Anfosso öffnete die Tür und schaltete das Licht ein, und ich musste beinahe schon mich am Türrahmen festhalten um nicht von dem mir entgegenstrahlenden Grün-Weiß überrollt zu werden, die die Vereinsfarben des FC Sète 34 darstellen.
Mein erster Blick fiel auf die Trophäensammlung. Was dort neben-, über- und untereinander stand konnten nicht nur Auszeichnungen für Wald- und Wiesen Amateurturniere gewesen sein.
Leicht peinlich berührt nichts über die Vergangenheit des Vereins zu wissen, fragte ich ihn nach den Erfolgen, die dem FC Sète solche Trophäen eingebracht hatten. Doch er schien darüber nicht verstimmt, sondern sogar dankbar zu sein. Denn diese Frage nutzte er als Gelegenheit, die Bedeutung jedes einzelnen Pokals und jedes einzelnen Fotos ausführlich zu erklären.
"Wissen Sie", erklärte er, "in den zwanziger Jahren hat Sète den großen Vereinen in der Region in nichts nachgestanden. Dreimal stand der Verein im Pokalfinale, jedoch ohne den Titel in diese Stadt holen zu können. Die Finalniederlagen gegen Marseille und Montpellier waren natürlich sehr bitter, aber dann kamen die goldenen dreißiger Jahre. Nach dem Pokalsieg 1930 gegen den Racing Club de Paris stand Sète plötzlich für eine kurze Zeit im Mittelpunkt ganz Frankreichs. Und vier Jahre später, im Jahre 1934, hat sich der Verein in den Geschichtsbüchern unsterblich gemacht - das Double, Meister und Pokalsieger - als erster Verein in Frankreich überhaupt. Nicht Marseille, Montpellier oder einer dieser starbesetzten Vereine aus Paris. Nein, der FC Sète. Diese Ehre und diesen Stolz wird uns selbst der größte Neid oder der dickste Geldbeutel nicht mehr nehmen können."
BILDDie Helden von 1934 - Vorne: Gasco, Miquel, Beck, Cabannes, Dougall, Benouna
Hinten: Clairon, Edwards, Llense, Puga, Chardar Fünf Jahre später folgte der zweite Meistertitel und bisher letzte nationale Titelgewinn, nicht zuletzt Dank des ungarischen Stars Koranyi. Einmal, im Jahre 1942, konnte noch das Pokalfinale erreicht werden. Doch ab nun ging es stetig bergab: Nach Kriegsende wurde der Ligabetrieb in Frankreich wieder aufgenommen, doch die Titel wurden ab nun an andere verteilt. 1954 dann folgte der Abstieg aus der ersten Liga, doch auch die zweite und die dritte Liga konnte man später nicht einmal mehr halten. Der Verein war wie so viele Traditionsvereine in der Versenkung verschwunden. Und nun hatte laut
Anfosso eine ganze Stadt Hoffnung gefasst, aus eben dieser Versenkung wieder aufzutauchen. Zweite Liga, man wäre wieder auf der Landkarte des französischen Fußballs vertreten. Mit glänzenden Augen beendete er seinen Monolog "Einmal in meinem Leben möchte ich diese Begeisterung in der Stadt selbst erleben. Einmal will ich noch erleben, daß der SC Montpellier mit zitternden Knien in unserem Stadion antritt anstatt uns auszulachen."
BILDSorgten 1939 für den letzten Titel - Vorne: Brusseaux, Escola, Koranyi, Danzelle, Pellegrino
Hinten: Laurent, Balmanya, Mercier, Franquès, Bertrand, Schmitt Als wir gegen halb vier die Kellertreppe wieder emporstiefelten, waren die übrigen Gäste bereits alle gegangen. Anfossos Ehefrau feuerte eine Salve Beschimpfungen gegen ihren Mann; er hätte sich doch zumindest verabschieden können. Doch das konnte ihn nicht aus der Ruhe bringen. Er lächelte nur, und fragte mich wie mir denn das Feuerwerk gefallen habe. "Gut" sagte ich, stieg in das herbeigerufene Taxi, und ließ mich fünfzehn Minuten später müde in mein Bett fallen.