Bierhoft ist mir recht egal. Was ich meine ist, dass ich ihn nicht verteidigen will. Aber er uns sein Team kann ja auch nicht zaubern, oder?
Sport wird meistens gesehen wenn es läuft. Tennis war spannend als Graf und Becker groß waren. Tour de France mit Ulrich. F1 mit Schumacher oder Mercedes. Wenn Deutschland keine großen Athleten stellt sind die Sportarten uninteressanter. Fußball ist schon maximal gehyped, läuft aber nach dem gleichen Prinzip.
Deutschland kommt aus dem Sommermärchen und der Weltmeisterschaft 2014. Seitdem gings einfach stark bergab. Drei Ausscheidungen in Vorrungen in drei aufeinanderfolgenden großen Tunieren. 2015/2016 wurde, bis auf Italien, gegen jede größere Manschaft verloren. England, Spanien, Frankreich... 2017 lief es ganz gut. Leider war da kein Tunier. 2018 ging alles Unentschieden oder mit Niederlagen aus. 2019 ebenso. Das einzige was immer knapp gewonnen wurde, waren die Qualifikationsspiele zur EM. Dafür gabs dann 2020 wieder auf den Sack.
In den Jahren danach wurde es nicht besser. Wann war den der letzte Sieg gegen eine "große Nation"? Pro Jahr ungefähr ein Sieg und 3-4 Niederlagen.
Wie soll man da Hype generieren? "Hey, wir spielen schlecht aber mögt uns doch trotzdem wenigstens ein bisschen." Die Manschaft kann sich noch so viel "Die Manschaft" nennen, tolle Videos und Instagram Stories liefern, Werbefilmchen drehen oder sich den Mund zu halten... Wenn es auf dem Platz nicht läuft ist die große breite Masse nicht auf den Rängen.
Vielleicht übersehe ich auch etwas. Wie nimmst du das Image-Problem war, dass nicht auf den mangelnden sportlichen Erfolg zurückzuführen ist? Und was hat für dich das Image-Problem mit den mangelnden sportlichen Erfolgen zu tun?
Zunächst mal habe ich ja selbst geschrieben, dass das nicht unbedingt etwas mit den sportlichen Leistungen zu tun hat. Sondern dass Bierhoff gesondert davon mal hinterfragt werden sollte. In meiner Wahrnehmung hat die Nationalelf gerade bei den klassischen Fußballfans viel Kredit verloren. Und dazu haben solche Aktionen wie "Die Mannschaft" eben beigetragen. Und dabei hätte man nichtmal so einen gestelzt wirkenden Namen wählen müssen, das Wort "Nationalelf" war z.B. in diesem Kontext schon in Umlauf und wäre wesentlich exklusiver, weil kein Vereinsfan sein Team jemals ernsthaft Nationalelf genannt haben dürfte. Diese ganze Aktion hatte für mich etwas von "reparieren was nicht kaputt ist." Es wird Bierhoff nicht allein deswegen an den Kragen gegangen sein und wie gesagt hat das sportliche Abschneiden damit nichts zu tun. Es fiel aber auch in die Zeit, in der es sportlich einfach bergab ging (es war übrigens nur zweimal das Vorrundenaus, unterbrochen von einem EM Achtelfinale, es sei denn du rechnest hier die Nations League mit ein?) und da wird so was auch gerne mal irrational in Verbindung gebracht. Nicht unbedingt von den Verantwortlichen, aber durchaus von den Fans. Und da ist mir schon seit Jahren etwas aufgefallen. Von den richtigen Fußballfans in meinem Umfeld, richtig meint hier, die sich das ganze Jahr über mit dem Sport befassen und nicht nur alle zwei bis vier, interessiert sich wirklich niemand mehr für die Nationalmannschaft. Noch nichtmal meine Eltern und die gehören gewiss nicht meiner ansonsten sehr links und LGBTIQ*-geprägten Bubble an. Natürlich sind das selektive Erfahrungen, aber das Bild ist zumindest in der unterschiedlichen Städten sehr ähnlich. Ich habe mich nicht so intensiv mit der DFB-Elf beschäftigt in den letzten Jahren, aber so viel ich weiß hat man auch an den TV Geräten und bei den verkauften Tickets nicht mehr so eine Strahlkraft wie früher. Vielleicht ist Bierhoff ein Bauernopfer und alles wäre ohne sein Zutun ganz genau so gekommen, weil die sportliche Talfahrt das ausschlaggebende Kriterium für die meisten Leute sein mag, vielleicht hat aber auch die gesamte auf die Feelgood-Instagram-Generation optimierte Marketingstrategie diese Entfremdung von der Nationalmannschaft erst befeuert. Es gibt eben doch eine große Kohorte an Fußballfans, denen politische Belange nicht am Arsch vorbeigehen, davon kann ich als Bayernfan ein Lied singen. Die hat man mit dieser ganzen Posse um die WM ziemlich sicher verloren. Ich glaube jetzt nicht unbedingt, dass der DFB politischer werden will, aber zumindest kann ich mir vorstellen dass man für die öffentliche Präsenz jemanden haben will, der so etwas besser moderiert als Bierhoff. Von wem auch immer die Entscheidung letztendlich getroffen wurde, gegenüber der FIFA einzuknicken, Bierhoff war daran sicherlich nicht unbeteiligt. Vielleicht will man einfach wieder jemanden, der salopp formuliert einen Arsch in der Hose hat und nicht nur gute Miene zum bösen Spiel macht. Um nach außen hin zu repräsentieren, dass die Nationalmannschaft für etwas steht. Das hat, wie gesagt, nur äußerst bedingt was mit der sportlichen Leistung zu tun, aber an der muss Bierhoff sich ja auch nicht direkt messen lassen. Er hat jetzt 18 Jahre lang machen dürfen und zuletzt trug das einfach nicht mehr die erwünschten Früchte. Eventuell ist er da Opfer der allgemeinen Entwicklungen im Fußballzirkus, aber dass man nach all der Zeit seitens des DFB mal frischen Wind drin haben will, kann ich absolut nachvollziehen.
Kurz zum sportlichen:
Wie viel Entscheidungsmacht bzw. Mitspracherecht Bierhoff auf sportlicher Ebene insgesamt hatte, darüber kann ich nichts sagen. Es entzieht sich einfach meiner Kenntnis. Aber FALLS er bei der Frage, ob man Jogi Löw weitermachen lässt, intensiver miteinbezogen wurde, wird das im Endeffekt nicht zu seinem Vorteil ausgelegt worden sein, es sei denn, er hätte sich als einziger intensiv für einen Rauswurf Löws starkgemacht und das kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen.
Wegen der anderen fragwürdigen Personalentscheidung:
Flick bekommt nochmal ne zweite Chance. Kann man gut oder schlecht finden, aber auch das kann ich grundsätzlich erstmal nachvollziehen.