Du siehst Dopen als den Fehler eines Sportler oder die kriminelle Energie desjenigen, die sich darin äußert, dass er andere betrügt.
Ich sehe das Dopen als die Konsequenz eines Systems, indem man sich nur dann Ruhm, Ehre und auch Reichtum erarbeiten kann, wenn man das absolute Maximum aus seinem Körper herausholt. Die Wahrheit liegt vermutlich irgendwo dazwischen. Wenn das Maximum nunmal über chemische Substanzen führt, dann ist das eben der Weg für die Sportler. Für die Sponsoren geht es darum, dass ihre Sportler möglichst viele Wettkämpfe gewinnen. Die haben also nicht im Geringsten etwas gegen Doping, solange es nicht entdeckt wird. Wenn man nun davon ausgeht, dass eine Person in einem Sport dopt, dann müssen alle anderen an der Leistungsspitze sofort auch anfangen zu dopen, sonst ist dieser eine dopende Sportler übermächtig. Das ist wie ein Schneeballsystem: Wenn einer dopt, dann ziehen alle hinterher, denn Sportler sind ehrgeizig und erfolgshungrig, sonst wären sie keine Sportler.
Ist das jetzt kriminell? Ich weiß es nicht.
Mal ein kleiner Exkurs ins zivile Leben: Wenn man seine Steuererklärung macht, dann versucht man doch auch das Maximum herauszuholen. Also man trickst hier und da, setzt Dinge ab, die man nicht absetzen dürfte. Irgendwann hat einer mal damit angefangen und den anderen erzählt: "Hey, ich habe 1000€ mehr zurückerstattet bekommen und fliege dafür nun in den Urlaub."
Wie realistisch ist es, dass die anderen dann sagen "Nö, das ist verboten, dafür kann man bis zu 5 Jahre in den Bau wandern, das mache ich nicht." Nee, die Chance entdeckt zu werden ist relativ gering, alle machen es, also ist es im Prinzip fast selbstverständlich. Klar könnte man sagen, dass die Steuerhinterzieher den ehrlichen Bürger betrügen, genauso wie die dopenden Sportler den ehrlichen Sportler betrügen. Aber wieviele tricksen denn bei ihrer Steuererklärung? Eine gaaaaanze Menge. Wieso sollte man den Sport nun als Prallelwelt betrachten, in der die Natur des Menschen plötzlich völlig anders ist? Zumal gerade im Sport die Ellenbogenmentalität härter ist.
Warum dopen Sportler also? Bei diesen ganzen Dopingsystemen, die aufgeflogen sind, also dass Gynäkologen mit Eigenblut rumpanschen, dass Sportmanager Blutzentrifugen auf dem Schwarzmarkt kaufen, da glaube ich wirklich nicht mehr an die Individualschuld des Sportlers. Deshalb habe ich auch ein Problem mit höheren Strafen. Manager, Sponsoren, Trainer, Teamleiter, der nationale Verband und nicht zuletzt auch die Medien und die Öffentlichkeit (also wir) treiben die Sportler zum Doping. Wir jubeln denen zu, die gewinnen, die gut sind. Man setzt diese Sportler also diesem Druck aus und dann machen sie etwas, das sowieso jeder macht, nämlich das Optimum aus der Ausgangsposition herausholen und dafür sollen sie nun alleine bestraft werden?
Das finde ich nicht gerecht.
Ich schaue Sport wegen des Spektakels. Mir ist es völlig egal, wie das zustande kommt. Da vermutlich sowieso alle gedopt sind, sähen die Siegerlisten ohne Doping genauso aus. Ich kann mir nicht die Moral herausnehmen und Doper kriminalisieren, weil ich weiß, dass ich auch "dope", wenn ich den Versicherungsschäden höher angebe, an Steuererklärungen herumbastel und Software kostenlos aus dem Internet herunterlade.