Ich habe damit gerechnet, dass mein Post etwas kontrovers aufgefasst wird. Ich bin dankbar für Eure Antworten und diese helfen mir dazuzulernen und vielleicht ein besseres Verständnis zu entwickeln. Ich stelle fest, dass ich mir dem Thema Alltagsrassismus bisher zu wenig bewusst bin. Gleichwohl möchte ich nochmal klar stellen, dass es mir vor allem darum geht, dass heute viel zu oft nur noch in Extremen gedacht wird und die Grautöne die es einfach gibt unter den Tisch fallen. Ich hoffe mein Antwort-post wird nicht zu unübersichtlich und zu lang...
Rumänien ist in der EU.
Danke, das weiß ich natürlich auch. Ich habe mich scheinbar missverständlich ausgedrückt als ich von Osteuropa und der EU im Gegensatz sprach. Ich denke es ist unbestreitbar, dass in den osteuropäischen EU-Statten wie bspw. Rumänien, Ungarn, Polen diese Thematik eine andere Ausprägung wie hier in Deutschland, Frankreich, Großbritannien etc. hat. Und das man das berücksichtigen sollte.
Bei einer Täterbeschreibung würde man doch auch die Hautfarbe angeben und zwar auch wenn es ein Weißer war...
Da kannst du ohne Probleme sagen, dass derjenige eine helle oder (sehr) dunkle Hautfarbe hat, da musst du nicht sagen er ist WEIß oder SCHWARZ.
Es gibt aber schlicht auch wirklich weiße und wirklich schwarze Menschen und nicht nur etwas heller oder dunkler. Bei einer Täterbeschreibung, als Extrembeispiel, würde ich das definitiv auch so äußern. Wie die Polizei das dann weiterverarbeitet ist dann deren Sache.
Grundsätzlich sagte ich ja, dass ich persönlich mir der Sensibilität bewusst bin und mich wahrscheinlich anders äußern würde. Dies beruht a) auf persönlichen Erfahrungen, die ich gemacht habe und b) da das Thema hierzulande seit Jahren präsent ist. Das ich mich in einer Stresssituation trotzdem immer noch mal unglücklich äußern könnte, schließe ich aber auch nicht aus. Wenn man mich dann darauf aufmerksam macht, würde ich das einsehen.
Wenn ich auf dem Kreisliga-Spielfeld als "weiße Kartoffel" bezeichnet wurde und werde, war und ist das dann auch rassistisch?
[...]
Ich finde es macht sehr wohl einen Unterschied, ob eine Äußerung rassistisch gemeint ist oder unglücklich gewählt wurde.
Zu 1.: Nein, weil Rassismus zumindest nach den mir bekannten Definitionen (die auch Sinn machen) die historische Komponente (Unterdrückung, Ausgrenzung, ...) mit beinhaltet. Es besteht einfach ein Unterschied zwischen Rassismus und "nur" Diskriminierung.
Zu 2.: Jain. Wenn man sich unglücklich ausgedrückt hat, entschuldigt man sich aber und versucht nicht, sich zu rechtfertigen und abzublocken. Selbst wenn das im ersten Moment eine reflexhafte Schutzreaktion sein sollte, kann man sich dann immer noch entschuldigen. Die Aussage bleibt aber rassistisch.
Das in aller Kürze dazu. Ansonsten sei an der Stelle auf das Buch von Alice Hasters verwiesen (gibt's auch auf Spotify kostenlos als Hörbuch): https://www.hanser-literaturverlage.de/buch/was-weisse-menschen-nicht-ueber-rassismus-hoeren-wollen-aber-wissen-sollten/978-3-446-26425-0/
Ich selbst bin leider noch nicht dazu gekommen, es zu lesen oder zu hören, höre aber durchweg positives Feedback und es liegt auf meinem (wachsenden) Pile of Shame sehr weit oben.
Edit: Im Übrigen ist es müßig, darüber zu diskutieren, solange wir nur über und nicht mit von Rassismus betroffenen sprechen. Da ich euch alle privat nicht kenne, nicht weiß wie ihr ausseht und ob ihr Erfahrungen mit Rassismus gemacht habt, fällt es mir hier also sehr schwer, diese Diskussion einzuordnen.
Zu 1: Hier bin ich ehrlich gesagt ein Stück weit "unwissend". Eine Definition quasi aus dem Lexikon ist mir nicht bekannt. Natürlich verstehe ich das der historische Kontext per se nicht ausgeblendet werden kann. Für mich persönlich ist es jedoch schwierig nachzuvollziehen, dass in einer direkten Konfrontation, wo ich eindeutig wegen meiner Nationalität und Hautfarbe angepöbelt und beleidigt werde, dass als nicht rassistisch aufzufassen und wenn ich demjenigen dann quasi 1:1 dasselbe antworten
würde, dann soll das auf einmal rassistisch sein? Ich finde entweder ist beides rassistisch oder beides nicht. Da Unterschiede zu machen fällt mir schwer. (Ich könnte gerne Beispiele aufzählen, aber ich denke es ist nicht Sinn der Sache solche Zitate hier aufzuführen!)
Zu 2: Da stimme ich Dir im Endeffekt zu. Frei nach dem Motto "Unwissenheit schützt vor Strafe nicht". Wie ich weiter oben schon angedeutet habe, habe ich als Jugendlicher die persönliche Erfahrung mit einem Mitschüler gemacht. Nachdem er mich, ich meine unter Beisein eines Lehrers, darauf angesprochen hat, sind wir sogar Freunde geworden. Ich war mir vorher der anderen Seite nicht bewusst. Nachdem Abi hat sich das wie so oft etwas verflüchtigt, aber noch heute haben wir über soziale Medien Kontakt.
Vielen Dank für den Buchhinweis. Ich werde mich damit mal beschäftigen! Desweiteren stimme ich Dir Deinem "Edit" zu und Dein später verlinkter Sportschauartikel drückt im Kern auch das aus was ich meine, nur eben treffender und ausführlicher formuliert.
Ansonsten erinnert mich das an die Diskussion um Steffen Freund, der hat auch bis heute nicht verstanden, wo das Problem bei seinen Aussagen über Harit und Bentaleb ist. Ganz ohne böse Absicht, aber doch mit Alltags-Rassismus.
Ist das Alltags-Rassismus? So flapsig wie Freund das angesprochen hat wahrscheinlich ja. Er hat einfach so verallgemeinert und auf die beiden Jungs runter gebrochen und das nicht unterfüttert. Ich persönlich interpretiere da Folgendes rein auch wenn ich damit Gefahr laufe in der Luft zerrissen zu werden, da jetzt keine harten Zahlen und Quellen usw. kommen. Es beruht einerseits auf persönlichen Erfahrungen und andererseits darauf was man so über Nachrichten sowie Religons- und Geschichtsunterricht aufgesogen und vermittelt bekommen hat.
Amine Harit und Nabil Bentaleb sind beide in Frankreich geboren. Der eine hat marokkanische Eltern, der andere algerische Eltern. Sie sind arabisch und muslimisch großgezogen worden und aufgewachsen. Meines Wissens ist es so, dass sowohl in der arabischen wie auch der muslimischen Kultur die Begriffe Familie und Ehre anders vermittelt und gelebt werden wie bei uns. Die "Clanbildungen" die wir hier erleben, sind Großfamilien. Beerdigungen und Hochzeiten werden dort meist mit Hunderten Menschen begangen / gefeiert, welche zum Großteil zur Familie gehören. In der "rein" westlich (und christlich) geprägten Kultur ist dies eher selten der Fall. Rein subjektiv höre ich in meinem Freundes- und auch weit gefassterem Bekanntenkreis selten etwas von "meinem Cousin / meiner Cousine X. Grades ist das und das passiert" (Meist hört es beim 1. Grad auf, wenn überhaupt). Hier wird der Familienbegriff enger gefasst als dort. Gleichzeitig wird dort ein anderer Ehrbegriff vermittelt und wie man bei gekränkter Ehre diese wiederherzustellen hat, als höchstes Bsp. die Ehrenmorde, aber auch Blutrache usw. Dazu die eigenen Erfahrungen und Begegnungen die ich erlebt habe. Was da alles als Ehrverletzung genannt wurde und dadurch eine sehr starke Reaktion mit sich brachte. Da prallen teilweise Welten aufeinander. Vor diesem Hintergrund kann ich es nachvollziehen, dass man verallgemeinernd sagt, dass es einen nicht überrascht das Harit und Bentaleb suspendiert wurden. Nach der hier entstandenen Diskussion kann ich sehr gut verstehen, dass das als Alltags-Rassismus bezeichnet wird. Wahrscheinlich ist das sogar so und ich habe es bisher so nicht erkannt, ertappe mich dann jetzt aber dabei. In der Art von Freund geäußert und auf den Einzelfall runter gebrochen ist es das auch.
Gleichwohl finde ich das man in einer gesellschaftlichen Diskussion die Problematik ansprechen darf ohne direkt als Rassist gebrandmarkt zu werden. Denn mMn entzünden sich an den verschiedenen kulturellen Prägungen und der Fehlenden Auseinandersetzung damit die meisten Konflikte, die die Integration so schwierig machen.
Abschließend sage ich, man muss immer beide Seiten sehen und versuchen nachzuvollziehen. Danach kann man klar entscheiden wer völlig daneben liegt oder das Ergebnis leicht in die Mitte verschoben ist oder ganz. Wenn Webó da recht alleine stand, war es definitiv unangebracht. Stand er da recht im Pulk empfinde ich es als unsensibel und unglücklich, aber als sachliche Personenbeschreibung. Dann hätte man jedoch auf das Einreden der Anderen zur Einsicht kommen müssen und sich entschuldigen müssen, dass ein "Missverständnis" vorliegt. Da er das nicht tat, ist es ein starkes Zeichen, dass man dort nicht weitergespielt hat. Das der vierte Offizielle jetzt immer noch sich die Situation schönredet. Das kann ich mir dann nur noch damit erklären, dass er entweder an einer unsäglichen "Schiri-Arroganz" leidet (gibt immer wieder Schiris mit denen man partout nicht reden kann/darf), ihm es völlig unmöglich ist andere Sichtweisen zu betrachten oder er tatsächlich einfach ein Rassist ist. Jedenfalls braucht man ihn nun nicht mehr in Schutz nehmen.
Ich persönliche ziehe aus Euren Beiträgen und meiner Auseinandersetzung damit, dass ich aufgrund persönlicher Erfahrungen und Erlebnisse zu Teilen Vorbehalte entwickelt habe. Ich trete jedem neuen Menschen den ich kennen lerne zunächst mit einer gehörigen Portion Skepsis aber gleichzeitig auch offen entgegen, dass er mir die Skepsis nehmen kann. Dabei teile ich wohl tatsächlich die Menschen erstmal in verschiedene Kategorien ein. Diese sind aber unendlich breitgefächert und in Nuancen unterschieden. Ich für mich würde behaupten, dass Rassismus da keine Rolle spielt. Von außen könnte man das da jedoch vielleicht reininterpretieren. Ich lerne hier jedenfalls, dass ich mich in Zukunft mehr mit dem Thema beschäftigen sollte und möchte. Ich habe zuletzt ältere Hefte der Bundeszentrale für politische Bildung gelesen über die deutsche Historie von ca. 1830 bis kurz nach der Wiedervereinigung. Zur Zeit lese ich "Der China Schock". Gerade in letzterem Buch wird deutlich wie schwierig der Umgang miteinander ist aufgrund der verschiedenen Kulturen bzw. dem Unwissen über die jeweils andere Seite. Dort beschrieben auf Regierungsebene, aber dies färbt auf die Bevölkerungen ab und lässt sich letztendlich auf die Bevölkerungen und das Miteinander jedes Einzelnen übertragen. Denn auch Regierungen sind Menschen.