TLDR:
Erst notwendiges, dann tilgen, dann sparen! Wichtig ist wissen, was man hat und wozu man es verwenden will.
Um die "Schwarmintelligenz" mal zu füttern, beschreibe ich mal meine Finanzlage, ohne zu viele Zahlen.
Ausgangssituation: verheiratet, 35J, drei Kinder, Haus mit Kredit (mit ca. 25% des aktuellen Werts belastet, nach Plan ohne Sondertilgungen in ca. 30 Jahren abbezahlt), geregeltes (recht hohes) Einkommen von mir, auf Grund von Krankheit und guter Absicherung (versichert euch!) meiner Frau dazu noch gute Einkünfte ohne Arbeit für meine Frau, im Haus ist eine Einheit vermietet und ich habe noch ein sehr kleines Nebeneinkommen, nur wenige Hundert € pro Monat. Das Haus liegt gut, hat in den letzten zehn Jahren ca. 25% Wertsteigerung erfahren, vielleicht mehr.
Grundsätzlich lohnt sich keine Anlage, solange man noch verzinste Schulden hat, egal ob Kreditkarten, Konsumentenkredite, Immobilien- oder sonst etwas. Trotzdem gibt es Dinge, die noch vor der Tilgung stehen:
1a) Verpflichtungen. Werdet Euch bewusst über Eure regelmäßigen und unregelmäßigen Verpflichtungen, und legt dafür Geld beiseite. Was nützt einem Sparen, Investieren oder Tilgen, wenn man dann in den Dispo rutscht, weil eine Versicherung abbucht. Ich nutze YNAB, um mein Geld einzuteilen. Ich lege monatlich einen Betrag zurück für unregelmäßige Ausgaben, z.B. die vierteljährlichen Grundbesitzabgaben, jährliche Raten zu Versicherungen, Steuer etc. Für mich zählen hier auch Rentenversicherungen zu.
1b) Lebenshaltung. Seid Euch Eurer "variablen" Ausgaben bewusst. Lebensmittel, Klamotten, Medikamente, whatever. Ich protokolliere das alles (mit YNAB) mehr oder weniger genau. Daher weiß ich, wie viel ich für diese Dinge zurücklegen muss. Zählt teilweise (z.B. in der Höhe) zu 3, weil man es im Notfall senken kann.
2) Puffer. Legt einen Puffer an. Ich habe einen Puffer von zwei Monaten. Zwei komplette Monatseinkommen liegen ungenutzt bereit auf einem jederzeit verfügbaren Konto. (Früher Tagesgeldkonto, da das inzwischen keine Zinsen mehr abwirft liegt es derzeit auf einem Kreditkartenkonto - das ist noch etwas verzinst. Dazu kommen einige "zielgerichtete" Notfalltöpfe: Handwerker, Steuern, Nebenkosten, usw. Da lege ich idR das rein, was ich in den letzten 12 Monaten durchschnittlich auch ausgegeben habe. Dazu kommt noch ein Notfalltopf oben drauf.
3a) Spaß. "Regelmäßiges" wie Geld für kleinere Anschaffungen oder Kino- oder Restaurantbesuche, aber auch unregelmäßiges wie hin und wieder mal ein Urlaub. Meine Frau und ich setzen uns meist kurz nach dem jährlichen Urlaub hin und überlegen - ganz grob - ob im kommenden Jahr ein größerer oder kleinerer Urlaub ansteht. Entsprechend stelle ich in YNAB ein Ziel ein, dass zu dem Zeitpunkt das Geld da sein soll.
3b) Ziele. Notwendige Renovierungsarbeiten am Haus, neues Auto, geplante, größere Anschaffungen, etc. Ich mache hin und wieder einen Plan, was in den nächsten zehn Jahren an großen Dingen ansteht. Ich will nicht, dass meine Heizung ausfällt und kein Geld für etwas neues da ist. Das übersetze ich dann mehr oder weniger in einen monatlichen Betrag und packe den in das Budget "Projekte".
3c) Tilgung. Wenn noch Geld übrig ist, wandert es hier rein. Der Zinseszinseffekt funktioniert beim Tilgen noch wegen der idR höheren Zinsen noch besser als beim Sparen. Ich sehe ja, welcher Teil meiner Annuität (monatliche Rate) als Zinsen komplett verschwindet und welcher Teil die Schuld erst tilgt. Mit einer Sondertilgung senke ich für jede zukünftige Rate den Zinsteil und erhöhe den Tilgungsteil.
4) Vermögensaufbau. Erst, wenn jetzt noch Geld da ist, ist es mMn an der Zeit, über Vermögensbildung nachzudenken. Stecke ich vorher einen € in Vermögensbildung, während ich noch Schulden habe, verschenke ich mein Geld an die Bank. Ich bin mir, ehrlich gesagt, auch nicht sicher, was ich davon habe. Für das Alter vorsorgen tue ich unter 1. Größere Anschaffungen plane ich unter 3b) ein. Ansonsten erhöhe ich meinen Lebensstandard, indem ich mein Einkommen erhöhe. Meinen Lebensstandard jetzt senken (=sparen), damit ich ihn irgendwann mal erhöhen kann, halte ich für seltsam. Eine Ausnahme dazu gibt es schon: Wir legen für jedes unserer Kinder monatlich Geld in eine fondbasierte Rentenversicherung mit Auszahlungsoptionen. Wenn sie erwachsen sind, können Sie das Geld entweder als Startkapital nutzen für was auch immer, Führerschein, erstes Auto, Eigenkapital bei einer Immobilie, oder sie lassen die Versicherung einfach stehen und haben den ersten Baustein ihrer eigenen Rente, oder sie zahlen weiter ein und haben einen echt dicken Baustein ihrer eigenen Rente. Aber das ist dann deren Thema.
Damit fahre ich nun seit Jahren und auch in Zeiten von privaten und finanziellen Krisen sehr gut. Die wichtigsten Vorteile für mich:
* Ich weiß, wie viel Geld ich habe. Das ist nicht mein Kontostand. Mein Kontostand beinhaltet nämlich Geld, das mir (in der Zukunft) nicht (mehr) gehört, weil die Stadt es für die Grundbesitzabgabe abbuchen wird. Wenn ich etwas kaufen will, kann ich genau sagen, ob ich es mir leisten kann. Und wenn nicht, ich es aber trotzdem haben will, kann ich jederzeit Geld dafür "umschichten" aus einem anderen Budget, weiß dann aber, womit ich da gerade bezahle.
* Ich bin sehr gut für Notfälle vorbereitet. Selbst wenn die dafür vorgesehenen Töpfe und Budgets nicht ausreichen, kann ich alle möglichen Budgets "plündern": Andere Notfalltöpfe, die Puffer, notfalls die Budgets für irgendwann anstehende jährliche Verpflichtungen. Ich habe eine vergleichsweise hohe Liquidität, in aller Bescheidenheit.
* Da ich finanziell vergleichsweise gut organisiert bin, kann ich Dinge wie "0%-Finanzierungen" mitnehmen. Ich habe dafür ein eigenes Budget. Der Kaufpreis geht vom dafür vorgesehenen Budget in das Budget "Finanzierung" und von dort bezahle ich die anfallende Rate. So schenken mir die Banken/Geschäfte noch zusätzliche Liquidität. Aber: NUR bei 0%-Zinsen, NUR ohne irgendwelche Kosten, NUR mit ausreichend Geld im entsprechenden Budget.
Nun habe ich auch einige Jahre mit guten Einkommenssteigerungen hinter mir und wir zahlen einen Haufen Geld für Versicherungen. Vermutlich würden manche Leute sagen, zu viel. Nach den Erfahrungen, die wir gemacht haben, bin ich über die Versicherungen sehr dankbar und vertraue meinem Finanzberater sehr. (ASI Wirtschaftsberatung) Klar verdient der an den empfohlenen Produkten, sonst müsste ich ihn ja bezahlen. Aber da er auf Akademiker spezialisiert ist, verdient er langfristig mehr mit zufriedenen Kunden. Ich vertraue ihm - und möchte trotzdem jede Entscheidung verstehen, bevor ich sie treffe.
Zur DVAG: Ich rate da auch von ab. Ich habe selbst noch Verträge und war sogar schon für die tätig - jung & naiv. War nicht schön und ist, ehrlich gesagt, klassisches Schneeballsystem. Sicher ist da hin und wieder auch ein guter Berater darunter und die verkaufen auch nicht nur Mist. Ich zähle die dort abgeschlossene Rentenversicherungen schon zu einem (kleinen) Baustein meiner Altersvorsorge. Trotzdem sind die Methoden der Kunden- und Mitarbeitergewinnung fragwürdig, die Anreize ebenso. Und "freie" Auswahl haben die nicht, die verkaufen nur Produkte ihrer Partnerunternehmen. Ich glaube nicht, dass man dort im Regelfall optimal beraten wird. Ich habe dort mal - noch als Schüler(!) - einen Bausparvertrag abgeschlossen. Das eine Zeit lang eingezahlte Guthaben war irgendwann weg. Dann liefen nur noch Gebühren auf. Irgendwann schuldete ich der Bank nominell Geld. Das haben sie mir dann erlassen und den Vertrag aufgelöst. Jung & naiv.