Dieser Fanbrief wird von einer Naivität und Selbstüberschätzung dominiert, wie ich sie noch kaum erlebt habe. Da raufen sich ein paar anonyme User einer Fanseite zusammen und zeigen dem Bayern-Vorstand, wie es gemacht werden soll. Teilweise konnte ich ein Schmunzeln nicht verkneifen. Mal den Inhalt dieses Briefes etwas außen vor gelassen: Wer denken diese sogenannten Verfasser eigentlich, wer sie sind? Sie sollten das ganze Geschehen vom Standpunkt eines Fans betrachten, das wäre verständlich und gerechtfertigt. Aber der Brief ist so geschrieben, als müsste der Vorstand des FC Bayern ihnen Rechenschaft ablegen. Der Brief erreicht den Gipfel der Anmaßung und Maßlosigkeit beim Vorwurf der Inkompetenz der Führungsriege des Vereins. Wer sind denn diese Leute, die den Brief schreiben? Manager? Vorstandsvorsitzende? Geschäftsleiter? Funktionäre? Vermutlich ist der ein oder andere noch Schüler, vielleicht ein paar Studenten oder Werkstätige, die alle nicht ihre Fachkompetenz, sondern ihre Fußballleidenschaft miteinander verbindet. Es ist skurril sowas zu lesen. Meint denn hier wirklich jeder, er könne Fußballtrainer, Manager und Vorstandsvorsitzender zugleich sein, weil er mal den Fußballmanager gespielt hat? Nichts gegen Fans und ihre Leidenschaft, aber die überblicken nichtmal 1/10 des Umfangs von Vertragsverhandlungen. Wenn es mit Scouten und der Verpflichtung der richtigen Leute so einfach getan wäre (wie im Spiel), dann könnte wirklich jeder x-beliebige Fan einen Verein führen. Man kann sich über den Inhalt streiten und einige Punkte in dem Brief haben mit Sicherheit im Nachhinein betrachtet ihre volle Berechtigung, aber schon alleine im welchem Stil dieser Brief Anklage erhebt und Fachkompetenz vom Führungspersonal aberkennt, entbehrt jeglicher Diskussionsgrundlage. Wäre er als Fannotiz verfasst worden, die ein paar Missstände aus der Sicht der Fans ausspricht, dann könnte man mit dem Inhalt vielleicht gerade noch so leben - wobei es, wie gesagt, einfach ist, auf dem Papier Srna, Frey, Wiese, Adler oder Bosingwa zu verlangen und Schweinsteiger abzuschieben. Die Realität ist deutlich komplexer, zum Glück. Dass man hinter Schweinsteiger steht, lässt sich doch leicht mit vermarktungstechnischen Gründen erklären. Wer will denn einen FC Bayern mit Bosingwa, Srna, Ribery, Sneijder, Van der Vaart und Frey? Es zeichnet den FC Bayern doch gerade aus, dass er auch deutschen Spielern die Chance gibt, internationale Klasse zu erreichen. Dass Schweinsteiger in seiner Entwicklung stark stagniert ist sicherlich richtig, aber gleichzeitig ist er auch der einzige große Bayern-Spieler in der deutschen Nationalelf. Und deshalb, Hand aufs Herz, hat man doch auch 30 Millionen für Gomez ausgegeben. Bayern muss schon aus vermarktungsstrategischer Sicht den besten deutschen Stürmer verpflichten. Podolski ist es nicht geworden, also Gomez her, nachdem Klose auch eher enttäuschend ist. Was will denn der FC Bayern mit Toni und Olic als Sturmduo? Da bleibt doch die Identifikation vieler Deutschen auf der Strecke, Erfolg hin oder her. Und wenn man einen Sponsoren hat, die ihr Augenmerk zum größten Teil auf den deutschen Markt gerichtet haben, verpflichtet dies gleichzeitig dazu, Kompromisse zwischen Leistungsfähigkeit und Vermarktbarkeit einzugehen. Die besten Spieler Deutschlands müssen somit beim FC Bayern München spielen und Schweinsteiger hat nunmal einen sehr großen kommerziellen Wert. Aber das überblicken diese Fan-Verfasser überhaupt nicht und das ist noch ein sehr sehr geringer Teil. Das Managen eines gewinnorientierten Unternehmens (und nichts anderes ist Bayern München) ist bei weitem komplexer als viele immer meinen. Wenn es die Herren Verfasser besser können, sollen sie doch mal fragen, ob ihnen nicht irgendwo eine leitende Stelle angeboten wird.
Es geht mir nicht darum, dass Fans nicht ihre Meinung äußern sollten. Ganz im Gegenteil ich bin viel mehr dafür, dass die Meinung der Fans in den Gestaltungsprozess einer Mannschaft mit einfließen sollte. Ein beschränktes Demokratieprinzip für die Anhänger bei einzelnen Entscheidungen sind vertretbar, schließlich spülen die Fans eine erhebliche Menge Geld in die Kassen. Sie sind somit Anteilseigner am Vermögen des Vereins und in der Wirtschaft ist es seit jeher so, dass Anteilseigner, wenn sie weiterhin Geld geben sollen, ein Mitspracherecht haben oder zumindest angehört werden müssen. Aber den verantwortlichen Managern Inkompetenz vorzuwerfen und dem Trainer sagen, dass eine andere Taktik (4-2-2-2) wesentlich intelligenter wäre, das ist dermaßen lächerlich dargebracht, dass man darauf nicht reagieren muss. Das hat was vom revoltierenden Pöbel, der immer sehr ehrbare und gute Ziele hat, nur leider oft den völlig falschen Weg wählt, um diese zu erreichen, weil es dabei einfach am Intellekt mangelt. Wenn man Ende der Saison nach über 50Millionen Euro Transfers nichts Zählbareres als bei Klinsmann herausspringt (und der ist immerhin ins Viertelfinale der Champions-League gekommen, wo man gegen den späteren, völlig überragenden Sieger verlor), dann kann und sollte man sicherlich Manager und Trainer zur Verantwortung ziehen, aber dann bitte auch in gesittetter Manier und nicht in Form eines vor Überheblichkeit und Selbstüberschätzung triefenden Pamphlets.