Sommer, Sheffield, EnglandUnd dann ist sie plötzlich da - meine letzte Saison als Trainer von Sheffield Wednesday, beziehungsweise überhaupt als Trainer.
Also ... okay, zumindest ist das der Plan.
Ich hab mir ja noch ein Hintertürchen offengelassen und nur ausgeschlossen, irgendwelche langfristigen Verträge zu unterschreiben.
Gegen einen weiteren Ein-Jahres-Vertrag spricht ja erstmal nichts - außer eventuell meiner Gesundheit (toitoitoi).
Ähm, und natürlich Vicky.
Seit vielen Jahren ist sie nun schon mein ganz persönlicher Sonnenschein - oder auch meine ganz persönliche Gewitterwolke, ähem - je nachdem, was ich so tue (oder nicht tue).
Zum Thema "eventuelle Weiterbeschäftigung als Trainer" hat sie vor ein paar Wochen nur lapidar gemeint: "Ich hab zweimal versucht, dich von Deiner Sucht wegzubekommen. Ein drittes Mal tu ich das mir und Dir nicht an. Dafür ist mir auch meine Zeit zu schade.
Sag mir lieber, wohin wir im Sommer in den Urlaub fahren sollen. Du darfst wählen - entweder Bayern oder Brasilien."
Ich überlege etwa anderthalb Nanosekunden lang, bevor ich rausplatze: "Bayern!"
In Brasilien ist es mir zu warm, zu laut und zu hektisch. Um das zu wissen, muss ich nicht mal dagewesen sein!
Vicky schaut etwas verwundert, nickt dann aber.
"In Ordnung, dann also Bayern."
Die drei Wochen im Süden Deutschlands sind sehr erholsam, es ist nur ein bißchen nervig, dass ich öfter mal erkannt und um Autogramme angeschnorrt werde.
Also nervig für Vicky.
Ich dagegen muß gestehen, dass es mir durchaus schmeichelt, dass selbst echte Promis wie Bayernpräsident Joshua Kimmich oder Düsseldorf-Trainer Nico Schlotterbeck mich erkennen.
Alles in allem knüpfe ich während dieser Zeit erstaunlich viele neue Kontakte.
Vielleicht hilft uns das ja bei der Kaderoptimierung, wenn ich wieder zurück bin?
Und ALS ich wieder zurück bin, stelle ich schnell fest, dass wir jede Hilfe gebrauchen können, die wir nur kriegen können.
Als erstes teilt uns nämlich unsere Abwehr-Diva Carlos Alberto mit, dass er nun aber wirklich gehen wolle. Die Mannschaft sei definitiv zu schwach, gerade nachdem Thomas Prior nun auch noch wechseln werde (eine Info, die mich ein bißchen überrascht).
Nach einer halben Stunde mehr oder minder konstruktiven Gesprächs einigen wir uns darauf, dass Carlos viel zu wichtig für uns ist, als dass ich auch nur in Erwägung ziehen würde, ihn aktiv auf dem Transfermarkt anzubieten. Sollten sich Vereine melden und vernünftige Angebote machen, werde ich sie mir aber anhören.
(Das heißt für mich - 50 Millionen Pfund sind Mindestablöse. Darunter geben wir Alberto keinesfalls ab. Weiß er so natürlich nicht. Warum sollen wir ihn jetzt schon verärgern?)
Infolge dieses Gesprächs suche ich natürlich gleich danach Thomas Prior auf.
Der bestätigt mir, dass er gehen wird.
Meine beiden verwunderten Fragen - "Wohin denn? Und wer zum Teufel hat das genehmigt?!" - beantwortet er mit "West Bromwich Albion" und "Präsident Verhaegen".
West Bromwich kann ich verstehen, die haben sich ja letzte Saison, nachdem sie mit uns zusammen aufgestiegen waren, völlig sensationell für die Champions League qualifiziert - und Edinson Fuentes, der Chefcoach dort, genießt einen exzellenten Ruf.
Der frühere Weltklasse-Innenverteidiger von unter anderem Crystal Palace und dem FC Barcelona gilt als akribischer Tüftler und als der Vater des Erfolgs bei WBA.
Für uns ist diese Nachricht dennoch echt niederschmetternd, denn Prior war - trotz seines bereits seit anderthalb Jahren bekannten Wechselwunschs - die Nummer einskommafünf auf der rechten Außenbahn.
Soll heißen - Brian Douglas und er lieferten sich auf der Position als rechter "wingback", wie die Engländer das nennen, ein Kopf-an-Kopf-Rennen und Prior hatte (wenn er nicht gerade verletzt war) oft genug die Nasenspitze vorn.
Wir brauchen also mehrere neue Außenverteidiger - klasse!
Da paßt es ins Bild, dass unser von seiner Leihestation Partick Thistle zurückkehrendes Eigengewächs Leonardo in Schottland nicht nur nicht den erhofften Entwicklungssprung gemacht hat, den er für einen Platz in der erweiterten Stammelf gebraucht hätte, sondern sich sogar leicht zurückentwickelt hat, wie mir mein Co-Trainer Mario geschrieben hat.
So traurig wie das ist, aber Leonardos Zeit in Sheffield wird, wenn es nach uns geht, lange vor dem eigentlichen Vertragsende (2064) zuende gehen.
Und dann gibt es noch einen dritten prominenten Abgang:
Nicolas Correa sieht seit dem letzten Winter seine Stammplatzfelle davonschwimmen, denn auf seiner Stammposition im offensiven zentralen Mittelfeld hat er inzwischen mit Kelly, Valero, Gytkjaer und van Schuppen vier Spieler in der Rangliste vor sich zu stehen.
Er kann zwar theoretisch auch als Hängende Spitze und als zentraler Mittelfeldspieler auflaufen - aber für Ersteres ist er aufgrund seines Skillsets nur bedingt geeignet und für Letzteres zu defensivschwach. Zumal es einen zentralen Mittelfeldspieler meist gar nicht gibt in unserer Taktik.
Als Correa auf uns zukommt und seinem Unmut über die unbefriedigende Situation Luft macht, setzen wir ihn also seinem Wunsch entsprechend für einen sehr fairen Preis auf die Transferliste und innerhalb von nichtmal 2 Wochen verläßt er die Midlands und geht künftig im Südwesten Deutschlands seinem Beruf nach.
Angenehmer Nebeneffekt für ihn - Hoffenheim hat sich für die kommende Saison für die Europa League qualifiziert.
Unangenehmer Nebeneffekt für ihn: auf seiner Position wird er wieder mindestens zwei starke Konkurrenten haben, wie Hoffenheim-Manager Johannes Eggestein in einem Gespräch mit mir unabsichtlich spoilert.
Uns soll es recht sein - Correas schlechte Laune ist nicht mehr unser Problem.
Zumal wir uns absehbar stattdessen mit Valeros schlechter Laune beschäftigen müssen, denn unser Vize-Kapitän und bisheriger Stamm-Zehner hat im Laufe der Rückrunde diesen Stammplatz zunehmend an Alan Kelly verloren, der von der Presse inzwischen (genauso wie Brian Douglas) schon als Wunderkind gefeiert wird. (Für meinen Geschmack gehen die Jungs und Mädels von der schreibenden Zunft ein bißchen zu achtlos mit diesem Begriff um. Denn auch Winterzugang Gytkjaer und unsere neueste Erwerbung Nicholson (siehe unten) werden mit diesem Prädikat versehen.
man kanns auch übertreiben, echt!)
Ich find das absolut mysteriös. In all meinen Jahren, die ich inzwischen FM spiele, habe ich, soweit ich mich erinnere, vielleicht zwei oder drei Wunderkinder insgesamt gehabt - und nie mehr als eins pro Mannschaft, obwohl ich teilweise aktiv danach gesucht habe.
Seit ich bei Sheffield ausschließlich nach Charakter, Kernkompetenzen und "hidden" attributes wie Konstanz etc scoute und verpflichte, bin ich im Hinblick auf Wunderkinder plötzlich total erfolgreich.
Noch mysteriöser: keiner der vier Spieler, die im Sheffield-Kader in den letzten 12 Monaten als Wunderkind klassifiziert wurden, hatte den Status schon bei der Verpflichtung. Kann es mal sein, dass ich im Training irgendwas verdammt richtig mache? Oder besser Mario Orlandoni (denn ich manage nur das individuelle Training)? Bin jedenfalls echt begeistert.
Unabhängig von solchen eher philosophischen Betrachtungen beschäftigen wir uns ganz konkret mit der Behebung unserer beiden drängenden Kader-Baustellen.
Praktischerweise können wir für beide Positionen die gleichen Spieler scouten, denn unser Ziel ist es, im Abwehrverbund endlich beidfüßige Spieler zur Verfügung zu haben, damit ein Ausfall auf einer Abwehrseite nicht wieder solch potentiell katastrophale Auswirkungen hat wie der Rechtsverteidiger-Engpass im Frühjahr.
Noch praktischer:
Ein "Neuer" für den Kader ist schon im Verein und kommt am ersten Juli von einer äußerst erfolgreichen Leihe aus Stoke (letztes Jahr League one, inzwischen abgestiegen) zurück.
Paul Little agierte bei seinem Leihverein zwar vorwiegend als Innenverteidiger, wurde jedoch auch einige Male auf den Außenbahnen eingesetzt.
Und obwohl Stoke letzten Endes abstieg, hat Little doch mächtig Eindruck geschunden und sich den Kaderplatz in Wednesdays erster Mannschaft redlich verdient.
Natürlich hat er noch Schwächen - und falls beispielsweise Alberto gehen sollte, wird er ihn nicht im Ansatz gleichwertig ersetzen können (was aber zugegebenermaßen niemand im Verein kann).
Aber seine Formkurve zeigt dennoch steil nach oben.
Und er ist beidfüßig!
Wir planen, ihm zumindest im Pokal und als Joker den einen oder anderen Einsatz zu geben.
Der zweite Neuzugang für die Abwehr kommt für neun Millionen Pfund aus Portugal, von Estoril Praia, wo er letzte Saison bereits auf zwölf Einsätze (dabei fünf von Beginn an) kam.
Für unsere Scouts kein Wunder - sie wundern sich eher, warum er nicht öfter eingesetzt wurde.
Pereira ist mit seinen 20 Jahren mental sehr gefestigt, körperlich stark und technisch zumindest okay - unsere Spielbeobachter sind aber jetzt schon fasziniert über die Geschwindigkeit seiner Entwicklung.
Nächsten Sommer hätten wir ihn eventuell gar nicht mehr bezahlen können.
Auch er ist beidfüßig und, wie auch Little, mit einer gerade für sein Alter unfassbar professionellen Arbeitsauffassung gesegnet.
Pereira ist als klarer Backup zu Douglas auf der rechten Abwehrseite geholt worden - es würde uns aber nicht wundern, wenn Douglas mittelfristig Schwierigkeiten bekommt, seinen Stammplatz zu verteidigen.
Der dritte Neuzugang für "hinten" schließlich ist aus unserer Sicht ein echter "Steal", denn wir lotsen für gerade mal 7 Millionen Pfund eines der größten englischen Abwehrtalente aus Leicester los.
Wir profitieren dabei von der Tatsache, dass Leicester als Vierter der Abschlußtabelle denkbar knapp in den Aufstiegs-Playoffs scheiterte.
Gegen Leeds United hieß es am Ende 2:3 (1:2 / 1:1).
Dass Leeds dann schlußendlich auch das Finale gewann und nun in der Premier League spielt, tröstet in Leicester wohl kaum jemanden.
Nicholson jedenfalls empfand sich als zu gut für eine weitere Saison in der zweiten Liga - eine Einschätzung, die wir teilten.
Und die Vorbereitung hat uns darin bestätigt.
Nachdem van de Walle aufgrund einer Wadenblessur für alle Vorbereitungsspiele ausfiel, hat sich Nicholson innerhalb kürzester Zeit als dessen Vertreter etabliert und sowohl Zijlstra als auch Leonardo ziemlich klar abgehängt.
Natürlich drehen die Pressefritzen gleich wieder frei und ernennen ihn zum "Wunderkind" oder gar zum "kommenden Nationalmannschafts-Linksverteidiger".
So weit ist es logischerweise noch lange (laaaaange!) nicht - aber seine Ansätze sind echt klasse.
Wir verstärken aber natürlich nicht nur unsere Abwehr, das wäre fahrlässig.
Nach Correas Abgang und im Hinblick auf unsere neue Ausweichtaktik brauchen wir auch den einen oder anderen potentiellen Flügelspieler für die Offensive und als wir von Dennis Hauser Wind bekommen, machen wir sehr schnell Nägel mit Köpfen.
Hauser spielt bei der Austria in Wien, hat zwei Jahre lang Torrekorde in deren Jugendmannschaft aufgestellt und in der letzten Saison immerhin sechs Profieinsätze vorzuweisen.
Ein Tor gelang ihm dabei zwar nicht, aber immerhin 5 Vorlagen!
Wenn wir mit einem inversen Flügelspieler links auflaufen wollen, wäre er jedenfalls - davon ist zumindest der Scout überzeugt - ein guter Backup.
Wir lassen uns seine Dienste 2,5 Millionen Pfund Ablöse kosten.
Außerdem fleddern wir die Jugendabteilung von Leicester City noch ein zweites Mal und verpflichten den jungen Stürmer Aidan McCann, verleihen ihn jedoch umgehend zurück. Ein Jahr Championship wird wahrscheinlich deutlich besser für seine Entwicklung sein als ein Bankplatz in unserer Ersten (oder ein Stammplatz in der Jugendmannschaft).
Von Treaty United in Irland holen wir aßerdem noch Alex Guerins, auch der Innenverteidiger wird sofort zurückverliehen.
(Der ist schon ein Vorgriff auf eventuelle Abgänge in unserer Defensive im nächsten Jahr.)
Insgesamt versuchen wir den Fokus weg von Legionären und mehr auf Spieler von der Insel oder noch besser aus England zu legen.
Dass zwischendurch nur noch sechs englische Spieler im Erstligakader waren, passte nämlich weder dem Anhang noch der FA (die ja mindestens 8 in England ausgebildete Spieler im Kader vorschreibt).
Wiir arbeiten unsere "Programmpunkte" derart zügig und erfolgreich ab, dass Mitte Juli bereits der komplette Kader für die neue Saison steht.
(Vorausgesetzt, es gibt nichts Unvergesehenes mehr, auf das wir reagieren müßten. Wenn Alberto gehen sollte, träte ein solcher Fall zum Bleistift ein.)
Das ist natürlich einerseits klasse im Hinblick auf die Vorbereitung, weil wir alle Spieler testen und begutachten können und sich die Mannschaft einspielen kann.
Andererseits sorgt es für Nervenberuhigung - denn egal, was Verhaegen im Hinblick auf eine eventuelle Vereinsveräußerung noch tut, wir sind gewappnet.
(Sind übrigens nur noch zwei Monate, dann schwebt das Damoklesschwert namens "Übernahme" seit exakt einem Jahr über uns.
Dass wir unter solchen unsicheren Bedingungen eine solch erfolgreiche letzte Saison aufs Parkett gezaubert haben, ist nicht selbstverständlich!)
Am 19. Juli reichen wir unseren vorläufigen Kader also bei der FA ein, um die Spieler zu registrieren.
Wir registrieren alle Über-20-Jährigen, die im Kader stehen - also auch Leonardo, dem wir den Vereinswechsel nahegelegt haben.
Und da auch die meisten anderen Vereine im Laufe des Julis ihre vorläufigen Kader "abgeben", haben die Journalisten endlich wieder ein Spielzeug, um ein Ranking zu erstellen.
Und die Buchmacher etwas, um den Leuten mit "professionell errechneten und hoch seriösen" Wettquoten die sauer verdiente Kohle aus der Tasche zu ziehen.
Auffällig ist:
wir sind erneut abgeschlagen Letzter, haben unsere Quote aber halbiert!
"Aha, wir sind jetzt also doppelt so stark wie in der letzten Saison. Das heißt dann wohl, dass wir als neues Ziel 'Angriff auf die Europapokalplätze' ausgeben müssen', scherzt Orlandoni.
Als wir zu lachen aufgehört haben, einigen wir - Präsident, Sportdirektor, Trainer, Co-Trainer und Mannschaftsrat - uns intern darauf, dass wir öffentlich erneut Platz 17 ausrufen.
Intern vereinbaren wir: wenn irgend möglich, wollen wir ein, zwei Plätze besser sein als "gradeso gerettet".
Irgendwelche Träumereien in Richtung "einstelliger Platz" verbieten wir uns.
Vom Träumen ist noch keiner satt geworden.
Apropos Mannschaftsrat: Kapitän Beaston und Vize Valero geben am Ende der Vorbereitung die Rückmeldung, dass die Mannschaft "sehr eng verbunden" wirkt, selbst die "Neuen seien schon gut integriert. Einzelgänger gibt es nach Correas Abgang gar keine mehr.
'Das kann nur gut sein', denken wir uns, denn auch in der kommenden Saison wird Sheffield Wednesday seine Spiele nicht dank überragender Einzelkönner gewinnen können.
Was wir brauchen, ist weiterhin bedingungsloser Teamgeist, anders wird das nichts mit dem Klassenerhalt.
Denn auch wenn unsere Gehaltsausgaben binnen eines Jahres von knapp über 5 auf weit über 30 Millionen Pfund in die Höhe geschnellt sind - im Ligavergleich sind wir damit weiterhin Niemande.
Unser Rivale Sheffield United zum Beispiel übertrifft seinen erst im letzten Jahr aufgestellten Rekord gleich nochmal um 30 Millionen und gibt jetzt knapp unter 500 Millionen Pfund für die Lizenzspieler aus.
Neenee, wir brauchen Teamgeist, Kampfgeist - oh und eine Taktik gegen diejenigen Mannschaften, die uns letzte Saison über die Flügel auseinandergenommen haben.
Unsere Außenverteidiger sind gut, keine Frage - aber gegen doppelnde Flügelspieler so mancher Spitzenmannschaft standen sie letztes Jahr dann doch auf verlorenem Posten.
Für Gegner, die uns so überrumpeln wollen, üben wir in der Vorbereitung ein simples 433 ein, das uns auf eben diesen Flügeln ein bißchen mehr Sicherheit bringen soll.
Das 5212 mit Konterfokus bleibt aber weiterhin unsere Standardtaktik, meist hat es ja auch herausragend gut funktioniert.
Anfang August, direkt nach unserem letzten Vorbereitungsspiel, gibt Präsident Verhaegen ein längeres Interview im "Sheffield Evening Standard".
Seit Therese nach Amsterdam gezogen ist, hat beim "Standard" ein noch halbwegs junger Journalist namens Toby Ethels die Verantwortung für Wednesday - und der versucht natürlich alles, um in diesem Interview endlich belastbare Fakten zum Stand der Übernahme zu bekommen.
Bekommt er aber nicht.
Verhaegen läßt ihn quasi am ausgestreckten Arm verhungern und "Es gibt nix Neues." ist alles, was Ethels zu diesem Thema zu hören bekommt.
Nachdem er etliche Male nachgebohrt hat und Verhaegen langsam die Faxen dicke hat, zitiert er mich direkt vom Trainingsplatz ins Büro, setzt mich Ethels vor die Nase und grummelt: "Fragen Sie unseren Trainer zum Kader, zur Übernahme gibt es aktuell keine weiteren Informationen."
Tja, und da sitz ich nun, ein bißchen überrumpelt, und soll dem Herrn Sportjournalisten unser Team nahebringen.
Bloß gut, dass Mario, akribischer Arbeiter, der er ist, ein Datendokument zu jedem Spieler und zur Mannschaft allgemein in der Cloud hochgeladen hat.
Ich gebe Ethels einen Kaffe aus und erbitte mir drei Minuten Zeit.
Die nutze ich und hör mir die Sprachnotizen an, die Mario zu jedem Spieler hinterlassen hat.
An diesen Infos hangele ich mich dann entlang, während ich Ethels über den Owls-Kader in der neuen Saison in Kenntnis setze.
(Natürlich teile ich ihm nicht alles mit, das auf den folgenden Datenblättern zu sehen ist. Vor allem Marios Sprachnotiz-Kommentare nicht!)
"Fayet komma David.
Lava sagt, dass David iste faste so gut wie ich war.
Denke, iste David sogar besser.
Klare Spieler Stamm."
"Fraher komma Joel.
Kette drei, defensivo linko ... äh ... links.
Technik iste nur so naja, aber Lufthupf und charakter supertop.
Wenne geht Carlo ausse Brasil, Joel musse machen neue Chef von Abwehr.
Iste Beste von die Reste dann."
"Alberto komma Carlos.
Kette drei zentral.
Iste beste Spieler von die Owls.
Nicht die beste in die Luft und mit die Pass, aber sonst total gut.
Hoffentlich geht nicht!"
"Claes Komma Theodor.
Auch nicht super in Luft, aber sehr gut an Boden.
Streitet mit Carson um Platz in Kette drei rechts."
"van de Walle Komma Walter.
Flugel defensa links.
Isse schnell wie Rennfahrer, aber zu Fuß.
Schwach in Positiona defense und hat Nerve wie weiche Spaghetti, aber rennt alle Gegner davon. Mit Ball am Fuss. Meistens."
"Douglas Komma Brian.
Flugel defensa rechts.
Gut in defensiva, schnell wie Walter, aber Technik besser.
Und Nerven viele besser!"
"Guzman Komma Ivan.
Ballklau zentral.
Bleibt in Spiel hinten und passt auf.
Macht er gut.
Iste schnell und stark und vor allem: weiss wo Ball gleich sein will - und iste vorher dort.
Vorne kann wenig.
Muss aber auch nicht."
"Gytkjaer Komma Daniel.
Große Talent von die Markdäne.
Musse noch viele lerne in die defensiv (kanne gucke Guzman!), aber iste vorne gute Verteiler von Ball."
"Kelly Komma Alan.
Sagt Trainer zu mir, Alan iste größte Talent in Club.
Binne nicht sicher, denke aber, iste Alan viel gut.
Gute Pass und gute Schuß, auch schon groß und stark wie Mann."
"Beaston Komma Luca.
Kapitän und Chef von die 'Haufensau', wie er manchmal sagen witzig.
Alle ihn respectabile und er oft gehen mit gute Leistung voran.
Manchmal aber nicht, dann Lava ihn wechseln und Luca traurig."
"Potter Komma Liam.
Hatte gegebe Namespitz "Speedy Gonzales", weil schneller als Polizei erlaubt.
Hatte viele Schwäche, aber mit seine Schnelle er oft allein vor Tor und dann mache."
(An der Stelle - also nach der Startelf-Vorstellung - hab ich beschlossen, keine weiteren Kommentare mehr anzuhören. So sehr ich Mario als Co inzwischen schätze und so wertvoll er für das ganze Team und auch für mich persönlich ist - aber sein Englisch ist und bleibt eine absolute Katastrophe.
Dagegen ist selbst die Generalpeinlichkeit namens "Lothar Matthäus auf der Antrittspressekonferenz in New York, kurz nach der Steinzeit" ein Fest für Sprachästheten!
(Irgendwer hatte mir davon mal einen Videoclip geschickt. Meine Sprachsynapsen kriegen heute noch Zuckungen allein bei der Erinnerung daran.
"I hope we have a little bit lucky." - Is klar, Lothar!)
Zu Carson brauch ich allerdings auch keine ergänzenden Kommentare von Mario.
Darren ist ein absolutes Phänomen - und auf seine Art vergleichbar mit Jonathan Tear.
Beide sind vor etlichen Jahren in eine unterklassige Owls-Mannschaft gewechselt und haben die rasante Entwicklung des Clubs durch eigene, ebenso rasante Entwicklungssprünge mitgemacht.
Während Tear irgendwann ein kleines bißchen den Anschluß verloren hat, ist Carson trotz aller seiner Defizite noch immer in der Lage, den Stammspieler auf der rechten Seite der Dreierkette oder in deren Zentrum herauszufordern.
Okay, Alberto ausgenommen.
Carson hat sich im Laufe der Vorbereitung sogar wieder an Claes vorbeigespielt und wird aller Voraussicht nach im ersten Ligaspiel bei Huddersfield starten.
Ein Phänomen, ich sags ja.
Und ein absoluter Publikumsliebling. Seine Beliebtheit übertrifft sogar noch die von Luca Beaston.
Weil wir grade von Tear sprechen - der hat zwar keine Stammspielerqualitäten per se - dafür kann er aber wirklich alles wenigstens notfallmäßig spielen, was wir im Abwehrverbund an Positionen zu vergeben haben.
Ende der Rückrunde hat er sogar ein ganzes Spiel als linker wingback absolviert!
Seine mentale Stärke, zusammen mit seiner Sprungkraft und der schieren Größe machen ihn auch zu einer guten Wechseloption, falls wir zum Ende einer Partie hin verzweifelt auf einen Standardtreffer hoffen.
Für ein Kopfballtor nach Ecke ist Tear - genauso wie Carson - immer gut.
Zijlstra tut mir ein wenig leid, muß ich gestehen.
In der Championship als potentieller Herausforderer von Leonardo geholt, hatte er viel zuwenig Zeit, um sich an das Niveau zu gewöhnen ...und dann stiegen wir auch schon auf.
Leonardo wurde durch den deutlich stärkeren van de Walle ersetzt und Zijlstra dadurch von einem Herausforderer für einen Stammplatz zum klaren Backup.
Und als van der Walle sich verletzte, lag auch Zijlstra gerade mit einer Achillessehnenreizung längerfristig flach.
Inzwischen ist er auf Platz drei des Linksverteidigerrankings abgerutscht, noch hinter Neuzugang Nicholson.
Potentieller Abgang.
Leider.
Bei Mancuso und Boyland liegt der Fall ein bißchen anders.
Beide Defensivspieler haben eine ganze Saison lang als Stammkräfte Zeit gehabt, sich zu etablieren, beide haben die Chance nicht genutzt und nun sind beide Backups.
Boyland für Gytkjaer, Mancuso für Guzman.
Wobei beide eigentlich rein von den Anlagen her im Mittelfeld alles abdecken können müßten.
Möglicherweise kam der Schritt zum Stammspieler einfach zu früh, sie sind ja beide noch sehr jung.
Ein Abgang ist unsererseits jedenfalls bei beiden nicht gewünscht.
Valero hatte sich möglicherweise darauf verlassen, dass sein Stammplatz sicher ist, nachdem er den Konkurrenzkampf gegen Correa in der letzten Saison relativ klar für sich entschieden hatte.
Mit Kelly und van Schuppen hatte er jedenfalls nicht gerechnet und hat das Duell gegen Ersteren in kürzester Zeit klar verloren.
Aktuell ist unser Vize-Kapitän also nur Backup auf seiner Position.
Van Schuppen, der im letzten Winter als Kaderoption für die Offensive verpflichtet wurde, hat sich in der Rückrunde als verläßliche Backupoption auf alle im System vorhandenen Offensivpositionen etabliert.
Für einen Stammplatz reicht es aktuell noch nicht, aber auch er entwickelt sich rasant weiter.
Allgemein gilt: der Spielplan in England ist gerade im Herbst derart eng getaktet, dass auch die Backups mit reichlich Spielzeit rechnen können.
Wir sind jedenfalls sehr froh, dass wir quasi jede Position doppelt besetzen konnten und vertrauen den jeweiligen "Vertretern".
Diese Informationen scheinen dem Reporter zu reichen und er zieht ab.
Bloß gut, denn kurz darauf kommt Verhaegen mit finanziellen Neuigkeiten um die Ecke, die wir nicht in der Zeitung lesen wollen.
Der Kontostand der Owls hat zum ersten mal in unserer Zeit hier die 100 Millionen Pfund überschritten.
Und da wir auch dieses Jahr wieder mindestens die gleichen Einnahmen zu verzeichnen ha.... obwohl die Tickernachricht zum neuen TV-Vertrag der PL irgendwie komisch aussieht:
Verhaegen beruhigt mich:
"Das sah letztes Jahr schon genauso aus und im Endeffekt haben wir dennoch Geld bekommen und keins zahlen müssen, aber mal abwarten..."
"Fast neunzig Millionen an TV-Einahmen pro Jahr.
Unglaublich - wenn ich dran denke, wie wir hier angefangen haben... weißt Du noch, Gianni?"
"Und ob ich das noch weiß! Der ganze Verein war keine vier Millionen Pfund wert und wir hatten das Zehnfache dieses Wert an Schulden. Die Trainingseinrichtungen waren komplett im Eimer und auch sonst war es echt beklagenswert, wie es hier aussah."
"Und heute ist der Club mehr als hundert mal soviel wie bei unserem Antritt wert, Schulden haben wir keine mehr und unsere Infrastruktur gehört zum besten, was man in Europa finden kann."
Ich nutze das Stichwort, das er mir damit gibt:
"Und das willst Du einfach so aufgeben und den Verein verkaufen?"
Gianni zuckt mit den Schultern.
"Gerard, ich bin jetzt 75. Ich würde in den letzten Jahren meines Lebens gern nochmal was anderes machen, etwas weniger stressiges, vielleicht mal was mit der Familie...."
Darauf antworte ich lieber nicht, denn ich habe sofort Vickys Stimme im Ohr:
"Ich hab zweimal versucht, dich von Deiner Sucht wegzubekommen. Ein drittes Mal tu ich das mir und Dir nicht an. Dafür ist mir auch meine Zeit zu schade."
Gianni scheint meinen plötzlichen Stimmungsumschwung nicht bemerkt zu haben, denn er drückt mir einen Brief in die Hand.
"Ach ja, das hier ist für Dich gekommen - aus Spanien."