Ich bin da auch bei Ensimismado und halte Guardiola für einen sehr guten Trainer. Den CL-Erfolg kann man nicht einfach so planen oder einkalkulieren wie einen Erfolg in einer Liga über eine ganze Saison. Zu viel hängt in der CL von der Tagesform, individuellen Aussetzern oder Verletzungsausfällen ab. Bewertet man die Bayern anhand ihres Spielaufbaus, dann ist unter Guardiola eine extreme Steigerung erkennbar. Die Bayern dominieren die heimische Liga nach Belieben und können dabei vor allem mit einer unglaublich hohen taktischen Variabilität punkten. Das von ihm so bevorzugte Ballbesitzspiel hat er verfeinert und natürlich kommt da auch die hohe individuelle Qualität zum Tragen, aber prinzipiell können die Bayern mit 3er, 4er oder nur mit einer 2er Kette spielen und sich somit den Gegebenheiten anpassen und dennoch dabei dem Spiel stets den Stempel aufdrücken.
Ankreiden muss man ihm wohl sein nachhaltig beschädigtes Verhältnis zur medizinischen Abteilung. Das scheint mir wirklich etwas zu sein, bei dem Guardiolas Trainingskonzept an Grenzen stößt. Ich kann nicht glauben, dass auf einmal alle Bayern verletzungsanfälliger geworden sind, sondern dass es vor allem an subotimaler Trainingssteuerung liegt. Aber das wäre dann auch das berüchtigte Haar in der Suppe - neben dem taktischen Griff ins Klo damals gegen Real.
Nicht von der Hand zu weisen. Aber er schafft es hauptsächlich gegen die kleinen Mannschaften eine herrausragende Form abzuliefern. Gegen die "Konkurrenten" in der Bundesliga wird von der Form profitiert. Daher finde ich die Spiele in der Champions League, gegen Gegner die auch einen Lauf haben, ebenfalls aussagekräftiger. Natürlich ist dort auch die Tagesform entscheidend. Aber hier überhaupt nicht kalkulieren zu können, käme je der Auffassung gleich, dass der Gewinn der Champions League, nach der Gruppenphase, nur auf Zufall basiert. Zumindest in den Hin- und Rückspielen gibt es genug Zeit zum Taktieren. Wenn es im Hinspiel nicht läuft, kann von Trainerseite Schadensbegrenzung betrieben werden. Alternativ kann das Auswärtstor erzielt werden. Im Rückspiel ist die Form vielleicht wieder besser. Im Finale muss das Team auf den Punkt vorbereitet werden. Etwas Zufall, Glück und Form lasse ich gelten. Am Willen der Spieler sollte es nicht mangeln. Die Fähigkeiten des Trainers dürfen hier aber nicht außen vor gelassen werden, nur weil eine hohe Qualitätsdichte herrscht.
Ich halte Guardiola derzeit für einen guten Trainer, der die kleinen und mittleren Mannschaften dominiert. Dass sieht man auch, da er selbst dort viele Änderungen vornimmt. Im großen Wettbewerb muss er mir mit diesen defizilen Änderungen, die dann auch bitte greifen sollen, noch beweisen dass er ein GANZ Großer ist. Vielleicht schafft er es dieses Mal die Moral hochzuhalten, obwohl die Meisterschaft früh eingetütet wird. Wäre vielleicht nicht unwichtig.
LG Veni_vidi_vici
Ich finde das von einigen Leuten zu einfach gedacht. Die wenigsten werden bezweifeln, dass Mourinho ein großartiger Trainer ist. Und der hat es mit Real Madrid auch nicht geschafft, die Champions League zu gewinnen. Mit Chelsea auch nicht. Und da sind die finanziellen Möglichkeiten noch größer, die Kader gehörten auch zu den besten der Welt. Im Gegenzug dazu hat di Matteo die CL mit Chelsea geholt und gehört dennoch nicht zu denen, die man als große Trainer bezeichnet.
Die Champions League zu gewinnen ist das höchste Ziel im Vereinsfußball und jedes Jahr versuchen sich etliche Trainer daran. Am Ende kann es nur einer werden. Das Halbfinale zu erreichen ist schon eine enorme Leistung, zumal gerade letztes Jahr die Gegner nach teils schwachen Hinspielen auf unglaubliche Weise demontiert wurden. Vor allem Porto, bei Donezk lag vieles an der fragwürdigen roten Karte nach wenigen Minuten.
Man darf auch nicht vergessen, in was für Gruppen man sich jeweils frühzeitig als Erster durchgesetzt hat. Das Halbfinale gegen Barca hat man trotz enormer Verletzungssorgen auch bis in die Schlussphase offen gehalten, bevor im Grunde individuelle Fehler das Spiel entschieden haben. Dafür kannst du als Trainer nichts.
So dominant wie Bayern mit Pep durch die Bundesliga gefegt ist hätte das nicht jeder gekonnt. Und diese Dominanz gegenüber den Mittelmäßigen und Schwachen kommt auch nicht von ungefähr, vor wenigen Jahren war der Rest der Liga noch nicht chancenlos. Man hat sie distanziert. Spieler wie Boateng, Müller, Alaba, Rafinha, Robben und auch die Neueinkäufe wie Kimmich und Costa haben unter Guardiola noch mal einen riesigen Sprung nach vorne gemacht. Das darf man auch nicht außer Acht lassen. Dieser überragende Kader ist teilweise zu dem gewachsen was er ist, Toptransfers waren da meiner Meinung nach eher die Ausnahme. Lewandowski, Vidal, Thiago und, mit Abstrichen, Götze waren die einzigen Transfers der letzten Jahre, die zum Zeitpunkt der Verpflichtung schon Weltklassespieler waren. Die meisten sind erst dazu geworden.
Wie viel Einfluss Pep Guardiola an dieser Entwicklung hat ist von Außen natürlich schwer zu beurteilen, da man die Einflussnahme des Trainers eigentlich nur anhand der Taktik wirklich erkennen kann. Aber da steht unterm Strich auch, dass Guardiola einen unfassbar guten Fußball (Heynckes-Ära) noch mal auf ein neues Niveau gehoben hat. Spielerisch können sich vermutlich nur Barca und Real mit der derzeitigen Bayernmannschaft messen, evtl. PSG. Gegen die ersten beiden ist man jeweils ausgeschieden. Aber das sind die besten Teams der Welt. Gegen die darf auch ein Weltklassetrainer mal ausscheiden.
Ich finde es enorm schade, dass er geht, denn egal, welche Titel am Ende der Saison noch dazukommen: auch seine Zeit bei Bayern ist von Erfolgen geprägt.