Du schreibst ja selbst, dass es im Marketing um 2 grundlegende Dinge geht (das Dritte, also die Zielgruppe, lasse ich jetzt mal weg): positives Image des Werbeträgers (viel Erfolg) und marketingrelevante Reichweite.
Bei Bayern ist es so, dass das Image als Werbeträger unheimlich hoch ist. Jeder kennt Bayern, jedes Spiel mit dem FC Bayern wird in der Presse diskutiert, Bilder der Spieler (und damit des Trikotsponsors) sind auch bei Unentschieden oder Niederlagen in der Zeitung, Bayern stellt am meisten deutsche Nationalspieler und ist der Rekordmeister. Daraus leitet sich ein unheimlich hoher Werbewert ab.
Die marketingrelevante Reichweite orientiert sich voll am Sponsor. Liga Total hat nichts davon, wenn Bayern-Spiele oder die Berichterstattung über Bayern-Spiele international groß ansteigt, denn die Verbreitung auf Liga Total ist auf Deutschland beschränkt. Der einzige positive Effekt, den eine Champions League-Teilnahme der Bayern für den Sponsor hat ist, dass in Deutschland die Menschen nicht nur am Wochenende die Liga Total-Werbung sehen, sondern auch am Dienstag/Mittwoch. Dadurch bekommt man zu den 34 regulären Spielen (plus DFB-Pokal) noch ein paar Spiele dazu, in der Liga Total präsent ist.
Es geht bei der Trikotwerbung ja auch selten darum, eine Zielgruppe anzusprechen oder Fußballfans von Liga Total zu überzeugen. Das funktioniert, da hast du völlig Recht, viel besser durch Fernsehwerbung zu fußballrelevanten Zeiten, da kann man Bilder zeigen und die Vorzüge anpreisen. Bei der Trikotwerbung geht es darum, dass der gemeine Fußballfan die Marke Liga Total unterbewusst sofort mit Fußball assoziiert. Wenn du an einen Bayern-Spieler denkst, dann sollst du sofort eine jubelnde Pose eines Spielers mit der Liga Total-Werbung im Kopf haben.
Das lässt sich Liga Total dann viel kosten und ich kann an mir selbst nachvollziehen, warum. Ich denke gerade an andere Vereine in Deutschland...ich kann nur noch Schalkes und Werders Trikotsponsor spontan benennen. Köln habe ich nach kurzem Nachdenken auch noch zusammenbekommen. Und das ist genau das, was der Werbeträger will. Für den deutschen Markt dauerhaft präsent sein. Gazprom hat sicherlich nicht viel mit Fußball zu tun, aber beim Schalke-Sponsoring geht es einzig und allein darum, die Marke Gazprom in den Köpfen zu verankern. Welche anderen Gaslieferanten kennst du denn spontan?!
Sicherlich würde sich der Werbewert von Schalke international erhöhen, wenn sie die Champions League gewännen. Aber was hätte Gazprom davon? Die beliefern zum größten Teil Deutschland und Österreich und in geringen Mengen Italien und Frankreich. Da Fußball aber weiterhin sehr nationalistische Strukuren hat und man
in der Champions League nunmal maximal 13 Spiele machen kann, von denen die ersten 6 marketingtechnisch uninteressant sind, weil die Gruppenspiele nur dann eine herausragende Bedeutung in einem anderen Land haben, wenn ein Vertreter aus diesem Land auch in der Gruppe spielt, lohnt sich die Präsenz als Trikotsponsor im internationalen Geschäft kaum.
Wieder ein Selbsttest: Olympique Lyon ist letztes Jahr bis ins Halbfinale der Champions League gekommen, hat 12 international übertragene Spiele abgeliefert. Also eine ziemlich gute Saison. Wer kann jetzt spontan den Trikotsponsor vom letzten Jahr benennen?
Für dieses Jahr ist es vllt etwas einfacher, weil Schalke ja gerade erst gegen Olympique gespielt hat. Aber ich behaupte auch mal, dass die meisten die Trikotsponsoren von ManU, Arsenal, Atletico Madrid, AC Mailand und AS Rom nicht aus dem Kopf benennen können.
Was hat die Trikotwerbung dann also für einen Stellenwert im internationalen Fußball?Gehen wir davon aus, dass Ajax das neue Barca wird. Die Reichweite der niederländischen Liga wird sich dadurch zweifellos erhöhen. Das wird für alle Sponsoren attraktiv, die ihre Zielgruppe nicht nur in den Niederlanden sehen, sondern auch in anderen Teilen Europas oder der Welt. Wie viele niederländische Vereine haben denn jetzt solche Sponsoren? Die meisten Sponsoren profitieren durch eine höhere Attraktivität der niederländischen Liga in erster Linie, weil auch mehr Holländer die Spiele verfolgen, das Medieninteresse an Ajax stark zunimmt und die Vereine und mit ihnen die Sponsoren in einem besseren Licht dastehen, weil sie so erfolgreich sind und eine durchweg positive Berichterstattung haben. Steigert sich zwangsläufig die Vermarktungsreichweite der Sponsoren? Hier bin ich der Meinung, dass es das nur relativ unwesentlich tut und auch nur dann, wenn der Sponsor auf europäischem Markt aktiv ist. Der spanische Fußballfan interessiert sich nicht für eine holländische Mobilfunkfirma, einen holländischen Versicherungskonzern oder einen holländische Supermarktkette. Den Engländer wird es auch nicht interessieren, den Italiener auch nicht.
Jetzt kann man aber natürlich sagen, dass Ajax ja dann Sponsor-Verträge mit europäischen Großkonzernen abschließen könnte, wenn sie international dauerhaft erfolgreich sind. Tjoh, aber lohnt sich das wirklich für geradeeinmal 12 europäische Spiele und ein paar Ligaspiele, die zur gleichen Zeit stattfinden, wie die Begegnungen der "eigenen Heimliga" des Fans? Letztendlich wird auf den Trikots ja nicht geworben, es geht einfach nur um Präsenz und nicht so sehr um die Vermittlung einer Botschaft. Diese Präsenz ist aber zum größten Teil auf die Heimliga limitiert, weil es dort viel mehr Spiele gibt und der Effekt der Präsenz viel besser zum Tragen kommt.
Wieder ein Selbstversuch: Barcelona und Real sind 2 Spitzenmannschaften. Gehen wir mal vom letzten Jahr aus, wieviele Spiele habt ihr da so im Durschnitt aus der spanischen Liga geschaut und wieviele der deutschen Liga? Selbst mit der Dominanz und Attraktivität Barcelonas hat der überragende Großteil der deutschen Fans mehr Spiele der deutschen Liga gesehen, mehr Medienberichterstattung der deutschen Liga erlebt. Danach orientiert sich das Geld, das Sponsoren bereit sind auszugeben.
Mit derselben Logik müsste es dann auch heißen: Auch wenn Bayern das neue Cottbus wird, wenn die Sponsoren nur auf dem deutschen Markt aktiv sind, dann bleibt es trotzdem für eine große Anzahl von Menschen interessant.
Da hast du mich falsch verstanden. Wenn Bayern das neue Cottbus wird, senkt sich der Werbewert, weil die Mannschaft nicht mehr soviel Aufmerksamkeit bekommt aufgrund des mangelnden Erfolges. Sie bleibt aber trotzdem für eine bestimmte MAXIMALE Anzahl von Menschen interessant, nämlich die Zuschauer der deutschen Liga.
Ich weiß nicht, wie ich das vereinfacht erklären kann. Im Moment ist Bayern als deutsche Meister, DFB-Pokal-Sieger und Champions League Finalist mit attraktiver Spielweise nah am absoluten Maximum der Anzahl der zielgruppenrelavanten Menschen dran. Cottbus hat dasselbe Maximum von zielgruppenrelevanten Menschen (Fußballfans in Deutschland), ist aber moment als Ist-Zustand weit von diesem Maximum entfernt.
Ansonsten stimmt es natürlich, was du im letzten Absatz schreibst. Wenn Ajax jahrelang dominiert, wird die Marke höchst bekannt und der Werbewert steigt. Ab einem gewissen Punkt wird dann eben auch ein Sponsor einspringen, der neben dem niederländischen Markt noch ein paar andere Märkte im Auge hat (etwa ein Land, aus dem ein großartiger Spieler von Ajax kommt) und somit erhöht sich das Werbeeinkommen beträchtlich. Gut sehen kann man das an Manchester United, die haben eigentlich eine amerikanische Firma als Sponsor. Das funktioniert aber auch nur, weil die Premier League die einzige Liga ist, die in den USA medial großartig verfolgt wird. Ich sehe aber ehrlich gesagt kein deutsche Unternehmen, kein italienisches, kein spanisches und kein englisches, das lieber in Holland, als in der eigenen Liga werben würde, egal wie gut Ajax theoretisch wäre. Was ich mir aber durchaus vorstellen könnte wäre eine Firma, die den französischen, holländischen, belgischen und luxemburgischen Markt abdeckt, das wäre dann ein european Player, der eine sehr große Reichweite durch ein international erfolgreiches Ajax hätte und sehr viel mehr Geld reinbuttern würde, weil es sich lohnt. Aber da stelle ich mir die Frage, wie man das im FM simulieren soll? Das halte ich für zu komplex und zu nah an der Realität, um es wirklich in einem Spiel abzubilden.