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Autor Thema: [FM 20 bis 24] Lavayeuxs Europatour - Die Geschichte eines Luxemburgers  (Gelesen 48329 mal)

Noergelgnom

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Update 11.10.2023:
Da die Story inzwischen echt lang ist und es ins Datenvolumen geht, sie online zu lesen, hab ich angefangen, PDFs zusammenzustellen, die ich nach und nach (wann immer ein paar neue Seiten vollständig sind) hier verfügbar mache
.

Europatour Seite 1 bis 16 (Dropbox-Link, ca 27Mb)





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("Chapter xxx" anklicken, um direkt zum Beginn des jeweiligen Kapitels zu springen)








Chapter 0: Rotten to the core (2033/34, Frisingen, Luxemburg)




Chapter 1 - FC Red Boys Aspelt (2034 - 2036)





Chapter 2 - CS FOLA Esch (2036 - 2039)





Chapter 3 - FC Winterthur (2039 - Herbst 2043)





(Interludium - Herbst 2043 bis Frühsommer 2044)



Chapter 4 - BK Frem Kopenhagen (2044 - 2045)
































(Interludium - Sommer 2034 bis Herbst 2035)















(Interludium - Sommer 2048 bis Herbst 2049)

























« Letzte Änderung: 01.März 2024, 22:46:20 von Noergelgnom »
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Lavayeux' Europatour - Die Geschichte eines Luxemburgers

Noergelgnom

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Re: [FM 20 Career] Die Geschichte eines Luxemburgers
« Antwort #1 am: 09.Januar 2023, 19:04:55 »

29.09.2033, Frisingen, Luxemburg
 

Ich stehe ein wenig verloren in den "Redaktionsräumen" - die genaugenommen aus zwei kleinen Zimmern einer Altbauwohnung bestehen, in denen vier Schreibtische, ein Kopierer und ein Dutzend mannshohe Aktenschränke um den spärlichen Platz konkurrieren.

Seit gut fünf Minuten versuche ich möglichst wenig im Weg zu stehen und nicht allzu nervös auszusehen. Beides will mir nicht so recht gelingen.

25 Jahre alt, ein abgeschlossenes Studium der Medienwissenschaften in der Vita (na gut, nur Bachelor) ... und ansonsten hab ich, Gerard Lavayeux, bisher nichts vorzuweisen, was mir auf dem Weg zu meiner (hoffentlich!) ersten Station in meiner Journalistenlaufbahn weiterhelfen würde.

Ich bin sowieso nur hier, weil alle anderen Luxemburger Zeitungen mehr oder minder unverhohlen gelangweilt abgewunken haben, als ich mich beworben habe.
Zu alt für ein Volontariat, zu unerfahren für eine volle Stelle und zu unscheinbar als Maskottchen. Klar, ausdrücklich gesagt hat mir das so niemand, aber manche waren beim Durch-die-Blume-Mitteilen doch recht deutlich.

Als letzter Stohhalm vor einer Umschulung zum Kassierer oder Straßenfeger bleibt mir jetzt also noch das hier - der "Frisinger Landbote", die wohl unbedeutendste Tageszeitung Luxemburgs. Soweit ich das im Laufe meines bisherigen Lebens mitbekommen habe, ist der "Landbote" eher der private Spleen des vermögenden Herausgebers Alois Kümmernich als eine wirklich ernstzunehmende Zeitung - aber zumindest hier in Frisingen, am äußersten südlichen Rand Luxemburgs, wird er wohl ganz gern gelesen.

Nicht zuletzt deswegen, weil gut drei Viertel der täglich erscheinenden 6 Schwarz-Weiß-Seiten mit Lokalklatsch ... Pardon, mit lokalen Nachrichten, mit Kleinanzeigen und Partnergesuchen gefüllt werden. Auf der letzten Seite "Vermischtes", also dort, wo in anderen, geringfügig seriöseren Publikationen der Lokalquatsch und die Anzeigen der Heiratsschwindler zu finden sind, genau dort findet der geneigte Leser oder die geneigte Leserin alles andere, was in Frisingen so passiert: Lokalpolitik, Lokalkultur und natürlich auch den Lokalsport.

Nicht, dass es von letzterem viel zu berichten gäbe. Frisingen hat eine chronisch erfolglose Fussballmannschaft - den FC Red Boys aus dem östlichen Stadtteil Aspelt - und ansonsten einen Dackelzüchter-, Taubenzüchter- und Kegelverein.

Jippieh.

Krampfhaft halte ich den Griff der abgewetzten Ledertasche fest, die ich mir letzte Woche gekauft habe. Viel zu teuer eigentlich, das Ding, aber ich hab mir vom Verkäufer erfolgreich einreden lassen, dass ich damit "sehr seriös und vertrauenerweckend" aussehe.

Hm.
Also wenn das stimmt, fällt es den drei Gestalten hier beim "Landboten" zumindest bisher nicht auf.
Ich habe mich vorgestellt, meinen Termin bei Herrn Kümmernich zur Sprache gebracht, wurde um "einen Moment Geduld" gebeten, der Herr Herausgeber wäre sofort für mich da ... und das wars bisher an Aufmerksamkeit, im Großen und Ganzen.

Ich stehe nun schon seit einer Viertelstunde erfolgreich im Weg herum. So ganz langsam keimt in mir der Gedanke, dass ich vielleicht einfach wieder gehen und doch mein Glück bei der Staraßenreinigung versuchen sollte - doch da lächelt mir Fortuna tatsächlich mal zu und die Tür gegenüber geht auf. Ein fülliger, gut wenn auch altmodisch gekleideter und das zufriedene Grinsen eines erfolgreichen Menschen zur Schau tragender Mann um die 50 erscheint im Türrahmen.

Was heißt "erscheint" - er füllt ihn aus ... und zwar ziemlich vollständig.

Seine Augen irren einen Sekundenbruchteil suchend im Raum umher, dann erblickt er mich und winkt mich mit einer knappen Geste in sein Büro. Ich folge seinem Wink und finde mich einen Augenblick später in einem Raum wieder, der - obwohl auch nicht allzugroß - regelrecht erhaben wirkt.
Holzgetäfelte Wände, Regale voller goldener und silberner Pokale aller Couleur, ein Mahagonischreibtisch (!), ein silberner Füllfederhalter samt ebensolchem Tintenfaß, eine edle Weinkaraffe samt Glas, eine angerauchte edle Zigarre ... dieser Raum schreit geradezu das Geltungsbedürfnis seines Besitzers heraus.

Kümmernich winkt mir, auf dem Besucherstuhl Platz zu nehmen, was ich folgsam tue.
Er mustert mich einen Augenblick, verzieht sein Gesicht dann zu einem professionellen Lächeln und sagt:

"Willkommen, Herr .. äh ...," er blickt kurz auf seine Unterlagen, "... Lavayeux? Ein interessanter Name."
"Ja", nicke ich, "der kommt von meiner Großmutter mütterlicherseits, die aus der Schweiz hierh..."
"Jaja, sehr interessant", unterbricht mich mein leibesgewichtiger Gesprächspartner. "Warum sind Sie hier? Warum haben Sie sich beim 'Landboten' beworben?"
"Nun, sehen Sie," beginne ich, "ich habe im Sommer mein Studium im Medienbereich abgeschlos..."
"Seh ich, seh ich," unterbricht mich Kümmernich erneut. "Medienwissenschaften und Journalismus sind aber nun nicht unbedingt dasselbe, nicht wahr?"
Ich schaffe es, hastig zu nicken, bevor er fortfährt. "Daher kann ich Ihnen - Sie werden das zweifellos verstehen - keine Vollzeitstelle als Redakteur anbieten. Aber Sie können sich eine verdienen."

Meinen verwirrten Gesichtsausdruck nimmt er offensichtlich trotz seines halsbrecherischen Gesprächstempos wahr, denn er fährt fort: "Sie haben nämlich unverschämtes Glück, in unserer Redaktion ist gerade eine Stelle frei geworden. Mein Angebot ist daher folgendes: Sie fangen hier als 'Redakteur in Ausbildung' an und erhalten ein Gehalt von 1000 Euro. Zusätzlich stelle ich Ihnen ein Zimmer in meinem Hotel "Frisinger Dorfgasthof" zur Verfügung. Nach zwei Jahren setzen wir uns erneut zusammen und ich befördere Sie entweder - mit entsprechender Gehaltsanpassung - zum Vollzeit-Redakteur oder wir kommen überein, dass Sie Ihre Karriere woanders fortsetzen."
Er hält mir die fleischige Rechte hin. "Deal?"

Ich schlage völlig überrascht ein und unterzeichne einige Augenblicke später meinen Arbeitsvertrag.

Das Gespräch dauert danach nichteinmal mehr zwei Minuten. Wir vereinbaren, dass ich am nächsten Morgen um sechs wieder in der Redaktion erscheine und meinen Dienst antrete, danach komplimentiert mich Kümmernich aus seinem Büro.

Zwei weitere Minuten später stehe ich wie betäubt wieder draußen vor dem Gebäude.

Erst am späten Abend - ich bin längst in meinem winzigen Zimmer im Gasthof und liege auf meinem knarzenden Bett - kommt mir der Gedanke, dass ich möglicherweise über den beeindruckenden Mahagonitisch gezogen wurde. Und zwar mit Karacho.


30.09.2033, Frisingen, Luxemburg
 
Am nächsten Morgen stehe ich pünktlich vor der Tür zur Redaktion.

Ich bin bereits seit vier Uhr wach und habe bei zwei Automatenkaffee - etwas anderes gibts um diese Uhrzeit im Gasthof noch nicht - hin und her überlegt, ob ich um Vertragsauflösung bitten soll oder nicht.
Einerseits ist der Arbeitsvertrag eine ziemliche Frechheit, aber andererseits ... meine akzeptablen Alternativen "rar gesät" zu nennen, wäre grundloser Optimismus.
Realistisch betrachtet habe ich nur zwei Optionen.

Erstens - ich beiße mich hier zwei Jahre lang durch und kralle mir den Redakteursjob. Dann noch ein, zwei Jahre mehr und ich habe durch die dann vorhandene Praxiserfahrung mit Sicherheit deutlich bessere Chancen auf einen Posten bei einer anderen (größeren, seriöseren...) Tageszeitung.
Zweitens - ich löse den Vertrag auf und vergesse meine Journalistenkarriere.

Nachdem ich ein wenig über diese Optionen nachgedacht habe, ist mir klar, dass Letzteres überhaupt nicht infrage kommt.
Und deswegen klingele ich um fünf vor sechs an der Tür und beginne meinen ersten Arbeitstag als "Red. i.A.".
Kümmernich ist erstaunlicherweise auch schon da - das hatte ich nicht erwartet, um ehrlich zu sein. Er winkt mich sofort wieder in sein Büro und kommt ohne Umschweife zur Sache.

"So, Lavayeux, heute ist der Tag der Entscheidung!"

Ich muß wohl ziemlich dumm aus der Wäsche geschielt haben, denn er bricht nach einem Blick auf mein Gesicht in schallendes Gelächter aus.

"Keine Bange - Sie sollen sich nur entscheiden, in welchem unserer vier Kernbereiche Sie zunächst arbeiten möchten. Zur Wahl stehen Lokalnachrichten, Kleinanzeigenbetreuung, Kultur und Sport. Was sagt Ihnen am meisten zu?"
Ohne lange überlegen zu müssen, platze ich heraus: "Kultur, ohne Zweifel. Ich bin ein großer Musikliebhaber und..."
Der Herausgeber nickt, während er mir über den Mund fährt. "Sehr gut, da werden Sie hier voll auf Ihre Kosten kommen. Wir haben zwei mal im Jahr den Blaskapellenumzug, außerdem das Volksmusiktreffen Ende November und die ..."

Jetzt ist es an mir, ihn zu unterbrechen. "Oh bitte nicht. Ich meinte eigentlich eher Rockmusik - Maiden, Sabbath, Overkill, Metal Church, Death und so weiter. Ich dachte, ich könnte vielleicht vom Wacken berichten oder ..."
Kümmernich fällt buchstäblich der Unterkiefer herunter. "Maiden? IRON MAIDEN?! Mann, Lavayeux, wir sind eine seriöse, kultivierte Tageszeitung und nicht das "Frisinger Satanistenblättchen!"

Seine Stimme ist so laut geworden, dass man ihn bestimmt auf der Straße hört, sein Gesicht ist puterrot und die Zornesader auf seiner Stirn pulsiert so stark, dass ich mich unwillkürlich etwas ducke.
Ich beschließe, ihn besser nicht darauf hinzuweisen, dass Maiden mit Satanismus ungefähr soviel zu tun haben wie der Papst mit Kondomen und warte bis er sich beruhigt hat.

Dann räuspere ich mich und frage leise: ".... vielleicht lieber Sport?"

Der Chef atmet noch drei- viermal heftig durch und nickt dann.

"Sport, in Ordnung. Sie werden also ab sofort von den Spielen der Red Boys berichten. Seien Sie dabei bitte stets kritisch und - wenn es sich einrichten läßt - bauen Sie gern auch mal eine ironische Spitze mit ein. Der Präsident des Clubs braucht das, damit er nicht abhebt."

Seine Mundwinkel zucken kurz, als er mir das mitteilt, ich schiebe es aber auf die Nachwirkungen seines Zornesausbruchs eben und denke mir nichts weiter dabei.

~ ~ ~

Den Rest des Tages verbringe ich damit, mich über den FC Red Boys Aspelt schlau zu machen, ich weiß nämlich herzlich wenig über diesen Club.
Das ist jetzt nicht so verwunderlich und ich bin damit garantiert auch nicht allein, denn die Red Boys sind in den letzten 80 Jahren in Luxemburg nicht mehr groß in Erscheinung getreten.

Dabei gibt es sie jetzt schon über 100 Jahre lang, wie ich erstaunt feststelle.
Gegründet am 10. Mai 1927, waren sie ab der Saison 1931/32 Teil des Ligabetriebs, allerdings mit Ausnahme einer einzigen Saison - nämlich 1955/56 - nie höherklassig als in der dritten Liga und auch diese dritte Liga sah sie insgesamt nur 12 Saisons lang als Mitglied. Die restlichen circa 90 Jahre seiner Existenz verbrachte der Verein zwischen vierter und fünfter Liga pendelnd. Von 1969 bis 1971 - also zwei beschämende Jahre lang - waren die Ostfrisinger sogar sechstklassig.

In den beiden Pokalwettbewerben lief es etwas besser.
Im Coupe de Luxembourg, dem größeren der beiden Pokalwettbewerbe erreichte man immerhin insgesamt fünfmal die 4. Runde (was für einen derart niederklassigen Verein eine beachtliche Leistung ist).

Im Coupe FLF, in dem heutzutage nur noch Vereine aus den unteren Ligen antreten, gehörte die Mannschaft zwischen 1947 und 1955 sogar zu den Stammgästen in den Halbfinals und Endspielen. 1948/49 (3:0 gegen Avenir Beggen) und 1950/51 (1:0 gegen AS Schifflingen) gewannen die rotschwarz gekleideten Red Boys den Wettbewerb sogar.

Seitdem jedoch sind die Ostfrisinger sowohl in der Liga als auch in den Pokalwettbewerben erschreckend erfolglos - so erfolglos, dass man in Luxemburg selbst unter eingefleischten Fussballfans mitunter verständnislose Blicke erntet, wenn man den Namen "FC Red Boys Aspelt" ins Spiel bringt.

Aktuell spielt der Verein mal wieder in der 2. Division, also der vierten Liga.
Die Buchmacher (also alle drei, die ihr Geld mit Wetten auf luxemburgischen Fussball verdienen) sehen den Club als einen Anwärter auf die Viertligameisterschaft und mithin den Aufstieg.
Und gerade die Verpflichtung des international renommierten deutschen Trainers Klaus Müller-Lüdenscheidt befeuert diese Erwartungen, hat dieser doch in seinen gut 30 Jahren Trainerkarriere sagenhafte elf (!) Aufstiege zu verzeichnen und gilt nicht nur deswegen unter den sprichwörtlichen Experten als Trainerfuchs.
Den Start in die Ligasaison haben die Red Boys dessen ungeachtet aber mächtig vermasselt. Nach 8 (von 26) Spieltagen liegen die Jungs auf dem letzten der 14 Plätze, mit gerade einmal 4 Punkten.
In jedem anderem Verein wäre der Trainer längst angezählt, aber Müller-Lüdenscheidt steht nach Aussage des Vereinspräsidenten Karl Kümmernich (Na schau mal einer an! Ob der wohl mit meinem Chef verwandt ist?) "nicht zur Disposition".
Gerüchten zufolge hat das auch damit zu tun, dass die Verpflichtung des Wundertrainers eine hübsche Stange Ged gekostet hat und die vorzeitige Demission ähnlich "kostengünstig" wäre.

Morgen ist Heimspiel, dann schau ich mir den "Trainerfuchs" mal genauer an.
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Lavayeux' Europatour - Die Geschichte eines Luxemburgers

Guddy-Ortega

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Re: [FM 20 Journey] Die Geschichte eines Luxemburgers
« Antwort #2 am: 09.Januar 2023, 19:52:39 »

Toller Anfang, sehr gut geschrieben. Die Geschichte aus der Sicht des Journalisten zu beginnen (aus dem später vielleicht mehr wird), finde ich eine gute Idee.
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Bayernfahne

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Re: [FM 20 Journey] Die Geschichte eines Luxemburgers
« Antwort #3 am: 09.Januar 2023, 21:45:38 »

Da kann ich mich Guddy-Ortega nur anschließen! Toller Einstieg und Stationen aus kleineren, eher unbekannten Ligen finde ich sowieso immer sehr interessant! Ich hätte zum Beispiel gar nicht gedacht, dass es in Luxemburg bis zur 6. Liga runtergeht.  :o
Ich bin gespannt, wie dein Journalist am Ende ins Traineramt findet  ;)
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Ich kann, dass ich nichts kann.

Noergelgnom

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Re: [FM 20 Journey] Die Geschichte eines Luxemburgers
« Antwort #4 am: 09.Januar 2023, 22:33:26 »

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17.05.2034, Frisingen, Luxemburg

Er versteht es einfach nicht.
Es ist so offensichtlich, was im Spiel der Red Boys nicht stimmt - und Müller-Lüdenscheidt läßt wieder und wieder und wieder dieselbe Taktik spielen.
Hochstehende Dreierkette mit zwei ultraoffensiv ausgerichteten Wingbacks, die die gesamten Flügel beackern sollen. Nur dass nicht ein einziger Spieler im Kader über die nötige Ausdauer, Schnelligkeit oder Dribbelfähigkeit verfügt, um diese Rolle auszufüllen.
Zweiermittelfeld, einer davon ebenfalls extrem offensiv und eigentlich permanent am oder im gegnerischen Strafraum zu finden, wodurch sein ZM-Partner in schöner Regelmäßigkeit allein gegen zwei, drei oder gar vier Gegner steht und logischerweise komplett überrannt wird.
Und vorne?
Zwei inverse Flügelstürmer und ein Knipser.
Nur dass alle drei viel zu langsam und zu unbeweglich sind, um irgendeinen Stich gegen die Abwehr irgendeines anderen Viertligisten zu sehen.

Was Müller-Lüdenscheidt - und das ist mir absolut unbegreiflich - nicht sieht oder nicht sehen will, ist die Tatsache, dass der gesamte Kader durch diese Taktik geschwächt wird, weil auf nahezu keiner Position ein Spieler steht, der dort seine Stärken hätte.

Und ganz ehrlich, das ist einfach unfaßbar. Alles, was ich über Fussball weiß, hat mir Onkel Gernot beigebracht - vor etlichen Jahren, als wir hin und wieder zu FOLA-Heimspielen nach Esch gefahren sind. Ein paar Sachen weiß ich auch von Google.
Aber das wars.
Und dieser "Startrainer" verdient sich hier eine goldene Nase und weiß offensichtlich weniger als ich über die Grundlagen des Sports!

Seit vergangenem Oktober besuche ich wie angeordnet jedes einzelne Spiel der Red Boys - und ganz ehrlich: es ist niederschmetternd.
Man sieht den Spielern an, dass sie hochgradig frustriert sind - und man sieht dem Trainer an, dass er nicht den geringsten Schimmer von dem hat, was sich auf dem Platz vor seinen Augen eigentlich abspielt.
Er tobt und flucht, er schreit und befiehlt ... allein die Fehler in seiner Taktik stellt er nicht ab.

Und so verliert sein Team ein Spiel nach dem anderen, zwischendurch gibts auch mal ein Mehr-Glück-Als-Verstand-Unentschieden.
Nach jedem Spiel dann das gleiche, ebenso niederschmetternde Ritual:

Ich interviewe den Trainer (mit den Spielern darf ich nicht mehr sprechen, seit ich mich nach dem 0:6 gegen Munsbach am 12. Spieltag zu einigen ketzerischen Fragen an den Mannschaftskapitän habe hinreißen lassen beispielsweise, wie lange sie sich diese Frechheit von einer Taktik noch bieten lassen wollen, selbst ein komplett Sachverstandbefreiter sähe doch, dass Mannschaft und Taktik nicht zusammenpassen), der Trainer bescheinigt mir, keine Ahnung von Fussball zu haben, was ich teilweise bejahen muß - Interview beendet.

Danach schreibe ich einen geharnischten Artikel im "Landboten", von dem in schöner Regelmäßigkeit nur die ersten drei Zeilen abgedruckt werden.
Als ich mich darauf einstelle und die heftigste Kritik direkt an den Anfang des Artikels stelle, werden nur noch die letzten drei Zeilen veröffentlicht.
Meine Nachfrage an Herrn Kümmernich nach einigen Wochen dieses seltsamen Katz-und-Maus-Spiels ergibt, dass er seinen Bruder (jaja, der Präsident der Red Boys ist tatsächlich mit dem Herausgeber des Lokalblatt verwandt) zwar gerne ärgert, aber bloßstellen lassen wird er ihn nicht. Ich solle mir gefälligst einen diplomatischeren Ton angewöhnen.

Ich gewöhne mir daraufhin zwar in den Artikeln einen diplomatischeren Ton an, lasse die geharnischte Kritik jedoch nunmehr direkt gegenüber Müller-Lüdenscheidt raus.
Es dauert keine zwei Monate und der Red-Boys-Trainer und ich sind einander in unverbrüchlicher Verachtung verbunden.
Wir sind bei diesen "Interview" genannten Übungen im Sich-gegenseitig-direkt-an-der-Grenze-des-gerade-noch-Erlaubten-Beleidigens eigentlich stets zu zweit, weil es beim FC Red Boys Aspelt nur zweimal im Jahr eine echte Pressekonferenz im Vereinsheim gibt - zum Saisonauftakt und nach dem letzten Saisonspiel.
Ich habe beide noch nicht erlebt, aber wenn dort genauso viele Journalisten auftauchen wie zu den Spielen, wird das eine seeeehr intime Angelegenheit.
Bis auf mich hat sich in der gesamten Saison nicht ein einziger Pressefritze zu einem Spiel der Red Boys verirrt.
(Und wenn ich die Wahl hätte, würde die Anzahl anwesender Journalisten sofort auf Null sinken - aber ich hab ja keine Wahl...)

Während der Trainer und der Reporter-Azubi sich gegenseitig die Laune verhageln, schreitet die Saison voran.
Die Red Boys haben das Glück, dass die Teams aus Ehlerange und Schouweiler genauso unterirdisch spielen, andernfalls wäre der Abstieg vielleicht schon im Frühjahr nicht mehr zu verhindern gewesen.
So jedoch kommt es am 26. Spieltag in Aspelt zu einem echten Abstiegsgipfel.
Red Boys Aspelt (mit 7 Punkten auf Platz 14) gegen FC Ehlerange (mit 8 Punkten auf Platz 13).
Schouweiler (vor dem Spiel mit 9 Punkten 12. und damit geradeso oberhalb der beiden Abspiegsplätze) muß zur seit 8 Spielen unbesiegten Jeunesse aus Canach, die ihrerseits dringend drei Punkte benötigen, um den Aufstieg doch noch zu packen.

Die Rechnung ist super einfach: gewinnen die Red Boys und verliert Schouweiler (wovon auszugehen ist), ist Müller-Lüdenscheidt trotz verheerender Taktik das Kunststück gelungen, nicht abzusteigen.
Holen die Red Boys aber nicht drei Punkte, geht es runter in die 3. Divisoun, die unterste Spielklasse Luxemburgs.
Die Zuschauerkulisse ist in absoluten Zahlen betrachtet mies: gerade einmal 170 Zuschauer verfolgen den Abstiegskrimi.
Wenn man allerdings weiß, dass Aspelt gerade einmal 1600 Einwohner hat ....
... mangelnde Unterstützung kan man den Bürgern des Frisinger Vorortes also nicht vorwerfen.
Mangelnde Einsatzbereitschaft des Teams ist auch Fehlanzeige.
Einziges Problem: Müller-Lüdenscheidt läßt zum 26. Mal in dieser Saison das 5 2 3 spielen, für das er (a) die Spieler nicht hat und das (b) jeder gegnerische Trainer inzwischen zu kontern weiß.

Als die 90 Minuten vorbei sind, steht auf der Anzeigetafel folgerichtig ein 0:4.
Da Schouweiler erwartungsgemäß in Canach verloren hat, jubeln also die Gäste aus Ehlerange über den kaum noch erwarteten Nichtabstieg.

Ich hole fassungslos kurz Luft und stapfe dann zum Vereinsheim, um die Pressekonferenz zu besuchen, während die Zuschauer die Mannschaft mit einem lauten Pfeifkonzert in die fünfte Liga verabschieden.

Als ich das Vereinsheim betrete, stutze ich kurz - statt der erwarteten drei Hanseln (Präsident Kümmernich, Trainer Müller-Lüdenscheidt und Wirt Eppo, der wie gewohnt hinter dem Tresen Gläser poliert) sitzen fast ein Dutzend Menschen hier!
Ich setze mich in die erste Reihe, etwas an den Rand und schaue mich interessiert um.
(Mir) bekannte Journalisten sind zwar nicht darunter, aber es scheint, als ob heute tatsächlich mehr als ein Journalist answesend wäre.

Der Präsident räuspert sich und hebt dann die Stimme:

"Meine Damen und Herren, willkommen zu unserer Saisonabschlusspressekonferenz an diesem traurigen Tag.
Gibt es Fragen Ihrerseits?"

Ich hebe die Hand und sehe Müller-Lüdenscheidt die Augen verdrehen, noch bevor mir der Präsident das Wort erteilt hat.

"Herr Kümmernich, wie wird es mit dem Mann weitergehen, der diese ungeheuerliche Bauchlandung zu verantworten hat? Wird Herr Müller-Lüdenscheidt jetzt - nach dem demütigenden Abstieg - endlich freigestellt?"

Der Trainer bekommt binnen Sekundenbruchteilen erst eine sehr ungesunde und dann eine sehr gesunde Gesichtsfarbe - sprich: er wechselt von aschfahl zu hochrot.
Der Präsident beginnt zu sprechen: "Wir werden die unbefriedigenden Ergebnisse dieser Saison in Ruhe, aber mit dem nötigen Ernst analysieren und dann zu einer Entscheidung kommen. Bis dahin möchte ich zu diesem The ..."
Weiter kommt er nicht, denn sein Trainer brüllt mir entgegen: "Du lächerlicher Hanswurst, kannst Du endlich mal aufhören, mir mit Deinem ewigen Genörgel auf den Geist zu gehen?! Du hast nicht den Schimmer einer Ahnung von Fussball, aber schön große Töne am Spielfeldrand spucken, ja?! Wer gibt Dir eigentlich das Recht dazu?!"

Geraune und Getuschel um mich herum, die anwesenden Journalisten beginnen hastig in ihre Notizblöcke zu kritzeln.
Jetzt spüre ICH die Zornesröte auf meiner Haut - was bildet der sich eigentlich ein? Keinen blassen Dunst vom Team oder von den absoluten Basics der Taktik, aber hier den Dicken markieren. Selbst ein Regenwurm wäre als Trainer besser geeignet als dieser ... dieser ...

Es wird schlagartig still um mich herum, die beiden Männer auf dem Podium starren mich mit aufgerissenen Augen an.
Und mir wird klar, dass ich die letzten beiden Sätze nicht geDACHT habe...

Müller-Lüdenscheidt springt auf, stößt dabei seinen Stuhl um, läßt die Faust auf den Tisch vor ihm niederkrachen und brüllt nun regelrecht mit sich beinahe überschlagender Stimme:
"Na wenn das so ist, Herr Gernegroß - dann beweisen Sie doch einfach, dass Sie mit diesem Haufen beinverknoteter Versager bessere Ergebnisse liefern können als ich! Trainieren Sie doch diesen Sauhaufen, Sie . . .Sie . . . Möchtegern-Trainer!" Er schnauft wie ein Eber, der Anlauf nimmt. "Ich hab sooo die Schnauze voll von diesem Kleinstadtzirkus! Jeder weiß es besser als ich! Lächerlich! Das ist komplett unter meiner Würde! Ich trete zurück!"
Er stürmt hinaus und läßt wohl nicht nur mich sprachlos zurück.

Einige Augenblicke ist es still im Raum, dann rufen mehrere Journalisten durcheinander - einige versuchen offenbar, mir Fragen zu stellen, andere rufen in Richtung des völlig konsterniert auf seinem Stuhl sitzenden Präsidenten.

An den Rest des Abends kann ich mich am nächsten Morgen gar nicht so recht erinnern - aber die Schlagzeilen nahezu jeder Tageszeitung Luxemburgs rufen mir die Ereignisse überdeutlich in Erinnerung.






Ich brauche nach dem kurzen Überfliegen der verschiedenen Zeitungsausschnitte, die irgendwer fein säuberlich auf meinem Tisch ausgebreitet hat, erstmal einen Kaffee und einen Stuhl.
Es dauert allerdings nicht lange, da höre ich hinter mir die inzwischen wohlvertrauten schweren Schritte, mit denen unser Herausgeber seine geschätzt 110kg Lebendgewicht durch die "Heiligen Hallen" (wie er unseren Redaktionsverschlag mitunter nennt) wuchtet.
Ich ducke mich innerlich, ein riesiges Donnerwetter erwartend. Schließlich hab ich nicht nur meinen Mund ungeheuer weit aufgerissen und den Trainer von Aspelt vergrault, sondern im gleichen Atemzug auch noch seinen Bruder vor den Kopf gestoßen und bloßgestellt.
'Schöne Scheiße', denke ich. 'Das kann ja was werden...'

"Na, moin, Lavayeux! Sie haben ja einen ganz schönen Aufruhr verursacht!"

Nanu, der Chef klingt überhaupt nicht wütend, eher ... belustigt?!

"Aber Chuzpe haben Sie, muss Ihnen der Neid lassen. Sie werden selbstverständlich für die Trainingsnachmittage und die Spieltage freigestellt - vorausgesetzt, dass Sie außerhalb dieser Zeiten weiterhin für den "Landboten" arbeiten und den nötigen Trainerschein C selbst finanzieren."

Bitte was?! Ich glaub, ich hab mich verhört!

"Wie ... was... häh?", stottere ich wenig elegant. "Aber ... aber ... aber, ich wollte doch nicht ...  kann doch nicht ... will nicht ..."
"Papperlapapp, Klappe jetzt! Kneifen gilt nicht! Karl gibt um 14:00 eine Pressekonferenz und stellt Sie als neuen Trainer vor. Wir haben heute nacht länger über diese Schnapsidee gesprochen, die Sie da in den Raum geworfen haben - und wir finden Sie beide sehr charmant. Nicht nur, dass Aspelt durch diesen mutigen Schachzug auf einen Schlag landesweit bekannt wird - nein, auch der "Landbote", die Zeitung, der Sie Ihre fundierten sportlichen Kenntnisse verdanken, wird in aller Munde sein. Ich gratuliere Ihnen schon mal zum neuen Zweitjob."

Drei Stunden und eine erstanlich gut besuchte Pressekonferenz im Aspelter Vereinsheim später bin ich - ohne überhaupt zu wissen, wie mir geschieht - Trainer eines Fünftligisten.
Dass diesem Fünftligisten als Reaktion auf meine Vorstellung die Hälfte der Mannschaft abhandenkommt- inklusive Kapitän Lorenz, der uns einen Vogel zeigt und beim Gehen bescheinigt, dass wir "nunmehr offenbar endgültig übergeschnappt sind", macht das Ganze noch ein bißchen surrealer für mich.

Trainer. Ich.
Hoffentlich ist es bald fünf Uhr, wird echt Zeit, dass der Wecker klingelt und ich aus diesem Alptraum aufwache.
« Letzte Änderung: 09.Januar 2023, 22:46:37 von Achtelprofi »
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Lavayeux' Europatour - Die Geschichte eines Luxemburgers

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Re: [FM 20 Journey] Die Geschichte eines Luxemburgers
« Antwort #5 am: 11.Januar 2023, 17:53:23 »



25.05.2034, Frisingen, Luxemburg

 
Wie sich heraustellt, ist das Ganze wohl doch kein Traum, in dem ich feststecke. Hmph!
Ich und meine große Klappe..
...naja, da muß ich jetzt wohl durch.

Ich murmele immer mal wieder "Der Cheftrainer Gerard Lavayeux" vor mich hin, aber bisher will sich keine Gewöhnung einstellen, das klingt einfach nach wie vor zu schräg, um wahr zu sein.


Viel Zeit zum Dran-Gewöhnen, Trübsal-Blasen oder Grummeln bleibt mir allerdings nicht:
In den nächsten Tagen habe ich mehr Meetings, Aussprachen, Brainstormings und Unter-Vier-Augen-Gespräche als während meines gesamten Studiums.

Oh und Pressetermine natürlich.

Die Kümmernich-Brüder haben die Situation offenbar genau richtig eingeschätzt: die chaotische Pressekonferenz in Verbindung mit dem überraschenden Rücktritt Müller-Lüdenscheidts und meiner ebenso überraschenden Ernennung zum Cheftrainer haben für vergleichsweise riesigen Wirbel im luxemburgischen Sportblätterwald gesorgt (und damit eine Menge kostenfreier Publicity für den Verein).

Also gut, "riesiger Wirbel" heißt im Großherzogtum natürlich was anderes als in England oder Spanien mit ihren Dutzenden Zeitschriften.

Immerhin eine ungeplante Pressekonferenz müssen wir dennoch anberaumen, weil es sowohl für den Präsidenten als auch für mich circa ein halbes Dutzend Interviewanfragen gibt, die jeweils einzeln zu beantworten unsere vorhandene Zeit sprengen würde.

Die beim "Sammeltermin" dann gestellten Fragen sind keine große Überraschung für uns, wir beantworten sie entsprechend einer vorher abgesprochenen Strategie, in der Hoffnung, die Wogen schnellstmöglich glätten und zur Tagesordnung übergehen zu können:

1. Ja, meine Verpflichtung als Trainer des FC Red Boys Aspelt war kein verspäteter Aprilscherz, sondern ernst gemeint.

2. Nein, wir haben kein Bedürfnis, noch viele Worte über den Skandal auf der vorherigen PK zu verlieren. (Ich betone allerdings, dass mir "mein unprofessionelles Verhalten gegenüber meinem Vorgänger sehr leid tut und ich ihm nur das Beste wünsche". Die anwesenden Reporter notieren das pflichtschuldigst, wirken jedoch nicht sonderlich überzeugt. Wer will es ihnen verdenken?)

3. Ja, da der Verein Amateurstatus besitzt und demzufolge jeder Spieler jederzeit den Verein verlassen kann, haben wir eine signifikante Kaderverkleinerung hinnehmen müssen. Insgesamt stehen uns im Moment elf Spieler für die erste Mannschaft zur Verfügung. Achtzehn Spieler (plus fünfzehn aus den U-Mannschaften) haben beschlossen, sich anderen Vereinen anzuschließen.
Zur Kompensation dieses heftigen Aderlasses könnten wir aus der U21 und U19 theoretisch weitere sieben Spieler hochziehen.
Inwieweit wir das tun, wissen wir aber erst nach der ersten Standortbestimmung, die am 20.06., also beim Saisonstart, erfolgen wird.

4. Über mögliche Saisonziele in der 3. Division Serie 2, in die wir abgestiegen sind, werden wir uns erst verständigen, wenn wir wissen, wie der Kader für die kommende Saison in etwa aussehen könnte.

5. Ja, ich besitze im Moment keinerlei Trainerlizenzen. In der untersten Luxemburger Liga gibt es allerdings die Option, dennoch ein Team zu trainieren, vorausgesetzt, der entsprechende Übungsleiter nimmt parallel an einem Trainerlehrgang teil und erwirbt zumindest die nationale Trainerlizenz C bis zur Winterpause.
Selbstredend habe ich bereits mit einem solchen Lehrgang begonnen. Ich rechne damit, bis zum Spätherbst im Besitz der Lizenz zu sein. Nein, der Verein finanziert mir diesen nicht, ich habe meine eigenen Ersparnisse dafür genutzt.

6. Nein, ich war nicht betrunken, als ich zugesagt habe, dieses Amt zu übernehmen.
Und nein, ich bin auch nicht größenwahnsinnig, ich halte das für eine sehr gute Gelegenheit, mich als Mensch weiterzuentwickeln. Ob der Trainerberuf mittel- oder gar langfristig etwas für mich ist, kann und will ich zum jetzigen Zeitpunkt nicht entscheiden.
Ich möchte nur eins: dem Verein helfen, der auch dank meines Zornesausbruchs auf der Pressekonferenz in unerwartete Schwierigkeiten geraten ist. Ich fühle mich dazu verpflichtet, das bestmöglich zu tun.
(Klar ist das dick aufgetragen und drückt auch ein bißchen heftig auf die Emo-Drüse - aber hey! Wenns wirkt, who cares?)

7. Ja, ich werde auch weiterhin Reporter für den "Frisinger Landboten" bleiben, allerdings werde ich selbstredend nicht über Vereinsinterna berichten und mich auch mit Spielberichten zurückhalten. Stattdessen sind der Herausgeber Herr Alois Kümmernich und ich bereits in Gesprächen darüber, wie meine zukünftigen Aufgaben beim "Landboten" aussehen könnten.

8. Und zum Schluß noch: nein, über die Taktik, die die Red Boys in der vor uns liegenden Saison spielen werden, kann ich keinerlei Auskunft geben. Nur eins steht fest: 5 2 3 wird es nicht sein.

 
Alle weiteren Fragen werden wir gern auf der offiziellen Siasoneröffnungs-PK beantworten, die für den 20.06.2034, 12:00 anberaumt wird.

~ ~ ~

Nachdem das "Offizielle" damit erstmal erledigt ist, wenden wir uns natürlich sofort der Kader- und Staffplanung zu.
("Wir", das sind aktuell lediglich der Vereinspräsident, der Datenanalyst Manuel Musliu und der U-19-Trainer Leo Kirsch. Alle anderen Angestellten sind mit Ende der Saison gegangen.
Da hier jeder ehrenamtlich arbeitet, gibt es keine Zeitverträge und wir hatten keine Chance, irgendwen zu halten.)

Und hier erwartet mich die erste dicke Enttäuschung meiner noch nicht einmal wirklich gestarteten Trainerkarriere.
Es gibt exakt NULL Spieler, Trainer oder Scouts, die beim FC Red Boys arbeiten wollen!
Egal, wo und wen wir anfragen - die positivste Reaktion ist ein höflich-distanziertes "Nein, danke."
Der eine oder andere lacht uns aber auch offen ins Gesicht und fragt uns, ob wir ihn wirklich für so doof halten, dass er sich freiwillig dem lächerlichsten Club Luxemburgs anschließen werde?

Wir sind nach zwei Wochen vergeblicher Suche so verzweifelt, dass wir selbst im Arbeitsamt nachfragen, aber auch da findet sich niemand.
Kümmernich und ich beschließen, aus der Not eine Tugend zu machen und befördern Musliu und Kirsch. Ersterer wird mein Co, Letzterer der neue Chefscout.
Außerdem ziehen wir alle Jungs aus den Jugendmannschaften in die Erste hoch, womit wir zumindest über die vorgeschriebene Mindestanzahl Spieler im Kader verfügen.


(In allen Luxemburger Ligen gilt eine Mindestanzahl von 15 Spielern, davon 2 Torhüter, die zum Ende einer jeden Transferperiode registriert werden müssen. Die Maximalzahl liegt bei 30 Spielern.
Außerhalb der Transferperioden können Amateurspieler zwar jederzeit den Club wecheln, aber eben nicht für ihren neuen Club registriert werden, was in der Realität dazu führt, dass außerhalb der Wechselperioden kaum ein Spieler seinen aktuellen Club verläßt, in den Monaten, in denen das Transferfenster geöffnet ist, herrscht dafür Betrieb wie in einem Taubenschlag.)

Kümmernich warnt mich schon mal vor, dass erfahrungsgemäß von den aktuell achtzehn Spieler wohl nicht alle auch Anfang August noch Teil des Kaders sein werden.
"Na klasse", entgegne ich. "Und was machen wir, wenn wir keine 15 Spieler zusammenbekommen? Will doch keiner hierher wechseln!"
"Gemach, gemach", schmunzelt der Präsident. "Nach meiner Erfahrung wird so mancher Spieler seine Meinung überdenken, je näher das Ende des Transferfensters rückt. Lieber bei den Red Boys spielen als gar nicht spielen, oder?"
Ich nicke und zucke die Schultern. "Hoffentlich haben Sie recht."

Ich überlasse die Suche nach neuen Mitstreitern auf und neben dem Platz jedenfalls erstmal dem Präsidenten und unserem niegelnagelneuen Chefscout und konzentriere mich in meinen Planungauf das Häufchen Spieler, mit denen wir ab Ende Juni die Mission Wiederaufstieg in Angriff nehmen wollen.


Denn auch wenn wir öffentlich tiefgestapelt haben - egal, mit welchen Spielern wir in die Saison gehen: alle Mannschaften um uns herum werden kaum stärker einzuschätzen sein, wenn wir es wirklich schaffen, zwei, drei erfahrene Jungs dazuzuholen.
Auch wenn die beiden Sportjournalisten Luxemburgs, die sich tatsächlich für die fünfte Liga interessieren, den FC Red Boys aktuell am Tabellenende verorten - was aber, wie beide betonen, vor allem daran liegt, dass für verschiedene Positionen (insbesondere Sturm und die Außenverteidiger) keine adäquaten Spieler zur Verfügung stehen.


Also kommt es am Ende auf die Taktik und den Mannschaftszusammenhalt an, wer aufsteigt.
Und zum Thema Taktik hab ich in den letzten Wochen und Monaten genug theoretisches Wissen angehäuft, dass ich mir zutraue, unserer Mannschaft etwas "auf den Leib zu schneidern".

Allzu kompliziert darf es nicht sein, das weiß ich dank meiner eigenen Augenzeugenerfahrungen in der letzten Saison und dank Muslius Berichten über die Jugendspieler.
Aber simpel und effektiv schließen sich ja nicht gegenseitig aus.

In meiner Vorstellung müßten ein einfaches 4 4 2 - Flügelspiel und als Ausweichtaktik ein enges, auf Konter angelegtes 4 4 2 mit 2 DMs dem aktuellen Kader entgegenkommen.
Wenn uns doch noch die Verpflichtung von Verstärkungen gelingen sollte, kann ich ja gegebenenfalls Anpassungen daran vornehmen.

Also, in die Hände gespuckt und Taktiktafel geschnappt...
« Letzte Änderung: 11.Januar 2023, 18:10:16 von Achtelprofi »
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Re: [FM 20 Journey] Die Geschichte eines Luxemburgers
« Antwort #6 am: 11.Januar 2023, 21:42:57 »


02.08.2034, Frisingen, Luxemburg


Drei Monate später.
Präsident Kümmernich hat recht behalten - in den letzten Tagen vor der Schließung des Transferfensters haben wir urplötzlich eine Spielerverpflichtung nach der anderen festzurren können.
Und auch wenn uns - ebenfalls wie vom Präses vorhergesagt - noch eine Handvoll Spieler in Richtung Konkurrenz verlassen haben, ist unser Kader jetzt doch eine ganz andere Hausnummer als noch Ende Mai.
Von den beiden Sportjournalisten werden wir nun übrigens auf Platz 3 erwartet - also knapp hinter den Aufstiegsplätzen.
Na, da wollen wir doch mal sehen, ob wir nicht vielleicht doch eine bessere Platzierung erreichen können?
Der Kader gäbe es meiner Meinung nach inzwischen her, wir haben es tatsächlich geschafft, alle Mannschaftsteile zumindest auf dem Papier ausreichend zu besetzen.
Ob sie dann auch gut genug sind, wenns drauf ankommt - also "aufm Platz", wie die Menschen hinter der Grenze, im Ruhrgebiet das so salopp sagen - das muß man sehen.




Apropos Kader - ich bin mir immer noch nicht sicher, inwieweit ich überhaupt schon ein "standing" (ach, diese verdammten Anglizismen!) bei der Mannschaft habe.
Nahezu keine Entscheidung wird ohne wenigstens eine kurze Diskussion gebilligt.
Immerhin inzwischen in ruhigem, halbwegs konstruktivem Ton.
Anfangs war das durchaus lauter - und da haben mir zwei Störenfriede (aus dem "alten" Team) eindeutig zu verstehen gegeben, dass ich für sie ein Niemand bin, den sie nicht nur nicht ernst nehmen, sondern offen verachten.
Mann, bin ich froh, dass ich da die volle Rückendeckung vom Präses hatte! Ich hab beide aus der Mannschaft geworfen und ihnen gesagt, dass sie sich gefälligst einen neuen Verein suchen sollen.
Dann hab ich den Strafenkatalog so drakonisch wie nur igend möglich festgelegt.
Und damit hab ichs geschafft, dass zumindest an der Oberfläche alles ruhig ist und mich keiner mehr offen "Depp" oder "Idiot" nennt.
Was die Spieler insgeheim von mir denken, kann ich natürlich nur vermuten.

Mit den beiden Taktiken, die wir einstudiert haben, sind sie jedenfalls einverstanden, sagen sie.
Nicht, dass wir da eine große Wahl gehabt hätten.
Leo Kirsch (mein Co-Trainer) und ich haben lange gegrübelt, was wir spielen lassen sollen. Ich hab bisher ja nur theoretisches Wissen - gut, dass Leo so ein geduldiger Kollege ist.


   


Die Kontertaktik (links) ist eigentlich nicht hundertprozentig geeignet, weil uns die wirklich schnellen Außen und Stürmer fehlen. Als Ausweichvariante, um vielleicht auch mal einen dreckigen Sieg nach hause zu schaukeln, wird es aber hoffentlich gehen.
Die als Standard geplante Langholzvariante (rechts) dagegen scheint dem Team zu "passen", die Testspielergebnisse waren jedenfalls im großen und Ganzen ermutigend.




Die deutliche Niederlage gegen Noertzange im ersten Spiel geht auf meine Kappe, war aber auch ein bißchen eingeplant.
Ich wollte sehen, inwieweit die Jungs eine Dreierkette umgesetzt bekommen, wenn man die defensiven Außen deutlich defensiver besetzt als unter meinem Vorgänger. Der Versuch war allerdings auch zu einem Teil der Tatsache geschuldet, dass wir zu dem Zeitpunkt kaum einsatzfähige Offensivspieler hatten.

Das 1:2 gegen Folschette dagegen war einfach maximal unglücklich - wir hatten bestimmt acht große Chancen, die Gäste exakt zwei Schüsse aufs Tor.
Naja, ist mir lieber, wenn ein solcher gebrauchter Tag in einem Testspiel vorkommt statt vielleicht am ersten Spieltag ...

Egal.
Drei Tage noch, dann startet die Saison. Und ich spür ein seltsames Kribbeln in der Magengegend,
Ist das vielleicht Vorfreude?
Oder doch eher das flaue Gefühl der Gewißheit, dass jetzt wirklich ernsthaft mein erstes Spiel als Cheftrainer einer Fussballmannschaft ansteht?
Ich glaub, ich mach mir mal noch einen Kamillentee - sicher ist sicher.
« Letzte Änderung: 11.Januar 2023, 21:53:56 von Achtelprofi »
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3. Division, Serie 2 - Hinrunde 2034/2035


Und dann wird es ernst - am 5. August beginnt die Saison und damit stehen ich und meine große Klappe endgültig auf dem Prüfstand.
Vor uns liegen 27 Spieltage. Innerhalb der Saison werden wir mit jedem der andweren 9 Clubs dreimal aufeinandertreffen, die ersten beiden steigen auf. Es gibt weder eine Aufstiegsrelegation noch Absteiger - seit die 4. Division nach der Saison 1984/85 wegen Clubmangels wieder abgeschafft wurde, ist die 3. Division der absolute Tiefpunkt, an dem man als luxemburgischer Verein landen kann.
Und genau deswegen wollen wir ja so schnell wie nur irgend möglich wieder raus aus diesem Kellerloch!

Wir fühlen uns zwar gut vorbereitet - zumindest im Rahmen unserer Möglichkeiten - aber der erste Spieltag ist nicht gerade dazu angetan, unser Selbstbewußtsein (oder das Vertrauen der anderthalb Dutzend "hardcore"-Fans) zu stärken.
Denn obwohl wir im Auswärtsspiel bei Red Star Merl-Belair (die im westlichen Teil der Hauptstadt beheimatet sind) hoch überlegen sind und unsere Stürmer ein ums andere Mal die Chance zur Führung auf dem Fuß haben, können wir uns am Ende sogar noch bei unserem Keeper da Silva bedanken, dass wir nicht als Verlierer vom Platz gehen. Der fischt in der dritten Minute der Nachspielzeit nämlich sehenswert den ersten (!) gezielten Torschuß der Gastgeber aus dem Winkel.

So fahren wir mit einem 0:0 nach Hause und planen für die folgende Woche dringend Torschußtraining ein.

Das macht sich im zweiten Auswärtsspiel unter meiner Leitung auch direkt bezahlt - wir spielen beim (neben den beiden nationalen Schwergewichten Jeunesse und FOLA ) dritten Escher Verein US Esch und demütigen die Gastgeber mit einem glatten 5:0. Ist zwar nur Pokal, aber immerhin. Sieg ist Sieg, das wird uns hoffentlich Selbstvertrauen geben!

Naja, so ein bißchen jedenfalls - so lautet das Fazit des ersten Heimspiels - und -siegs. 2:1 gegen Noertzange. Die brauchen eine ganze Halbzeit, um zu kapieren, dass wir nicht wieder im 3 6 1 auflaufen und wir gehen währenddessen scheinbar komfortable mit 2:0 in Führung. Direkt nach dr Pause gelingt den nun zielstrebiger agierenden Gästen allerdings der Anschlusstreffer und der Rest des Spiels ist ein einziges Ballrausbolzen unserer Elf. Nicht schön anzusehen und kein Stück souverän, aber immerhin bleiben die drei Punkte in Aspelt.

Presse und Fans sind bisher eher skeptisch - was Wunder, ein überzeugender Sieg bei drei Spielen ist nicht sonderlich gut.
Aber die Stimmung hebt sich gleich in der folgenden Woche merklich, denn wir fahren zum Aufstiegsmitfavoriten ASL Porto - und kehren mit einem fulminant herausgespielten 6:2 wieder zurück nach Ost-Frisingen. Nach 12 Minuten führen wir bereits mit 4:0 - nicht zuletzt dank Pedro Brandao, der drei dieser vier Tore erzielt. Absolutes Sahnespiel, nicht nur von ihm!

Den Schwung aus dieser Partie können wir ins Heimspiel gegen Belval Belvaux mitnehmen, die wir mit 2:0 schlagen (womit sie noch gut bedient sind, alleine Brandao trifft gleich zweimal den Pfosten.

Diese Aluminiumfixierung bleibt uns leider auch in den Folgewochen erhalten, wobei das bei Blo-Weiß Itzig noch nicht ins Gewicht fällt - auch hier gehen wir mit einem 2:0-Sieg vom Platz. Und mit diesem Sieg übernehmen wir auch glatt die Tabellenführung...

... die wir direkt darauf im Spiel gegen Vinesca Ehnen wieder abgeben dürfen, weil wir trotz bester Chancen nicht über ein 2:2 hinauskommen.
Positive Nachricht des Tages: wir sind immerhin - wenn auch nur mit einem Punkt Vorsprung - Zweiter und wären Stand jetzt aufgestiegen. Nach 6 von 27 Spieltagen ist das aber bestenfalls eine Momentaufnahme ohne jede Aussagekraft.

Das nächste Heimspiel gegen Kopstal 33 gestalten wir dann wieder souverän - 3:0 heißt es am Ende und der Kniff meines Cotrainers ist dabei voll aufgegangen. Statt mit Sturmtank und Zielspieler agieren wir vorn im Zentrum mit Knipser und Pressendem Stürmer - und speziell mit dem Pressing des Letzteren kommt die Kopstal-Abwehr gar nicht zurecht.

Das gilt sinngemäß auch für die Verteidigung unseres nächsten Gastes RM Hamm Benfica, die uns für die zweite Pokalrunde im Coupe de Luxembourg zugelost wurden. Der Zweitligist (!) sieht offensiv kein Land gegen unsere Viererkette und läßt außerdem Kevin da Cunha - unseren Flügelflitzer im linken Mittelfeld - nach einer Ecke ein einziges Mal aus den Augen, wofür dieser sich sofort artig bedankt und zum Siegtreffer einnetzt.
Zweite Pokalüberraschung durch die Red Boys, zumindest die Fans feiern die Mannschaft nun ausgiebig. Der Blätterwald-Tenor zu meiner bisherigen Leistung lautet gemeinerweise aber eher "mehr Glück als Verstand".

Als nächstes steht das Spitzenspiel der Liga auf dem Programm - Red Boys Aspeltgegen Tricolore Gasperich, Zweiter gegen Ersten.
Ein Punkt trennt beide Clubs - das heißt natürlich, dass wir mit einem Sieg die Tabellenspitze zurückerobern könnten.
Diese Aussicht scheint einem teil meiner Spieler nicht zu gefallen - anders läßt sich die pomadige Leistung gerade in der Abwehr kaum erklären. Leoni bringt uns dabei früh in Führung, aber wir kassieren halt noch den Ausgleich. 1:1. Tut nicht wirklich weh, auch weil alle Verfolger ebenfalls Federn lassen - aber es ist schade, dass wir diese Steilvorlage nicht nutzen konnten.

9. Spieltag und damit Ende der ersten von drei Spielserien - Schouweiler ist der einzige Verein, gegen den wir in der Liga bisher noch nicht gespielt haben. Holen wir nun nach. Ich mache dem Team vorher klar, dass ich gefälligst eine andere Leistung als letzte Woche erwarte - und siehe da: mit einem 3:1 wird die Pflichtaufgabe gegen den Tabellenneunten gelöst.

Leider wirkt mein Donnerwetter nur ein Spiel lang - gegen Red Star Merl-Belair gelingt offensiv wenig und defensiv hat die Viererkette genau einen Aussetzer zuviel - 0:1.

Wir gewinnen zwar in der Woche darauf bei Noertzange nach einem vogelwilden Spiel mit 5:3, aber spätestens als wir direkt im Anschluß zuhause gegen die ASL Porto mit einem äußerst schmeichelhaften 2:3 verlieren (bis zur 83. Minute lautet das Ergebnis sogar 0:3), haben wir eine erste echte Krise zu verzeichnen, da wir damit nur noch durch das bessere Torverhältnis auf Platz 2 verbleiben.

Ein denkbar unglücklicher Zeitpunkt für eine Leistungsdelle, denn ausgerechnet jetzt empfangen wir im Spiel des Jahres einen der drei größten Namen des luxemburgischen Fussballs zum Drittrundenkracher im Pokal. Rekordmeister Jeunesse Esch läuft in unserem Stadion auf. Und auch wenn die Mannschaft seit der Jahrtausendwende mehr und mehr von F91 Düdelingen als Platzhirsch abgelöst wurde (spätestens seit dem Einstieg des von manchem Zeitgenossen argwöhnisch beäugten Investors Flavio Becca bei Düdelingen )...

... Jeunesse Esch ist ein schier übermächtiger Gegner und passend zum Spiel in guter Form: 14:0 Tore aus den letzten 3 BGL-Ligue-Spielen (darunter ein 5:0 gegen Erzrivale FOLA Esch) sprechen Bände über die Favoritenrolle. Es gibt wohl niemanden, der überrascht wäre, wenn wir 5, 6 oder mehr Tore eingeschenkt bekämen.
Es kommt indes ein bißchen anders. Jeunesse Esch zieht zwar in die nächste Runde ein (und wirft uns folgerichtig aus dem Pokal) - aber das 2:3 (1:1, 1:0) nach Verlängerung verschafft unserem Amateurteam eine Menge Respekt. Bis zur 70. Minute führen wir sogar!
So auszuscheiden ist jedenfalls keine Schande - und dass wir dank ausverkauftem Stadion (500 Besucher, neuer Rekord!) und Preisgeld von 3500€ mal eben fast 7000€ auf unserem Konto verbuchen können, macht das Ausscheiden noch etwas erträglicher.
(Ja, in Luxemburg erhält -das Finale ausgenommen - der Verlierer das Preisgeld einer Partie. Wahrscheinlich sind die Funktionäre der Meinung, dass der Gewinner mit dem Erreichen der nächsten Runde genug belohnt ist.
Ich beschwere mich jedenfalls nicht, ermöglicht es mir der erfreuliche Kontostand (von fast 20.000€!) doch, vom Vorstand einige Mittel für die Nachwuchsarbeit bewilligt zu bekommen.

Ich gebe mir außerdem alle Mühe, der Mannschaft klarzumachen, wie ungeheuer stolz sie auf dieses Ergebnis gegen Jeunesse Esch sein können - und auch wenn uns in der Woche darauf Vinesca Ehnen wie schon beim ersten Aufeinandertreffen) ein Unentschieden abringt (und auch wieder mit demselben Ergebnis von 2:2), so ist das doch kein weiterer Rückschlag, sondern wird sich im Gegenteil als der Beginn einer kleinen Serie herausstellen.

Die ersten, die auf der Verliererseite an dieser Serie teilnehmen dürfen, sind die Jungs von Belval Belvaux, die wir mit 5:1 aus ihrem eigenen Stadion schießen. Hattrick von da Cunha inklusive.

Danach spielen wir sogar zum ersten Mal seit einem Vierteljahr zu Null! Blo-Weiß Itzig schlagen wir zwar erst in der 89. Minute, aber vorher wurden uns gleich 3 (drei!) Tore wegen angeblicher Abseitsstellung aberkannt und auch das Aluminium war wieder mal nicht auf unserer Seite. Höchst verdient ist dieser Sieg allemal.

Das gilt auch für das nächste Spiel - bei Kopstal 33 gewinnen wir locker, klar und deutlich mit 4:0 und beenden das Jahr  ...
... immer noch auf Platz zwei, mit einem Punkt Rückstand auf den alten und neuen Tabellenführer Tricolore Gasperich. Hinter uns klafft allerdings schon ein kleiner Spalt von 3 Punkten Vorsprung zu Porto.


Wir liegen also komplett im Soll (und weit, weit oberhalb des offiziellen Saisonziels).
Die Frage der Meisterschaft wird sich möglicherweise in den direkten Duellen mit Gasperich entscheiden - jedenfalls wenn beide Teams ihre Form beibehalten können.
Inwieweit uns das gelingen wird, steht aber in den Sternen - aus dem aktuellen Kader haben sich bereits mehrere Spieler für einen Vereinswechsel im Winter entschieden und weitere werden bestimmt folgen.
Das ist die Kehrseite einer erfolgreichen (Halb-)saison als Amateurverein.
« Letzte Änderung: 12.Januar 2023, 20:16:39 von Achtelprofi »
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3. Division, Serie 2 - Rückrunde 2034/2035


Die Transferperiode gestaltet sie wie befürchtet betriebsam und hektisch - die meisten der Spieler, die im Herbst im Aspelt-Dress auf sich aufmerksam machen konnten, bekommen jetzt deutlich lukrativere Angebote von höherklassigen Vereinen. Kein Wunder, bei uns spielen sie ja auch umsonst, wir können nichtmal eine Antrittsprämie zahlen.
Brandao ist einer der schwersten und frühesten Verluste, aber gut ein Dutzend anderer Spieler folgt ihm in den nächsten Wochen - gleichzeitg stoßen glücklicherweise aber mindestens genauso viele Neue zu uns.
Es ist nicht unbemerkt geblieben, dass es durchaus Spaß machen (und der eigenen Karriere nebenbei förderlich sein) kann, wenigstens eine Halbserie lang bei den Red Boys zu sein.
Das gilt übrigens nicht nur für die Spieler, sondern genauso auch für die Mitarbeiter.

Kirsch
und Musliu wechseln im Januar in die Eirepromotion (also die zweite Liga) - allerdings kommt auch an der Mitarbeiter"front" kurz vor Ende der Transferperiode einiges ins Rollen und ich habe im Frühjahr sogar einen größeren Stab von Assistenztrainern als vorher zur Verfügung.
Mir die vielen verschiedenen Namen  zu merken, will mir allerdings nicht gelingen - lediglich mein neuer Co-Trainer, ein gewisser Danny Gilbert schafft es, seinen Namen in mein Langzeitgedächtnis einzuschmuggeln.
Liegt aber mit Sicherheit auch daran, dass ich - obwohl ich mich peinlich genau an die von seinem Vorgänger ausgearbeiteten Trainingspläne und Taktikvorgaben halte, immer noch Fragen über Fragen habe.

Ganz unter uns: dass sich die Red Boys Aspelt anschicken, den direkten Wiederaufstieg ins Auge zu fassen, liegt zuallerletzt an mir, glaube ich ...
Gilbert kann übrigens wirklich gut erklären - und während ich in Abendlehrgängen an meinem National-B- und schließlich ab März sogar National-A-Trainerschein büffele und dadurch meine theoretischen Kenntnisse erweitere, ist es vor allem Gilbert zu verdanken, dass sich auch in praktischer Hinsicht Lernerfolge einstellen.
Manchmal reicht es sogar, ihm einfach nur stillschweigend zuzusehen, wie er mit einzelnen Spielern oder kleinen Grüppchen umgeht, sie dazu bringt, Dinge zu hinterfragen, die sie als selbstverständlich ansahen ... oder ihnen taktische Feinheiten so nahebringt, dass sie diese auch im Spiel, unter Hochspannung, abrufen und umsetzen können.

Und Hochspannung gibts in diesem Frühjahr reichlich.
Denn auch wenn wir unter dramatischen Umständen aus dem Pokal ausgeschieden sind - das größere Ziel war ja von Anfang an sowieso der Wiederaufstieg.
Daran werden wir uns messen lassen müssen und darauf arbeiten wir entschlossen hin.

Eine wirklich großartige Unterstützung erhalten wir dabei durch eine sehr überraschende Verpflichtung - unser Präsident hat tatsächlich Pit Pott an Land gezogen!
Dieser Name wird außerhalb Luxemburg wahrscheinlich kaum jemandem etwas sagen, innerhalb der Landesgrenzen genießt der Endsechziger durch seine phänomenale Arbeit bei Swift Hesperingen und Progres Niederkorn allerdings einen geradezu legendären Ruf.
Und was kann der Gute nun so gut? Ganz einfach, der Mann hat ein goldenes Händchen für Vertragsverhandlungen - und so verstärkt er er uns auf der Position des Sportdirektors und der Präses überläßt ihm nur zu gern die Verantwortung, Kaderverstärkungen (oder wenigstens brauchbaren Ersatz für die vielen Abwandernden) herbeizuzaubern.

Und die sind dringend nötig. Nach der ersten Januarwoche haben wir z.B. keinen einzigen etatmäßigen Stürmer mehr im Kader.
Allerdings treibt Pott innerhalb seiner ersten drei Tage gleich auf zwei anderen Positionen absolute Knaller auf - Pit Schmidt für die ebenfalls neuerdings verwaiste Planstelle hinten rechts - und einen gewissen Sergio Ferreira für den linken Flügel.
Letzterer verdrängt sofort den etatmäßigen Flügelflitzer Kevin da Cunha auf die Bank und bildet in der gesamten Rückrunde zusammen mit seinem Pendant Rafael Almeida rechts das vorlagenstärkste Flügelduo der Liga.

Beim ersten Spiel im neuen Jahr (zuhause gegen Schouweiler) sind es auch genau die beiden Neuzugänge Ferreira und Schmidt, die den nie gefährdeten 2:0-Sieg herausschießen. Dass wir vor lauter Verlegenheit zwei Mittelfeldspieler ohne jeden Torriecher in den Sturm gestellt haben, merkt man gar nicht.

Direkt danach müssen wir nach Gasperich - und wie schon im ersten Aufeinandertreffen gibt es auch diesmal wieder ein 1:1-Unentschieden.
Weiterhin ein Punkt Rückstand - aber im letzten Saisonspiel haben wir ein Heimspiel gegen Tricolore und damit weiterhin alles in eigener Hand.
Positiv: in diesem Spiel wirkt zum ersten mal ein neuer Stürmer mit - Claude Kirsch heißt der Gute und ist als Übergangslösung gut, aber langfristig in der Startelf sehe ich ihn aufgrund vieler, vieler Defizite (von denen die fehlende Geschwindigkeit und Sprungkraft nur zwei sind) eher nicht.

Ben Pfeiffer ist da schon ein etwas anderes Kaliber -  der nächste Torjäger, der sich uns (rechtzeitig zum Heimspiel gegen Red Star Merl-Belair) anschließt, ist ein regelrechter Turm und zwar auch nicht schnell, aber zumindest in der Lage, Flanken zu verwerten.
Genau dafür steht er ja auch im Sturmzentrum - und köpft gleich mal den 2:0-Endstand.

Aber auch er verliert seinen Stammplatz schnell wieder und findet sich - wie auch Kirsch - ab der Folgewoche meist auf der Bank wieder.
Warum?
Weil sich Pit Pott zum Ende des Transferfensters nochmal selbst übertrifft und nicht nur mit Ivan Bouterbiat einen äußerst offensivstarken zentralen Mittelfeldspieler an Land zieht - sondern auch ein Brüderpaar für den Sturm, das sich gewaschen hat.
Mauro und Jerome Dragolovcanin könnten ungleicher kaum sein, ergänzen sich aber perfekt auf dem Platz - und harmonieren zudem prächtig mit unserer neuen Flügelzange.
Während Jerome mit seinen 1,90m auf hohe Bälle lauert, die er auf Mauro ablegen kann, hat dieser den unheimlichen Riecher, genau dort zu stehen, wo er diese Ablagen erhält - und ist auch flink genug, um mal alleine mit dem Ball loszustürmen, falls sich die Gelegenheit ergibt.

Lediglich mit der Konstanz hapert es auch bei den beiden - wie bei fast jedem anderen im Kader....

Das wird uns beim nächsten Auswärtsspiel (bei der ASL Porto) gleich mal zum Verhängis. Vorne Chancenwucher, hinten haarsträubende Stellungsfehler. So verliert man ein Spitzenspiel Dritter gegen Zweiter schon mal 1:2.
Zum Glück hatten wir genügend Vorsprung, dass uns das nicht den Aufstiegsrang kostet...

"Durch" sind wir aber trotz dieses Vorsprungs noch lange nicht, und so muß nun endlich mal eine kleine Serie her.
Wird Zeit, dass wir uns absetzen, verdammt!

Sieht die Mannschaft offenbar genauso - und so folgen jetzt ein fast perfekter März (3 Spiele, 7 Punkte) und ein perfekter April (2 Spiele, 6 Punkte).

Am Ende dieses Laufs steht dann fest, dass Tricolore Gasperich und wir in die 2. Division aufsteigen - lediglich die Reihenfolge ist immer noch unklar.
Der 1-Punkte-Rückstand aus dem Spätherbst hat unglaublicherweise immer noch genau so Bestand.
Und das heißt:
Endspiel im direkten Duell um den Titel - am letzten Spieltag, in unserem Stadion!

Leider nimmt nur eine Mannschaft das Finale als solches an - und das sind bedauerlicherweise nicht die Red Boys.
Wir verlieren 1:2 und gehen damit als Zweiter über die Ziellinie.

Ich bin kurz verärgert - aber wirklich nur kurz.
Danach überwiegt die Freude und Erleichterung, den "Betriebsunfall" meines Vorgängers Müller-Lüdenscheidt direkt ausgebügelt zu haben und wieder aufgestiegen zu sein.






Mal sehen, wie wir uns eine Liga höher schlagen werden ... und vor allem, mit welchem Kader und Stab.
Denn kaum ist die Saison beendet, teilen uns schon die ersten Spieler und Mitarbeiter mit, dass sie da ein interessantes Angebot aus XY erhalten hätten und hiermit ihren Abschied ankündigen....


Unser Präsident jedenfalls träumt schon mal größenwahnsinnige Träume und verkündet auf der Saisonabschluss-Pressekonferenz (und mithin exakt ein Jahr nach dem Eklat, der mich überhaupt erst ins Traineramt in Aspelt gespült hat) Folgendes an die Adresse der Journalisten im Vereinsheim:

"Un' nächstes Jahr, nech? Da werd' ihr euch umguck'n, dat sach ich euch! Wir marschier'n direkt durch in die erste Division, werd' schon seh'n! Un' un' un' den kleinen Pokal gewinn' wer auch, aba sowat von!"

Der kleine Pokal soll wahrscheinlich der Coupe FLF sein, an dem die Mannschafter der 1. und 2. Division teilnehmen.
Da nimmt jemand den Mund schon wieder ganz schön voll ....

Aber egal, mit diesen Hirngespinsten können wir uns ab morgen beschäftigen.
Heute feiern wir erstmal den Aufstieg!


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« Letzte Änderung: 12.Januar 2023, 23:07:24 von Achtelprofi »
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Erstmal Glückwunsch zum Aufstieg! Der Sieg im letzten Spiel wäre natürlich die Kirsch' auf der Torte gewesen, aber die saß wohl zu dem Zeitpunkt auf der Bank  ;)
Ich mag vor allem deinen Schreibstil, der mit sehr viel Humor daherkommt und trotzdem die wesentlichen Aspekte des Spiels schildert. Bitte so beibehalten, auch wenn du meintest, dass das im Verlauf der Story weniger wird. Mir gefällt es wirklich gut!
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2. Division, Serie 2 - Pressekonferenz zum Start der Saison 2035/2036

Im Vereinsheim des FC Red Boys Aspelt ist der Teufel los. Naja, das ist möglicherweise ein bißchen übertrieben - es ist bestenfalls ein sehr kleiner, schwindsüchtiger Teufel. Vielleicht sogar nur ein Teufelchen.
Aber verglichen mit der beschaulichen Ruhe, die der einzige durch den Verein Geld verdienende Mensch - Vereinslokal-Wirt Eppo nämlich - normalerweise hier genießt, herrscht heute einfach Hochbetrieb.
Fast ein Dutzend Menschen stehen in der zum Pressezentrum umfunktionierten Gaststube und füllen die Luft mit mehr oder minder belanglosem Gebrabbel (das auch dann nicht gehaltvoller wird, wenn man es "small talk" nennt).
Die meisten von ihnen haben sich innerhalb der letzten halben Stunde von Eppo ein "Echt Frisinger Premium Export Bier" andrehen lassen. Und wenn man sich die Gesichter so anschaut, gibt es keinen, der sein "Ja, gern, ein kühles Bier tut bestimmt gut bei der Wärme!" nicht inzwischen bitter bereut.
Hätten sie mal vorher lieber den Reporter- und Trainer-Azubi Gerard Lavayeux gefragt.
Der hätte ihnen sagen können, dass eine Plörre, die gleichzeitig "Echt, "Premium" und "Export" heißt, den Namen "Bier" nichtmal dann verdienen würde, wenn dieser Name übersetzt "abgestandenes Wasser" bedeuten würde...

Haben sie aber nicht gemacht. Na, da müssen sie jetzt wohl durch.
Immerhin erscheint jetzt die Ablenkung in Form von Alois Kümmernich, Pit Pott und dem eben erwähnten Gerard Lavayeux.
Die drei Vereinsverantwortlichen nehmen hinter den beiden zusammengeschobenen Tischen Platz, die wie bei jeder Pressekonferenz als improvisiertes Podium dienen - links Pott, rechts Kümmernich, in der Mitte zwischen den beiden Schwergewichten eingeklemmt ... ich.

Die Gäste schlendern, als sie uns bemerken, langsam zu den bereitgestellten zwei Reihen "bequemer" Plastikgartenstühle und nehmen nacheinander Platz.
Die Cleveren unter den Reportern haben ihre Biergläser gaaanz zufällig am Tresen stehenlassen (und werden später leider vergessen, sie noch auszutrinken). Die weniger Schlauen haben jetzt die Wahl, die Gläser entweder die ganze Zeit in der Hand zu behalten (und sich Fragen und Antworten zu merken) . . . oder das Gefäß mit dem "edlen Gerstensaft" unter oder neben ihren Stuhl zu platzieren und zu hoffen, dass es keiner umstößt.
Außerdem wollen Notizblöcke und Stifte gezückt oder alternativ Tablets aus knallbunten Hüllen gezerrt werden. Jacken werden mehr oder minder elegant über die runden Lehnen der Plastikstühle gelegt (von wo aus sie während der folgenden Stunde den Weg Richtung Fußboden antreten, weil eine runde, aus rutschigem Plastik bestehende Stuhllehne nunmal kein geeigneter Lebensraum für eine Jacke ist und ... aber ich schweife ab).

Nach ein paar Minuten kehrt nahezu Stille ein, die nur durch gelegentlich leises Quietschen unterbrochen ist - Eppo poliert schon wieder Gläser.
Kümmernich und Pott schauen sich an mir vorbei kurz an, Kümmernich nickt huldvoll und Pott erhebt die Stimme.

"Sehr geehrte Damen und Herren, herzlich willkommen zur Pressekonferenz des FC Red Boys Aspelt.
Ich begrüße hier auf dem Podium unseren Präsidenten Herrn Alois Kümmernich und unseren Trainer Gerard Lavayeux.

Lassen Sie mich zunächst kurz Punkt eins unserer Tagesordnung abarbeiten: wo steht der Verein? Was sind unsere Ziele in dieser Saison und was gibt es sonst neues?
Den Punkt kann ich tatsächlich sehr kurz zusammenfassen: wir sind sehr glücklich, sofort wieder in die Zweite Division aufgestiegen zu sein, wir sind uns sehr sicher, mit dem aktuellen Kader eine gute Rolle in der Liga und den beiden Pokalwettbewerben spielen zu können, wir stehen finanziell besser da als vor einem Jahr und wir werden im Laufe der kommenden Woche auch eine Mitteilung bezüglich unseres neuen Co-Trainers herausgeben.
Gibt es dazu Fragen?"


Pott schaut sich um und tatsächlich zuckt sofort eine Hand in die Höhe. An der Hand hängt eine junge Frau, die sich kurz die kastanienbraunen halblangen Locken aus dem Gesicht schüttelt, das Kinn nach vorn reckt und dann mit einer ruhigen, kräftigen Stimme loslegt:
"Madeleine Muller, Luxemburger Tageblatt. Fragen habe ich tatsächlich einige. Als erstes: was verstehen Sie im Verein unter der Beschreibung 'gute Rolle in allen Wettbewerben spielen'?"

Pott nickt und sagt dann in ruhigem, sachlichen, unbewegten Ton, so als läse er die Wetteraussichten für Frisingen vor ("im Tagesverlauf: ständig später"): "Unser Ziel heißt 'Direkter Aufstieg über den Gewinn der Liga'. Im Coupe de Luxembourg hoffen wir zumindest einige Runden zu überstehen und im Coupe FLF lautet die Zielsetzung 'Sieg im Finale'. Sie sagten, Sie haben weitere Fragen?"

Überraschtes Gemurmel in den Stuhlreihen vor uns.

Frau Muller verzieht allerdings keine Miene. Sie macht sich einfach zwei Stichpunkte, nickt und fährt fort:
"Können Sie schon etwas über den neuen Co-Trainer sagen? Und warum ist Danny Gilbert nicht mehr im Verein?"

Pott nickt mir auffordernd zu, ich straffe mich ein wenig.
"Die Beantwortung dieser Frage möchte ich gern übernehmen, Frau Muller.
Zunächst einmal ist es ein herber Verlust nicht nur für mich persönlich, sondern für den ganzen Verein, dass Danny uns verlassen hat. Ich möchte ausdrücklich betonen, dass das auf seinen Willen hin geschah. Wäre es nach uns gegangen, wäre er auch in der kommenden Saison der Co der Ersten gewesen. Er hat allerdings ein sehr interessantes Angebot erhalten, das er nach reiflicher Überlegung angenommen hat. Wir akzeptieren seine Entscheidung mit großem Bedauern und wünschen ihm nur das allerbeste. Und noch eine ganz persönliche Anmerkung: ohne Dany wären wir mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht aufgestiegen, das ganze Team inklusive mir hat ihm sehr viel zu verdanken."


Muller nickt, schreibt mit, schaut mich dann mit einem beunruhigend intelligenten und ironischen Blick an und sagt trocken:
"Danke für die Beantwortung des zweiten Teils meiner Frage, Herr Lavayeux. Und was ist mit dem neuen Co-Trainer?"

Ertappt! Ich glaube, ich werde sogar ein bißchen rot. Hoffentlich versteht sie das jetzt nicht falsch! Ich räuspere mich ein, zwei Mal und lächle dann - wie ich hoffe - entwaffnend.
"Bitte um Vergebung, das hätte ich beinahe vergessen: zum neuen Co-Trainer werden wir uns erst nächste Woche äußern, wenn die Verpflichtung abgeschlossen ist. Bitte haben Sie dafür Verständnis."

Sie nickt und lächelt. Ironisch, natürlich.

Pott erlöst mich aus der peinlichen Situation und schaut demonstrativ die anderen Reporter an.
"Weitere Fragen?"

Ein schlaksiger Mittdreißiger wedelt mit seinem Notizblock.
"Jeff Zacharias, Echternacher Blick. Gibt es schon Neuzugänge? Und falls ja: wird sich dadurch die Taktik verändern, die ja - mit Verlaub - etwas altbacken ist?"

Altbacken?
ALTBACKEN??!
Wat is dat denn für'n Typ?

Ich schaue ihn einen Moment lang an und antworte dann im ruhigsten mir zu Gebote stehenden Tonfall:

"Erstens: ja, wir haben mit Marcio Rodrigues Sanches eine Verstärkung für unsere Mittelfeldzentrale und mit Pablo Marquez idealerweise unseren neuen Abwehrchef verpflichtet. Weitere Verstärkungen werden sehr wahrscheinlich folgen. genaueres können wir aber erst in ein paar Wochen sagen, denke ich.
Und zweitens: worauf stützen Sie ihre Bewertung, dass unsere Taktik altbacken ist?"


Zacharias zuckt mit den Schultern und sagt betont lässig:
"Naja, kick'n'rush haben die Engländer in den Achtzigern des vorigen Jahrhunderts gespielt, das ist doch nicht mehr zeitgemäß."

Von links hört man ein halblautes "Und wenn die Red Boys auch nur im Ansatz kick'n'rush spielen würden, wär der Vorwurf auch gerechtfertigt."
Gefolgt von einer kurzen Pause und einem noch etwas leiseren ".... Amateur."
Ich kann mir ein Grinsen in Richtung der Sprecherin nicht verkneifen, diese zwinkert mir als Antwort kurz zu, bevor ihre Miene wieder völlig professionell-ausdruckslos wird.
Um Potts Mundwinkel zuckt es für den Bruchteil einer Sekunde ebenfalls sehr verdächtig, während Zacharias wohl nichts gehört hat.

Das alberne Kichern, das tief unten in meiner Kehle lauert (und sich immer noch königlich über Mullers halblauten Einwurf amüsiert), mit aller macht unterdrückend, antworte ich dem Reporter:

"Wir spielen zwar mitunter einen direkten, langpass-orientierten Fussball - aber erstens ist das nur eins von mehreren taktischen Mitteln, die wir im Laufe einer jeden Partie nutzen und zweitens gibt es schon einen Unterschied zwischen einem langen Paß und kick'n'rush. Das zu erläutern würde allerdings den Rahmen sprengen, glaube ich."
Und ich könnte es wahrscheinlich auch gar nicht korrekt erklären, aber das muß ich dem Frechdachs ja nicht auf die Nase binden...

Muller meldet sich noch einmal und fragt mit einem - ich kanns nicht anders sagen - aufreizenden Grinsen:
"Was sagen Sie eigentlich zu den Interview-Aussagen Ihres Vorgängers Müller-Lüdenscheidt? Fühlen Sie sich durch seine Worte verletzt?"

Ich schaue ein wenig verwirrt - von einem Interview des Deutschen habe ich gar nichts mitbekommen.

Muller, die meine Miene richtig deutet, klärt mich kurz auf: "Herr Müller-Lüdenscheidt hat - kurz auf den Punkt gebracht - in einem regionalen deutschen Boulevardblatt behauptet, dass Sie absolut keinen Anteil an diesem Aufstieg haben, dass er mit der Mannschaft, über die Sie in der abgelaufenen Saison verfügten, auch aufgestiegen wäre und dass sie überhaupt ein übler Charakter seien."

Ich zucke mit den Schultern.
"Ich kann dazu eigentlich nur seinen Landsmann Volker Pispers zitieren: 'Wir haben Demokratie. Hier müssen Sie nicht einmal nachdenken, bevor Sie etwas sagen.' - Oder weniger bissig: seine Meinung steht ihm frei und ich bin der letzte, der meinen Anteil an der fantastischen letzten Saison zu hoch hängt. Aufgestiegen ist die Mannschaft und die Mannschaft wurde hauptsächlich von Danny taktisch eingestellt, während ich - mit Verlaub - mehr gelernt als agiert habe. Ich verwahre mich allerdings gegen die Behauptung, ich hätte nichts zum Erfolg beigetragen. Und zu seiner Unterstellung bezüglich meines Charakters sage ich gar nichts. Einfach, weil das gar keine Antwort wert ist."

Wieder lächelt sie dieses enervierende Lächeln und ich fühle mich tatsächlich etwas verunsichert.
Habe ich mich jetzt zu weit aus der professionellen Rolle herauslocken lassen?

Der Rest der Presserunde vergeht wie im Flug, der Präsident nimmt noch kurz Stellung zu den Finanzen und dann beenden wir die Konferenz.
Die Gäste haben offenbar wichtige andere Termine und sind innerhalb weniger Minuten verschwunden - inklusive Frau Muller, wie ich zu meinem Bedauern feststelle.
Dabei wollte ich sie doch noch nach dem Grund für dieses Grinsen fragen!

In den folgenden Tagen denke ich zwar öfter mal an die Dame, aber da wir ab sofort mitten in der Saisonvorbereitung stecken und wie in jeder Transferperiode mal wieder den kompletten Kaderumbruch managen müssen, rückt sie nach und nach in den Hintergrund.
« Letzte Änderung: 13.Januar 2023, 16:21:01 von Achtelprofi »
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Lavayeux' Europatour - Die Geschichte eines Luxemburgers

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Du gibt’s da aber mächtig Gas mit deinen Luxemburger. Hut ab….Da gibt’s soviel zu lesen, ist ja eine richtige Bettlektüre. Erste Saison und dann gleich aufgestiegen, irgendwie träume ich davon und wenn ich dann wieder meine Lektüre lese, dann holt es mich gleich wieder mit aller Brutalität auf den Boden der Realität zurück. Bin ja mal gespannt wie es weitergeht. 
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Schweizer, Trainer einer Juniorenmannschaft, ehemaliger U-16 Nationalspieler der Schweiz.

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Das es in Luxemburg wirklich bis in die 5. Liga geht hätte ich nicht gedacht. Da muss gefühlt jeder Einwohner bei einem Verein spielen und auch kräftig für Nachwuchs sorgen damit die U-Mannschaften auch gefüllt werden :D
Glückwunsch zum direkten Aufstieg mit dem FC Hollyw... ähm.. FC Aspelt. Wie Bayernfahne schon geschrieben hat, gefällt mir ebenfalls dein Schreibstil der mich auch immer schmunzeln lässt.
Ich bin gespannt wie die 2. Saison laufen wird und ob du nicht Herrn Müller-Lüdenscheidt nochmal als gegnerischen Trainer gegenüberstehen wirst :)
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2. Division, Serie 2 - Saison 2035/2036


Die Resonanz auf die Pressekonferenz hält sich (zum Glück) in sehr engen Grenzen, auch Müller-Lüdenscheidt meldet sich nach meiner zugegeben sehr bissigen Retourkutsche nicht noch einmal zu Wort.
Ab Mittwoch der Folgewoche liefern wir dann sowieso auch wieder eher sportliche Schlagzeilen.
Zunächst präsentieren wir mal den angekündigten neuen Co-Trainer.
William Rosa ist ein Luxemburger, der irgendwo im Stammbaum väterlicherseits einen Schotten hat. Das merkt man ihm allerdings nicht wirklich an.
Was ich allerdings schon während der Sondierungsgespräche im Vorfeld bemerkt habe, ist seine ungeheure Fachkompetenz. Rosa präferiert zwar ein flaches 4141 (mit defensivem Staubsauger zwischen Abwehr und zentraler Mittelfeldkette), ist aber erfahren genug, um seine Ideen auch an bestehende Kader anpassen zu können.
Dazu wirkt er zwar mitunter etwas schroff und grummelig, aber ich habe bereits nach wenigen Wochen ein sehr enges Vertrauensverhältnis zu ihm - nicht zuletzt deshalb, weil wir zwar beide wissen, dass er mir wesentlich mehr beibringen kann als ich ihm - aber er läßt das nie raushängen.
 
Ganz im Gegenteil - einer seiner ersten Sätze ist: "Ein Co-Trainer ist nur so gut wie sein Chef, ich bitte also darum, mich zu fragen, wenn Sie Fragen haben oder Rat brauchen. Ich möchte, dass dieser Verein erfolgreich ist - und dazu müssen wir uns gegenseitig unterstützen, wo es nur geht." Da sind wir uns einig.

Am Folgetag stellen wir dann auch Ben Musliu per Vereinsmitteilung vor. Unser neuer Jugendabteilungsleiter soll sicherstellen, dass ein Reinfall wie letzte Saison - als wir keinen einzigen Jugendspieler in die U19 übernehmen konnten - nicht noch einmal vorkommt. Wir haben bereits in der letzten Saison damit angefangen, die Rekrutierungs- und Coachingbudgets der Nachwuchsabteilung zu erweitern - und das ist auch weiterhin eines der wichtigsten Projekte im Verein. Uns ist schließlich allen klar, dass wir nicht auf alle Zeit darauf vertrauen können, dass sich jedes Jahr erneut kostenfreie Verstärkungen finden lassen.

Schlußendlich stellen wir auch einen neuen Chefscout und einen Chefphysiotherapeuten ein.
Beide sind allerdings bestenfalls temporäre Lösungen: der eine wird Chefscout, weil es sonst keine Bewerber gibt und er immerhin weiß, dass man auf dem Transfermarkt keine Lebensmittel kaufen kann, der andere bringt als Qualifikation die höchst beruhigende Aussage mit, dass er vor 2 Jahren mal ein vom Arbeitsamt gesponsertes 5-tägiges Probearbeiten bei einem Physiotherapeuten mitgemacht habe. Das habe er allerdings nach 2 Tagen abbrechen müssen, weil ihm die "ganze Muskelwalkerei auf die Eier ging". Wir beschließen, für beide Positionen weiterzusuchen und ansonsten gute Miene zum inkompetenten Spiel zu machen.

Ansonsten werden wieder ein Dutzend Spieler verabschiedet, ebensoviele neue verpflichtet und kleine Details an der Taktik verstellt, die aber weiterhin das inzwischen gut bekannte 442 mit Zielspieler ist.

Wir spielen eine äußerst erfolgreiche Vorbereitung, in der wir nur einmal Unentschieden spielen und ansonsten stets als Sieger vom Platz gehen. Die Aussagekraft ist allerdings gering, denn wir spielen ausschließlich zuhause und ebenso ausschließlich gegen eher schwächere Gegner.



Unser einziges Ziel ist es, die vielen Neuen schnellstmöglich an die Taktik und die Mitspieler zu gewöhnen und ein grundlegendes Spielverständnis zu entwickeln, das wir auch in dieser Saison für die Basis zur Erreichung der vollmundig angekündigten Saisonziele halten.
(Über diese denken wir ansonsten lieber nicht allzuoft nach, mit ähnlich großkotzigen Sprüchen war auch Müller-Lüdenscheidt in die Saison geschickt worden - Ende bekannt.)

Die Medien schließen sich den markigen Sprüchen von Präsident und Sportvorstand allerdings an und erwarten uns als Topfavorit für den Aufstieg (und auch für den Gewinn des Coupe FLF).



Bei dem Kader, den wir dank unseres famosen Sportdirektors nach Ende der Transferperiode zur Verfügung haben, ist das vielleicht weniger verwunderlich als es zunächst klingt:



Und dann beginnt meine zweite Saison als Trainer im Fussballbereich - und sie beginnt mit einem Paukenschlag par excellence. Wir reisen nach Koerich ... und kehren nach einer Galavorstellung mit einem 5:0 im Gepäck zurück. Vierfachtorschütze: Mauro Dragolovcanin. Vierfach-Vorbereiter: Jerome Dragolovcanin. Falls noch irgendwer im Verein oder außerhalb daran gezweifelt hat, dass deren Verpflichtung ein Schnapper war, wird derjenige seine Zweifel wohl so langsam begraben müssen.

Danach empfangen wir UN Käerjeng (also alles andere als Laufkundschaft!) zum Erstrundenduell im Coupe de Luxembourg und ballern sie mit 4:1 aus unserem Stadion. Nächstes dickes Ausrufezeichen unserer auf vielen Stammelfpositionen veränderten Mannschaft.

Und dann machen wir einfach so weiter:

Erstrundenspiel im Coupe FLF, auswärts bei Excelsior Grevels. Endstand 4:0.
2. Spieltag der Liga, Auswärtsspiel bei Moutfort-Medingen. 5:1.
3. Ligaspieltag, erstes Heimspiel. Gegner: Mitaufsteiger Tricolore Gasperich, also diejenigen, die uns am letzten Spieltag in die Meistersuppe gespuckt haben. 1:0. Hätte aber auch wieder 4:0 ausgehen können.
Damit haben wir alle Pflichtspiele im August gewonnen und ein Torverhältnis von wettbewerbsübergreifend 19:2 (!) hingelegt.
Manch einer schreibt uns jetzt schon in die erste Liga, so als ob der Aufstieg schon feststünde.
Allerdings ist das noch ein weiter Weg, wir haben gerade mal 3 Ligaspiele hinter uns.



Im September gewinnen wir allerdings wieder alle Spiele - diesmal 6 an der Zahl. Einziger Unterschied zum August: wir sind deutlich geiziger mit den Toren, gewinnen nur einmal mit mehr als einem Tor Unterschied.
Dafür werfen wir aber erneut zwei favorisierte Teams aus den Pokalwettbewerben.
Und in der Liga sind wir mit 21 Punkte aus 7 Spielen natürlich das Maß aller Dinge.



Rosa und ich geben uns alle Mühe, keine Selbstzufriedenheit bei unserer Mannschaft aufkommen zu lassen.
Der Einbruch kommt aber dennoch, denn im Oktober gewinnen wir nur ens von vier Ligsspielen, holen zuhause nur einen Punkt und kassieren gegen CS Sanem gar unsere erste Saisonniederlage.



Natürlich gibt es Gründe für die schlechten Leistungen - unser Stammsturm, die Dragolovcanin-Brüder, wird z.B. seit dem fulminanten ersten Saisonspiel permanent mit anderen Clubs in Verbindung gebracht. Und Anfang Oktober gibt Mauro seinen Wechsel in der Wintrerpause bekannt: er wird sich Alliance Aischdall in der BGL Ligue / Nationaldivision anschließen, also von der vierten in die erste Liga wechseln. Und die Gerüchte, dass Jerome ihm bald folgen wird, wollen einfach nicht verstummen....

Spielen müssen wir natürlich trotzdem, schließlich soll unser Stammknipser nicht der einzige bleiben, der in der Ligenpyramide nach oben klettert.

Der November beginnt dabei mit einem 2:0-Auswärtssieg bei Koeppchen Wormeldingen, wodurch wir in die 3. Runde des Coupe de Luxemburg einziehen.
Als die Auslosung vorbei ist, wissen wir nicht so recht, ob wir uns freuen oder fluchen sollen - denn unser Gegner wird erneut die AS Jeunesse de Esch sein. Immerhin dürfen wir wieder zuhause antreten.
(In Luxemburg gibt es kein automatisches Pokal-Heimrecht für Amateurvereine ... was natürlich so ein bißchen auch damit zu tun hat, dass es einfach mal keinen einzigen vollprofessionellen Club im Großherzogtum gibt. Auch die Vereine der ersten Liga sind sämtlich semiprofessionell.)

Die Aussicht auf ein erneutes Duell mit dem früheren Rekordmeister scheint die Mannschaft zu schocken, denn aus den beiden folgenden Heimspielen gegen FC Residance und den FC Koerich holen wir wieder nur insgesamt einen Punkt. Die Verfolger haben uns nahezu eingeholt, der Vorsprung auf den dritten Rang ist auf kümmerliche 2 Punkte zusammengeschrumpft.

Dankenswerterweise dürfen wir dann auswärts bei Syra Mensdorf im Coupe FLF schalten und walten, wie wir wollen. Die Gastgeber wollen unbedingt den Aufbaugegener spielen und wir sagen mit Volldampf "danke". Mauro Dargolovcanin untermauert mit einem Dreierpack seine Extraklasse, Rodriguez Sanchez steuert zwei Treffer und zwei Assists zum 6:1 bei.



Aporopos Rodriguez Sanchez - auch um unseren kreativen Mittelfeldkopf ranken sich Gerüchte über Gerüchte. Mit etwas Pech dürfen wir im Wintertransferfenster wieder komplett neu aufbauen.
Ich kann die Erstligisten aber auch verstehen, die an unserem Topvorbereiter dran sind - der Junge ist bei Licht betrachtet viel zu gut für die vierte luxemburgische Liga. (Und auch für die dritte oder zweite.)



Vorerst gibt es aber keine weiteren bestätigten Wechsel und wir nutzen - das Duell gegen Jeunesse Esch schon im Hinterkopf - die Generalprobe gegen Miniere Lasauvage, um uns noch einmal Selbstvertrauen zu holen. 4:0 heißt es am Ende in einem Spiel, das mit "einseitig" noch wirklich wohlwollend umschrieben ist. Lasauvage bekommt in 93 Minuten nicht einen einzigen Schuß auf unser Tor gebacken - wir dagegen spielen uns Chancen für fünf Siege heraus.

Und dann, am 18.12., ist unser Stadion wieder mal ausverkauft. Gelbschwarz gastiert im Stade Aspelt.
letztes Jahr waren wir ja durchaus nah dran an einer Sensation - was geht diesmal?

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Im letzten Spiel des Jahres schlagen wir Moutfort-Medingen mit 5:2 und beenden das Fussballjahr 2035 daher mit 8 Punkten Vorsprung auf einen Nichtaufstiegsplatz.



Mit Beginn des Transferfensters verlassen uns wie angekündigt Marquez und Mauro Dragolovcanin, auch sein Bruder Jerome ist in fortgeschrittenen Verhandlungen mit Alliance Aischdall.

Wir reagieren und holen zwei neue Stürmer mit Stammelf-Anspruch - Stevan Vujandinovic als Wühler und Emiliano Shiba als Zielspieler.
Außerdem zurren wir - allerdings leider erst kurz nach Schließung des Transferfensters - die Verpflichtung einer neuen Nummer 1 fest. Stammkeeper da Silva ist zwar, wenn fit, ein solider Rückhalt, aber leider ist er mit seinen 33 jahren immer öfter verletzt und wir dadurch gezwungen, mit Teixeira einen sehr unerfahrenen und in seinen Leistungen sehr schwankenden Torhüter einzusetzen.
Jean-Michel Mahe ist zwar auch erst 22, bringt jedoch die Empfehlung von 65 Zeit- und Drittligaeinsätzen sowie einer Ausbildung bei F91 Düdelingen mit.

Der Januar bringt außerdem noch eine Entscheidung mit sich - ich werde vorerst von meinem Posten beim "Frisinger Ladboten" beurlaubt. Meine Beschwerden halten sich in sehr engen Grenzen, ich habe sowieso jede Deadline gerissen und bisher in anderthalb Jahren ganze drei Artikel abgegeben.
Deutlich zuwenig - selbst für ein Klatschblatt wie den "Boten".

Wie gesagt, ist mir eigentlich erstaunlich egal, wichtiger ist mir aktuell sowieso der Verein.
Wir haben im Januar nur drei Pflichtspiele - je eins pro Wettbewerb.
In der Liga distanzieren wir unseren ärgsten Verfolger Tricolore Gasperich (ja, beide Aufsteiger stehen auf den ersten Plätzen!) mit einem schwer erkämpften 2:0 und stehen nach einem 2:1 gegen den FC Rodange im Halbfinale des Coupe FLF.
Im "großen" Pokal können wir nach der Sensation gegen Esch nicht noch einmal überraschen und verlieren in Differdingen glatt und verdient mit 0:2. Die 8000€ Einnahmen trösten aber ganz ordentlich.
Und als Viertligist im Viertelfinale des Pokals ... da fällt uns so schnell auch kein anderer Verein ein, der das geschafft hätte...
Wir sind mit dem bisher Erreichten jedenfalls sehr zufrieden.



Der Februar bringt drei Pflichtspiele, drei Siege und 11:1 Tore.
Wir biegen damit endgültig auf die Zielgerade Richtung Dritte Liga (bzw Division 1) ein.
Mit unserem Erfolg wächst auch das Medieninteresse - immer öfter können wir zu Heimspielen ein, zwei Volontäre von Luxemburger Zeitungen begrüßen, die durchaus wohlwollende Zweizeiler über unsere Spiele schreiben.



Im März fallen zwei Entscheidungen.

Die erste: wir steigen auf! Durch die beiden Siege gegen Munsbach und CS Sanem sind wir auch rechnerisch nicht mehr von einem der beiden Aufstiegsplätze zu verdrängen, das Unentschieden gegen CS Oberkorn ist im Nachinein bedeutungslos.

Und die zweite: stehen zum ersten Mal seit 80 Jahren im Finale um den Coupe FLF.
Sporting Mertzig ist auswärts allerdings die erwartet harte Nuss.
Wir fangen uns gleich in der Anfangsphase das 0:1, dem wir bis fast zum Schluß hinterherrennen, bevor ein Zauberfreistoß von Rodriguez Sanchez uns in der 82, erlöst. In der folgenden Verlängerung sehen wir nach einem Tor von Almeida schon wie die Sieger aus, nur um kurz vor Ende doch noch das 2:2 kassieren.
Also Elfmeterschießen.
Und dort zeigt da Silva nochmal, warum er seit zwei Jahren unser Stammtorhüter ist - und pariert den entscheidenen Elfer.



Und noch etwas dürfen wir im März bestaunen - der erste unter der Federführung von Ben Musliu geformte Jugendspielerjahrgang.
Musliu hat ein fantastisches Auge sowohl für die Rekrutierung als auch die Ausblidung der Jungspunde bewiesen und so können wir zwölf von sechzehn U-Spielern in die U19 übernehmen, darunter mit Frederic Theis einen potentiellen neuen Stammspieler für die Erste.


(Die grün hinterlegten Spieler hab ich übernommen, die 4 nicht markierten dagegen nicht. In der Liga, in der ich aktuell spiele, kann ich zwar nicht alle geplanten Vorgaben schon umsetzen, einfach weil die Spieler noch deutlich zu schwach sind - aber Determination ist mir zu wichtig, um Spieler mit einem Wert von 4 o.ä. in den Kader zu holen.)


April. Die Saison biegt endgültig auf die Zielgerade ein, für uns sind die Spiele sowohl Schaulaufen als auch Vorbereitung auf das erste Pokalfinale, dass die Red Boys seit 85 Jahren spielen.
Die beiden Spiele bringen keine neuen Erkenntnisse für uns Trainer - außer dass Vujadinovic/Shiba genausogut harmonieren wie die Dragolovcanin-Brüder vor ihnen.
Jerome steht übrigens auch weiterhin im Kader, hat nach der Winterwechselposse allerdings seinen Stammplatz verloren und ist nur noch erste Wechseloption.



Und dann ist der 3.Mai schon da.
Finale im Coupe FLF, FC Red Black gegen Red Boys Aspelt
.
Die Zeitungen haben den FC Red Black vor dem Spiel als leicht favorisiert angesehen, da auch die Hauptstädter eine sehr gute Saison gespielt und den Aufstieg in die Zweite Liga (die Eirepromotion) gesichert haben.
Im Spiel selbst ist von dieser Favoritenrolle jedoch nichts zu sehen.
Die Red Boys Aspelt haben das Spiel jederzeit komplett im Griff und gewinnen folgerichtig ihren ersten Pokal seit 1951.



Mann des Tages ist zum werweißqwievielten Male in dieser Saison Santiago Rodriguez Sanchez, der beide Tore zum 2:0 vorbereitet.
Unser Präsident freut sich über das höchste Preisgeld, das der verein je einstecken durfte:



Und die restlichen beiden Saisonspiele sind nur noch Grinsebackenveranstaltungen - und bei einigen Spielern auch wieder Abschiedsspiele, denn auch diesmal werden wieder einige Spieler den Verein verlassen.




Am Saisonende sieht unser Kader zunächst einmal so aus:



Stammkeeper da Silva verletzt sich allerdings im finalen Auslaufen vor dem Urlaub bei einem Sturz so schwer an der Hüfte, dass er wahrscheinlich 8-10 Monate ausfallen wird.
Geschockt von dieser Neuigkeit, gibt er am Tag darauf sein Karriereende bekannt.


Die Standardtaktik, mit der wir jedes Spaisonspiel in allen Wettbewerben begonnen haben, sieht so aus:



Und der Trainer, der für die fabelhaften beiden letzten Saisons mitverantwortlich ist, hat durchaus einiges an Erfahrung und Kompetenz gewonnen.


Nachtrag:
Ganz am Ende, die Saison ist quasi bereits beendet, gibts noch eine typische Provinzposse in drei Akten zu bestaunen.

Akt 1:
Der Vorstand kommt auf mich zu und möchte Verbesserungen im Verein diskutieren - man möchte den Verein auf ein semiprofessionelles Niveau hieven.

Akt 2:
Im Gespräch votiere ich vehement gegen diese Umstellung, da eine Liga höher keine besseren Einnahmen zu erwarten sind, die Kosten für Antrittsprämien etc jedoch horrend und nicht zu stemmen sein werden.
Ein solch voreiliger Schritt könnte uns daher finanziell schwer schaden, selbst wenn wir wieder den Coupe FLF gewinnen sollten(was ja beileibe kein Selbstläufer ist!).
Der Vorstand stimmt meinem Alternativvorschlag, stattdessen die Nachwuchsrekrutierung zu verbessern, zu.

Akt 3:
Am nächsten Morgen erfahre ich aus der Presse, dass der Verein semiprofessionell wird. Vom Nachwuchs keine Rede mehr.
Kannste Dir nicht ausdenken.

Diese Änderung läßt mich der neuen Saison mit einem sehr flauen Gefühl wieder m Magen entgegensehen.
Und das wird auch nicht besser, als Präsident Kümmernich als Reaktion auf meine Bedenken nicht mehr zu sagen hat als ein "Papperlapapp! Hören Sie auf, sich über Dinge den Kopf zu zerbrechen, von denen Sie sowieso keine Ahnung haben."
Damit wird aus dem flauen Gefühl ein ausgewachsenes Magengrummeln...
« Letzte Änderung: 17.Januar 2023, 12:57:24 von Achtelprofi »
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Klasse Saison, Glückwunsch zum quasi Double.
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1. Division, Serie 2 - Saisonvorbereitung 2036/2037


Es brodelt.
Und zwar richtig.
Ich gebe mir zwar alle Mühe, die Umstellung auf einen semiprofessionellen Status mit der nötigen seriösen Arbeitseinstellung hinzunehmen, aber es will und will mir einfach nicht gelingen.
Mit dieser einen Aktion hat der Herr Präsident - auf seinem Mist ist das nämlich gewachsen, wie mir seine Sekretärin unter der Hand zuflüstert - mal so eben unsere gesamte Sommerpause ruiniert.
Und mit etwas Pech auch langfristig richtig Schaden angerichtet.
Die Umstellung bedeutet nämlich, dass wir ab sofort Prämien zahlen müssen (ohne Einnahmen zu haben), aber andererseits weiterhin keine Verträge mit Laufzeit schließen können.
Und das heißt, dass uns Spieler, denen wir vielleicht drei Monate lang für jedes Spiel 20€ plus 5 weitere für jedes Tor zahlen sollen, von einem Tag auf den anderen verlassen können.
Kosten ohne längerfristigen Nutzen, sozusagen.

Und es sind nicht nur die Spieler.
Mein wunderbarer Co-Trainer William Rosa verlangt vom Vorstand, nunmehr ein Gehalt zu bekommen. Ich bekäme ja neuerdings auch Kohle.
Es sind eigentlich symbolische 600€ Aufwandsentschädigung plus freie Kost und Logis, aber im Grundsatz hat er recht, er arbeitet nämlich komplett ehrenamtlich.
Der Präses fragt Rosa also, was er sich denn konkret für eine Summe vorgestellt habe. Rosa nennt eine Zahl, der Präses kippt vom Stuhl und muß mühsam wiederbelebt werden.
Am Ende einigen die beiden sich darauf, dass mein Co-Trainer noch so lange ehrenamtlich weiterarbeitet, bis er einen anderen Verein gefunden hat und dann ohne große Vorwarnzeit gehen darf.

Super.
Danke, Chef.

Mit den Spielern ist es das gleiche - als die einmal spitzbekommen haben, dass der Verein neuerdings Prämien zahlt, reiben sie sich die Hände ... und stellen Forderungen an mich.
Rodriguez Sanchez schießt dabei den Vogel ab - er verlangt ungeheuerliche 200€ allein an Antrittsprämie.
Pro Spiel, versteht sich!
Ich mache ihm klar, dass er - wenn überhaupt - mit fünf Prozent dieser Summe rechnen kann ... zack! Nächster Unzufriedener.

Dabei grummelt sowieso schon die Hälfte der Mannschaft, weil ich nach dem Abgang unseres Kapitäns da Silva nicht den ihnen genehmen Kandidaten als Ersatz benannt habe, sondern Arbeitstier Sergio Ferreira.

Die nächste Baustelle tut sich dann nicht ganz unerwartet auf den Außenpositionen unserer Abwehrkette auf, wo drei von vier drittligatauglichen Spielern innerhalb einer Woche ihre Koffer packen und in die Eirepromotion bzw die dritte französische Liga abwandern.
Abwehrchef Muhovic und Mittelfeldabräumer Muller folgen einige Tage später.

Für keine dieser Positionen haben wir auch nur annähernd gleichwertigen Ersatz im Verein, also schicken wir in bewährter Manier die beiden Scouts los und ich lasse in einem Interview den Halbsatz fallen, dass wir womöglich einen oder zwei Abwehrspieler suchen.

Die Resonanz ist ganz ordentlich - aber wir können uns keinen von den Bewerbern auch nur im Ansatz leisten.
Unser Kontostand beträgt knapp 40.000€, was für einen luxemburgischen Amateurverein gar nicht mal so übel ist.
Aber wir nehmen pro Ligaspiel höchstens 100€ netto ein. Wenn wir jedem Spieler der Startelf jeweils 80-150€ Antrittsprämie zahlen sollen, braucht man kein Mathestudium, um den Fehler in der Rechnung zu finden.

Also Plan B. Und der lautet: wir nehmen unsere Jugendspieler - egal, ob sie für die Aufgabe schon gut genug sind oder nicht. Die verlangen nämlich durch die Bank nicht mehr als 6€ Antrittsprämie, bewegen sich also im Budget.
Was anderes zählt momentan nicht.

Apropos Jugendspieler.
Ich werde mal wieder beim Präsidenten vorstellig und versuche ihn dazu zu bewegen, ein paar hundert Euro pro Jahr mehr lockerzumachen, um unsere Jugendausbildung zu verbessern.
Meine, wie ich finde, bestechend logische Begründung: durch die Umstellung auf Prämienzahlung sind wir mehr denn je darauf angewiesen, unsere Abgänge mit kostengünstigen Alternativen aus der Jugend zu ersetzen, weil kein externer Zugang für 10€ pro Spiel zu uns wechseln will.
Die Antwort des Präsidenten fällt unzivilisiert aus - eventuell auch bedingt durch einen enormen Kater nach einem etwas aus dem Ruder gelaufenen "Arbeitsessen" mit seinem Bruder, einem lokalen Baulöwen und drei "Protokollführerinnen", die sich weniger durch Schreibfleiß und mehr durch im Laufe des Abends rapide fortschreitenden Kleidungsschwund auszeichnet haben sollen (wenn man denn dem örtlichen Klatsch glauben mag).
Vereinfacht zusammengefaßt teilt er mir mit, dass ich ihn mal im Mondschein besuchen kommen könne und dass er eh Wichtigeres zu tun habe.

Ich - sowieso in allerbester Stimmung wegen der Veränderungen im Verein - werde möglicherweise etwas laut und frage ihn höflichst (glaub ich zumindest), ob er noch alle Kirschen auf der Torte hat?!
Er teilt mir freudestrahlend mit, dass ich jederzeit gehen könne, wenn es mir im Verein nicht mehr gefällt, ich gehe ihm eh seit Wochen auf den Geist mit meiner Querulanz. Rosa habe sowieso gestern seine Kündigung eingereicht, da könne er ja gleich mal einen richtigen Neuanfang starten.

Ich stehe einen Augenblick wie vom Donner gerührt da, dann setze ich dazu an, ihm mal ungeschminkt die Meinung zu geigen über das, was er seit dem Saisonende so verzapft hat und was das für Folgen für den Verein hat.
Ab da wird meine Erinnerung etwas trüb.

Als ich wieder klar denken kann, stehe ich - mit einem Koffer in der Hand, der alle meine Habseligkeiten enthält - am Frisinger Bahnhof und bin arbeitslos. In meiner Tasche finde ich später übrigens die Kopie einer in erregungsbedingt zittriger Handschrift verfaßten und von mir unterzeichneten Kündigung. Als Begründung hab ich offenbar "nachhaltige Störung des Vertrauensverhältnisses" eingetragen.)

Mist! Und nu?
Innerhalb von fünf Minuten reift ein Entschluß in mir und ich greife zum Telefon.
Ich hatte Herrn Tesch zwar im Winter abgesagt, aber ...

"F91 Düdelingen, Sportvorstand Tesch, guten Tag?"
"Oh hallo Herr Tesch, hier ist Lavayeux."
"Wer sind Sie bitte?"
"Lavayeux, Gerard Lavayeux. Trainer der Red Boys Aspelt. Oder ... äh ... naja, Ex-Trainer."
"Ach, SIE sind das! Hallo mein Lieber, was kann ich denn für Sie tun?"
"Nun, ich wollte fragem ob Sie vielleicht eine Stelle für mich..."
"Oh, das tut mir sehr leid, aber nachdem Sie vor ein paar Monaten so entschieden abgelehnt haben, sind inzwischen alle Stellen mit anderen Personen besetzt worden - Personen, die es als große Chance und Ehre angesehen haben, hier in Düdelingen zu arbeiten. Das verstehen Sie sicher?
"Ja, natürlich. Danke trotzdem, Herr Tesch. Wiederhören."

Sch...
Naja, war eh 'ne Schnapsidee.
Theoretisch könnte ich natürlich Alois Kümmernich - also den Herausgeber des "Landboten" - fragen, ob ich wieder in meinen alten Job zurückkann.
Aber erstens hab ich so eine Ahnung, was der eine Bruder davon hält, dass ich den anderen Bruder mit Kraftausdrücken bedacht habe, an die ich mich nichtmal erinnern will.
Und zweitens muß ich gestehen, dass ich so ein wenig Blut geleckt habe in Bezug auf den Trainerberuf.
Bis auf die letzten Wochen war das echt die beste Zeit meines Lebens.

Vielleicht findet sich ja ein anderer kleiner Verein in Luxemburg, der meine Dienste in Anspruch nehmen mag?
Ich verlang ja auch nicht viel im Gegenzug - nur Kost, Logis und 20€ in der Woche...


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Ex-Achtelprofi


“Goodness is about what you do. Not who you pray to.” (Terry Pratchett)

Lavayeux' Europatour - Die Geschichte eines Luxemburgers

BluePenguin

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Na das ist ja ein abruptes Ende in Aspelt gewesen. Hätte gerne gesehen wie du die Probleme mit den Verträgen gelöst hättest.
Bin gespannt auf die neue Station wo du ja jetzt häufiger Gelegenheit hast deinen Ruf als Angstgegner beim Rivalen zu verfestigen :)
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Lancelot

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Wieder ein toll geschriebenes Update von dir, danke dafür.
Das fasziniert mich so an dieser Story, du schaffst es aus einer Kleinigkeit einen Bericht mit wievielen? 5.000 Worten zu bauen. Ich käme sonst im Traum nicht auf die Idee mich für Luxembourg zu interessieren, doch so tue ich es und werde sogar noch weiter gebildet. 


Die Tatsache an sich hast du im Spoiler erklärt, so passiert mir das auch meistens. Ich will etwas, werde bockig und dann eskaliert es. Aber daraus so ein Update zu zaubern, ich bin immer noch begeistert und fühle mich bestens unterhalten. Noch einmal Danke dafür.
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