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Autor Thema: [FM 20 bis 24] Lavayeuxs Europatour - Die Geschichte eines Luxemburgers  (Gelesen 48331 mal)

DrAlu

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Sehr schade, dass die Zeit bei Winterthur beendet ist, aber nun bin ich sehr gespannt wohin es dich nun verschlägt. Ich würde es mir ja wünschen wenn du bei BK Frem oder B1903 landest als große Vereine der Vergangenheit in Dänemark.
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Muffi

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Genial! Kannst du das Managen nicht lassen und nur noch solche Passagen zum Besten geben?  ;D
Nein, im Ernst, ich habe mich köstlich amüsiert, gern mehr davon.

Mein erster Gedanke war auch Lyngby Kopenhagen. Der Druck sollte eher gering sein und dort hast du gute Voraussetzungen um etwas aufzubauen.   :)
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knufschu

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Wortakrobatik im MTF! Herrlich! Bin gespannt, was aus dem zufälligen Treffen am Bahngleis erwächst.
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Noergelgnom

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Eine Stunde später.
Wir sitzen in Valby, einem der besseren Kopenhagener Viertel, in einem schmucken kleinen Konferenzraum, der in einem ebenso schmucken kleinen zweigeschossigen gebäude untergebracht ist, das neben einem - Überraschung! - schmucken gar nicht mal so kleinen Stadion namens Valby Idrætspark liegt.
"Wir", das sind eine überaus attraktive junge Blondine namens Svea Jensen, ein drahtiger, braungebrannter, etwa fünfzigjähriger Blondschopf (mit ersten grauen Strähnen) namens Per Ole Jensen und ein immer noch relativ junger braungelockter Luxemburger, der nicht so recht weiß, was ihn hier eigentlich erwartet.
Was eine Handvoll leiser Stimmen im einem der Hinterzimmer seines Kopfes allerdings nicht daran hindert, wie kleine Jungs umherzutollen und dem armen Gerard immer wieder den gleichen völlig deplazierten Gedanken an den Rand des Bewußtseins zu schubsen:
"Los, hol Dir ihre Telefonnummer! Die Telefonnummer! Los, jetzt, mach schon, frag sie!"

Es nervt unsagbar.
Ich bin doch nicht hier, damit sich die unteren Stockwerke meines Körpers mit den niveauloseren Teilen meines Stammhirns verbünden und 'ne Hormonparty feiern!


Aber so sehr ich es auch zu ignorieren versuche, ich ertappe mich immer wieder dabei, wie ich zu Svea rüberlinse, die zum Glück davon nichts mitbekommt (oder vielleicht auch nur daran gewöhnt ist, von Mittdreißigern angestarrt zu werden und sich nichts anmerken läßt ...).

Ist insofern dennoch peinlich, als ich in solchen Momenten regelmäßig den Faden im Gespräch zu verlieren drohe.
Und das ist gelinde gesagt ungünstig.

Denn Papa Jensen hat zwar - genauso wie seine Tochter - bereits von mir gehört... aber blöderweise ist ihre Hauptquelle der Information ein im Englandurlaub gelesener Artikel im "Blackpool Observer" gewesen, in dem sich ein gewisser Klaus Müller-Lüdenscheidt (der verfolgt mich, der Mistkerl!) kurz nach seinem Amtsantritt beim Blackpool FC des langen und breiten über seine eigene Genialität ausließ. Und darüber, wie deutlich er mit Düdelingen den von Gerard Lavayeux trainierten CS FOLA Esch hinter sich gelassen hatte.

Glücklicherweise habe ich meinen Laptop dabei und kann den beiden Dänen mit drei Klicks zeigen, dass es sowohl in Luxemburg als auch in der Schweiz auch komplett andere Meinungen zu meiner Tätigkeit gibt.
Und jetzt sprechen wir eigentlich gerade darüber, ob ich eventuell ein guter Ersatz für den abgesprungenen Daniel Ganther wäre, um den Verein zu trainieren, den Herr Jensen als Präsident vorsteht, während Tochter Jensen die Teilzeitsportdirektorin mimt.
Ja, da hab ich schon ein bißchen geschluckt, als ich das gehört hab, muß ich zugeben.
Nicht, dass ich ihr nicht zutraue, einen Sportverein zu managen - so antiquiert sind meine Vorstellungen vom weiblichen Geschlecht nun wirklich nicht! - aber das erhöht den Druck, einen guten Eindruck zu hinterlasen, doch enorm.
Die pubertären Instinkte im Hinterzimmer versuchen mir nachdrücklich einzureden, dass durch diese Konstellation die Wahrscheinlichkeit steigt, zusammen Überstunden machen zu müssen und ...
... Mist, jetzt hab ich schon wieder den Faden verloren!

"Entschuldigen Sie bitte, Herr Jensen, ich war gerade kurz abgelenkt ... von dem Wappen Ihres Vereins." *hüstel*
Grinst der etwa spöttisch?!
"So, was hat Sie denn da so abgelenkt, Herr Lavayeux?"

Der grinst tatsächlich spöttisch! Und der Unterton seiner Frage ist entschieden süffisant. Mist!

"Ich ... äh .... also  das klingt jetzt vielleicht ein bißchen seltsam... " (und ob!) "...aber dieses sehr präsente Kreuz im Wappen ... ist der Verein möglicherweise christlich geprägt?"
(Boah, Gerard, Du Trottel! Was ist das denn für eine Frage?! Und was spielt das für eine Rolle?)

Jensen senior schmunzelt.
"Nein, keine Sorge. Das Kreuz ist Teil der Vereinstradition, aber wir sind kein christlicher Verein."

"Das ist ... gut." *Nachdrückliches Nicken meinerseits, um die Idiotie meiner Frage eventuell damit vergessen zu machen.
"Ich bin nämlich ... äh ... Atheist, wissen Sie?"

"Verstehe. Und würde es Ihnen unser Wappen unmöglich machen, hier zu arbeiten, wenn wir christliche Werte wie Nächstenliebe und Pazifismus hochhielten?"

"Äh ... nein, natürlich nicht, ich ... äh ...."
Ich seufze.
"Bitte entschuldigen Sie, ich bin heute irgendwie nicht so richtig auf der Höhe.
Jetzt grienen beide über alle Backen.
"Das ist deutlich."

Papa Jensen wird aber schnell wieder ernst.
"So, aber nu mal Butter bei de Fische. Wir freuen uns natürlich, dass Sie Interesse daran zeigen, diesen Verein zu trainieren und dass Ihnen die Herausforderung interessant genug erscheint, um grob gesagt für Kost und Logis zu arbeiten, ehrt Sie ebenfalls.
Aber ..."
'Oh Gott, jetzt kommts!', denke ich, ohne auch nur zu ahnen, was ich befürchte, was jetzt kommen könnte.

"... aber, Herr Lavayeux: wer garantiert uns, dass Sie nicht binnen kurzer Zeit wieder die Lust verlieren? Sie haben schon zweimal in Ihrer noch kurzen Karriere einen Trainerjob hingeworfen und das ist etwas, was wir hier überhaupt nicht gebrauchen können!"

Ich nicke und gebe den immer noch am Rand des Bewußtseins rumlungernden Pubertärgedanken einen metaphorischen Tritt.
"Ich verstehe Ihre Bedenken und möchte da gern ein, zwei Sätze zu verlieren, wenn es recht ist."
"Selbstverständlich, deswegen habe ich ja gefragt."

"Die beiden Situationen muß man getrennt betrachten, Herr Jensen. In Aspelt hat das Präsidium mit mir etwas abgesprochen und dann hinter meinem Rücken das exakte Gegenteil davon getan. Ich bin niemand, der unerfüllbare Forderungen an einen Verein stellt und ich verstehe, dass es in jedem Club kleinere und größere Sachzwänge gibt, die die Handlungsmöglichkeiten einschränken. Damit habe ich keine Probleme.
Was ich dagegen zugegebenermaßen nur schwer ertragen kann, ist das Gefühl, hintergangen und belogen zu werden. Solange der Umgang innerhalb des Vereins von Vertrauen und Ehrlichkeit geprägt ist, kann ich meine Hand dafür ins Feuer legen, dass sich Aspelt nicht wiederholt."

Die Jensens nicken, ob skeptisch oder zustimmend, kann ich nicht hundertprozentig einordnen.

"In Winterthur dagegen habe ich den Rücktritt gewählt, weil mir bereits nach einem Viertel der zweiten Erstligasaison klar wurde, dass die Mannschaft einen Impuls von außen benötigt - und diesem Impuls wollte ich nicht im Wege stehen. Ich bin einmal mit der Mannschaft wieder runter in die Challenge League gegangen und ich hätte es auch wieder getan, wenn ich das Gefühl gehabt hätte, dass ich der ideale Trainer in der Situation bin. Dieses Gefühl hatte ich nicht mehr. Und sowohl Teile der Mannschaft als auch Teile der Vereinsführung waren der gleichen Ansicht. Andere wiederum wollten an mir festhalten.
Ein Verein in akuter Abstiegsgefahr benötigt jedoch nichts mehr als absolute Geschlossenheit vom Präsidenten bis zum Greenkeeper. Wenn das nicht gegeben ist und sich zum Beispiel an der Person des Trainers Konflikte entzünden, dann sollte dieser beiseitetreten, wenn die Konflikte nicht anders gelöst werden können."

Die Jensens nicken wieder, diesmal ziemlich eindeutig zustimmend.
Dann ergreift Svea das Wort:
"Herr Lavayeux. gesetzt den Fall, Sie bekommen den Job - was wäre Ihre Vision für unseren Club?"

"Nun, abhängig vom aktuellen Kader würde ich spätestens im nächsten Jahr den Aufstig anpeilen - nach dem, was Sie mir bisher erzählt haben, gehört der Club mittelfristig sowieso wieder in die erste Liga. Es ist jetzt exakt einhundert Jahre her, dass der Verein den letzten Meistertitel gewonnen hat.
Wenn das kein guter Startpunkt ist, um die Tristesse der dritten Liga hinter sich zu lassen und nach Höherem zu streben, wann dann?"

Nicken. Dann spielt plötzlich ein feines Lächeln um ihre Mundwinkel.
"Letzte Frage: Sehen Sie sich in der Lage, sich mit mir als Ihrer Vorgesetzten professionell auf Ihre Arbeit zu konzentrieren?"

Sch...! Sch..., sch..., sch...! Sie hat es doch mitbekommen!
Vater Jensen prustet - der hatte es also auch bemerkt!
Na super!

Ich werde innerhalb eines Sekundenbruchteils knallrot, stammele kurz wie ein ertappter Pennäler, nehme dann meine ganze Selbstbeherrschung zusammen und nicke.
"Ja."

Die beiden tauschen einen amüsierten Blick, dann streckt sie mir ihre Hand entgegen.
"Sie sprachen ja davon, wie wichtig Vertrauen und Ehrlichkeit sind - und wir sind bereit, Ihnen dahingehend einen gewissen Vorschuß zu geben.
Enttäuschen Sie uns nicht."

Ein kräftiger Händedruck von ihr, ein noch viel kräftigerer von ihrem Vater.
"Willkommen an Bord, Herr Lavayeux."


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« Letzte Änderung: 20.März 2023, 22:49:33 von Achtelprofi »
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“Goodness is about what you do. Not who you pray to.” (Terry Pratchett)

Lavayeux' Europatour - Die Geschichte eines Luxemburgers

Bayernfahne

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Da hätte der alte Lava-Lüstling seinen neuen Job doch fast nochmal in die Binsen gesetzt, geniales Intro!  ;D Dänemark finde ich sowieso klasse und dass es jetzt von der dritten Liga aufwärts gehen soll, gefällt mir auch! Recht haste, Feyenoord wäre wohl ein zu großer Schritt, hab mich da vielleicht auch etwas von den sonstigen Jobangeboten blenden lassen. Dann mal viel Erfolg beim BF Katholikenhagen!  ;D
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Ich kann, dass ich nichts kann.

Lancelot

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Wenn man sich mit Dänemarks Fußball beschäftigt sieht es auf den ersten Blick häufig so aus als wenn der erst 1991 begonnen hätte. Was aber bei weitem nicht stimmt. Dänemarks Verband ist einer der ältesten der Welt. Und auch in seinen frühen Jahren einer der erfolgreichsten. Verantwortlich dafür u.a. ein gewisser Sophus Nielsen. Jetzt wird´s schon etwas speziell, Sophus schaffte vier Jahre vor Gottfried Fuchs 10 Tore in einem olympischen Fußballspiel. Und jener Sophus spielte für FREM. Keine Bange er wird dir dort nicht begegnen, höchstens als Geist. Sophus spielte auch für Holstein Kiel und führte die bis ins Halbfinale der deutschen Meisterschaft, dem größten Erfolg der Kieler bislang.
Doch zurück zu FREM, eine wirkliche Traditionsmannschaft und das finde ich gut. Wenn ich es richtig weiß, Gründungsmitglied der 1. Liga. Auf FREM muss man erstmal kommen, meinen Glückwunsch zu der Wahl.


Wie du uns das verkaufst ist wie meine Vorredner schon sagten äußerst speziell und damit Klasse. Ich bin gespannt was da abgehen wird. FREM muss in die Superligen und nicht nur das, ist ja jetzt schon klar das wir eine Hochzeit erleben wollen.  :)
So und nun genug gequatscht, hau in die Tasten.
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DrAlu

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Sehr, sehr cool. Da freue ich mich richtig drüber. Ein Verein der weit oben auf meiner Liste der zu trainierenden Teams steht. Einfach ein Verein mit so großer Geschichte, der dringen darauf wartet aus seinem Donröschenschlaf aufgeweckt zu werden. Dann hoffe ich mal das Herr Lava genau der richtige Mann ist um diesen großen Verein aufzuwecken. Viel Erfolg beim BK Frem!
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4Ramos

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Gute Vereinswahl, aber ob dir da nicht deine Gefühle im Weg stehen :D Oder am Ende führst du den Verein ins Glück und du findest auch dein Glück? :)
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t.oelpel

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Scheint eine spannende Aufgabe zu sein. Den Club kannte ich bislang überhaupt nicht. So wäre es mir allerdings mit jedem anderen dänischen Club der zweiten oder dritten Liga gegangen.

Was wird das denn für ein Songtitel? Ich tappe im Dunkeln und außer "Fram Zero to Hero" will mir nichts einfallen.
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Bayernfahne

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Was wird das denn für ein Songtitel? Ich tappe im Dunkeln und außer "Fram Zero to Hero" will mir nichts einfallen.

Ich schätze mal, es ist "Deny the Cross"  ;) (von Overkill)
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Ich kann, dass ich nichts kann.

Noergelgnom

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« Letzte Änderung: 21.März 2023, 15:12:42 von Achtelprofi »
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“Goodness is about what you do. Not who you pray to.” (Terry Pratchett)

Lavayeux' Europatour - Die Geschichte eines Luxemburgers

shortknife

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Dänemark ::), okay, ist ja jetzt nicht so mein Ding ;). und dieser Frem…Ko… wie hiess der nochmals….musste zuerst mal Googlen :D. Im Realen sind die aber ganz bös in der scheis…. :o. da hoffen wir doch das der Lava… das besser kann…
Lese natürlich gerne mit, schon nur der Story wegen…. :)
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Schweizer, Trainer einer Juniorenmannschaft, ehemaliger U-16 Nationalspieler der Schweiz.

Muffi

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Wieder ein geniales Intro, das ist nicht nur speziell sondern einfach genial zu lesen.

Auf BK Frem wäre ich echt nicht gekommen, ich bin gespannt wie du dich dort schlagen wirst, sowohl in der Trainertätigkeit, wie auch im Privaten des Herrn Lavayeux  ;D
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Lancelot

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Ob wir wohl noch ein Osterupdate bekommen?
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Noergelgnom

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« Letzte Änderung: 06.April 2023, 20:38:39 von Achtelprofi »
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Lavayeux' Europatour - Die Geschichte eines Luxemburgers

Noergelgnom

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Boldklubben Frem København


Anfang Juli 2044, Valby, Kopenhagen

Gegründet 1886.
Fussball seit 1887.
Ununterbrochen.

Viel mehr (Fussball-)Tradition wird man außerhalb der Insel schwerlich finden, auch wenn es natürlich noch eine Handvoll Vereine gibt, die nominell noch älter sind.
Aber wenn man die "Mogelpackungen" wie den SSV Ulm 1846 (Fussball erst ab 1893), den TSV 1860 München (Fussball erst ab 1899) et cetera mal außer acht läßt - also all diejenigen Vereine, die zwar uralt sind, aber eben in den ersten Jahr(zehnt)en des Bestehens exakt null Fussballer im Verein hatten, von kompletten Mannschaften oder gar ausgetragenen Spielen ganz zu schweigen - dann bleiben nicht viele.
Der FC. St. Gallen in der Schweiz, okay. Gesichertes Bestehen als Fussballverein seit 1879, Hinweise auf regelmäßiges Fussballspielen sogar schon ein paar Jahre vorher.
Und natürlich - damit nähern sich meine Gedanken meinem jetzigen Arbeitsplatz - der Kjøbenhavns Boldklub, gegründet 1876, organisierter Fussball seit 1879.
Der Club nimmt denn auch vollmundig für sich in Anspruch, der älteste noch bestehende Fussballverein außerhalb der Britischen Inseln zu sein.

Dumm nur, dass seine erste Mannschaft nicht mehr eigenständig existiert, sondern im Jahre 1992 in einer Art Fusion den Spielbetrieb der ersten Mannschaft mit dem des Boldklubben 1903 zusammenlegte. Die Jugendmannschaften der beiden Ursprungsvereine sind weiterhin eigenständig und existieren als eine Art dänische FC Lieferings unterklassig weiter, mit dem Ziel, gute Jugendspieler für den FC Kopenhagen auszubilden.
Ein eher dubioses Konzept, wie ich finde, das mich - wie gerade flapsig angedeutet - entfernt an die Red-Bull-Strategie erinnert.

Und es ist ein Konzept, das in Dänemark durchaus häufiger angewandt worden ist, wie ich in den ersten Tagen meiner Tätigkeit bei BK Frem feststelle.
Svea Jensen, die sich als wandelndes Lexikon für den dänischen Fussball entpuppt, hat mehrere solcher bzw ähnlicher Beispiele auf Lager:
FC Midtjylland, FC Nordsjælland oder auch AC Horsens - alles Zusammenschlüsse mehrerer Clubs, die gemeinsam eine erste Mannschaft stellen und sich damit selbst zum Jugendspielerlieferanten degradiert haben.

Muss man nicht gut finden, ich tu es jedenfalls nicht. Svea und ihr Vater übrigens auch nicht.
Andererseits - auch in meiner Heimat ist das Fusionieren von Clubs durchaus ein (leider) üblicher Vorgang. Ich sag nur Racing FC....
Nur geht es bei uns meist darum, das wirtschaftliche Überleben zu sichern - hier soll, so zumindest mein Eindruck, auf Biegen und Brechen ein Profiverein für die Region entstehen.
Naja.

Der Boldklubben Frem København (was übersetzt übrigens soviel heißt wie "Ballverein Vorwärts Kopenhagen") besteht jedenfalls seit der Gründung unter diesem Namen, hat - soweit es Svea recherchieren konnte - keine kleineren Clubs geschluckt, ist nicht fusioniert und hat sich zwischenzeitlich auch nicht aufgelöst.
Obwohls einmal echt knapp war. 2010 war das und der Verein war wieder mal pleite. Und zum dritten Mal in der Vereinsgeschichte sogar so vollständig pleite, dass die Insolvenz verkündet werden mußte.
Die Dansk Boldspil-Union (also der DBU, der nationale Fussballverband) hatte diesmal die Faxen dicke.
BK Frem war zum Ende der Saison 2009/2010 sportlich in die "2. Division" (also die Dritte Liga) abgestiegen.
Per Zwangsabstieg ging es nun allerdings mal so eben in die fünfte (!) Liga, in den Amateurfussball.
Und im Gegensatz zu den Zwangsabstiegen von 1993 und 2004 (als es aber auch jeweils nur eine Ligenstufe nach unten ging) brach dieser Absturz ins Niemandsland dem Verein beinahe das Genick.

Nicht nur, dass in der fünftklassigen Stadtliga "Københavnsserien" nicht einmal Semiprofessionalität möglich war und damit komplett alle Spieler ablösefrei von dannen ziehen konnten - nein, die Fans wandten sich größtenteils auch ab, angewidert von der jahrzehntelangen Misswirtschaft des Vereins und dem Absturz in eine Liga, in der auch schon mal die eine oder andere Freizeitmannschaft mitspielt.
Das Stadion viel zu groß, nunmehr meist leer und damit zu teuer ... und die Mannschaft ein zusammengewürfelter Haufen von "Fussballern", deren einzige Qualifikation darin bestand, nicht schnell genug schreiend weggelaufen zu sein, als die sportlich Verantwortlichen des frischgebackenen Fünftligisten mit einem Amateurvertrag wedelten.

"Dass der Verein damals nicht einfach sang- und klanglos aufgelöst wurde, ist einzig und allein Jesper Jensen, einem Onkel meines Vaters, zu verdanken", sagt Svea mit leiser Stimme.

~~~

Es ist der zweite Abend nach meiner Unterschrift im Verein. Wir sitzen in der obersten Reihe der Tribüne im Stadion und beobachten die Sonne dabei, wie sie hinter den Häusern Valbys untergeht.




Die letzten beiden Tage waren mit Vereins-Sightseeing angefüllt.
Der Verein ist semiprofessionell aufgestellt und daher werde ich erst morgen die Möglichkeit haben, die Mannschaften zum ersten Mal zu treffen.
Frau Jensen hat beschlossen, dass ein Crashkurs in Sachen "BK Frem" die beste Art ist, wie die erzwungene Quasi-Untätigkeit genutzt werden kann.
Und so habe ich einen ausführlichen Rundgang durch das Vereinsheim (mit Kaffeevollautomat!), die (erstaunlich gut gefüllte) Trophäenhalle sowie die Trainingsplätze und das Stadion erhalten.
Und natürlich hat meine Chefin die Gelegenheit genutzt, mich auch über die Geschichte des BK Frem in Kenntnis zu setzen.
Da gibts bei einem dermaßen traditionsreichen Verein natürlich reichlich zu erzählen, auch wenn sie sich laut eigener Aussage "auf das Allernötigste und -wichtigste" beschränkt.

Die Sportdirektorin hat eine ungemein fesselnde Art des Erzählens, die es zumindest mir sehr leicht macht, mich in den Verein und seine Geschichte hineinzufinden.
Mir sind jetzt Namen geläufig und teilweise sogar seltsam vertraut, von denen ich vor einer Woche noch nie etwas gehört hatte.

Sophus Nielsen zum Beispiel, der von 1904 bis 1921 mit einer kurzen Unterbrechung das Frem-Trikot trug und - neben allerlei anderen Rekorden und Wundertaten - zum ersten Fussballer der Geschichte wurde, der eine zweistellige Anzahl von Toren in einem olympischen Fussballspiel schoß.
Oder Birger Larsen, der zwischen 1961 und 1969 die Geschichte des Clubs maßgeblich mitprägte.
Oder auch Pauli Jørgensen, der zwischen 1918 und 1942 (!) für BK Frem auflief und vom DBU 1971 zum bedeutendsten dänischen Fussballspieler der ersten 50 Jahre des Verbands gekürt wurde.
Und nicht zu vergessen John Hansen, der bis heute als einer der ersten Weltklassespieler aus Dänemark gilt.

Ich weiß inzwischen auch, dass der Verein, dessen Trainer ich nunmehr bin, in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts einer der größten Namen im dänischen Fussball war.
In der Trophäenhalle finden sich gleich sechs Meisterpokale für die Erfolge der Jahre 1923, 1931, 1933, 1936, 1941 und 1944.
Dazu Plaketten für neun Vizemeisterschaften (alle zwischen 1930 und 1976 errungen) und sechs dritte Plätze (zwischen 1934 und 1992).

Den dänischen Pokal holte der Verein zweimal (1956 und 1978), wobei der zweite Triumph gleichzeitig den Rekord für das am längsten umkämpfte Finale der dänischen Pokalgeschichte hält.
In den Siebzigern wurden Endspiele bei Unentschieden nämlich erst in die Verlängerung geschickt - und dann gegebenenfalls wiederholt.
Und 1978 brauchte es gleich drei Anläufe, bis in der Finalpaarung zwischen BK Frem und Esbjerg fB endlich ein Sieger feststand.
Am 4. Mai trennten sich die beiden Mannschaften 1:1 - und mit dem gleichen Ergebnis endeten auch Finale Numero Zwei (am 8. Juni) und Numero Drei (am 9. August).
Immerhin durfte dann gnädigerweise ein Elfmeterschießen zur Entscheidung durchgeführt werden.
Warum es nicht noch ein viertes Endspiel gab, ist unklar - möglicherweise spielte die Tatsache, dass die Folgesaison im Pokal inzwischen begonnen hatte, aber eine Rolle bei dieser Entscheidung...

Das Elfmeterschießen selbst war natürlich - wie sollte es bei dieser Vorgeschichte auch anders sein - eines der kuriosen Sorte.
Zunächst trafen die ersten acht Schützen nach Belieben - bis nach dem 4:4 plötzlich eine kollektive Ladehemmung von beiden Mannschaften besitz ergriff und von den nächsten sechs Elfmetern nur noch einer (der von Frem-Spieler Frank Faber nämlich) verwandelt werden konnte.
BK Frem hatte also sagenhafte vier Monate und fünf Tage gebraucht, um die Finalbegegnung zu entscheiden.
Das ist zumindest dänischer, möglicherweise sogar Weltrekord.

Dieser Pokalsieg war genaugenommen der letzte wirklich große Erfolg des Clubs, auch wenns kurz nach Gründung der Superliga (die 1991 die 1. Division als oberste nationale Liga ablöste) immerhin nochmal einen dritten Platz in eben dieser Liga gab.
Grundsätzlich ging es aber ab den Achtzigern mit dem Verein zunächst schleichend, ab 2004 dann immer schneller (und laut polternd) bergab, mit dem unrühmlichen Höhepunkt der Insolvenz und des Zwangsabstiegs in die fünfte Liga.

~~~

"Jesper war jedenfalls fest entschlossen, seinen Herzensclub nicht vor die Hunde gehen zu lassen", reißt mich Sveas Stimme aus meinen Erinnerungsfetzen.
"Zunächst mal hat er genug von seinem reichlichen Privatvermögen in den Verein gebuttert, dass die drängendsten Verbindlichkeiten beglichen werden und ein Sanierungskonzept erstellt werden konnte.
Und dann hat er einen auf dreißig Jahre angelegten Stadion-Sponsorenvertrag mit dem Club geschlossen, der dafür gesorgt hat, dass aus dem Finanzgrab "Valby Idrætspark" eine solide Einnahmequelle wurde, die dem Verein dabei half, innerhalb der nächsten Jahre sukzessive wieder bis in die 1. Division aufzusteigen.
Seit dieser Zeit ist, nebenbei erwähnt, immer ein Jensen Vereinspräsident gewesen.

Zurück in die Erstklassigkeit haben wir es trotz aller Anstrengungen seit der Insolvenz nie wieder geschafft", seufzt sie. "Ganz im Gegenteil, vorletztes Jahr mußten wir sogar wieder mal in die 3. Division runter und sind erst letzte Saison wieder drittklassig geworden."
Plötzlich schmunzelt sie, schaut mich auf ihre unnachahmlich ironische Art an und setzt hinzu: "Aber jetzt ist ja der Heilsbringer da, nicht wahr?"

Ich werde wahrscheinlich mal wieder rot, so wie jedesmal, wenn sie mich mit dieser Mischung aus gespielter Bewunderung und (hoffentlich!) genauso gespielter Skepsis foppt und zucke mit den Schultern.
"Wir werden sehen. Ich möchte ungern als Prahlhans dastehen, also verspreche ich lieber kein Fell des Aufstiegsbären, bevor wir ihn erlegt haben..."

Svea kichert.
"So bescheiden, der Herr. So warst Du nicht immer, wenn man den Zeitungen glaubt. Gerade der Müller-Lüdenscheidt hat da..."
Ich schnaube. "Hör mir auf mit dem! Wenn ich irgendwann einen Herzinfarkt bekommen sollte, wird er der Grund sein!"
Die junge Dänin schaut mich fragend an und das führt dazu, dass in der nächsten Viertelstunde ein Luxemburger in Kopenhagen wortreich über einen Deutschen lamentiert ....
« Letzte Änderung: 13.April 2023, 14:37:05 von Achtelprofi »
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“Goodness is about what you do. Not who you pray to.” (Terry Pratchett)

Lavayeux' Europatour - Die Geschichte eines Luxemburgers

Muffi

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Sehr cool!  :D Danke auch für die kleine Geschichtskunde, im Grunde war mir alles neu und man lernt ja gern dazu. Und gerade solche Kuriositäten machen einen Verein erst interessant.
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t.oelpel

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Viel Erfolg in Dänemark!

Vielleicht habe ich es übersehen: Konnte der FC Winti die Klasse halten?
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Boldklubben Frem København


Mitte Juli 2044, Valby, Kopenhagen


"Neeeeiiiin!"
Ich raufe mir die Haare und gestikuliere wild am Spielfeldrand.
"Musse spiele lango ... äh ... Ausweis? ... nee: Pass ... vonne die Attacke Hansen Clement, nicht das .... öh .... kurze Hose .... mit der .... rechte Flugzeug? ... Eslund!"

Bjarne Østergaard schaut mich verständnislos an. Ich stelle mein fruchtloses Dänisch-Gestammel ein und versuchs mit englisch, das er immerhin besser beherrscht als ich seine Muttersprache.
"Just play longer passes to your attacking partner Hansen Clement! Your short passing attempts to Eslund are not getting us anywhere!"

Unser Zielspieler sortiert mit sichtbaren Schwierigkeiten meine wahrscheinlich auch wieder suboptimal ausgesprochenen Vokabeln, dann strahlt er plötzlich übers ganze Gesicht und nickt.
"Ah, seek Hansen Clement, ignore Eslund. Aye, coach!"
Sprichts und orientiert sich wieder Richtung gegnerisches Tor.

Ich seufze innerlich.

Was wir hier im Testspiel gegen die Amateure von Vallenbæk zeigen, ist zwar nicht allzuschön, aber immerhin führen wir kurz vor Schluß in diesem ersten Testspiel mit 4:3.
Ich hab allerdings den Eindruck, als hätten die Jungs meine Taktikidee immer noch nicht so richtig verstanden.
Denn eigentlich soll das Chaos auf dem Rasen ein simples 442 mit Flügelfokus sein - und zwar ganz einfach deswegen, weil der Kader mehrere wirklich gute Flügelflitzer für die dritte Liga aufweist.
Der Afghane Nouristani (der einzige Nichtskandinavier unter den gut 60 Spielern in den drei Mannschaften des Vereins) ist links unangefochten, gleiches gilt für Stando rechts.
Dass wir mit dem Zwei-Meter-Mann Bjarne Østergaard und dem quirligen Aske Hansen Clement auch noch ein geradezu klassisches "big man little man"-Duo für den Sturm im Kader haben, macht das Flügelspiel samt hoher Flanken zu einem noch viel folgerichtigeren Taktikansatz.
Dachte ich eigentlich.

In der Praxis stellt sich heraus, dass es eine ganz eigene Herausforderung ist, wenn ein leidlich englisch sprechender Luxemburger und eine Mannschaft voller ebenfalls nur leidlich englisch sprechender Spieler versuchen, sich gegenseitig über Taktikfragen einig zu werden.
Seit meinem dritten Tag hier nehm ich Dänisch-Unterricht und kann inzwischen schon "Guten Tag" und "Einen Kaffee bitte" mit fürchterlichem Akzent radebrechen.
Für eine Spielvorbereitung sind diese Sprachansätze aber natürlich nur bedingt brauchbar.
Auch wenn es zugegeben schön war, dass mir höchst eilfertig in Rekordzeit gleich neun Kaffee gebracht wurden, als ich mein neugewonnenes Wissen am siebten Tag praktisch anwenden und die Jungs auf Dänisch begrüßen wollte...

Überhaupt: die einzigen beiden Menschen, mit denen ich mich ohne große Probleme verständigen kann, sind die Jensens.
Mit Papa Jensen auf englisch - der spricht die Sprache dermaßen gut, dass ich mir daneben wie einblutiger Anfänger vorkomme.
Aber eigentlich kein Wunder, führt er im Hauptberuf doch ein international tätiges mittelständisches Unternehmen, das die Kunden für seine Produkte (aus Holzabfällen hergestellte Möbel in viktorianischem Stil) vor allem in England findet.

Mit seiner Tochter Svea dagegen könnte ich auch englisch sprechen (da ist sie genauso gut wie ihr Vater) - aber allzuoft sprechen wir .... letzeburgisch!
Mir ist fast der Unterkiefer in den Kaffeepott gefallen, als sie mir breit grinsend erklärte, dass sie meine Muttersprache spricht.
Warum?
Ganz einfach - sie hat ihren "Master of Science in finance and economics" an der Uni Luxemburg gemacht!
Und hatte natürlich nichts besseres zu tun, als mir diese Sprachkenntnisse erstmal zu verheimlichen und feixend dabei zuzusehen, wie ich verzweifelt versuche, auf englisch klarzukommen!
Wenn sie nicht so verdammt sympathisch wäre, hätte ich ihr das womöglich übelgenommen...

Seit ich das aber nun weiß, ist sie öfter als sie das ursprünglich wohl geplant hat Teil der Trainingseinheiten.
Wenn ich nämlich auf englisch nicht mehr weiterkomme und dem Trainerstab und den Spielern eine bestimmte Idee nicht vermitteln kann, erklär ichs ihr und sie übersetzt dann ins Dänische.
Einfach geht anders, klar, aber das ist immer noch besser als wie ein Trappatoni-Rumpelstilzchen 2.0 hin und her zu hüpfen, weil keiner der Jungs versteht, was ich sagen will.
Allerdings hat auch dieses Vorgehen einen ziemlich bedeutenden Nachteil.

Die Spieler verstehen Sveas Dänisch natürlich super - allerdings sind sie in der Praxis allzuoft damit beschäftigt, ihre niveauloseren Stammhirnteile unter Kontrolle zu halten und deswegen so abgelenkt, dass sie doch wieder nur Bahnhof verstehen.

Und deswegen steht es jetzt, als der Schiedsrichter superpünktlich abpfeift, auch 4:3 und nicht 4:0.
Unser Gegner war sechstklassig, aber diesen Klassenunterschied hat man nicht gesehen.
Da liegt noch viel Arbeit vor uns.
Immerhin gewonnen - wenn Keeper Johansen nicht kurz vor Schluß diesen Flipperball rechtzeitig abgefangen hätte, der in den Strafraum flog, hätten wir den Sieg womöglich sogar noch aus der Hand gegeben und die Zuschauer zusätzlich verärgert.
Zuschauer? Japp, etwa 400 Fans haben sich tatsächlich die Mühe gemacht, ins Stadion zu kommen, um dieses erste Testspiel unter "Lava" zu verfolgen.
Man höre und staune, ich habe tatsächlich schon in den ersten zwei Wochen einen Spitznamen von der Lokalpresse bekommen - wahrscheinlich nur, weil es den Damen und Herren Schreiberlingen zu mühselig ist, jedesmal nachzuschauen, wie genau man "Lawajöh" nun eigentlich schreibt.

Egal, Spitzname ist Spitzname.


Ich klatsche mit den Spielern ab, als sie verschwitzt und nur mäßig zufrieden an mir vorbei zu den Duschen traben.

"Good game, boys, not perfect but a good start."
Ich hab das Gefühl, dass immerhin die Hälfte verstanden hat, was ich gerade gesagt habe - es wird. Langsam zwar - gaaaaanz langsam - aber immerhin.


~~~

Als ich mich am 6. Juli bei den Spielern vorstellte, sah das ein bißchen anders aus.
Ich hatte alle drei Teams - erste Mannschaft, die hier "B-Team" genannte Reserve und die U18 - zusammenrufen lassen, genauso wie alle sportliche Angestellten des Vereins.
Möglicherweise war ich ein bißchen zu aufgeregt ob der komplett neuen Herausforderung, vielleicht war ich auch nicht so richtig hundertprozentig bei der Sache - immerhin hatte ich die ganze Zeit Sveas Parfüm in der Nase, die direkt neben mir stand.
Im Endeffekt war meine Begrüßung jedenfalls, wenn auch kein kompletter Griff in die Badkeramik ... nennen wir es doch einfach mal ganz diplomatisch "ausbaufähig".

Das Problem war nicht, dass bisher exakt niemand jemals von Gerad Lavayeux gehört hatte, auch wenn FOLA Esch zumindest vom Namen her ein paar Leuten bekannt war.
Das Problem war, dass mein englisch stammelig, mein dänisch nichtexistent und mein französich, englisch und deutsch genau null hilfreich war.

Aber daran arbeite ich ja bereits.

Was mir - Sprachbarriere hin oder her - aber schon bei den ersten Trainings auffiel: insbesondere die erste Mannschaft ist gut zusammengestellt, wenn man bedenkt, wie klein die Auswahl guter Spieler für einen Verein mit dem Ruf des BK Frem ("war mal ein guter Club - so vor hundert Jahren") ist.
Svea macht da offenbar einen richtig guten Job - denn wie ich zu meinem Erstaunen feststellte, ist sie tatsächlich (unter anderem) hauptverantwortlich für die Kaderplanung und die Verhandlungen mit potentiellen Neuzugängen.

Es gibt quer durch alle Mannschaften eine klare Spielidee, nach der die Spieler ausgewählt werden, gleichzeitig hat sie es geschafft, dass das nicht eben üppige Gehaltsbudget noch großzügigen Spielraum aufweist, ohne dass es im Kader große, noch zu stopfende Lücken gäbe.
Ich war beeindruckt.


Erste Mannschaft



B-Team



U 18





Einzig in der Innenverteidigung könnte es für meinen Geschmack noch etwas mehr Auswahl geben - vor allem etwas mehr Auswahl an robusten, kopfballstarken, tacklingfreudigen Spielern.
Aber das ist fast schon ein Luxusproblem.


Das Ziel, auf das wir uns während meiner Vertragsunterzeichnung geeinigt haben (Aufstiegsplayoffs erreichen), ist zwar kein Selbstläufer, aber auch nicht allzu ambitioniert, wenn ich ehrlich bin.




Wieso  bin ich dieser Meinung?
Nun, ganz einfach: die 2. Division wird in zwei Zwölfergruppen ausgespielt.
Die jeweiligen Meister steigen direkt auf, die Vereine auf den Plätzen 2-6 spielen nach einem mir noch nicht hundertprozentig klaren System weitere Aufsteiger aus.
Das heißt, "Aufstiegsplayoffs erreichen" ist im Endeffekt das gleiche Saisonziel wie "obere Tabellenhälfte".
Und DAS sollte mit diesem Kader nun wirklich machbar sein, es sei denn, die anderen Vereine bedienen sich sämtlich bei Leihspielern in der ersten Liga.
Wir haben zwar auch so einen Partnerverein in der Superliga, aber wenn es sich irgendwie vermeiden läßt, werde ich ganz sicher nicht auf Leihspieler setzen.





Nachdem alle Spieler an mir vorbeigetrabt sind, pack ich noch meine Taktiktafel mit unserer geplanten Standardtaktik ein.




Und dann ist erstmal Feierabend für heute.
Morgen arbeiten wir auf dem Trainingsplatz das heutige Spiel auf - vorausgesetzt, ich kann mich verständlich machen - und dann sinds nur noch 5 Tage bis zum nächsten Testspiel.
Diesmal gegen Hellas.
Nee, nicht Hellas Verona, sondern Boldklubben Hellas, einen lokalen Kopenhagener Amateurclub.


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Als ich abends in meinem Hotelzimmer sitze (die Wohnungssuche ist zwar angelaufen, aber bisher nicht von Erfolg gekrönt), trinke ich in leicht melancholischer Stimmung auf zwei abgestiegene Ex-Vereine und einen Meister.
Im Klartext - der FC Winterthur hat die Erstligasaison ohne mich genauso erfolgreich bestritten wie im vorherigen Versuch mit mir: Abstieg. Nur diesmal direkt, als Letzter.
Die Red Boys sind ihrem Ruf als Fahrstuhlmannschaft leider auch wieder gerecht geworden.
Und FOLA Esch ist wieder Meister.

'In diesem Sinne: Prost!', denke ich und nehme einen kräftigen Schluck Faxe aus der Dose, die ich aus der Hotelbar mitgenommen habe, weil mir der Name vertraut vorkam.
Zehn Sekunden später stehe ich am Kühlschrank und hole mir ein richtiges Bier.
« Letzte Änderung: 13.April 2023, 18:22:30 von Achtelprofi »
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Lavayeux' Europatour - Die Geschichte eines Luxemburgers

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Haha, die Biermarke heißt nicht umsonst Faxe Fad  ;D

Aber sehr geil, dass es hier endlich weiter geht! Das Saisonziel sieht absolut machbar aus, ich kanns kaum erwarten zu sehen, wie sich die Mannschaft schlägt. Aber nur eine Attack-Duty in der gesamten Aufstellung? Wenn du so gute Flügelspieler hast, hätte ich zumindest einen ebenfalls auf Attack gestellt, aber Lava wird sich schon was dabei gedacht haben.  ;)
Schade, dass es für Winti wieder runter ging, aber zumindest lag es dann nicht an dir. Nun gilt es, die Geschichte in Dänemark erfolgreich zu schreiben, viel Erfolg!
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Ich kann, dass ich nichts kann.
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