Die gute alte Zeit, nicht wahr? Alles eine Frage der Perspektive, denke ich. Für uns als weiße (heranwachsende) Männer war's schön, über Frauen, Schwule, Ausländer, Schwarze, "Gelbe" und "Rote" zu lachen und niemand hat sich beschwert. Und heute? Ärgerlicherweise beschwert sich ständig jemand und kann seinen Ärger in der weiten Welt des Netzes Luft machen. So wurde uns Privilegierten Stück für Stück weggenommen. Wirklich? Nö, wir befinden uns nur auf dem Weg zu mehr Gleichberechtigung für alle Teile der Gesellschaft. Wer das Gefühl hat, ihm würde etwas weggenommen, weil sexistische Witze nicht mehr en vogue sind, sollte eher mal sich selbst reflektieren, als über eine überempfindliche Gesellschaft zu schwadronieren, in der man nichts mehr sagen dürfe.
Anmerkung: Ja, das hat hier niemand behauptet. Es ist aber eine häufige (und falsche) Erzählung, an die mich diese Diskussion hier erinnert.
Warum soll ein Stoff wie American History X heute nicht mehr verfilmt werden. Es gibt auch heute noch einen Haufen Filme mit schwierigen Themen und krassen Darstellungen. Die Aussage des Films ist ja nicht "Rassismus ist geil", sondern im Gegenteil, setzt sich kritisch mit diesem auseinander. Solche Filme werden auch heute nicht "weggecanelt" und nochmal: das was hier diskutiert wird, ist keine Cancel Culture, sondern schlicht und ergreifend Zeitgeist. Wenn etwas bei der Masse nicht mehr verfängt, lohnt es sich schlicht nicht, das zu produzieren. Das heißt aber nicht, dass das, was damals erschien, deswegen schlechter ist. Man muss es halt in den Kontext der Zeit setzen.
Ein paar Beispiele:
- Die "Kevin allein..."-Filme würden heute so wohl auch nicht mehr gedreht werden. Im Grunde greifen da zwar Kriminelle ein Kind an, dass sich in seiner panischen Angst clever aber brutal zur wehr setzt und alle Beteiligten traumatisiert. Schaue ich mir die Filme dennoch ab und zu an? Ja klar. Das sind Kindheitserinnerungen und über vieles muss ich auch heute noch lachen, wenngleich ich die Filme heute deutlich kritischer sehe.
- Harry Potter habe ich als Kind und Jugendlicher geliebt. Heute? Schaue ich die Filme immer noch gerne, aber teilweise mit Bauchschmerzen (im übertragenen Sinne) - und das nicht nur, weil gerade die ersten beiden Filme ungeheuer kitschig und pathetisch sind. Kindesmisshandlung bei den Dursleys und eine Schule, die permanent versucht, Kinder zu töten. WTF? Und da ist der erste Film gerade mal 20 Jahre alt.
- Die nackte Kanone: Eine meiner liebsten Komödien (bzw. die ganze Reihe). Auch da gibt es Gags, die würde heute keiner mehr schreiben. Ich schaue die Filme trotzdem noch gerne, mir wurde nichts dadurch kaputtgemacht, dass ich heute auf bestimmte Dinge anders reagiere und an Stellen vielleicht nicht mehr lache, wo ich es früher getan habe.
- Scrubs: Meine absolute Lieblingsserie, die Klischees zelebriert. Auch da würde man einige Dinge heute sicher anders umsetzen, andere wohl eher nicht, aber da scheiße ich drauf. Damals war es genial und deswegen ist es auch heute für mich noch genial.
Und da kommen wir auch zum Punkt Klischees: Natürlich können auch heute noch Komödien mit Klischees spielen. Klischees sind ein wichtiger Bestandteil für Humor. Die Frage ist einfach nur, wie man welche Klischees bedient. Ich finde, eine Serie, die aktuell clever mit verschiedenen Klischees umgeht und trotz ihres Comedy-Charakters immer wieder ernste Themen aufgreift, ist Brooklyn 99. Es braucht mir also niemand kommen, man könne heute in der Comedy nicht mehr mit Klischees spielen. Und es braucht auch niemand ein schlechtes Gewissen haben, weil man heute noch Al Bundy lustig findet (ich fand es noch nie lustig, war aber damals auch einfach noch zu jung).
Grundsätzlich bin ich der Meinung man darf alles witzig finden. Das hat wenig mit Alter/Reife oder mangelndem Charakter zu tun. Ich finde auch Sachen geschmacklos oder schwachsinnig, die andere lustig finden. Deshalb versuche ich dann aber nicht die Sachen zu verbieten oder zu ändern. Leben und leben lassen. Und dazu gehört es eben auch anzuerkennen, dass nicht alles immer politisch korrekt sein muss.
Dem widerspricht doch auch niemand. Nur gehört es halt auch dazu, dass die Mehrheit heute offenbar andere Sachen lustig findet, als vor 10, 20 oder 30 Jahren. Das hat, nochmal, nichts mit canceln zu tun. Dass manchmal Empörungswellen wegen Nichtigkeiten losgetreten werden, ist eine andere Sache und hat eher mit dem Wichtignehmen zu tun, das KI-Guardiola angesprochen hat. Aber vielleicht ist auch das nur eine Frage der Perspektive...