Samstag, 10. SeptemberDie Liga läuft wieder, doch erneut spielen wir am Sonntag, live übertragen von Premiere. Unser Gegner ist Frankfurt. Ein Blick auf den Scoutingbericht zeigt mir, dass die Eintracht mit Problemen zu kämpfen hat: sechs Verletzte, dazu Chris und Vasoski gesperrt. Das könnte mir zu gute kommen.
4.Spieltag Saison 2005/06
1.FC Köln - Eintracht Frankfurt
Wieder stehe ich neben dem blondgelockten Dieter Nickles. Es ist trocken, 16° Lufttemperatur. Ich bin aufgeregt, mein Puls läuft schnell. Ich hoffe sehr, dass wir uns zuhause ebenso sicher präsentieren wie auswärts.
Nickles „Ich begrüße Sie, Herr Denkler, hier im RheinEnergieStadion.“
Denkler „Ich begrüße Sie, Herr Nickles!“
DN „Das letzte mal, als wir uns sprachen, redeten Sie davon, das Ziel fest im Blick zu behalten. Ist dieses Vorgehen durch das Interesse von Barcelona an Lukas Podolski gestört?“
HD „Einfacher wird es dadurch nicht. Ich kann nur hoffen, dass Poldi sich nicht aus der Ruhe bringen lässt. Ich glaube aber, dass er das verkraftet.“
DN „Schon mancher junge Spieler ließ sich durch Angebote großer Clubs den Kopf verdrehen. Wie sorgen Sie dafür, dass das hier nicht passiert?“
HD „Poldi weiß doch, welche Vorteile wir ihm bieten können, die Barca nicht bietet. Dummerweise wird er auch wissen, wie es umgekehrt ausschaut. Ich denke aber, dass er wohl abzuwägen weiß und sich für seine sichere Umgebung entscheidet, in der er wachsen kann. Barcelona wird ihn weiter auf der Liste haben, auch wenn er jetzt nicht dorthin wechseln sollte.“
DN „Aber wäre das Geld nicht segensreicher für einen vergleichsweise kleinen Verein wie den FC?“
HD „Nein, ganz sicher nicht. So etwas muss man langfristig betrachten. Verkaufen wir Poldi, haben wir ein dickes Bankkonto, aber im Sturm fehlt uns die zentrale Figur, die wir, bei aller Wertschätzung gegenüber unseren Stürmern, kaum gleichwertig ersetzen können. Die Chancenverwertung war bisher unser Trumpf in den Ligaspielen. Wenn die aber wegbricht, weil Poldi irgendwo in Katalonien herumgeistert, dann könnte es schwierig werden für uns.“
DN „Allerdings hätten Sie den finanziellen Spielraum, um einen anderen Torjäger zu holen. Es werden ja Summen um 15 Millionen Euro kolportiert.“
HD „Ja, das werden sie. Die sind aber schon mal nicht richtig. Außerdem reicht es nicht, einen Torjäger zu holen, Herr Nickles. Poldi ist nämlich kein Torgarant im klassischen Sinne. Schauen Sie sich nur seine Vorlagenquote an. Er ist mehr die hängende Spitze, und von diesem Schlage Spieler gibt es nicht viele für kleines Geld. Solche Leute sind immer teuer: Totti, Shevchenko, Raul, Kaká... alles Weltstars.“
DN „Jedoch droht bei einer Absage von Ihnen an Barcelona die Gefahr, das Podolski unzufrieden ist und so dem Verein auch nicht helfen kann. Überwiegen da nicht die Risiken seines Bleibens die seines Weggangs?“
HD „Nein, glaube ich nicht. Er ist viel zu sehr en kölsche Jong als dass er sich hier nicht mehr hereinhängt.“
DN „Kommen wir zum Spiel. Frankfurt spielt bisher, wie erwartet, mit Schwierigkeiten und steht auf einem Abstiegsplatz. Der FC steht weit oben. Wie sehr vereinfacht das Ihre Aufstellung?“
HD „Haha! Gar nicht! Das ist ja das ewige Problem: drei Spiele machen noch keinen Meister! Lassen Sie uns nur zwei mal verlieren, dann stehen wir vielleicht hinter Frankfurt! Nein, so dürfen wir nicht denken. Wir spielen konzentriert, selbst gegen unsere eigenen Amateure tun wir das. Allerdings verlange ich vom Team mindestens ein 6:0! Dann sind wir nämlich erster!“
DN (lacht) „Gut, Herr Denkler, dann wünsche ich dazu viel Erfolg und bis nachher!“
HD „Bis gleich, Herr Nickles, danke!“
War ja zu erwarten, dass die Poldi-Barca-Geschichte medienwirksam ist. Ich hoffe sehr, er lässt sich nicht verunsichern.
Das Spiel beginnt. Frankfurt läuft in einem defensiven 4-3-3 auf mit Amanatidis als einziger Spitze. Der ausgeliehene, 30-jährige Argentinier Sarria spielt links, Du-Ri Cha rechts. Ich lasse mein 4-4-2 spielen. Schindzielorz übernimmt den Part von Ottl als defensiver Mann. Er ist kämpferisch stärker als Feulner, den ich ebenfalls auf dieser Position spielen lassen kann. Cabanas erhält noch einmal den Vorzug vor Iliev und Blondel. Ich lasse nicht explizit über die Flügel spielen, ich will es erst mal variabel versuchen.
Live-Ticker1.Minute: Schindzielorz fängt einen Pass von Russ nach 17 Sekunden ab und spielt sofort auf den völlig frei stehenden Podolski. Der schießt Nikolov an. Streller kann den Abpraller nicht erreichen.
7.Minute: Sinkiewicz fängt einen Angriff von Frankfurt ab und passt rechts die Linie entlang auf Podolski. Der läuft weit in die gegnerische Hälfte und behauptet sich gegen drei Gegenspieler. Seine Flanke findet Rahn völlig frei am linken 5er-Eck, doch Nikolov blockt dessen Schuss. Streller kommt zentral an den Abpraller, aber Nikolov ist wieder zur Stelle.
9.Minute: Köln ist klar feldüberlegen. Ein langer Pass erreicht Podolski im Mittelkreis. Er köpft sofort zu Streller weiter, der aber in Bedrängnis zehn Meter daneben schießt.
12.Minute: Ecke Frankfurt an den Elfmeterpunkt, aber Alpay klärt.
14.Minute: mehr durch Zufall fliegt der Ball hoch in den 16er. Amanatidis löst sich von Alpay und schießt aus spitzem Winkel, aber drüber.
15.Minute: eine verunglückte Podolski-Flanke aus dem linken Halbfeld landet knapp am Außennetz. Da wäre Nikolov zu spät gekommen.
16.Minute: Schindzielorz spielt einen hohen Ball in den 16-Meter-Raum. Streller hat sich von seinem Bewacher gelöst und schießt direkt, doch Nikolov kann zur Seite abwehren.
20.Minute: Podolski flankt von links an die Grenze des Strafraums. Streller erreicht den Pass und zieht ab. Nikolov hält erneut. Ich fürchte ein Spiel, das Nikolov als besten Spieler auszeichnet und mit 0:1 oder 1:2 verloren geht...
42.Minute: Zweikampf zwischen Sarria und Lell. Der Argentinier kommt zu Fall. Lell bekommt eine mündliche Verwarnung. Dem Frankfurter hilft das nicht weiter, er muss verletzt ausgewechselt werden. Alexander Meier kommt für ihn.
Halbzeit. Wir haben ein Chancenplus von 4:1. Ich bin eigentlich zufrieden, ermutige das Team aber zu mehr Offensivdrang. Ich wechsele Iliev für Cabanas ein.
48.Minute: Freistoß für den FC aus zentraler Lage, 30 Meter vom Tor entfernt. Podolski schießt direkt, Nikolov kann nur zur Seite abklatschen. Leider steht da nur Benjamin Huggel, der weit nach links heraus zu Meier spielt. Der passt gleich weiter auf die rechte Außenbahn zu Cha. Benschneider kann mit einem beherzten Tackling zehn Meter vor Wessels klären. Das war knapp!
55.Minute: Gelbe Karte für Du-Ri Cha (Foul an Podolski)
56.Minute: Gelbe Karte für Sinkiewicz (Foul an Amanatidis). Es gibt einen Freistoß aus 17 Metern Entfernung, leicht halblinks versetzt. Amanatidis schießt selbst. Er drischt den Ball mit aller kraft durch die Mauer. Wessels sieht nichts – 0:1 für die Eintracht.
Ich reagiere mit der Aufforderung zu mehr Offensive.
60.Minute: Freistoß durch Streit nahe der linken Eckfahne. Die Flanke landet auf dem Kopf von Iliev, der aus fünf Metern ebenso weit daneben köpft. Abstoß.
64.Minute: ein vielversprechender Konter der Eintracht wird durch Sinkiewicz abgefangen. Einige Pässe im Mittelfeld spielen Albert Streit frei. Der spielt nach rechts außen auf Streller. Der Schweizer spielt einen halbhohen Querpass an die linke Ecke des Fünf-Meter-Raums, wo Poldi knallhart abzieht, gegen den Lauf von Nikolov. 1:1, Gleichstand!
66.Minute: Copado kommt für Huggel, Frankfurt spielt nun ein 4-2-3-1.
70.Minute: Freistoß aus dem rechten Halbfeld. Kopfball von Rehmer aus acht Metern, aber knapp drüber.
73.Minute: Gelbe Karte Preuß (Foul an Podolski)
75.Minute: Grüter kommt für Amanatidis.
76.Minute: Doppelwechsel beim FC. Feulner kommt für Streit, Scherz für Streller.
79.Minute: Freistoß zentral aus 28 Metern. Podolski schießt, doch der Ball fliegt fünf Meter vorbei.
90.+3.Minute: Abpfiff. Das sind zwei verlorene Punkte.
Der Gang zu Dieter Nickles, das merke ich, fällt nicht ganz so leicht wie beim letzten Mal. Ich reiche Friedhelm Funkel beglückwünschend die Hand.
DN „Herr Funkel, Herr Denkler, vielen Dank, dass Sie uns noch zur Verfügung stehen! Wer von Ihnen beiden ist zufriedener? Fühlt sich jemand als Verlierer dieses Spiels?“
Funkel und ich sehen uns an, aber ich überlasse dem Eintracht-Trainer das Wort.
FF „Wir können insgesamt glücklich sein mit dem Punktgewinn, auswärts gegen einen Konkurrenten auf Augenhöhe. Allerdings, mit etwas Glück, hätte man auch gewinnen können.“
HD „Ich darf da meinem Kollegen widersprechen. Schon der eine Punkt, so denke ich, ist glücklich für Frankfurt. Das Chancenverhältnis spricht eine deutliche Sprache.“
DN „Sie fühlen sich also als Verlierer, Herr Denkler?“
HD „Ja, schon ein wenig. Letzten Endes hatten wir einen prima Lauf und auch hier wieder dominiert. Drei Punkte wären schon angemessen gewesen.“
DN „Die Eintracht sieht das von der anderen Seite. Sie standen mit Ihrem Team auf einem Abstiegsplatz.“
FF „Ja, aber nach nur drei Spieltagen. Uns war natürlich klar, dass wir nur um den Klassenerhalt kämpfen können, und deshalb ist dieser Punkt vielleicht ein guter Anfang.“
DN „Sie sind nun 14. und spielen als nächstes erneut zweimal auswärts gegen Nürnberg und Gladbach, dann kommen der HSV und Duisburg. Alle Teams stehen unterhalb Platz 12 der Tabelle. Was rechnen Sie sich da aus?“
FF „Das ist zunächst mal ein Unding, dass wir dreimal in Folge auswärts antreten müssen. Wo gibt es so was schon? Dann ist ganz klar: Nürnberg und Duisburg sind Mannschaften mit den gleichen Zielen wie wir. Gladbach und Hamburg stehen sicher nicht lange da unten drin. Trotzdem können wir in diesen Begegnungen schon einen großen Schritt gegen den Abstieg machen.“
DN „Herr Denkler, Sie reisen zum Derby nach Gladbach, dann kommt Duisburg, dann geht es nach Mainz. Ähnliche Voraussetzungen also.“
HD „Ja, richtig, auch wenn unser Spielplan nicht so eigenartig zerklüftet ist wie der der Eintracht. Allerdings spielen wir dazwischen noch die zweite Pokalrunde gegen die Bayern. In der Liga sollten wir aber gegen alle drei genannten Teams punkten, das muß drin sein.“
DN „Hat Podolski die erwartete Antwort gegeben nach den Spekulationen um ihn?“
HD „Absolut. Er hat ein gutes Spiel gemacht, allein die Tore haben gefehlt. Das gilt aber auch für Marco Streller, der nicht von Barcelona umworben ist.“
DN „Ich danke Ihnen beiden für Ihr Kommen!“
Und weg sind wir. Tschöö.