MeisterTrainerForum
Verschiedenes => Sonstiges => Thema gestartet von: Octavianus am 24.Juli 2018, 16:14:48
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Angesichts der fortschreitenden Debatte um Mesut Özils Rücktritt aus der Nationalmannschaft nach der WM2018 und auch, weil mir vor kurzem diese Frage gestellt wurde, will ich diesen Thread eröffnen, um euer Konzept von Heimat und Zugehörigkeit besser verstehen zu können.
Konkret wurde ich (in Georgien) gefragt: Was ist für euch Deutsche Heimat?
Meine erste Antwort war, dass ich das nicht im Namen aller Deutschen beantworten kann. Jeder wird da eine unterschiedliche Definition haben. Meine genauere persönliche Antwort fiel dann in etwa so aus:
Heimat ist für mich nicht zwangsläufig mein Geburtsland oder meine Geburtsregion oder gar Geburtsort. Heimat ist für mich der Ort, an dem ich gerne lebe, arbeite und einen Freundes- und Familienkreis habe. D.h. in diesem Sinne auch, dass Heimat für mich kein statischer Begriff ist, sondern eine Art Lebensabschnitt (vermutlich kann man es auch als Lebensmittelpunkt bezeichnen, aber einen anderen Heimatbegriff habe ich persönlich nicht entwickelt). Bis vor 2 Jahren hätte ich die Region Stuttgart als meine Heimat bezeichnet, vor dem Jahr 1998 hätte ich Thüringen als meine Heimat bezeichnet, heute bezeichne ich Sofia als meine Heimat.
Wie sieht euer Konzept von Heimat aus? Welche Kriterien legt ihr zugrunde?
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Heimat ist für mich da, wo ich mich gutauskenne.
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Ich glaube, der Herbert Grönemeyer hat irgendwann mal gesagt: "Heimat ist kein Ort, Heimat ist ein Gefühl". Das trifft auch meine Meinung am meisten. Wie Octa schon sagte, ist das nichts Statisches. Vielleicht trifft es "Geborgenheit" am ehesten. Und die finde ich dort, wo die Menschen sind, die mir am meisten bedeuten. Also im MTF . Kleiner Scherz.
Zum Begriff "Deutsche Heimat" kann ich mich schon als Historiker einfach nicht eindeutig äußern :P Da ich persönlich aktuell nichts mehr von Nationalstaaten oder Völkern "die Deutschen" als Klassifizierung halte, ist eine solche Definition auch nicht wirklich gefragt. Ich glaube, Nationalstolz und ein gewisses nationales Heimatgefühl sind nichts weiter als konstruierte Stützen, um sich an irgendetwas festhalten zu können, wenn es einem an etwas mangelt. Sei es an einer Größe zu der man aufschaut oder nach einer Sicherheit, aus der man sein Leben aus gestaltet. Aber da gibt es, wie gesagt, besonders in heutigen Zeiten bessere Alternativen.
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Sorry, meine fett markierte Frage war definitiv nicht doppeldeutig gemeint. Mir geht es nicht um "deutsche Heimat", sondern darum, wo wir als Deutsche den Begriff Heimat verorten. Ich wollte die Frage erst umformulieren, aber sie wurde mir so gestellt.
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Heimat ist für mich der Ort, an dem ich meine Wurzeln habe. Das muss nicht der Ort sein, an dem ich geboren bin, sondern der Ort, an dem ich aufgewachsen bin und meine Kindheit erlebt habe, denn die Erlebnisse meiner Kindheit, meine frühkindlichsten Erinnerungen an diesen Ort und die Werte, die ich an diesem Ort verinnerlicht habe, das sind meine Wurzeln.
Den Ort, an dem ich gerade lebe, meine Freunde und meinen Lebensmittelpunkt habe, nenne ich "Zuhause".
Aktuell sind bei mir Heimat und Zuhause ein und derselbe Ort.
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Heimat ist für mich der Ort, an dem ich meine Wurzeln habe. Das muss nicht der Ort sein, an dem ich geboren bin, sondern der Ort, an dem ich aufgewachsen bin und meine Kindheit erlebt habe, denn die Erlebnisse meiner Kindheit, meine frühkindlichsten Erinnerungen and diesen Ort und die Werte, die ich an diesem Ort verinnerlicht habe, das sind meine Wurzeln.
Den Ort, an dem ich gerade lebe, meine Freunde und meinen Lebensmittelpunkt habe, nenne ich "Zuhause".
Aktuell sind Heimat und Zuhause ein und derselbe Ort.
Ich wollte ganz genau das gleiche schreiben.
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Für mich ist Heimat dort wo ich mich zuhause fühle, in meinem Fall also Tirol. Wenn ich mit dem Flugzeug oder Zug ins Inntal einfliege/einfahre und links und rechts die Berge sehe, ist das immer so als würde ich heimkommen in mein Wohnzimmer . Das ist für mich Heimat.
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Heimat ist für mich der Ort, an dem ich meine Wurzeln habe. Das muss nicht der Ort sein, an dem ich geboren bin, sondern der Ort, an dem ich aufgewachsen bin und meine Kindheit erlebt habe, denn die Erlebnisse meiner Kindheit, meine frühkindlichsten Erinnerungen and diesen Ort und die Werte, die ich an diesem Ort verinnerlicht habe, das sind meine Wurzeln.
Den Ort, an dem ich gerade lebe, meine Freunde und meinen Lebensmittelpunkt habe, nenne ich "Zuhause".
Aktuell sind Heimat und Zuhause ein und derselbe Ort.
Ich wollte ganz genau das gleiche schreiben.
Die Kurzfassung stammt von Erdinger: "In Bayern daheim, in der Welt zuhause."
Nur dass es bei mir halt BW ist.
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Um es mit dem Alt-Hippie Willie Nelson zu sagen: Home is where you're happy.
Heimat ist, wo man sich eben heimisch fühlt. Dort, wo mir die Menschen wichtig sind, wo mir die Vergebung vertraut und angenehm erscheint und wo ich bereit bin, gerne ein Teil der Gesellschaft zu sein und dazu beizutragen, dass es allen etwas besser geht. Heimat hat aber auch viel mit Vergangenheit zu tun, mit nostalgischen Werten. Ich fühle mich daher in meiner Geburtsstadt sehr heimisch, könnte das aber ebenfalls in einem Dorf in Arkansas.
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Heimat ist für mich der Ort, an dem ich meine Wurzeln habe. Das muss nicht der Ort sein, an dem ich geboren bin, sondern der Ort, an dem ich aufgewachsen bin und meine Kindheit erlebt habe, denn die Erlebnisse meiner Kindheit, meine frühkindlichsten Erinnerungen and diesen Ort und die Werte, die ich an diesem Ort verinnerlicht habe, das sind meine Wurzeln.
Den Ort, an dem ich gerade lebe, meine Freunde und meinen Lebensmittelpunkt habe, nenne ich "Zuhause".
Aktuell sind Heimat und Zuhause ein und derselbe Ort.
Ich wollte ganz genau das gleiche schreiben.
Finde auch, dass es das ganz gut trifft.
Ist bei mir auch eher ein Gefühl als ein Ort, wobei es nie außerhalb des Ruhrpotts sein könnte, was also auch mit einer gewissen Mentalität zusammenhängen muss.
Andererseits ist auch der Stadtteil in dem ich aufgewachsen bin mehr Heimat, als der, in dem ich mittlerweile lebe.
Ist also definitiv stark mit den Kindheitserinnerungen bei mir verwurzelt.
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Ich erlaube mir mal eine Frage zu stellen, die sich mir im Rahmen der Özildebatte gestellt hat, die aber für den Nationalmannschaftthread eindeutig zu offtopic war.
Inwieweit ist es gerechtfertigt, wenn ich, jemand der Adidas und Nikeprodukte kauft, ein Iphone hat, ein sportliches Auto fährt etc pp., sich plötzlich bei anderen für das Einhalten der Menschenrechte interessiert?
Ich meine das ernst, denn ich tue mich mit solchen Vorwürfen schwer. Mir sind Menschenrechte nämlich scheissegal. Wenn sie mir wichtig wären, müsste ich meinen Konsum komplett umstellen. Das schaffe ich gar nicht. Ich wäre nichtmal ein Teil dieses Forum, denn einen Fairtrade-PC oder ein Fairtrademobilphone ist schwer zu beschaffen.
Ich möchte mich selbst auch nicht in eine Täterrolle zwingen. Ich bin ja kein Böser und möchte nur in diesem Leben und damit in dieser Gesellschaft klarkommen. Irgendwie habe ich aber Probleme die Moral die in dieser Gesellschaft gepredigt wird auch auf mein Leben in dieser Gesellschaft anzuwenden.
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Ich erlaube mir mal eine Frage zu stellen, die sich mir im Rahmen der Özildebatte gestellt hat, die aber für den Nationalmannschaftthread eindeutig zu offtopic war.
Inwieweit ist es gerechtfertigt, wenn ich, jemand der Adidas und Nikeprodukte kauft, ein Iphone hat, ein sportliches Auto fährt etc pp., sich plötzlich bei anderen für das Einhalten der Menschenrechte interessiert?
Ich meine das ernst, denn ich tue mich mit solchen Vorwürfen schwer. Mir sind Menschenrechte nämlich scheissegal. Wenn sie mir wichtig wären, müsste ich meinen Konsum komplett umstellen. Das schaffe ich gar nicht. Ich wäre nichtmal ein Teil dieses Forum, denn einen Fairtrade-PC oder ein Fairtrademobilphone ist schwer zu beschaffen.
Ich möchte mich selbst auch nicht in eine Täterrolle zwingen. Ich bin ja kein Böser und möchte nur in diesem Leben und damit in dieser Gesellschaft klarkommen. Irgendwie habe ich aber Probleme die Moral die in dieser Gesellschaft gepredigt wird auch auf mein Leben in dieser Gesellschaft anzuwenden.
Schwer zu beschaffen? Mitnichten. Purism Laptops und Fairphone. Done Deal.
Man muss sich halt informieren WOLLEN.
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Shels spricht da schon einen wunden Punkt an. Letztlich haben wir es leicht, die in einer Wohlstandsgesellschaft aufgewachsen sind. Ob nun Hartz IV oder Kind reicher Eltern, als in Deutschland Geborener gehörst du im Vergleich zum Rest der Welt definitiv zu einer privilegierten Gruppe von Menschen, die bequem vom Sofa aus Urteile fällen können, während andere sich ihr Glück und ihre Freiheit mühsam und z.T. nur unter großen Opfern erkämpfen müssen.
Ich denke jedoch nicht, dass wir uns deswegen kein Urteil erlauben dürfen. Wenn du dir bewusst bist, dass du mit deiner Lebensweise dazu beiträgst, Ungerechtigkeiten auf der Welt zu unterstützen, dann ist das eine wichtige Erkenntnis, die viele andere nicht einsehen würden. Musst du dich deswegen schlecht fühlen? Ich denke, nein. Es liegt in deiner, meiner, unser aller Hand, unser Konsumverhalten so anzupassen, dass wir Drittländer nicht über die Maßen belasten.
Mich würde aber interessieren, welche gepredigten Moraltugenden der Gesellschaft dir zu schaffen machen - vielleicht ja mit einem konkreten Beispiel?
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Wunder Punkt, ja. Nur macht er es sich etwas einfach. Wenn man natürlich darauf besteht, Adidas, iPhone und Sportwagen zu besitzen (als Synonym für durch Ausbeutung gewonnene Luxusgüter), weil alles andere schwer zu beschaffen sei oder den eigenen Lebensstil ändert, dann ist das entweder a) fehlender Wille oder b) pure Resignation mit der Begründung, sowieso nichts ändern zu können, selbst wenn man wollte.
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Für mich: Heimat ist dort, wo die Familie ist und wo man sich wohlfühlt.
Ein Ort, mit dem man sich identifizieren kann. Meine Heimaten bisher: Mein Geburtsort, Kiel, Frankfurt und jetzt Singapur. An alle diese Orte kehre ich gerne zurück und mit jedem Ort verbindet mich etwas.
Da meine Familie jetzt aber mit mir in Singapur wohnt, ist das jetzt meine Heimat.
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Heimat ist da, wo es schön ist.
Den Spruch "schön ist es, wo Heimat ist"...ich kann davon einen Aspekt gut heißen: Die Wurzeln nicht vergessen, im Guten wie im Schlechten. Per se aber zu sagen "weil hier deine Heimat ist, ist es automatisch schön"...damit kann ich nichts anfangen.
An meiner Heimat Deutschland schätze ich: Egal wer du bist...wenn du Arbeiten gehst und dich an die freiheitlich-demokratische Grundordnung hälst, bist du hier in der Regel gern gesehen. Das ist für mich die Seele meiner deutschen Heimat in a Nutshell. Ob dann Jemand bei der Hymne singt etc. ist für mich eigentlich belanglos, solange nicht dabei aktiv andere z.B. mit Teletubbiesgeschrei stört.
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Ich habe mich in der Rassismus-Debatte um Özil und in der Frage welche Werte ein Spieler der deutschen Nationalmannschaft vertreten muss, bisher nicht sonderlich eingeschaltet. Diese Frage hingegen (und der Thread entstand ja aus der Özil-Nummer), beantworte ich nun aber gern und diskutier da auch gerne mit euch.
Ich glaube ich hab ein sehr wirres Bild von Heimat. Meine Eltern kommen aus Polen, ich selbst wurde in der Nähe von Köln geboren. Ich wuchs in der Nähe von Stuttgart auf und bin mit 18 dann nach Hamburg gezogen. Das sind sehr viele Orte und doch kann ich glaube ich von keinem dieser Orte behaupten, dass es meine Heimat ist oder ich einen dieser Orte meine Heimat nennen möchte.
Polen war für mich trotz der Wurzeln meiner Eltern immer sehr fremd. Ich habe nie Polnisch gelernt und Besuche dort waren für mich eher eine Qual. Das Verhältnis der Verwandten untereinander ist nicht so prall, die Menschen in Polen haben eine gänzlich andere Vorstellung des Lebens (und können davon nicht ablassen) und die allgemeine Kultur ist mir auch zu religiös geprägt. Eine der wenigen Sachen, die ich an Polen wirklich schätze sind das Essen und der Hund meiner Oma, mit dem ich mir als Kleinkind immer gern das Eis geteilt habe. Sonst ist da nichts.
In Köln habe ich die ersten zwei Jahre meines Lebens verbracht, geschenkt. Da baut man keine größere Verbindung zu auf.
In der Nähe von Stuttgart hab ich es dann (gezwungenermaßen) 16 Jahre ausgehalten. Wir haben eigentlich trotz etwas widerer Familienumstände in einem von außen betrachtet tollem Viertel gewohnt. Eine gute Schule ums Eck, die weiterführenden auch nicht weit, alles gut vernetzt. Die Aufteilung von Migranten und Deutschen war immer schon etwas getrennt, wir hatten allerdings eine Wohnung in einem sehr deutschen Viertel. Mittelklasse, nichts aufregendes. Als meine Mutter noch alleinerziehend war, haben wir auch recht deutlich erfahren müssen, dass so ein Nachname und die ausländische Herkunft nicht von Vorteil waren. Wir wurden lange nicht von den Nachbarn akzeptiert, nicht auf Straßenfeste eingeladen, es gab viele Lästereinen über die neuen "Polen" aus der Nachbarschaft. Ok, das sind die alten und konservativen Leute aus einer anderen Generation, denkt man. Auch in den Schulen habe ich immer wieder mitbekommen, dass Schüler und Schülerinnen wegen ihrer Wurzeln benachteiligt wurden. Ich hatte Mitschüler, die wurden aus den Vorlesewettbewerben (ohne gelesen zu haben natürlich), die haben schlechtere Noten bekommen, obwohl die Leistung dieselbe war (O-Ton: Ja, als Türke ist es einfaxch schwieriger eine 1 in Deutsch zu bekommen), und so weiter. Und das war nicht in einem Problembezirk. Das war in einer soliden Mittelklasse. Und ich weiß nicht, ob es die Angst der Anwälte und Ärzte in unserer Nachbarschaft war, dass meine Mum vom Bauernhof in Polen ihnen den Job streitig macht, ob es die Ignoranz "Fremdem" gegenüber war oder ob es schlussendlich ganz stumpf "Rassismus" war. Aber auch dort, fühlte ich mich nicht wohl. Erst als meine Mutter mit einem deutschen Mann zusammenkam und ihn schließlich auch heiratete, gab es Anstalten der Nachbarschaft sich mit den "Polen" zu beschäftigen. Auch heute bin ich sehr ungerne dort. Auch, wenn ich noch immer viele schöne Momente meiner Kindheit mit dort verbinde.
Seit 5 Jahren wohne ich jetzt in Hamburg. Wohnort? Ja. Heimat? Schwierig. Und jetzt komme ich auch ein bisschen auf die eigentliche Frage des Threads zu sprechen: Was ist Heimat? Per Definition wäre sicher dieser Ort in der Nähe von Stuttgart meine Heimat. Emotional / subjektiv gesehen sicher nicht, weil es mir kein gutes Gefühl gibt dort zu sein und ich auch nicht öfter oder länger dort sein möchte. Es sorgt bei mir einfach für keine Begehrlichkeit. Das tut Hamburg aber auch nicht. Ich bin vor fünf Jahren hierher gekommen, um in der Werbung zu arbeiten. Ich "wollte nicht unbedingt" an den Hafen, an die See oder ans Tor der Welt. Das war mir völlig egal. Hamburg war für mich immer ein Hebel oder Werkzeug, um ein Karriereziel zu erreichen, wenn man so will.
In den letzten Tagen hab ich ein wenig drüber nachgedacht. Jetzt diesen Text einmal runtergeschrieben. Was ist meine Heimat?
Die ist für mich schlussendlich nicht an einen Ort gebunden. Zu 0,0%. Heimat ist für mich immer bei meiner Familie und bei meinen Freunden. Ich habe diesen Ortsbezug einfach nicht. Hamburg ist meine Heimat, wenn ich, wie in ein paar Augenblicken, mit Freunden auf meinem Balkon sitze, ein Bier trinke und Spaß habe. Heimat kann aber auch der Ort sein, in dem ich aufgewachsen bin, wenn an Weihnachten die ganze Familie um den Baum sitzt. Von mir aus auch Madagascar, wenn ich mit Freunden in Urlaub bin. Für mich ist Heimat einfach nicht mit einem Ort verbinden, Heimat wurde (auch durch die Erfahrungen, die ich gemacht habe) für mich immer mehr zu einem emotionalen Begriff. Ein Gefühl. Nie ein Ort.
Jetzt möchte ich noch ein paar Worte zur "deutschen Heimat" verlieren.
An meiner Heimat Deutschland schätze ich: Egal wer du bist...wenn du Arbeiten gehst und dich an die freiheitlich-demokratische Grundordnung hälst, bist du hier in der Regel gern gesehen. Das ist für mich die Seele meiner deutschen Heimat in a Nutshell. Ob dann Jemand bei der Hymne singt etc. ist für mich eigentlich belanglos, solange nicht dabei aktiv andere z.B. mit Teletubbiesgeschrei stört.
Das ist etwas, dass ich so leider nicht erlebt habe. Und davon gehe ich jetzt gar nicht von "meiner" Ausnahme aus, sondern ich habe genug Ausnahmen in Deutschland gesehen, dass es für mich fast die Regel ist. "Der Deutsche", wie ich ihn kennengelernt habe, hat Vorbehalte gegenüber Ausländern. Auch, wenn sie arbeiten und vor allem, wenn sie irgendwann an einen Punkt kommen, an dem sie durch ihre Arbeit vielleicht auch ein "besseres" Leben führen als er selbst.
Ich stimme dir zu, dass jemand, der hier lebt, sich an den Werten Deutschlands nicht nur orientieren, sondern sich zu großen Teilen auch festhalten muss. Ich glaube aber auch, dass das nicht dafür reicht, um akzeptiert zu werden – als ebenbürtiger Einwohner dieses Landes. Ich weiß ehrlich gesagt auch gar nicht, was es genau braucht. Vielleicht muss man die Kultur annehmen (hier wichtig: Unterschied von Kultur und demokratischen oder deutschen Werten). Ich habe die "deutsche Heimat" allerdings doch anders wahrgenommen, als du sie hier beschreibst. Aber: Deutschland ist groß, vielleicht war ich in den falschen Ecken.
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Das ist vielleicht auch Heimat. Der Mensch ist ja irgendwie eine Summe seiner Erfahrungen. Ich habe immer wieder erlebt, dass gewisse "Ausländergruppen" anders behandelt werden als andere. Traurigerweise auch bei mir selbst. Aber darauf komme ich gleich zu sprechen.
Ich lebe ja seit einigen Jahren sehr multikulturell und komme mit den meisten Menschen jeglicher Herkunft gut klar. Bei einigen haben ich aber anfangs Schwierigkeiten mit ihnen "warm zu werden". Das sind überwiegend "Türken", aber auch "Inder". Wie kommt das? Ich denke das ist in meiner Kindheit und Jugend zu suchen. Der erste Türke und der erste Inder, mit denen ich etwas zu tun hatten waren beide fürchterliche Arschlöcher, während ich sehr gute Freunde aus Ost- und Südeuropa, Südostasien, Nordafrika, den USA und aus Brasilien hatte. Ohne diese negativen Erfahrungen würde ich sicher auch jetzt anders ans Kennenlernen ran gehen, wenn ich mit Menschen aus dem türkischen oder indischen "Kulturkreis" zu tun habe.
Obwohl es sich über die letzten Jahre bei "Türken" auch sehr geändert hat. Ich lebe ja in nem sehr türkisch geprägten Stadtviertel und alle Leute die ich hier kennen gelernt habe sind super nett und hilfsbereit, immer für einen Plausch auf der Straße zu haben usw. Das erlebst du in einem "deutschen" Stadtviertel so in der Regel nicht. Die Jugendlichen mal ausgenommen, aber das hat was mit deren Verhalten zu tun, nicht mit ihrer "Herkunft".
Es ist halt glaube ich allgemein so, dass Menschen, völlig unabhängig von ihren Wurzeln "gut" oder "schlecht" sein können. Arschlöcher gibts überall.
Was das jetzt mit Heimat zu tun hat? Nicht viel, ich bin da wohl ein wenig abgeschweift :P
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Heimat ist, glaube ich, auch die Quintessenz verschiedener Gefühle. Das Gefühl von Vertrautheit habe ich schon genannt. Das Gefühl, Dinge zu verstehen und Menschen. Das Gefühl, von Gleichgesinnten umgeben zu sein: gleiche Sprache, gleiche Geschichte, gleiche Erinnerungen, gleiche Werte, gleiche Sportmannschaften, denen man folgt. Das ist der Grund, warum die EU niemals ein einziger, großer Staat werden kann und warum in den USA der zentrale Staat aus Washington nicht wirklich funktioniert. Ich würde als im Ausland lebender Deutscher sicher auch reflektorisch Landsleute oder zumindest Westeuropäer suchen und mich mit ihnen umgeben, wenn ich ein Gefühl der Ausgrenzung erleben würde. Ich nehme an, dass die Türken hierzulande ähnlich agieren.
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Sehr interessantes Thema, gerade um die Uhrzeit, wenn man von einem Weinfest kommt (Welche wohlgemerkt in einer Umgebung stattfindet, in der gar kein Wein angebaut wird. Nur mal so angemerkt :D).
Im Großen und Ganzen stimme ich j4y_z's Beitrag zu. Bei mir ist der Begriff "Heimat" trotzdem etwas mehr ortsgebunden. Dies sagt man Saarländern allgemein ja eh nach und so ist es auch bei mir und bei meinen engsten Freunden. Für mich ist also mein Geburtsort und Ort an dem ich aufgewachsen bin schon meine Heimat. Ich selbst liebe das reisen und fremde Länder entdecken, kann mich an fast jeder noch so langweiligen Landschaft erfreuen, aber so sehr ich auch immer Fernweh habe, so sehr freue ich mich dann auf das Nachhause kommen - auf meine Heimat. Gleichzeitig habe ich aber auch eine zweite Heimat, in meinem Fall Kaiserslautern, in welcher ich in meiner Kindheit fast jedes Wochenende verbracht habe und die Gegend lieben gelernt habe.
Daraus würde ich jetzt normalerweise schließen, dass jeder Ort, an dem man mal mehr, mal weniger gelebt hat, so etwas wie eine Heimat ist. Trifft aber bei mir leider nicht zu: War ich als Kind am Wochenende nicht beim Opa in Kaiserslautern, so war ich bei meinem Onkel in der Nähe vom Blieskastel. Auch wenn ich dort gerne & oft war, so ist dies definitiv kein Ort, denn ich als meine Heimat bezeichnen würde. Warum dies so ist: Ich wüsste es selbst gerne, komme aber zumindest im Moment nicht auf eine schlüssige Erklärung.
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Vielleicht nicht ganz zum Thema "was ist Heimat", aber zum mit angeschnittenen Thema "Integration":
einer meiner engsten Freunde ist mit mir in Süddeutschland geboren und aufgewachsen, verfügt über seinen Vater jedoch neben der deutschen auch über die schweizer Staatsbürgerschaft. Er lebt und arbeitet seit etwa zehn Jahren in Zürich, ist mit einer Deutschen verheiratet, seine Kinder sind dort zur Welt gekommen und haben die schweizer Staatsbürgerschaft. "Problem": die komplette Familie spricht kein schwizerdütsch sondern normales hochdeutsch.
Wahrnehmung bei Nachbarschaft, Arbeitskollegen, Kindergartenfreunden etc.: das sind Deutsche. Man wird in seiner jeweiligen Rolle akzeptiert, aber zum "wir" dazugehören, das hat er auch nach zehn Jahren noch nicht geschafft und wird es vermutlich auch nie schaffen. Eine etwas andere, zurückhaltendere Behandlung als "echte" Schweizer erfährt man einfach.
Ist das jetzt gleich Rassismus? Bestimmt nicht. Aber in einer gewissen Form eine Eigenart der menschlichen Natur scheint es zu sein. Zieht mal als Oberbayer nach Franken. Als Schwabe nach Baden. Man muss kein nicht-westeuropäisches Aussehen haben oder Deutsch mit Akzent sprechen, um irgendwo schon an erste Grenzen zu stoßen. Daher ist es völlig logisch, dass man mit "ausländischem Aussehen" oder "komischem Nachnamen" überall auf dieser Welt auf diese Grenzen stößt, je "exotischer" man aus jeweiliger Sichtweise ist desto schwieriger sind diese zu überwinden.
Das alles wird anscheinend aber gerne zu einem deutschen Problem gemacht. Ist es aber nicht. Nazis und Rassisten sind die Bewohner eines schwäbischen Kleindorfs jetzt auch nicht automatisch alle, "nur" weil sie die zugezogene türkische Familie nicht zu 100% in ihrer Mitte aufnehmen. Das tun sie mit der zugezogenen Familie aus Hamburg nämlich auch nicht.
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Na dann ist es ja gut.
Ich zitiere zum Thema Alltagsrassismus mal Behzad Karim-Khani:
Ich kann vielleicht 50 „Einzelfälle“ benennen. Ich bin von Skins angegriffen, von Schulkameraden gehänselt, vom Nachbarn angespuckt, Kanake, Moruk oder einfach Ali genannt worden. Ist mir aber egal, hat mich nur stärker gemacht.
Ich könnte erzählen, wie oft ich grundlos von der Polizei angehalten, überprüft und gefilzt wurde. Auch egal. Schon schlimmeres erlebt.
Auch, dass nach 30 Jahren Deutschland immer noch die (spätestens) zweite Frage ist, wo ich eigentlich herkomme, ist mir egal. Hab mich dran gewöhnt.
Dass ich komplett verschiedene Reaktionen erhalte, je nachdem, ob ich mich als Perser oder als Iraner vorstelle. Geschenkt.
Die eigentlichen Gründe, warum ich mich niemals mit Deutschland identifizieren werde, liegen aber in den Dingen, die mir in meinem direkten, tendenziell linken oder zumindest liberal/aufgeklärten Umfeld passieren:
Die Anzahl der geistlosen Bombenlegerwitze und Islamistenseitenhiebe, die sie glauben, machen und verteilen zu können, weil das ja ironisch gemeint ist, da sie ja keine Rassisten seien, geht mittlerweile ins 4-stellige. Mein Ernst. Tagtäglich kommt sowas.
Wenn meine italienischen Freunde nach 10 Jahren Deutschland immer noch „er" und „sie“ verwechseln, oder zu Frauen „Jungs“ sagen, finden meine deutschen Freunde das irgendwie nonchalant, cool und sexy, wenn meine türkischen Freunde nach 12 old fashioned´s mal Dativ und Akkusativ vertauschen, werden sie belächelt.
Ich höre immer wieder antisemitische Sprüche in meinem Umfeld mit einem Augenzwinkern mir gegenüber, weil sie glauben, dass ich ihren dummen Rassismus teile. Schließlich hassen „wir“, „die“ ja bekanntlich auch.
Wenn ich von Fremden für einen Italiener gehalten werde, tut mein deutsches Umfeld so, als hätte ich es als Kompliment aufzufassen, wenn ich für einen Israeli gehalten werde, glaubt es, dass ich beleidigt sein müsste.
Ich war mal auf Tinder mit 3 verschiedenen Namen und den gleichen Bildern. Chiaro, Bobby und Reza. Jetzt ratet mal, bei wem die Matches ausblieben.
Neulich las ich einen Artikel in der FAZ, in dem die Perser als „ein Volk von Teppichhändlern“ bezeichnet wurden, womit der Autor das vermeintliche Geschick bei den Atomverhandlungen unterstreichen wollte. In der FAZ. Kein Witz.
Ich könnte ewig fortfahren. Die Eltern meiner Freundinnen, meine Lehrer, Kaufhausdetektive, die Omi im Bus, im Aufzug, im Treppenhaus etc etc. Wirklich ewig. Ich will es nur nicht in die Länge ziehen. Fb Aufmerksamkeitsspanne und so. Das alles ist auch keine Klage. Ich bin kein Opfer. War nie eins, werde nie eins sein.
Nur eine Sache:
Nach 30 Jahren dachte ich, ich kenne Rassismus in all seinen Facetten und dann ging ich mit einer Frau aus, die Halbnigerianerin ist. Alles was ich bisher erlebt hatte, war dagegen ein Witz. Erwachsene redeten mit ihr, wie in Rapvideos. Yo! Yo! Yo! Nigger! Nigger! Nigger!
Jetzt konnten sie es endlich sagen. Jetzt kannten sie eine Schwarze. Jetzt waren sie Afroamerikaner. Yo! Yo! Yo! Nigger! Nigger! Nigger! Die Frau kommt aus Köln. Mehr denn je wollten Typen wissen, wie der Sex ist. Einmal gratulierte mir jemand zu der „Gazelle“, als sie kurz den Raum verliess und ich hörte Begriffe, wie „Mohr“ und „Neger“ aus Mündern von Menschen (Mehrzahl), die für die Süddeutsche und die Zeit schreiben oder bei arte arbeiten. 2015/16. In Berlin. Alles keine Rassisten. Alles nur Ironie.
Ich stehe auch nicht auf Erdogan, ich gebe Özil aber recht, wenn er sich fragt, warum er Deutschtürke ist, Podolski und Klose aber nicht Deutschpolen. Warum ist der Sohn des weissen GI's Deutscher, der Sohn des schwarzen GI's aber Afrodeutscher? Ich meine, wie viel hat dieser Junge bitte noch mit Afrika zu tun? Und warum ist Deutschrusse normal, Frankodeutscher oder Italodeutscher aber nicht?
Was ich also feststelle, ist nicht nur der stumpfe, direkte Rassismus der Afd, der Skins oder des Schrebergartenvereins, der ja zumindest sowas wie ehrlich ist. Was ich erlebe, sind auch die Abstufungen auf der Multikultiliste beim Bildungsbürgertum.
Ganz oben stehen die Imperialmächte und der geilere Süden. Brasilien, Argentinien, Italien, Kolumbien, Frankreich, USA, England.
Dann kommen sie selbst.
Als Perser stehe ich ungefähr hier (Ich bin Arier, meine Eltern Ärzte, der Shah war großartig. Kulturnation. Die gesamte westliche Zivilisation fußt auf blablabla. Geld hab ich bestimmt auch.)
Im Mittelfeld stehen die harmlosen Länder. Japan, Indien, Kanada, Australien etc.
Darunter kommt Afrika. (Geile Körper, süsse Babies, aber arm und dumm.)
Als Iraner stehe ich ungefähr hier. (Ich bin Schiite, trage ein Messer, mein Vater schlägt meine Mutter. Beide können nicht lesen, aber wenigstens bin ich kein Araber.)
Die stehen nämlich ganz unten, zusammen mit den Türken, den Afghanen und den Pakistanis. Und jetzt sag mir auch nur einer, dem sei nicht so.
Ich bin in Deutschland keine Minderheit, auch wenn mein polnischer Nachname auf dem Dorf auch gerne mal fuer zweifelhafte Witzchen her halten musste, aber ich bin der festen Meinung:
Ob es Rassismus gegen Migranten gibt, sollte ganz sicher nicht die nicht-migrantische Mehrheit (nicht einmal die oben beschriebenen "Vorzugsmigranten") beurteilen. Da sollten wir solchen Schilderungen schon vertrauen und mal in uns kehren und ueberlegen, ob wir wirklich so integrationsfreudig und menschlich sind, wie wir das immer darstellen.