Immer noch Anfang September 2037 "Müller-Lüdenscheidt interessiert mich nicht!" - Ein Gespräch über FOLA Esch, Düdelingen und eine Eiszeit zwischen Männern
von Madeleine Muller
In den letzten Tagen gab es im Umfeld des Escher Traditionsclubs FOLA ungewöhnlich viel Unruhe, die vorgestern in der Meldung gipfelte, dass sich Präsident Ben Weber und Sportvorstand Lex Risch auf der einen sowie Cheftrainer Gerard Lavayeux auf der anderen Seite derart zerstritten hätten, dass Letzterem nunmehr gekündigt worden sei. Dies stellte sich zwar als Ente heraus – Ruhe ist dadurch allerdings keine eingekehrt. Ganz im Gegenteil.
Es deutet nämlich einiges darauf hin, dass der neue Trainer des Rekordmeisters F91 Düdelingen, Klaus Müller-Lüdenscheidt, die Gerüchte um Lavayeuxs Demission und ein angebliches Vertragsangebot FOLAs an ihn, also Müller-Lüdenscheidt, gezielt gestreut hat. Der mögliche Grund: der deutsche Trainer versetzte sich dadurch selbst in der Lage, das gerüchtete FOLA-Angebot öffentlich abzulehnen und unter regem Medieninteresse bei Düdelingen zu unterschreiben. Müller-Lüdenscheidt beharrt darauf, dass ein Angebot von FOLA vorgelegen habe. Im übrigen habe er mit der ganzen Unruhe um „dieses Quereinsteiger ohne Anstand und Meriten“, also Lavayeux, nichts zu tun. Der brocke sich seine Probleme doch sowieso immer selbst ein. Harte Worte – mit einer Vorgeschichte, die man kennen sollte.
Die Antipathie zwischen den beiden Übungsleitern ist nämlich nicht neu und rührt aus der Saison 2033/34. Damals war Müller-Lüdenscheidt Trainer des damaligen Zweitdivisionärs FC Red Boys Aspelt, Lavayeux dagegen Reporter bei einer Lokalzeitung. Und während Ersterer mit einer bewundernswerten taktischen Sturheit den Verein in die dritte Division führte, wurde Lavayeux nicht müde, die taktischen Unzulänglichkeiten des Trainers zu monieren. Der endgültige Bruch zwischen den beiden erfolgte wohl spätestens, als Müller-Lüdenscheidt nach dem Abstieg und heftigen Vorwürfen des Reporters zurücktrat und dieser – als kompletter Neuling im Trainergeschäft – die soeben abgestiegene Mannschaft übernahm und nicht nur stabilisierte, sondern sofort zu zwei Aufstiegen in Folge sowie zu einem Pokalsieg im Coupe FLF führte – was CS FOLA Esch auf den Plan rief, die das Trainertalent mit Beginn der vorigen Saison verpflichteten. Auch hier war Lavayeux wieder sehr erfolgreich – der Meistertitel in der letzten Saison sowie die Europacup-Qualifikationsspiele vor ein paar Wochen dürften dem interessierten Fussballfreund wohl noch präsent sein.
Und jetzt also das – Gerüchte, Zank, eine öffentliche Demütigung des FOLA-Trainers durch den Deutschen. Passenderweise in einem deutschen Boulevardblatt – und genauso passenderweise kurz vor dem ersten Saisonduell von F91 und FOLA. Das ist nach FOLAs Punktverlust in Differdingen zwar nicht das Duell zweier verlustpunktfreier Teams, aber dennoch das absolute Spitzenspiel der Nationaldivision. Ein guter Zeitpunkt also, um mal bei Gerard Lavayeux nachzufragen, wie er die aktuelle Situation bewertet – und was er eigentlich zur vermuteten Intrige seines Trainerkollegen zu sagen hat.
Herr Lavayeux, vielen Dank, dass Sie sich erneut Zeit für uns nehmen!
Sehr gern, Frau Muller, ich freue mich über die Gelegenheit, einige Dinge öffentlich geradezurücken.
Sie spielen damit wahrscheinlich auf den neuen Trainer Düdelingens an?
Nicht vorrangig, aber auch, ja. Hauptsächlich geht es mir darum, noch einmal deutlich zu sagen, dass es weder von Vereins- noch von meiner Seite aus irgendwelche Bestrebungen gibt, den Vertrag vorzeitig aufzulösen. Ich bin mindestens bis zum Saisonende hier Trainer und ich bin es sehr gern.
‚Mindestens‘? Sie können sich also vorstellen, noch länger hier zu arbeiten?
Aber unbedingt. Ich habe es vor einigen Monaten schon gesagt und ich wiederhole es gern: ich bin mit Leib und Seele FOLA-Trainer und so, wie es aktuell läuft (der Verein ist ungeschlagen Zweiter mit 2 Punkten Rückstand auf Tabellenführer Düdelingen), haben wir sowohl eine gute Basis als auch deutliches Verbesserungspotential. Alles in allem ist FOLA Esch eine sehr spannende Aufgabe.
Allerdings muss man von außen betrachtet auch festhalten, dass dem Team die unbedingte Leichtigkeit der letzten Spielzeit bisher fehlt. Gerade das Spiel bei Differdingen offenbarte für einen neutralen Zuschauer doch deutliche Defizite sowohl in der Defensive als auch in der Vorwärtsbewegung. Wie sieht Ihre Bewertung der ersten zwei Monate der neuen Saison aus?
Ich sehe das gar nicht so negativ. Wir haben seit Anfang Juli im Schnitt aller vier Tage eine Pflichtspiel gehabt, viele davon in völlig ungewohnter Rolle als Außenseiter. Wir haben glücklicherweise keine allzugroßen Verletzungssorgen gehabt, aber man merkt den Spielern schon sehr deutlich an, dass sie diese extremen Belastungen so nicht gewohnt sind. Viele vergessen bei der Bewertung auch, dass nahezu jeder unserer Spieler einem regulären Beruf nachgeht und nur an einigen Tagen der Woche Fussball spielt. Also wie gesagt: natürlich fehlt uns in manchen Situationen die Spritzigkeit und natürlich war das 2:2 in Differdingen keine spielerische Offenbarung, aber ich sehe auch keinen Grund, bei einem Saisonstart mit 13 Punkten aus 15 Ligaspielen in allzudeutliche Kritik zu verfallen.
Ihre Meinung in allen Ehren, Herr Lavayeux, aber gerade die erste Halbzeit in Differdingen war nicht „keine Offenbarung“, die war ein spielerischer Offenbarungseid. Und ohne die beiden feinen Einzelleistungen von Oliveira und Karabegovic wäre FOLA auch nicht mehr ungeschlagen. Differdingen hatte Sie komplett im griff und wird sich zurecht über zwei verlorene Punkte ärgern.
*zuckt mit den Schultern* Und? Dann ist das so. Wir sind kein finanziell auf Rosen gebetteter Investorenschoßhund …
… wie Düdelingen, meinen Sie?
… ja, wie Düdelingen zum Beispiel. Wir können keinem unserer Jungs mal eben 100.000 Euro pro Saison anbieten, weil das zehn Prozent unseres gesamten Jahresetats wäre, Conference League hin oder her. Und unabhängig davon – woher kommt eigentlich dieses Anspruchsdenken, dass FOLA gefälligst jedes Spiel zu gewinnen hat? Wir sind eines von mehreren Spitzenteams der Nationaldivision, ja. Das ist Differdingen aber auch. Oder Düdelingen. Oder auch Esch Süd-West. (Er meint Jeunesse Esch, den Erzrivalen von FOLA.) Und wenn diese Teams gegeneinander spielen und wir sind die Auswärtsmannschaft und haben gerade das Ausscheiden gegen AIK in den Knochen, dann hab ich alles Verständnis dafür, dass meine Jungs vielleicht in diesem speziellen Fall keine Sahneleistung abrufen können, sondern „nur“ mit viel Kampf und Willen aus einem 0:2 noch ein 2:2 machen. Die zweite Halbzeit in Differdingen ist für uns jedenfalls ein gefühlter Sieg, weil wir zur Pause quasi tot waren.
Na gut, was ist dann mit Romulo Azevedo? Geholt als die künftige Schaltzentrale des FOLA-Spiels, hat er bisher nicht richtig in die Spur gefunden. In jedem Spiel wird er erneut von Beginn gebracht, hat wenig bis keinen Impact auf die Partie, spielt allzuoft aber dennoch durch. Haben Sie nicht Sorge, den Rest der Mannschaft damit zu verärgern?
Nein, habe ich nicht. Und zwar ganz einfach deshalb, weil wir alle das Bestreben haben, Romulo einzubinden. Wir wissen, was er kann. Wir wissen, dass er herausragend wichtig sein kann für diesen Verein. Und wir werden ihm helfen, dieses Potential abzurufen.
… koste es, was es wolle?
Ja.
Themawechsel. In Düdelingen sitzt seit vorgestern nun Klaus Müller-Lüdenscheidt auf dem Trainerstuhl. Ein Mann, den Sie schon mal einen „sachverstandbefreiten Sturkopf“ genannt haben und der sich gerade erst kürzlich damit revanchiert hat, dass er Ihnen komplett die charakterliche Eignung für den Trainerberuf absprach. Wie haben Sie seine Äußerungen aufgenommen, wie werden Sie reagieren und was bedeutet diese Personalie für das Spitzenspiel in Düdelingen?
Das ist eine schwierige Frage. Lassen Sie mich vielleicht damit starten, dass ich Herrn Müller-Lüdenscheidt viel Glück bei der Erreichung seiner Saisonziele wünsche – falls diese „Platz zwei in Liga und Pokal“ lauten. Sollte er einen Titel holen wollen, dann wünsche ich ihm, dass wir ihm die Suppe versalzen. Seine jüngsten Äußerungen sind mir völlig egal, weil er sein Ziel – einen Keil zwischen Ben Weber, Lex Risch und mich zu treiben – nicht erreicht hat. Wir werden so reagieren, wie sich das gehört – wir werden die Antwort auf dem Platz geben. Dass wir auf diesen Moment nicht lange warten müssen, macht es natürlich umso schöner. Wir werden bis in die Haarspitzen motiviert nach Düdelingen fahren, soviel steht fest.
Sie klingen sehr selbstbewußt und zuversichtlich. Düdelingen hat bisher eine äußerst erfolgreiche Serie gespielt. Kein Punktverlust, nur zwei Gegentore in 5 Spielen – wie wollen Sie diese Mannschaft knacken?
Das werde ich hier nicht verraten, tut mir leid.
Und werden Sie den üblichen Handschlag verweigern?
Warum sollte ich? Er ist einfach nur ein Trainer. Und soweit ich das in Aspelt gesehen habe, nicht einmal ein besonders guter. Ich werde ihm freundlich die Hand schütteln – das wird allerdings die einzige Freundlichkeit sein, die Düdelingen an diesem Tag von uns erhält.
Herr Lavayeux, wir danken für dieses Gespräch.
[/size]~~~ "Willst Du das wirklich so drucken lassen?", fragt Madeleine mit durchaus hörbarem Zweifel in der Stimme. "Das klingt fast schon arrogant." "Ja, das will ich so drucken lassen. Ich lass mich von diesem aufgeblasenen Blödian doch nicht am Nasenring durch die Medienarena ziehen!" "Na wenn Du meinst ...." Sie zuckt mit den Schultern. "Deine Entscheidung, Deine Verantwortung." Ich nicke und grinse dann. "Um acht hol ich Dich ab. Ich freu mich auf das Abendessen!" Ihr Zwinkern kann alles mögliche bedeuten - aber so wie ich sie inzwischen kenne, bedeutet es einfach nur "Bilde Dir bloß nichts drauf ein, dass ich zugesagt habe!" Ein Abend in entspannter Atmosphäre im Restaurant - weit weg von der Spannung und dem Druck, den ich so kurz vor dem wohl schwierigsten Auswärtsspiel der Ligasaison empfinde. Es wird mir gut tun, davon bin ich überzeugt.
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