@FlutLicht1900:
Wie gesagt, in Wahrheit hab ich ja den Verein gewechselt und bin nicht entlassen worden.
Aber so haben wir wenigstens einen Schuldigen - den doofen neuen Präsidenten.

@Karagounis:
Feyenoord und Rotterdam?

Aber ja, Sparta/Feyenoord/Excelsior wären schöne Stationen.

@4Ramos:
Beine Male ganz Deiner Meinung, aber lies selbst.

@knufschu:
Ja, ich hätte sie auch gern noch hochgeführt, hatte aber (v.a. nach dem nicht ersetzbaren heftigen Aderlass im Winter) den Eindruck, dass das noch 3-5 Jahre dauern könnte.
Und da ich eh schon wieder 6 Jahre in Essen war, wollte ich einen Tapetenwechsel.
RWE inner Regionalliga passiert hoffentlich nicht, aber ausgeschlossen isses leider nicht :/
Bzgl neuem Verein halte ich mich mal noch bedeckt.

Interludium
Wenn man von einem Tag auf den anderen vom Rund-um-die-Uhr-Vollzeitjob auf die Couch wechselt, heißt das ja nicht, dass plötzlich die Tage langsamer dahinschweben - nö, die Zeit rast genauso wie vorher, vielleicht sogar noch ein bißchen mehr.
Und so ist plötzlich Mitte Juni, die ersten europäischen Ligen starten bereits wieder mit der Vorbereitung - und ich habe es inzwischen immerhin geschafft, meine Essener Wohnung zu kündigen und auszuräumen.
Die paar Möbel und Habseligkeiten, die ich behalten will, hab ich eingelagert (ein volles Bankkonto ist was Feines, echt jetzt - mit Geld kann man so viele Probleme lösen, ohne selbst auch nur einen Finger krumm machen zu müssen ... kein Wunder, dass die Millionäre dieser Welt immer so sch...fröhlich aus den Boulevardzeitschriften grinsen!)
Abgesehen von dieser organisatorischen Errungenschaft bin ich allerdings ziemlich erfolglos gewesen in den letzten knapp zwei Monaten.
Nen neuen Job hab ich jedenfalls nicht.
Das liegt allerdings nicht daran, dass es keine Angebote gäbe - ganz im Gegenteil.
Ich werde nahezu täglich mit neuen Anfragen konfrontiert, aus ganz Europa kommen Vereinpräsidenten, Berater, Sportdirektoren und Geschäftsführer Sport auf mich zu und haben alle die gleiche Frage:
"Wir würden Sie gern zu einem Vorstellungsgespräch einladen, um bei uns den Posten des Trainers zu übernehmen - könnten Sie sich das vorstellen?"
Und selbstverständlich bleiben diese Anfragen in schöner Regelmäßigkeit auch der Presse nicht verborgen - mein nigelnagelneuer Berater, den ich vorerst eingestellt habe, kommt mit dem Sichten und Sammeln der Berichte und Schlagzeilen, dem copy/paste-Beantworten der immer gleichen Reporteranfragen und dem Sortieren der Clubanfragen kaum hinterher.
Eigentlich hatte ich ihn nur für den Zeitraum meiner Vereinssuche engagieren wollen, aber ich glaube, das Arrangement behalte ich bei.
Der positive Aspaekt ist natürlich, dass mir überhaupt erstmal wirklich bewußt wird, wie bekannt und gefragt ich inzwischen bin.
Fühlt sich zugegeben ziemlich surreal an, denn bis auf ein paar unterklassige Aufstiege sowie das eine Double mit den Bohemians habe ich ja nun noch nicht wirklich die Riesen-Erfolge in der Vita - aber meinem Ego ist das wurscht, das passt an manchen Tagen neben mir gar nicht mehr durch die Tür.
Sagt jedenfalls Felix.
Wer Felix ist?
Na der gerade angesprochene nigelnagelneue Berater, für den vor allem zwei Dinge sprechen:
Erstens - sein Enthusiasmus.
Und zweitens - die Next-Gen-Kommunikationstechnik, die er (wahrscheinlich mit Hilfe eines Raumzeit-Diskontinuums) aus dem 28. Jahrhundert geholt hat.
Behauptet er jedenfalls.
Oh, der dritte seiner beiden Vorzüge ist sein unglaubliches Talent, wirklich beeindruckend häßliche Collagen zu fertigen.
Und das macht er auch.
Ständig.
Irgendwie ist er der Meinung, dass eine Schlagzeilen-Collage für mich genauso eine ästhetische Offenbarung ist wie für ihn. Entweder das oder er hat das Kunstverständnis eines Erstklässlers.
Davon mal abgesehen ist er aber eine echte Hilfe - auch beim Zusammenstellen meiner "Hallo, ich bins!"-Route durch ein gutes Dutzend westeuropäische Städte.
Denn nachdem ich eine Woche lang Gesprächsangebote sortiert habe, bin ich inzwischen zu dem Schluß gekommen, dass ich einfach mal eine kleine Rundreise mache. Ich kanns mir ja leisten.
Zuerst dachte ich daran, das mit dem Taxi zu erledigen, aber nach einer kurzen Fahrtzeitüberschlagsrechnung und einer kurzen Nachdenkphase ("Was werden wohl meine Knochen und Muskeln dazu sagen?") bin ich schnell wieder davon abgekommen.
Jet wäre natürlich großartig, ist aber aus zwei Gründen keine Option:
Erstens, die arme Umwelt!
Zweitens, mein armes Portemannaie!
Und so kommt es, dass ich am 21.06. in Echternach in den Bus steige.
Echternach?
Ach so, stimmt, hab ich gar nicht erwähnt - ich bin natürlich zwischenzeitlich mal bei meiner Familie eingefallen, wenn man schon frei hat, muß man das nutzen, sonst ist die Mutti traurig.
Kennt ja jeder, das Phänomen.
Mein Vater hat die günstige Gelegenheit voller Enthusiasmus genutzt, um mir Vorhaltungen darüber zu machen, dass er es unter aller Kanone findet, dass ich in Essen rausgeflogen bin.
Was ich im ersten Moment für ein unvermutetes "Rückenstärken" halte, entpuppt sich innerhalb von zwei Sätzen als Vorwurfskaskade, die darin gipfelt, mir zu unterstellen, dass ich das doch garantiert wieder mal selbst zu verantworten hätte.
Immerhin sei Hannes ja noch Trainer dort, der wisse wohl den Wert eines sicheren Arbeitsplatzes in unsicheren Zeiten besser zu schätzen als ich.
Aber das sei ja schon immer mein Problem gewesen: den Kopf ständig in den Wolken, die Füße ohne Bodenhaftung, die Augen geschlossen, die Ohren zugestopft, das Hirn auf Standby und das Portemannaie permanent offen, damit die Hände stets und ständig sein sauer verdientes Geld zum Fenster rauswerfen können.
Und so weiter ...
... und so weiter ....
Und. So. Weiter.
Ächz.
Nach zehn Minuten bereue ich bereits, zu Besuch gekommen zu sein, nach drei Stunden halte ich es nicht mehr aus, schütze einen dringenden Termin vor und mach mich vom Acker.
Ab in den Bus und nach Luxemburg City.
Die Nacht verbring ich in einem der besseren Hotels der Stadt - und am Morgen besteige ich den Zug nach Belgien, genauer gesagt nach Lüttich.
Denn auf der langen Liste von Vereinen, die mich gern mal persönlich kennenlernen möchten, stehen auch zwei Lütticher Erstligisten.
Zum einen der mir aus diversen Phantastereien gut bekannte RFC Liege (jaja, genau der Bosman-Club), zum anderen aber auch Royal Standard de Liege, besser bekannt als Standard Lüttich!
Die Vorstände dieser beiden Vereine sind also meine ersten Zwischenstationen der Reise.
(Ich hätte selbstverständlich all diese Termine auch online über irgendeines der mehr oder weniger gut funktionierenden Online-Konferenz-Tools wahrnehmen können, aber das wollte ich nicht. Und zwar aus dem ganz einfachen Grund, dass man vor Ort einen wesentlich besseren Eindruck bekommen kann als online. Gilt wahrscheinlich generell, aber bei einem Vorstellungsgespräch umso mehr.)
Die beiden Gesprächsrunden laufen gar nicht übel - zumindest auf zwischenmenschlicher Ebene.
Sportlich und finanziell sind das eher mittlere Desaster.
Der RFC steht kurz vor der Insolvenz und möchte, dass ich mehr oder minder mit der U18 um den Klassenerhalt kämpfe - wohlgemerkt ohne zu wissen, wieviele Spieler besagter U18 bis Anfang August noch den Verein verlassen werden.
Und bei Standard gabs ein kleines Übersetzungsproblem zwischen deren Sportdirektor und meinem famosen Agenten. Der Club möchte mich gar nicht als Herrentrainer, sondern als Co für die U18.
Nuja, dann eben weiter, der nächste Halt ist gar nicht weit - grade mal zwanzig Kilomenter nördlich (und einen kleinen Grenzübergang) entfernt liegt die niederländische Stadt Maastricht, wo ich mit dem MVV-Sportgeschäftsführer verabredet bin.
Aber auch hier gibts einen Reinfall - ich bin nämlich einfach zu spät dran, wie sich herausstellt.
Der Verein hat gerade heute morgen beschlossen, Jonas Schafstall (den Großneffen eines mäßig bekannten deutschen Kulttrainers) zu verpflichten und der Sportchef hebt nur bedauernd die Schultern, als er meiner ansichtig wird.
"Sorry, Herr Lavayeux, das wurde holterdipolter eine Ebene höher beschlossen. Ich habs auch gerade erst erfahren."
Als ich das höre, bin ich sehr froh, zu spät zu sein - klingt unglaublich gut organisiert, der Club, gerade auch im Hinblick auf die interne Kommunikation...
Also ab zurück in den Zug.
Diesmal ist die Fahrt etwas länger, denn es geht an die Küste.
In der Stadt mit dem größten Containerhafen Europas habe ich gleich drei (!) Gesprächstermine, denn Sparta, Excelsior und sogar auch Feyenoord Rotterdam haben mich eingeladen.
Alle drei Gespräche verlaufen gut, insbesondere der Sparta-Vorstand scheint auch durchaus geneigt, mich eventuell zu verpflichten.
Allerdings erwarten die Verantwortlichen noch ein gutes Dutzend weiterer Bewerber - kein Wunder, Sparta Rotterdam ist schließlich nicht irgendein Dorfverein.
Wir vereinbaren, dass ich innerhalb einer Woche die finale Rückmeldung bekomme.
Paßt mir ganz gut, denn ich habe jetzt eine längere Reise vor mir.
Zuerst nach Brüssel und von dort mit dem Schnellzug nach Nordspanien, nach Bilbao.
Jetzt, wo dieses Reiseziel immer näher rückt, bemerke ich erst so richtig, wie aufgeregt ich deswegen bin.
Athletic Bilbao!
Ein Verein, dessen Mythos selbst in meiner frühen Kindheit im verschlafenen Echternach schon hell genug strahlte, dass ich damals schon allein beim Klang des Namens jedesmal ein Lächeln auf den Lippen hatte.
Und jetzt, wo ich erwachsen bin, hat sich daran nichts geändert.
Als ich in Brüssel in das erste-Klasse-IC-Abteil steige, bin ich einer der ersten Fahrgäste - einer der Vorteile, wenn man am Startbahnhof einsteigt.
Mein reservierter Platz liegt direkt am Fenster des kleinen Sechser-Abteils, von den anderen fünf Mitfahrenden (der Zug sei ständig überfüllt, sagte mir die freundliche Servicemitarbeiterin am Schalter, Reservierung sei daher sehr zu empfehlen) ist noch nichts zu sehen.
Soll mir recht sein!
Ich stelle meinen mitgebrachten Kaffee auf die kleine Ablage am Fenster und hole mein Tablet raus.
Wird höchste Zeit, dass ich mein Wissen über Athletic auf den neuesten Stand bringe, ich will diesen Job!
Der Gedanke verwundert mich ein bißchen, denn dass ich sooo darauf hinfiebere, in Bilbao an der Seitenlinie zu stehen, war mir bisher gar nicht aufgefallen ... aber jetzt merke ich, wie "jede Faser meines Körpers vibriert", um mal einen etwas abgedroschenen Ausdruck zu benutzen, der meine generelle nervliche Verfassung nichtsdestotrotz ganz gut beschreibt.
Um mich abzulenken, nehme ich einen Schluck aus dem Kaffeebecher und vertiefe mich dann in die Lektüre.
Geschichte, Managerhistorie, Ligaplatzierungen, Rekorde, bekannte Spieler, Vereinsphilosophie, aktuelles Board und und und...
... da gibts genug zu lesen!
Irgendwann merke ich bei einem Blick aus dem Fenster, dass wir bereits fahren. Da ich allerdings einige Stunden unterwegs sein werde, zucke ich nur mit den Schultern und schaue wieder auf mein Tablet, das ist deutlich interessanter als die Landschaft draußen oder die Mitreisenden.
Denn ja, inzwischen sitze ich offenbar auch nicht mehr allein im Abteil.
Hab gar nicht mitbekommen, wann die reingekommen sind!
Egal, die sind unwichtig.
Die Rothaarige, die mir gegenüber sitzt, ist ganz hübsch, hab ich aus dem Augenwinkel festgestellt - aber auch das ist nichts, was jetzt wichtig wäre.
Jedenfalls nicht wichtiger als die bestmögliche Vorbereitung auf Bilbao!
Gebannt lese ich weiter und greife dabei wieder zum Kaffe.
Ohne aufzusehen natürlich, ich weiß ja genau, wo er steht.
Naja, ich weiß es zumindest fast, wie sich herausstellt.
Meine Finger streifen den Becher - gerade mit genug Druck, um ihn aus dem Gleichgewicht zu bringen.
Hektisch schaue ich nun doch auf - und schaffe es dadurch, aus nächster Nähe mitzuerleben, wie mein Kaffeebecher horizontal und kurz darauf auch vertikal beschleunigt, eine ästhetisch wertvolle Flugkurve beschreibt, mein Knie knapp verfehlt und einen Sekundenbruchteil später in seinen Flugversuchen jäh durch den Abteilboden aufgehalten wird.
Die abrupte Geschwindigkeitsänderung veranlaßt den Deckel des Bechers dabei zu - leider sehr erfolgreichen -Sezessionsbewegungen.
Oder prosaischer ausgedrückt:
Als der Becher auf den Boden knallt, platzt der Deckel weg und der zum Glück nicht mehr allzugroße Rest Kaffee ergießt sich über zwei Fußpaare.
Meins - das ist schlimm genug, weil meine neuen hellgrauen Stoffschuhe dadurch ein eher ländlich geprägtes Motiv erhalten.
Und dazu (und das ist viel schlimmer!) zieren die Kaffeeflecken nun auch die - ausnehmend hübschen ... schon seltsam, was einem alles so auffällt in einem solchen Moment! - Knöchel der Dame mir gegenüber.
Mit hochroten Ohren und wahrscheinlich selten dämlichem Gesichtsaudruck blicke ich vom Malheur hoch in das Gesicht meiner Mitreisenden - ein Gesicht, das den Knöcheln in keinster Weise nachsteht.
(Und nein, das bedeutet nicht, dass mir gegenüber eine knochige Hexe sitzt...)
"Äh ... das ist mir jetzt aber peinlich ...", stammele ich, während ich fieberhaft nach Taschentüchern taste.
Die schöne Unbekannte scheint eher amüsiert als verärgert und reicht mir mit einer unfaßbar eleganten Geste - und einem ebenso unfaßbaren ironischen Lächeln - eine Packung Feuchttücher, die sie Gott weiß woher gezaubert hat.
Sie schafft es sogar, sich einige der Tücher für den Eigengebrauch aus der Packung zu zupfen, während sie mir eben diese Packung reicht...
"Weniger entschuldigen, mehr wischen.", grinst sie und beginnt währenddessen damit, ihre (glücklicherweise abwischbaren) Schuhe zu säubern.
Auch wenn ich vor Verlegenheit im Boden versinken möchte, tu ich natürlich, wie mir geheißen - einfach, weil mir gar nichts anderes übrigbleibt.
Und ich tu es verlegend und überrascht grinsend - denn ihre gelassen-spöttische Reaktion ist so ziemlich das Gegenteil von dem, was ich erwartet habe.
Nach einigen Augenblicken haben wir in gemeinsamer Anstrengung das Schlimmste beseitigt und ich setze noch einmal an:
"Es tut mir wirklich leid, dass ich Ihnen Ihr Schuhwerk ..."Weiter komm ich gar nicht, denn sie winkt lächelnd ab.
"Ist doch gar nichts passiert. - Und außerdem find ich es furchtbar, wenn Menschen vor lauter Verlegenheit gar nicht wissen, wohin mit ihren Händen ... so wie Sie gerade."Ups, gut beobachtet! Ich werde möglicherweise noch etwas röter, aber sie hilft mir schnell über diesen erneuten peinlichen Moment hinweg.
"Verraten Sie mir lieber, was Sie eigentlich so fesselt, dass Sie seit einer halben Stunde ohne aufzublicken lesen ... Gerard."Ich schaue Sie mit weit aufgerissenen Augen an.
"Woher wissen Sie...""...Ihren Namen?", lacht meine Gesprächspartnerin.
"Steht hinten auf ihrem Tablet. Zusammen mit einem durchaus interessanten Logo."Ach stimmt ja, das Tablet war ein Geschenk der Schule bzw von Herrn Müller-Lüdenscheid persönlich an diejenigen, die das Studium am Kolleg in Locarno bestanden hatten.
Versehen mit dem Logo des FC Locarno (weil die ein bißchen mitgesponsort haben) und damit wir die Tablets nicht verwechseln können, sind sie alle mit dem jeweiligen Vornamen gekennzeichnet.
Immer noch breit grinsend, schenkt sie mir einen undefinierbaren Blick und sagt:
"Eloïse."Nach einer Viertelsekunde Pause setzt sie hinzu:
"Und ich wäre Ihnen wirklich verbunden, wenn Sie meine Frage noch beantworten könnten. Also sobald Sie Ihre Sprache wiedergefunden haben."Aus Richtung Tür ertönt leises Kichern, die beiden älteren Damen, die sich dort gegenübersitzen, empfinden die Szenerie wohl als äußerst kurzweilige Reiseunterhaltung.
Ich dagegen habe das Gefühl, dass mir diese Situation mit jedem vergehenden Augenblick mehr entgleitet.
Welche Frage meint sie denn bloß?
"Was Sie da lesen, Gerard."Kann die Frau Gedanken lesen oder was?!
"Äh ... ach so ... stimmt ... öhm ....", ich verstumme kurz und hole tief Luft, in einem verzweifelten (und zum Glück auch nicht ganz erfolglosen) Versuch, mich zu sammeln.
Dann setze ich nochmal neu an.
"Bitte entschuldigen Sie das Gestammel, ich war gerade völlig überfordert mit ... mit allem. Und in Gedanken auch zum Teil noch bei der Lektüre. ... Um Ihre Frage nun endlich zu beantworten: ich komme gerade von einem Geschäftstermin in Rotterdam und bin auf der Reise nach Bilbao zum nächsten Meeting. Und auf dieses bereite ich mich gerade vor, weil ich dort bestmöglich vorbereitet erscheinen möchte.""Sieh einer an", erwidert Eloïse.
"Und ich dachte, Sie läsen einfach irgendwas über Fussball. Wegen des Logos, Sie verstehen schon. Tut mir leid, dass ich Ihnen da unrecht getan habe."Jetzt lächle ich.
"Tun Sie ja gar nicht. Fussball und Geschäft schließen sich doch nicht aus."Sie hebt mit einem Ausdruck der Überraschung ihre rechte Augenbraue.
"Jetzt bin ich neugierig. - Dürfen Sie darüber sprechen, worum es bei dem Termin geht?""Ich möchte aus Gründen der Diskretion nicht ins Detail gehen, ich hoffe Sie verstehen das. Soviel kann ich verraten: es geht um eine mögliche Arbeitsstelle.""Ach, Sie loten Ihre Optionen aus und wollen dann zwischen Rotterdam und Bilbao wählen?""Das ist zumindest nah an der Wahrheit. Sehen Sie, ich ..."In diesem Moment vibriert mein Telefon. Auf dem Display leuchtet Felix' Nummer auf.
"Einen Moment", sage ich entschuldigend und hebe ab.
"Hallo Felix, was gibts?"Felix teilt mir aufgeregt mit, dass sich soeben eine neue Option aufgetan habe. Und da er ja wisse, dass ich für diesen Verein große Sympathien hege ...
Den Vereinsnamen verstehe ich nicht, weil genau in diesem Moment die Durchsage "Nächster Halt: Paris, Gare du Nord!" durchs Abteil hallt.
Felix wiederholt den Namen des Clubs.
"Metz?", staune ich in den Hörer.
"FC Metz?!"Mein Agent bestätigt das und fragt, ob er eine Terminanfrage des Clubs für in drei Tagen bestätigen könne - bis dahin sei ich ja längst wieder da aus Spanien, oder?
"Ja mach das, absagen kann ich ja immer noch."Der FC Metz will mich als Trainer, glaubt mans denn!
Als ich auflege, sehe ich ein großes Fragezeichen in Eloïses Gesicht. Sie zieht sich gerade ihre Jacke an und fragt dabei:
"Sagen Sie bloß, Sie haben nun auch noch einen Geschäftstermin in Lothringen."Ich nicke.
"Gut erkannt", bestätige ich.
"Aber wieso verwundert Sie das so?"Sie steht auf und greift nach ihrer Tasche.
Während sie sie öffnet, sagt sie:
"Ich habe die ganze Fahrt über gegrübelt, wo ich Ihr Gesicht schon mal gesehen habe. Und ich glaube, ich weiß es jetzt. Und wenn ich recht habe, bin ich erstens sehr überrascht - mir war nicht klar, dass Sie überhaupt noch auf dem Markt sind - und muss zweitens wirklich dringend mit Ihnen sprechen."Sie greift in die Tasche, holt eine Visitenkarte heraus und reicht sie mir.
"Bevor Sie irgendwo zusagen, rufen Sie mich bitte unbedingt an. UN.BE.DINGT!"Der Zug kommt zum Stehen und sie wendet sich zum Gehen.
Ich schaue auf die Karte...
Und als ich das Vereinslogo unten rechts sehe, klappt mir der Unterkiefer runter.
Als ich wieder zu ihr blicke, sehe ich gerade noch, wie Eloïse mir beim Durch-die-Tür-Schreiten zuzwinkert und ihr Lockenkopf dann im Gang verschwindet.
Die beiden Damen kichern wieder.
"Na, da ham se aber ordentlich Eindruck hinterlassen, Sie Scharmööör! - Hätte nicht gedacht, dass Kaffee auf die Schuhe kippen so ne erfolgreiche Masche ist!"~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~
Der Rest der Fahrt verläuft ereignislos, ich kann mich aber nicht mehr so recht auf die Lektüre konzentrieren.
Mehrfach nehme ich mein Telefon zur Hand und überlege, ob ich Eloïse nicht lieber gleich anrufen soll ... aber ich lege es jedesmal wieder weg.
Ich bin auf dem Weg nach Bilbao, weil ich den Job dort will.
Falls Frau Mertens tatsächlich Sportgeschäftsführerin bei dem Verein ist, dessen Logo auf ihrer Visitenkarte prangt, wird sie hoffentlich Verständnis haben, dass ich erstmal dem einen, bereits vereinbarten, Termin nachkomme und mich erst dann bei ihr melde.
Als ich in Bilbao ankomme, ist es glücklicherweise auch noch früh genug, um ein noch geöffnetes Schuhgeschäft zu finden und mich unterhalb der Knöchel neu einzukleiden.
Danach rufe ich bei Athletic an, bestätige den Termin für morgen früh, suche mir ein schönes Hotel und gehe zeitig in die Heia.
Schlafen kann ich allerdings nicht so recht.
Eloïse geht mir nicht aus dem Kopf - und der Verein, für den sie angeblich arbeitet, erst recht nicht.
(Von Metz ganz zu schweigen!)
Am nächsten Morgen bin ich zum Glück dennoch halbwegs ausgeruht und gehe demzufolge (ebenfalls zum Glück!) nicht gähnend zum Gespräch.
Mein Gesprächspartner heißt Ander Garcia, soviel weiß ich immerhin schon.
Ich bin auf dem Weg durch die Stadt meinen Spickzettel nochmal durchgegangen und fühle mich gut vorbereitet.
~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~
Das Vorstellungsgepräch mit den drei Garcias (Ander, Bixente und Fermin - nicht verwandt, nicht verschwägert, aber höchst baskisch) verläuft spektakulär unspektakulär - soll heißen, wir machen offensichtlich einen guten Eindruck aufeinander.
Die finanziellen Rahmenbedingungen sind schnell geklärt - 2 Millionen Euro Jahresgehalt, bei Aufstieg nochmal ne kleine Million oben drauf.
Meiner kurzen Verwunderung darüber, wie sich ein Absteiger das leisten kann, begegnen die drei mit einem unergründlichen Lächeln und einem Schulterzucken.
"Wir wirtschaften eben gut."Nun das mag sein, aber sportlich liegt doch einiges im Argen - der Abstieg als abgeschlagener Tabellenletzter der Primera Division, pardon, LaLiga, war schon ernüchternd.
Aber nichtsdestotrotz planen die Nicht-Gebrüder Garcia den Kader zusammenzuhalten und sogar noch kräftig zu investieren.
"Selbstverständlich nur, sofern sich gute Basken finden, die zu verpflichten es sich lohnt.""Selbstverständlich.", nicke ich.
Dann ist der erste Teil auch schon vorbei und Ander bittet mich, ihm zu folgend, damit er mir eine "Gelände- und Bürotour" geben kann, wie er mit etwas gequältem Lächeln sagt.
Meine verwunderte Nachfrage, was er denn habe, quittiert er mit einem lapidaren
"Werden Sie gleich sehen, Herr Lavayeux."Wir wenden uns der Treppe in den ersten Stock zu, wo wie mein baskischer Geschäftspartnert mir über die Schulter mitteilt, "
Ihr Büro liegen wird."Nach einigen Metern bleibt Ander stehen, öffnet die Tür zu seiner Linken und macht eine einladende Geste.
"Ihr Büro, Herr Lavayeux. - passen Sie auf, wo Sie hintreten."Verwundert ob dieser Warnung, mache ich den Schritt an ihm vorbei und drehe mich zur Türöffnung.
Was ich dort sehe, ergibt allerdings derart wenig Sinn, dass ich im ersten Moment an einen Scherz glaube.
Der gesamte Raum ist vollgestopft mit Tresoren, Geldsäcken, Notenbündeln und dergleichen. Selbst auf den Stühlen und Tischen stapeln sich die Finanzen, von der Decke hängen Geldsäcke.
"Wenn das ein Scherz sein soll, versteh ich die Pointe nicht", sage ich konsterniert.
"Ist leider kein Scherz," erwidert Ander und schaut mich regelrecht unglücklich an.
"Wir wissen selbst nicht, wieso - aber seit zwei Jahren sammelt sich auf dem Vereinsgelände immer mehr Geld an. Erst haben wir es in den Vereinstresor gepackt, aber da paßt schon lange nichts mehr rein. Dann haben wir es in den Kellerräumen gelagert, die sind seit einem Jahr aber auch voll. Und nun wissen wir langsam nicht mehr wohin damit. Zu den Behörden können wir nicht, die suchen doch nur einen Grund, um uns Basken ans Bein zu pinkeln. Wenn wir da mit mehreren hundert Millionen Euro unklarer Herkunft ankommen .... ist also auch keine Lösung.
Wir haben inzwischen schon verschwiegene Leute angestellt, die das Geld auf dem Vereinsgelände vergraben, aber wir kommen kaum hinterher und müssen in immer mehr gebäuden zwischenlagern.
Und ehrlich gesagt: ich hoffe, die Stadionaufsicht kommt nicht auf die Idee, sich die Räume unter den Tribünen genau anschauen zu wollen...""Auch vollgestopft?"Ander nickt und sieht wiederum sehr unglücklich aus.
Und ich frage mich, ob ich wohl gleich aufwache und wenn ja, was dieser Traum wohl tiefenpsychologisch über mich aussagt.
~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~
Wie sich herausstellt, ist das Ganze aber kein Traum.
Nach einer weiteren Stunde finanzgeprägter Vereinsführung verabschiede ich mich von den Garcias und schlappe zurück zum Bahnhof.
Aus mir völlig unerfindlichen Gründen hat sich meine Begeisterung über einen möglichen Trainerjob in Bilbao in den letzten 3 Stunden regelrecht in Luft aufgelöst.
Als ich im Zug zurück nach Paris sitze, ziehe ich mein Telefon aus der Jackentasche und tippe eine Nummer ein.
Es klingelt kurz, dann meldet sich eine dunkle Frauenstimme:
"Mertens?"Selbstverständlich ist Athletic Bilbao weder auf eine unerschöpfliche Geldquelle unter dem Stadion gestoßen noch in kriminelle Machenschaften verstrickt!
Hier die Erklärung:
Ich wollte eigentlich unbedingt zu Bilbao, habe allerdings (wie immer) glücklicherweise einen save direkt vor der Vertragsunterzeichnung angelegt, den ich nach 2 Minuten wieder geladen habe.
Warum?
Ganz einfach: Athletic Bilbao war als Letzter abgestiegen, hatte 300 Millionen Euro auf dem Konto (!), Gehaltskosten von weit über 80 Millionen und immer noch ein freies Budget von 92 Millionen (!!), komplett ausgebaute Infrastruktur etc etc etc
Das fühlte sich vom ersten Momnent an wie ManCity mit anderem Logo.
Und sorry, aber auf eine solche Nicht-Herausforderung hatte ich einfach wirklich keine Lust.
Ich hoffe, ihr könnt verstehen, warum ich hier mal von meiner "no reload"-Regel abgewichen bin.

Alle Bilder sind wie üblich entweder selbsterstellt oder KI-generiert, nur ums mal wieder gesagt zu haben.
