Ich möchte meinen Senf auch nochmal dazugeben. Ich finde dass Menschen nicht dafür bestraft werden sollten, wenn sie eine politische Geste machen und eine politische (wenn auch menschenverachtende) Meinung äußern. Ich spreche mich auch dafür aus, Naziaufmärsche prinzipiell zu erlauben und deren gesamte Symbolik nicht weiter stafrechtlich zu verfolgen. Bevor ihr mich jetzt gleich zerfleischt deswegen, würde ich gern darlegen warum ich das so sehe.
Ich habe dafür 2 Modelle, das erste würde ich werteorientiert, das zweite ergebisorientiert nennen.
1) Soweit ich das verstanden habe, ist die Ideologie der Nazis verboten, weil sie verfassungswidrig ist, also weil sie unsere Verfassung oder Teile davon nicht anerkennt und damit eine Gefhr für eben diese darstellt. Warum wird nur diese eine Ideologie verboten, und bei anderen Ideologien (Linksextremismus, vereinzelte Strömungen des Islam usw.) wird so nicht gehandelt? Das kommt mir willkürrlich und ungerecht vor. Warum müssen wir überhaupt verbieten? Ist Freiheit nicht etwas was nur ganz oder gar nicht geht? Eingeschränkte Freiheit? Mir ist klar, dass 99% der Bürger in ihrer Freiheit dadurch effektiv nicht eingeschränkt werden, aber wo zieht man die Grenze? Ab da wo anderen physische oder psychische Gewalt angetan wird? Ok, dann darf man Flaggen, Musik und Symbolik nicht verbieten. Ziehen wir die Grenze da, wo die Ideologie potenziell eine Gefahr darstellt, erschließt sich mir nicht, warum wir uns auf diese eine Ideologie beschränken.
Es wird oft von unseren Werten gesprochen. Für mich sind das christliche Werte, und manche würden mir da Recht geben. Aber selbst dann kann man streiten, wie man mit Nazis "christlich" umgehen sollte. Ich sag es mal überspitzt: Jesus hätte die Ideologie logischerweise zutiefst abgelehnt, hätte aber trotzdem Dialog gesucht.
2) In der Soziologie gibt es ein recht klares Bild darüber wie sich Menschen radikalisieren. Grundlage dafür ist u.A. immer eine Form der Nicht-Zugehörigkeit zur Gesellschaft, also das Gefühl ausgeschlossen zu werden. Das befeuern wir seit Jahrzehnten durch unsere Politik und die momentane Situation zeigt, dass sich das Problem durch Verbote (wie so oft) nicht in den Griff bekommen lässt. Ähnlich wie bei der Diskussion um die regressive Drogenpolitik, ist mittlerweile klar, dass es in jeder Gesellschaft eine relativ gleichbleibende ANzahl Menschen gibt die Drogen konsumieren, unabhängig der Gesetzeslage, genauso wie es Menschen gibt die zu "extravaganten" politischen Meinungen tendieren. Die Frage ist halt wie man damit am Besten umgeht und ja, darüber kann man absolut streiten. Dank der Erkenntnis darüber wie Radikalierung abläuft, sollte es aber unser gesellschaftliches Interesse sein, das Bilden von Paralellgesellschaften um jeden Preis zu verhindern. Das würde bedeuten diese Menschen in die Mitte unserer Gesellschaft zu lassen. Ich bitte euch eure Empathie mal soweit zu beanspruchen, dass ihr euch vorstellt ihr hättet eine Einstellung die gesellschaftlich absolut verpöhnt ist. Ihr werdet sie nicht äußern. Vielleicht tut ihr das einmal, vielleicht auch zweimal aber ihr werdet auf prinzipielle Ablehnung stoßen, und euch Leute suchen denen es ähnlich geht. Und schon ist eine Echokammer geschaffen. Von keiner der beiden Seiten besteht zu diesem Zeitpunkt die Bereitschaft einen Dialog zu führen und schon ist die Grundlage zur Radikalisierung gelegt. Es wäre toll, wenn jetzt eine der Parteien die Kraft aufbringen würde diesen Teufelskreis zu unterbrechen.
Ein bischen simpler dargestellt. Wenn ich möchte dass jemand seine Meinung ändert, dann ist schlechtere Variante demjenigen zu verstehen zu geben, dass man seine Meinung als minderwertig ansieht. Besser ist es den Dialog zu suchen, verständisvoll zu sein und darauf hinzuwirken dass er seine Meinung von sich aus ändert.
Das ist meine Meinung und die ist nicht in Stein gemeißelt. Ich würde mich sehr freuen, darüber zu diskutieren.