Ja so richtig weiß eben niemand, wie es gemeint war. Das hängt zu einem guten Teil auch sicher von den Fragen ab. Wenn nun aber Gesprächsfetzen kolportiert werden, die auf der einen Seite eine öffentliche Forderung beinhalten, vor der WM zu wissen, wo man spielen soll und dann auch noch die Rolle des RV als etwas eintönig und die Rolle des 6ers als herausfordernd beschrieben wird, dann liest mensch schnell zwischen den Zeilen.
Die Forderung, Klarheit vor der WM zu haben, an sich ist natürlich nichts schlimmes. Aber warum öffentlich formulieren? Und dann dieser Beitrag: "Es fordert mich geistig, im Zentrum zu spielen. Ich habe viel mehr Ballkontakte. Als Außenverteidiger habe ich jede denkbare Situation schon erlebt." (Quelle:
http://www.spiegel.de/sport/fussball/bayern-kapitaen-philipp-lahm-vermisst-respekt-junger-spieler-a-939127.html). Das klingt für mich schon sehr nach einem subtil vermittelten Wunsch, für die 6 eingeplant zu werden.
Es kann aber natürlich auch sein, dass sich der Spiegel, so wie er in letzter Zeit an Qualität verloren hat, die Aussagen zurecht biegt. Es ist auch folgende Situation vorstellbar:
Frage: Im Verein sind sie derzeit fest als 6er eingeplant, obwohl mit Martinez und Thiago 2 starke Alternativen zur Verfügung stehen. Welche Rolle spielen Sie bei der WM?
Lahm: Diese Frage kann nur der Trainer beantworten. Wir haben noch 2 Testspiele, ich kann mir vorstellen, dass der Trainer verschiedene Möglichkeiten testen möchte. Mir ist das egal,
spätestens beim WM-Vorbereitungslehrgang im Mai werde ich wissen, wo ich eingeplant werde.
Frage: Sie sagten, Ihnen wäre das egal. Das glauben wir nicht. Sie haben doch bestimmt eine Präferenz?
Lahm: Nein, das ist mir wirklich egal. Ich stehe dort, wo der Trainer mich haben möchte, am liebsten auf dem Platz.
Frage: Was sind denn die Vorzüge der jeweiligen Positionen für Sie?
Lahm: Ich verfüge über jede Menge Erfahrung auf der Außenverteidigerposition und ich denke, ich habe bewiesen, dass man dort auf mich zählen kann. Die Rolle, die ich im Verein spiele, ist relativ neu für mich.
Es fordert mich geistig, im Zentrum zu spielen. Ich habe viel mehr Ballkontakte. Als Außenverteidiger habe ich jede denkbare Situation schon erlebt. Im Zentrum fehlt mir die Erfahrung, aber die Zeit bis zur WM ist ja noch lang und auch die direkte Vorbereitung im Trainingslager kann helfen, diese Erfahrung aufzubauen.
Wenn die Aussagen Lahms in diesem von mir konstruierten Zusammenhang auftauchen würden, wäre jedes negative Urteil über Lahm in diesem Zusammenhang natürlich eine Verunglimpfung. Aber gerade diesen Zwischensatz mit den Ballkontakten stört irgendwie. Wir wissen alle, wie ballgeil Fußballer sind. Klar, das müssen sie auch, jeder möchte möglichst oft an den Ball (bis auf Mario Gomez

). Insofern bin ich persönlich schon der Überzeugung, dass Lahm da eigene Interessen verfolgt oder zumindest mal die Situation auslotet.
Ich kann das sogar ganz gut verstehen, dass er plötzlich im Zentrum spielen will. Dort hat er eine ganz andere Präsenz. Das sieht mensch doch gut am Champions League-Sieg. Den bringt doch kaum jemand mit ihm in Verbindung, obwohl er Kapitän war. Er hat großartig gespielt, das letzte Jahr persönliche Rekorde aufgestellt, unglaubliche viele Vorlagen geliefert, war in atemberaubender Form und trotzdem ist er nicht die ultimative Person, mit der der Champions League-Sieg assoziiert wird. Das mag bei den Bayern daran liegen, dass dort sehr viele starke Spieler spielen, aber Lahm weiß, dass er ein herausragender Fußballer ist und hat vielleicht Angst, dass er als überragender Spieler alles mit den Bayern und der Nationelf gewinnen könnte und dann letztendlich trotzdem nicht die Strahlkraft eines Beckenbauer hat. Er macht das, vermutlich nicht zu unrecht, an seiner Position auf dem Spielfeld fest. Schweinsteiger wird doch allgemein deutlich eher als "Lenker" der Bayern zum Champions League-Triumph betrachtet als Lahm, der nun auch noch einen überragenden Alaba auf der anderen Seite hat, der strahlender (aber nicht so effektiv) als Lahm spielt. Einem Spieler wie Lahm geht es nicht mehr um Marktwert, Werbewert oder darum, einen Titel zu gewinnen. Es geht um die Legacy.
Ich glaube, Lahm möchte in 20 Jahren denselben Status haben, wie Beckenbauer heute. Er will derjenige sein, der als Kapitän eine Bayern-Dynastie mit Champions League-Siegen und als Kapitän mit Deutschland eine WM gewonnen hat.
Es ist wirklich spannend, wie Löw darauf reagiert. Mannschaftstechnisch, da sind wir uns alle einig, macht es gar keinen Sinn, Lahm auf die 6 zu stellen. Bis zur WM sind Schweinsteiger und Gündogan hoffentlich wieder fit, wobei Gündogan sich mit Kroos um den 2. Platz streiten darf (was wäre das für ein Mittelfeld?!). Mit Khedira geht etwas körperliche Präsenz verloren, die bei Bedarf auch mit einem der Benders ausgeglichen werden kann. So richtig sehe ich aber keinen Bedarf, es gibt kaum ein gefährliches Team, das auf zentralen Offensivpositionen mit beeindruckenden körperlichen Spielern agiert wie Ballack, Zidane etc. Zumal Schweinsteiger in der Rückwärtsbewegung mittlerweile ein sehr starkes Niveau erreicht hat. Die einzigen Schwachstellen der Deutschen sind die defensiven Außen. Eine wird mit Lahm völlig abgesichert. Im Zweifel wird sich Lahm dafür entscheiden, durch ein gutes Team und eine sichere Abwehr mehr Chancen auf den WM Titel zu haben, denn was bringt ihm die Präsenz in der Mitte, wenn Deutschland im Viertelfinale baden geht? Aber das Wasser kann er trotzdem testen, zumal er auch auf der 6 absolute Weltklasseleistungen abliefert. Die Bayern haben 8 Gegentore in der Liga, das sind nur 2 mehr als letztes Jahr zum 16. Spieltag und das trotz Guardiolas deutlich risikoreicherer Grundausrichtung.