eigentlich mehr Personal einstellen müsste, das wegen der Übernahmeverhandlungen aber natürlich nicht tun kann (da ein Betriebskäufer alle Arbeitsverträge mitsamt dazugehörigen Personalkosten übernehmen muss).
o   Meine erfahrene PTA scheidet mit beidseitigem Hörsturz vorerst aus und beschuldigt ganz alleine Günther dafür. Am Ende wird sie fünf Wochen fehlen. Ich entwickle inzwischen größte Abneigungen gegenüber meinem eigenen Betrieb. Er verursacht einfach nur noch Probleme und bindet ungeheuer viele Ressourcen. Das Problem für mich: ich weiß, dass die Filial-Apotheke (und Günther mit ihr) in kurzer Zeit Geschichte sein wird, da der Verkauf ja quasi beschlossene Sache ist. Ich kann es jedoch nicht öffentlich machen, weil ein Vertrag eben noch nicht unterzeichnet wurde und das Thema noch nicht an die Öffentlichkeit kommen darf. Eine furchtbare Situation für mich: ich sehe mein Team leiden, habe eine Lösung dafür und darf sie nicht kommunizieren.
o   Vanessa tut der Klinikaufenthalt gut und sie erholt sich. Ich melde mich immer wieder mal und frage nach ihr.
o   Ich entscheide mich, Ersatz für Günther zu suchen. Ich inseriere landesweit auf mehreren Kanälen. Nach zwei Wochen erhalte ich eine einzige Bewerbung: ein Kollege aus dem süddeutschen Raum, Ägypter und seit zwei Jahren in Deutschland. Er verlangt 75.000 Euro Jahresgehalt, ein Auto und eine Wohnung. Anmerkung: in meinen besten Filialleitertagen habe ich zwei Drittel davon erhalten ohne Auto und ohne Wohnung. Ich lehne also höflich ab. Weitere Bewerbungen kommen nicht rein. Aktiv von mir angesprochene Apotheker lehnen ab, weil sie nicht in die Region wollen, sondern eher nach Wuppertal (was zehn Minuten entfernt liegt). Befreundete Apotheker aus Düsseldorf und Köln wundern sich sehr über meine Erzählungen und auch über die Gehälter, die in meiner Stadt verlangt werden; sie selbst bieten zwanzig Prozent weniger und bekommen haufenweise Bewerbungen.
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Mai 2019
« Antwort #11 am: 23.April 2020, 10:57:13 »

o   Meine leitende PTA und Aishe sind weg. Ich habe dafür eine neue PTA gefunden, Maria. Sie zeigt sich von Beginn an als äußerst fleißig und gut und springt ab ihrem ersten Tag bereits immer wieder für andere Mitarbeiter ein. Sie knüpft schnell gute Beziehungen zu allen.
o   Ich stelle eines Samstagsmorgens fest, dass ich Herzrhythmusstörungen habe. Ein befreundeter Notarzt rät telefonisch umgehend zur Krankenhauseinweisung. Ich kann eine befreundete Apothekerin gewinnen, mich zu vertreten, und rufe mir einen Rettungswagen. Meine Frau erreiche ich erst nach vielen Versuchen, da sie gerade ebenfalls in einem Krankenhaus arbeitet. Einige Stunden später konnte kein Herzproblem festgestellt werden, alle Parameter sind normal. Meine Hausärztin stellt die Diagnose „Übermäßige psychische und körperliche Belastung“.
o   Katharina beginnt einen zweiwöchigen Urlaub mit ihrem Freund. Da scheint inzwischen alles wieder beim Alten und man hört nichts mehr davon.
o   Anna hat Mitte Mai ihr letztes Medizinexamen. Weil ich vermute, dass Günther sich für die Tage krankmelden wird, um mir zu schaden, bestelle ich einen Vertretungsapotheker, was mich rund 3000 Euro kostet. Günther bekommt solange überstundenfrei. Anna besteht ihr Examen und ich schenke ihr eine zehntägige Reise nach Andalusien im Juni.
o   Endlich gibt es einen Erstverhandlungstermin mit Frau Huhn. Mein Wirtschaftsberater und ich gehen hin und sind gut gelaunt. Eine halbe Stunde später gehen wir wieder raus: Frau Huhn hat ihr Angebot zurückgezogen, weil der Betrieb ihrer Meinung nach nicht genügend abwirft und die Miete außerdem zu hoch sei. Ihr jetziger Betrieb würde die gleichen Zahlen erwirtschaften. Sie würde sich daher als Angestellte anbieten. Dieses Angebot zieht sie aber fast sofort wieder zurück. Ich frage sie, warum es sechs Monate gedauert hat, bis sie zu diesem Schluss gekommen ist. Sie zuckt nur mit den Schultern.
o   Maria hat ihren zweiten Arbeitstag und verbringt diesen wegen des krankheitsbedingten Engpasses in der Filiale mit Günther. Am Tag darauf fragt sie mich, ob ich sie denn öfter dort einplanen würde. Ich verneine. Sie sagt daraufhin, dass das gut gewesen sei, denn andernfalls hätte sie umgehend gekündigt. Günther wäre einfach unerträglich und herrschsüchtig. Wörtlich: „Henning mag ja der Chef sein, aber hier wird gemacht, was ICH sage!“
o   Katharina schreibt mir aus dem Urlaub eine nette WhatsApp. Alles ist prima und sie erholt sich gut. Sie wünscht uns eine gute Zeit und freut sich auf ihre Rückkehr. Sie erwähnt, dass in der Berechnung der Urlaubsstunden allerdings ein kleiner Fehler aufgetreten ist (wir haben dafür ein browserbasiertes Programm, das man per Smartphone einsehen kann): es werden ihr zu wenige Stunden gutgeschrieben. Ich antworte, dass das schon stimmt, da es sich nur um eine Umrechnung handelt und ihr gleichzeitig an anderer Stelle die Stunden gutgeschrieben werden. Ich begründe meine Aussage auch gleich mit. Ich erhalte daraufhin als Antwort: „Soll ich mir eine neue Stelle suchen?“. Ich bin völlig konsterniert und lasse umgehend meine Frau über den Chatverlauf schauen, ob ich irgendwo etwas falsch verstanden oder formuliert habe. Sie verneint das. Ich rufe Katharina also sofort an, doch erhalte (trotz Online-Status bei WhatsApp) immer nur die Mailbox nach mehrmaligem Freizeichen. Freunde können später nach Lektüre der betreffenden Textstellen nirgendwo eine missverständliche Passage finden. Nach ihrer Rückkehr aus dem Urlaub ist sie äußerst distanziert und meint, ich hätte ich das Gefühl gegeben, unerwünscht zu sein. Meine Mitarbeiter können es, wie ich, nicht glauben. Katharina hat mehr Wertschätzung und Zusprache erhalten als irgendwer vor ihr. Ich sage ihr natürlich, dass sie sie NICHT etwas Neues suchen soll. Sie akzeptiert.
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Juni 2019
« Antwort #12 am: 23.April 2020, 10:57:37 »

o   Vanessa schreibt mir eine WhatsApp, in der sie fragt, wann ich denn für den Aufhebungsvertrag erreichbar wäre. Ich falle aus allen Wolken, denn von der Aufgabe der Ausbildung war bislang nicht mit einer Silbe die Rede. In einem Abschlussgespräch äußere ich Respekt für ihre Entscheidung, die Ausbildung woanders weiterführen zu wollen, jedoch sage ich ihr ebenfalls, dass ich dieses Verhalten – „Kündigung“ per WhatsApp – vollkommen unangebracht finde. Immerhin haben das Team und ich ihr in dieser Zeit sehr beiseite gestanden. Sie lässt diese Anmerkung nicht nur kalt, die äußert direkt danach und seither vollkommene Abneigung gegenüber mir persönlich.
o   Ich erhalte eine Wirtschaftsanalyse der Filiale und stellen fest, dass Günther die Umsatzzahlen von plus zehn Prozent auf minus zwanzig Prozent hat abstürzen lassen. Da die Hauptapotheke gleichzeitig stabil wächst, kann es sich nicht um saisonale Effekte handeln. Das gesamte Team ist ihm gegenüber äußerst negativ eingestellt und niemand möchte mit ihm mehr arbeiten. Eine Mitarbeiterin erzählt mir außerdem, was er die ganze Zeit immer im Büro macht: fernsehen. Wegen der extrem schlechten Marktlage kann ich aber nichts machen. Ich bin abhängig von ihm.
o   Frau Huhn macht doch noch ein Kaufangebot: sie würde die Apotheke kostenfrei übernehmen, also geschenkt.
o   Die Andalusienreise steht an. Am Abend vor der frühmorgendlichen Abreise gehen wir nach der Arbeitsschicht noch essen. Ich bekomme allerdings einen Anruf, dass Erika dort gerade Amok läuft und beide anwesenden Mitarbeiter, Katharina und Maria, nicht nach Hause gehen lässt trotz Schichtende. Ich laufe also aus dem Restaurant in die Apotheke und arbeite dort einfach die letzten zwei Stunden selbst noch. Meine Laune ist auf dem Tiefpunkt, da Erika plötzlich einfach nach Hause gegangen ist. Genau diese Apothekerin soll mich aber in den kommenden zehn Tagen vertreten. Ich zweifele daran nicht, aber ihre cholerische Art und Weise lässt mich schlimmes befürchten.
o   Am Morgen auf dem Weg zum Flughafen bin ich so niedergeschlagen und verzweifelt, dass ich von Freunden gezwungen werden muss, den Urlaub überhaupt anzutreten. Erst nach Ankunft und ein paar weiteren Stunden wird es besser.
o   Es vergehen einige Tage, da schreibt Günther in der internen WhatsApp-Gruppe einen sehr unkollegialen, beschuldigenden und lächerlichen Text in Richtung Erika. Ich begehe leider den Fehler, nicht umgehend moderativ einzuschreiten und dadurch entsteht eine Eigendynamik, an deren Ende vier Mitarbeiterinnen die Gruppe verlassen haben. Ich rufe in der Apotheke an und erreiche Maria. Sie erwähnt, dass dieser Zustand unhaltbar ist eigentlich umgehend kündigen möchte. Da ich vermute, dass andere ähnlich denken, sehe ich die Apotheken im freien Fall. Ich kontaktiere eine Freundin, die sich mit einer Apothekenberatung selbstständig gemacht hat und mich bereits seit Jahren begleitet. Sie fährt umgehend aus dem Rheinland in die Apotheke und beruhigt die Gemüter. Ohnehin ist das Problem leicht erkannt: es ist Günther alleine. Ich selbst bin dermaßen am Boden zerstört, dass ich den Flug zurück nach Deutschland bereits ausgewählt habe. Ich müsste den Daumen nur auf den Buchen-Button sinken lassen. Ich zögere aber noch und tatsächlich: meine Beraterin hat es geschafft, die Mitarbeiter wieder zusammenzubekommen, mit Ausnahme von Katharina. Ich bleibe also, aber der Urlaub ist dahin. Dass der Urlaub eigentlich ein Geschenk für meine Frau zum Examen ist, macht es für mich nur noch schlimmer.
o   Wieder aus Andalusien zurück, raten mir meine beiden Wirtschaftsagenturen zur umgehenden Schließung der Filiale, um nicht weiter Geld zu verbrennen. Ich fasse diesen Entschluss und wir schließen zum 31. Juli 2019. Günther wird umgehend ins Überstundenfrei versetzt und Erika übernimmt seine Stunden. Weil Günther aber ein Arschloch ist, lässt er sich ebenso umgehend krankschreiben.
o   Unmittelbar nach Rückkehr aus dem Urlaub habe ich Sonntagsnotdienst. Zahlreiche Mitarbeiter kündigen sich zum Gespräch an und ich bin von 15:00 bis 22:00 Uhr verplant. Katharina möchte ebenfalls mit mir reden, aber ich sage wegen der vielen Termine für Sonntag ab und biete den Montag an. Da kann sie aber nicht. Am Mittwoch kommt es schließlich zum Gespräch. Sie kündigt und wirft mir vor, ich hätte sie ausgenutzt und nie Zeit für sie (wofür sie meine Absage für Sonntag als Beweis heranzieht). Sie möchte in diesem Chaos nicht länger arbeiten. Alle Versuche, sie zu halten – immerhin habe ich nicht unwesentlich Zeit und Aufwand in ihre Ausbildung investiert – scheitern. Ich akzeptiere ihren Wunsch, sage ihr aber auch deutlich, dass ich das als Illoyalität empfinde. Sie nimmt sich das natürlich nicht an. Im Gegenteil: sie äußert ihr Unverständnis darüber, wie wir alle mit dem armen Günther umgegangen sind. Aus ihren Ausführungen geht dann eindeutig hervor, dass sie am Ende eines Arbeitstages täglich ein privates Telefongespräch mit ihm führte, in dem sie ihm jeweils von unseren internen Gesprächen im Detail erzählt hat. Dieser horrende Verrat macht mich sprachlos.
o   Meine hohe Steuerrückzahlung wird komplett für die Entschuldung der Filiale draufgehen. Vom Immobilienkauf müssen wir uns also zunächst wieder verabschieden.
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Juli 2019
« Antwort #13 am: 23.April 2020, 10:57:56 »

o   Ich bekomme eine Bewerbung von Fatmire, einer PTA. Sie macht einen sehr guten Eindruck, allerdings ist auch irgendwas nicht ganz in Ordnung. Ich kann aber nicht sagen, was genau. Sie möchte unbedingt kommen, handelt aber auch hart über das Gehalt. Am Ende wird sie Topverdienerin und fängt am 15.7. an.
o   Katharina bekommt die restliche Zeit Überstundenfrei und verlässt das Unternehmen sang- und klanglos und ohne ein Wort des Dankes oder Abschieds. Alle Mitarbeiter sind ratlos, warum Katharina nach eineinhalb Jahren so plötzlich und so bösartig das Unternehmen verlässt. Ich selbst kann es mir am allerwenigsten erklären.
o   Fatmire ist ein großer Gewinn in der Kundenberatung, doch stellt sie sich darüber hinaus als wenig hilfreich dar. Sie verweigert Backoffice-Tätigkeiten mit den Worten, dafür wäre sie zu gut ausgebildet, und erscheint regelmäßig zu spät zum Dienst. Da ich in der Urlaubszeit jedoch Personalknappheit habe, belasse ich es zunächst bei Ermahnungen.
o   Die Abwicklung der Filiale ruft meinen Steuerberater auf den Plan, der behauptet, ich hätte das Problem der Schließung selbst zu verantworten, weil ich auf die falschen Leute gehört habe. Ich hätte doch die Filiale offen lassen können. Mein Hinweis, es gibt aber keine Apotheker, wischt er als irrelevant weg. Stattdessen ergeht er sich in Hasstirade gegenüber meinem Wirtschaftsberater, mit dem er bis vor kurzem noch befreundet war. Er geht so weit und verlangt von mir, das Beratungsmandat zu kündigen. Andernfalls würde er selbst das Mandat niederlegen. Ich reagiere darauf nicht und bekomme auch keine weiteren Drohungen.
o   Die Schließung der Filiale hat finanziell ein großes Loch gerissen. Ob meine verbliebene größere Apotheke das schließen kann, ist offen. Ich trenne mich daher zunächst von Personal, auf das ich verzichten kann: alle Apothekerinnen und Apotheker. Ich arbeite fortan fast alleine. Meine Wochen haben Minimum 60 Stunden zuzüglich Homeoffice und Notdienste. Im Schnitt komme ich so auf 70 Stunden pro Woche. Urlaub ist ab sofort gestrichen. Da ich kämpferisch bin und weil mich die Abwesenheit von Günther über alle Maßen entspannt, nehme ich das gerne an. Außerdem hat die Schließung auch viel Druck von meinen Schultern genommen und mich eher befreit.
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August 2019
« Antwort #14 am: 23.April 2020, 11:00:39 »

o   Fatmire wird immer untragbarer. Sie kommt 1,5 Stunden zu spät, obwohl ich sie bereits dahingehend ermahnt habe. Ihre Aussage: ich hätte ihr bei Einstellung den Arbeitsbeginn 10:00 Uhr zugesichert. Das stimmt zwar, aber natürlich mit der Einschränkung, dass das in Urlaubs- und Krankheitszeiten anders sein könne. Ihre Antwort: ‚Das ist für mich irrelevant.“
o   Katharina verbreitet über WhatsApp bei meinen Angestellten die Behauptung, ich hätte sie zu einem Fotoshooting gezwungen. Erst die Androhung der Veröffentlichung der Chatverläufe zwischen ihr und mir, der eindeutig das Gegenteil beweist, lässt sie verstummen.
o   Maria trennt sich von ihrem Freund, der daraufhin äußerst aggressiv Telefonterror startet. Bis zu 50 Mal ruft er an und beschimpft die Person am Ende der Leitung. Dass er ein Aggressionsproblem hat, wissen wir seit dem Moment, als Maria uns (nicht gerade ohne Stolz) Fotos seiner dick bandagierten Hand zeigt, mit der er einen Fußgänger verprügelt hat. ‚Der hätte das verdient, weil er den gemeinsamen Hund beleidigt hat.‘, meint Maria. Jetzt aber haben sie sich getrennt und Maria belegt ihren Exfreund mit übelsten Schimpfworten.
o   Mein Geburtstag am Siebten ist pure Verzweiflung: das Steuerbüro braucht unendlich lange, um die Bilanzen zu schreiben. Aus denen geht aber dann erst hervor, ob sich ein Weiterbetrieb der verbliebenen Apotheke überhaupt noch rechnet. Es fällt erstmals das Wort „Insolvenz“. Angesichts dessen erfrage ich bei den Wirtschaftern, was ich persönlich denn falsch gemacht habe. Beide Agenturen schütteln nur den Kopf und sind sich einig, dass ich gegen Günthers Inkompetenz und Frau Huhns abartige Hinhaltetaktik keine Chance hatte. Meine Bank ist gleicher Ansicht.
o   Inzwischen bekomme ich mit, welche Schneise der Verwüstung sowohl Günther wie auch Frau Huhn in der Vergangenheit hinterlassen haben. Außendienstler von Ratiopharm, Bayer und meinem Großhandel machen große Augen, wenn ich die Namen nenne und können mir alle unglaubliche Geschichten erzählen, die sie von diesen beiden Personen in der Vergangenheit mitbekommen haben. Das hilft mir zwar nicht mehr weiter, bestätigt aber meine beiden Wirtschaftsberater.
o   Mitte des Monats erhalte ich endlich die Zahlen, aus denen mein Berater den Businessplan für das neue Geschäftsjahr stricken kann. Die Zahlen sind zwar erwartbar schlecht, das Geschäft aber kann so geplant werden, dass ein Weiterbetrieb möglich ist. Die Bedingungen lauten, dass die Arbeitsbelastung für mich gleichbleibend hoch bleibt: 70-Stunden-Woche, null Tage Urlaub, kein krankheitsbedingter Ausfall. Mein Monatsgehalt wird dem Gehalt entsprechen, das ich als Neueinsteiger vor zehn Jahren verdient habe. Für den Moment schockt mich das aber nicht, sondern löst mich komplett.
o   Fatmire holt mich schnell auf den Boden der Tatsachen zurück, als ich ihr die Probezeitkündigung geben will und sie eine Quittierung der Entgegennahme ablehnt. Sie verlangt für ihre Unterschrift erst eine Aufstellung ihrer Überstunden. Da ich eine Zeugin dabeihabe, lasse ich die Zeugin unterschreiben. Vier Tage später gebe ich Fatmire die Überstunden und will sie dann unterschreiben lassen, doch sie stellt sich mitten in den Betrieb und sagt lautstark, ich hätte ich die Kündigung nie gegeben. Ich rufe umgehend meinen Anwalt an, während Fatmire spontane Zahnschmerzen bekommt und sich ohne Abmeldung entfernt.
o   Ich versuche, die Einrichtung der Filiale (gerade vier Jahre alt) zu verkaufen. Ein Käufer meldet sich und würde für die Einrichtung einen Preis bezahlen, der den Betrieb schlagartig um die Hälfte entschuldet. Mit dem Vermieter kann ich außerdem eine Reduzierung des Mietvertrages aushandeln, der eigentlich noch sieben Jahre lang lief.
o   Wegen der unsicheren Finanzlage bekomme ich einen neuen Bankberater. Mein Steuerberater prophezeit mir daraufhin düsterste Zeiten und tiefgreifende Einschnitte mit Personalabbau von etwa 50 Prozent sowie schmerzhaften weiteren Entbehrungen. Mein Gegenargument: das Personal ist gerade ausreichend vorhanden, um die jetzt deutlich mehr kommenden Kunden zu versorgen. Das wischt er jedoch weg und gibt meinem Wirtschaftsberater die Schuld für meine Misere. Ich selbst bin daraufhin am Boden zerstört, schlagartig unmotiviert und bemerke erste Anzeichen einer Depression.
o   Meine Frau arbeitet seit Mitte Juli als Ärztin im Krankenhaus und verdient wegen Steuerklasse Drei ein gutes Gehalt, um meinen geschwundenen Unternehmerlohn aufzufangen.
o   Für Fatmire habe ich eine neue PTA gefunden: Hatice kommt zum 1. September. Sie macht einen freundlichen, zurückhaltenden Eindruck.
o   Das verbliebene Team rückt eng zusammen. Es ist für mich schön zu sehen, dass alle an einem Strang ziehen und den Betrieb nicht einfach verlassen. Ich habe den Eindruck, dass ich alle faulen Äpfel losgeworden bin. Das bestärkt mich wieder.
o   Als Konsequenz aus der Filialpleite fuchse ich mich intensiv ins Finanzcontrolling. Leider kommt es dabei immer wieder zu Fehlinterpretationen meinerseits, immer zu meinem Nachteil – was natürlich nicht verwunderlich ist. Ich bin kein Fachmann und außerdem auf der dringenden Suche nach einem Silberstreif. Ich errechne mir also immer wieder gute Polster und juble innerlich und spüre händeringend gesuchte gute Neuigkeiten, nur um dann nach ein paar Stunden von meinem Berater wieder auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt zu werden.
o   Die erste Lohnabrechnung meiner Frau offenbart, dass der Arbeitgeber versehentlich Steuerklasse 5 statt 3 eingetragen hat. Unser Haushaltslohn halbiert sich und ich stehe plötzlich tatsächlich vor der privaten Zahlungsunfähigkeit. Die Sachbearbeiterin der Bank ist nicht erreichbar.
o   Nachdem es um Marias Freund sehr ruhig geworden ist, frage ich vorsichtig nach. Sie sind wieder zusammen, Maria ist total glücklich und möchte im Dezember heiraten. Sie bittet deshalb auch um einen neuen Arbeitsplan. Weil ich ihr gerne entgegenkommen möchte, werfe ich sämtliche Pläne aller Mitarbeiter um, um ihre Wünsche zu ermöglichen. Dafür arbeite ich mit den Mitarbeitern mehrere Stunden deren Pläne durch und wir kommen zu einer Übereinstimmung, mit der alle gut leben können. Maria bedankt sich herzlich.
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September 2019
« Antwort #15 am: 23.April 2020, 11:00:57 »

o   Das Arbeiten hat sich wesentlich beruhigt, seit Katharina und Günther weg sind. Ich bemerke neue Motivation und Kraft. Da die Bank außerdem bislang keinerlei Anschreiben an mich geschickt hat und die Prophezeiung meines Steuerbüros damit bislang haltlos ist, beruhige ich mich zusehends.
o   Der Käufer der Einrichtung sagt ab, weil die Einrichtung wegen ein paar Zentimetern nicht in seinen Betrieb passt.
o   Bereits am nächsten Tag ist alles wieder dahin: mein Rezeptabrechner meldet mir, dass Rezepte mit einem sechsstelligen Wert nicht in deren Hände gelangt sind und man mir diese Summe daher bei der Bezahlung abziehen müsse. Ich bin völlig konsterniert und ringe um Erklärungen, wie es dazu kommen konnte. Am Ende kann ich sämtliche Rezepte wiederbeschaffen. Während diverser Umräummaßnahmen nach Filialschließung ist wohl der Umschlag mit den Rezepten abhanden gekommen. Da am Ende alles wieder aufgetaucht ist, ist der Spuk schnell vorbei, hat mich aber nachhaltig mitgenommen.
o   Maria arbeitet seit einer Viertel Stunde mit ihrem neuen Plan, da fragt sie mich, ob wir denn nicht alles wieder rückgängig machen könnten, da sie sich von ihrem Freund wieder getrennt hat. Einigermaßen sauer verneine ich und verweise darauf, dass wegen ihr jetzt alle Mitarbeiter umgestellt haben und ich nicht verlangen kann, sich erneut umzustellen.
o   Hatice arbeitet sich gut ein und kommt mit allen gut zurecht. Die Erfahrungen aus den vergangenen Monaten lassen mich aber sehr vorsichtig sein.
o   Meine ehemalige Filialleiterin hat seinerzeit in Aussicht gestellt, nach einem Jahr Elternzeit gerne wieder zurückkommen zu wollen. Da die Filiale inzwischen aber nicht mehr existiert, mache ich ihr ein anderes Angebot: sie kommt für eine Arbeitszeit ihrer Wahl und zu einem Gehalt ihrer Wahl in die Hauptapotheke, richtet sich die Arbeitsstunden selber ein und erhält außerdem meine Zusicherung, jederzeit – auch spontan, wenn möglich – durch mich ersetzt zu werden, wenn sie schnell zu ihrem Kind zurück muss. Ihr Arbeitsweg beträgt rund 30 Minuten oder mehr. Ich biete ihr außerdem eine Betreuungsstelle vor Ort auf meine Kosten an. Sie ist sehr begeistert und überlegt es sich. Für mich persönlich wäre das die Lösung aller meiner persönlichen Probleme: Freizeit vor allem, aber auch Bearbeitungsstau. Im Homeoffice bin ich wesentlich produktiver als im Büro in der Apotheke.
o   Ein weiterer Interessent für die Einrichtung meldet sich und möchte gerne den gleichen Preis bezahlen wie der erste Interessent. Ich sage zu. Er kommt vorbei und misst alles aus.
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Oktober 2019
« Antwort #16 am: 23.April 2020, 11:01:25 »

o   Die Anstrengungen, Enttäuschungen und psychischen Belastungen der vergangenen Monate machen sich bemerkbar: es reichen kleinste Rückschläge, Nichtigkeiten, und ich bin am Boden zerstört. Ich finde mich immer häufiger alleine bei einem Spaziergang im Regen wieder, bei dem ich zwar auch Energie tanke, mich aber gleichfalls frage, ob das alles hier eigentlich noch einen Sinn hat. Erstmals sage ich mir selbst, dass ich mich nie hätte selbstständig machen dürfen. Das Leben hat sich für mich persönlich radikal verschlechtert.
o   Die Geschäftszahlen seit August sind grandios gut. Das einzige, was mich aufrecht hält. Leider macht sich das in der Liquidität nicht bemerkbar.
o   Der zweite Interessent für die Einrichtung sagt ab, weil die Einrichtung wegen ein paar Zentimetern nicht in seinen Betrieb passt.
o   Der 6. Oktober ist mein Hochzeitstag. Meine Frag überrascht mich mit einer Einladung zum Brunch. Ich komme mit und versuche alles, um gute Stimmung zu zeigen, aber immer, wenn sie zum Büffet geht, kämpfe ich mit den Tränen. Meine Frau geht selbst in ihrem neuen Beruf total auf und ist überglücklich. Das macht es mir umso schwerer, denn ich will mit meiner Stimmung nicht ihr Glück belasten.
o   Meine Frau konnte das Steuerklassenproblem lösen, jedoch wird das verlorene Geld erst mit der Steuererklärung erstattet.
o   Ich sitze einigermaßen gelöst in der Apotheke. Die Geschäftszahlen sind gut und es geht langsam aufwärts. Ich bin mit meinem Team sehr zufrieden. Mein langjährige PKA Celine bittet um ein Gespräch. Celine ist eine Topkraft, die mich durch die Probleme der letzten Monate (Jahre) immer rückenstärkend unterstützt hat. Auf sie kann mich total verlassen. Im Gespräch kommt heraus, dass sie schwanger ist. Bonmot: eigentlich dürfte sie gar nicht schwanger werden können, wie man ihr mehrfach versichert hat. ‚Ein Sechser im Lotto laut Frauenarzt‘, sagt sie. Für mich die nächste Katastrophe. Natürlich freue ich mich für sie, aber ich verliere eine meiner beiden wirklich zuverlässigen Mitarbeiter.
o   Ich erhalte die Nachricht meiner Filialleiterin: schweren Herzens wird sie kündigen müssen, da ihre Tagesmutter (die sie nur mit Schwierigkeiten hat auftreiben können) zur Bedingung gemacht hat, dass sie innerhalb einer halben Stunde das Kind holen können muss. Das könnte sie aber nicht gewährleisten. Also heißt das für mich: weiterhin mindestens 65 Wochenstunden.
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November 2019
« Antwort #17 am: 23.April 2020, 11:01:46 »

o   Trotz der vielen Nackenschläge und schlimmen Momente genieße ich teilweise auch die Zweisamkeit mit meiner Frau. Wir unternehmen viel. Ich tanke dabei Kraft. Der Betrieb funktioniert weiterhin hervorragend.
o   Ich erhalte Neuigkeiten von Frau Huhn: sie hat eine Apotheke gekauft, die einige hundert Meter von meiner Filiale entfernt liegt. Da ich weiß, wie lange Übernahmegespräche und Vertragsaufsetzungen dauern, weiß ich: sie hat während der Gespräche mit mir bereits mit der anderen Inhaberin verhandelt. Unter diesem Aspekt muss ich ihr Verhalten mir gegenüber als Hinhaltetaktik mit Schädigungsabsicht einstufen. Mein Anwalt und meine Berater sehen das genauso, aber es besteht leider keine rechtliche Handhabe. Der Außendiestler eines großen Geschäftspartners kennt Frau Huhn schon länger und erwähnt, sie hätte ähnliches bereits vorher versucht bei anderen. Tatsächlich weiß er zu berichten, dass sein Unternehmen mit Frau Huhn aus diesen Gründen nicht mehr zusammenarbeitet. Zu r richtigen Einordnung: es handelt sich um ein Unternehmen von der Größe der Firma Ratiopharm (die es aber nicht ist). Ein anderer Außendienstler einer ähnlich großen Firma kommt auf mich zu und sichert mir seine uneingeschränkte Hilfe zu, um den von Frau Huhn in Kauf genommenen (verursachten?) Schaden abzumildern. Er prüft gar den Kauf meiner Einrichtung, ohne dass seine Firma damit etwas anfangen könnte. Leider kommt das nicht zustande. Ich habe dafür inzwischen zwei weitere Interessenten, die vorbei kommen und ausmessen.
o   Ich komme langsam an meine Belastungsgrenze. Regelmäßig fallen 75 Wochenstunden an und viele Telefonate und Mails noch privat. Auch muss die geschlossene Filiale ausgeräumt werden, was ich ganz alleine erledigen muss.
o   Meine Frau und ich haben vor Monaten den Plan gefasst, eine Familie zu gründen. An einem Tag im November stellen wir fest, dass in den kommenden vier Monaten jeweils um ihren Eisprung herum entweder meine Frau Dienst hat oder ich. Mich erschlägt diese Erkenntnis: wegen unserer Berufe sind wir zeitlich nicht in der Lage, eine Familie zu gründen. Das ist der ultimative Niederschlag für mich, denn in der Vorstellung, den ganzen Ärger gerne für die Zukunft eines gemeinsamen Kindes auf mich zu nehmen, hat mich immer aufrecht gehalten. Jetzt ist alles mit einem Mal geplatzt und eine neue Erkenntnis setzt ein: die Selbstständigkeit hat mein Leben inzwischen so schlecht gemacht, wie es noch nie zuvor in meinem Leben gewesen ist.
o   Die Tage nach dem vorläufig zerstörten Familienglück sind niederschmetternd. Ich ziehe mich häufig in mein Notdienstzimmer zurück, schließe die Tür ab und weine. Trotzdem verbringen meine Frau und ich auch schöne Tage miteinander, die mich immer wieder aus meinem Loch herausholen.
o   Am 29., dem Geburtstag meiner Frau, möchten wir abends essen gehen, doch stelle ich vorher fest, dass der private Dispo überzogen ist. Das verwundert nicht, denn mein Unternehmerlohn ist äußerst niedrig und das Gehalt meiner Frau noch nicht wieder umgestellt. Wir sind also in der Situation, dass wir uns in einem Apotheker-Arztz-Haushalt ohne Kreditlasten und mit gut gehendem Betrieb kein Abendessen leisten können. Der nächste Tiefschlag für mich. Und damit sind alle drei Feiertage für uns – Geburtstage und Hochzeitstag – die schlimmsten Tage des Jahres.
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Dezember 2019
« Antwort #18 am: 23.April 2020, 11:02:03 »

o   Ich starte mit einiger Energie in die neue Arbeitswoche, die mir endlich Entlastung verschaffen soll: ich muss wegen der Verfügbarkeit von Mitarbeitern noch 40 Stunden arbeiten und bin top gelaunt. Die erste 40-Stunden-Woche seit Juli. Anna und ich haben uns einige Aktivitäten vorgenommen. Natürlich kommt, was kommen muss: beide Mitarbeiter, die mich entlasten sollen, sagen kurz nacheinander krank ab (beide berechtigt, deshalb kann ich auch nicht böse sein). Also alle Aktivitäten abgesagt und damit schlagartig 78 Wochenstunden.
o   Der dritte und vierte Interessent für die Einrichtung sagt ab, weil die Einrichtung wegen ein paar Zentimetern nicht in ihre Betriebe passt.
o   Die weiterhin guten Geschäfte halten mich motiviert: immerhin lohnt sich der ganze Ärger und ich werde mittelfristig aus den Sorgen aussteigen können. Die Mitarbeiter arbeiten aber an der Belastungsgrenze. In diesem ganzen Dilemma bekomme ich eine WhatsApp-Krankmeldung von Maria, die meint, sie müsse jetzt eine lange planbare OP durchführen lassen. Sie fehlt damit im starken Weihnachtsgeschäft und darüber hinaus. Weil sie außerdem den von mir ausgeschlossenen Weg per WhatsApp gewählt hat, werde ich sie abmahnen.
o   Am Abend eines Notdienstes, des ich mache, stelle ich plötzlich schlagartige Herzrhythmusstörungen fest. Ich will umgehend ins Krankenhaus fahren, kann aber wegen des Notdienstes nicht. Ich telefoniere drei Kollegen ab, die mich ablösen könnten: ein kann nicht wegen Urlaub, eine kann nicht, weil sie am kommenden Tag in den Urlaub fährt und eine sitzt gerade am Bett ihrer vor Minuten verstorbenen Mutter. Ich muss also bleiben. Meine Frau schläft zur Sicherheit auf dem Fußboden neben dem Bett, um im Ernstfall schnell eingreifen zu können.
o   Ich telefoniere wegen der Rhythmusstörungen mit meiner Ärztin, die sich in Ruhe alles anhört (die ganze Geschichte) und am Ende sagt: „Henning, wenn Du nicht umgehend etwas änderst, wirst Du innerhalb weniger Monate einen hohen Preis bezahlen.“. Eine umfassende Untersuchung bringt zutage, dass das Herz okay ist und es sich wahrscheinlich um eine psychosomatische Reaktion handelt. Ich therapiere mich selbst mit Tranquilizern, die einigermaßen helfen.
o   Der restliche Dezember verläuft einigermaßen entspannt. Ich konnte außerdem eine ehemalige Apothekerin gewinnen, deren aktuelle Arbeitsstelle schließen musste. Die Dame ist eigentlich gar nicht wirklich zu gebrauchen, weil sie sehr langsam und phlegmatisch ist. Aber sie kann mich vertreten und mir damit den dringend benötigten Freiraum schaffen. Ich werde damit in Zukunft einen regelmäßigen freien Tag in der Woche haben und jedes zweite Wochenende frei. Nach Rücksprache mit meiner Wirtschaftsberatung buche ich zwei Wochen Dänemark-Urlaub. Alleine der Buchungsprozess entspannt mich bereits. Im April werden wir endlich zwei Wochen Energie tanken können, der erste echte Urlaub seit zwei Jahren.
o   Maria erzählt mir von ihrer schwer depressiven Schwester in ihrem Heimatland, die gerade eine schlimme Episode durchlebt. Sie bittet mich um unbezahlten Urlaub, um sie vor Ort betreuen zu können. Da wir im neuen Jahr gut besetzt sind, stimme ich zu und stelle sie für zunächst zwei Monate frei.
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Januar 2020
« Antwort #19 am: 23.April 2020, 11:02:35 »

o   Alles wird neu, sage ich mir! Und ich bin wirklich guter Dinge.
o   Maria kommt aus ihrer Krankheitszeit zurück und erhält die Abmahnung, die sie akzeptiert. Sie arbeitet nun für eine Woche und geht dann in den unbezahlten Urlaub. Sämtliche Arbeitspläne sind geschrieben und ich habe Mitarbeiter, die Maria ersetzen.
o   Meine Frau erlebt in ihrem Job das absolute Kontrastprogramm zu meiner Welt: sie ist glücklich und zufrieden und erlebt viel positiven Zuspruch. Leider steht sie in gleichem Maße für meinen Betrieb weniger zur Verfügung. Da sie außerdem öfter Gelegenheiten wahrnimmt, sich privat mit Arbeitskollegen zu treffen, sehen wir uns noch seltener. Selbstverständlich mache ich da keine Vorwürfe, da ich nicht einsehe, warum sie auf positive Energien verzichten sollte, nur weil ich die nicht haben kann. Dennoch fällt es mir schwer. An einem Abend dann vergisst sie eine Verabredung zwischen uns beiden, weil sie mit Kollegen unterwegs war, und ich warte umsonst. Ein schlimmer Moment, der ihr umgehend unendlich leid tut.
o   Maria meint, sie würde doch normal arbeiten kommen, weil sie den Urlaub nicht benötigt, da ihre Schwester zu ihr kommt. Das Team ist ziemlich sauer deswegen, weil alle ihre Arbeitstage umgestellt haben.
o   Die Geschäftsentwicklung der Apotheke ist gleichbleibend hervorragend, was mich immer mehr motiviert, positiv in die Zukunft zu schauen.
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