Wie mächtig meine neuen Feinde sein würden, hätte ich mir nicht träumen lassen. Es vergingen drei Tage, da erschien ein Artikel über mich in einer der großen Landeszeitungen in GB. Es war zwar die yellow-press aber dennoch bekam das ganze eine gewisse Dimension. Kurz nach dem Frühstück rief mich Präsident Sonsara an und erzählte mir er habe herausgefunden, dass ein gewisser Rowen Black hinter der ganzen Kampagne stecken würde. Dieser habe keinerlei Funktion innerhalb der Fifa oder im Verband, werde aber mehrfach im Zuge von Wettskandalen und Spielerrechteskandalen erwähnt. Er soll auch im Zuge von Bewerbungen um Welt- und Europameisterschaften aktiv gewesen sein und mische bei Lizensvergaben um Fernsehrechte und Vermarktungsrechten mit. Ein mächtiger Mann, reich, mit excelenten Beziehungen zur Presse und zur Politik.
Der Artikel berichtete vom Absturz von Veijle BK nach meinem Weggang. Der dänische Verein, mit mir immerhin Uefa-Cup Sieger, Championsleague-Finalist und mehrfacher Meister, war einige Jahre nach meiner Trainerzeit, völlig überschuldet zwangsabgestiegen bis in die dritte Liga. Obwohl nie jemand behaupted hatte, das ich etwas anderes als einen grundsoliden und solventen Verein hinterlassen hatte, drehte der Artikel alle Fakten auf den Kopf. Von kriminellen Machenschaften, Vertuschung, Bilanzfälschung und Steuerhinterziehung war da die Rede. Und selbstverständlich wurde ein Bogenschlag zu Ebbsfleet United gezogen. Man listete die Namen wie Lee Trundle, Stahlberg, Iriepgen und weitere auf, rechnete die Gehälter die sie zu ihren besten Zeiten mal bezogen hatten und errechnete, das Ebbsfleet bereits jetzt auf den besten Weg in die Katastrophe wäre. Hinzu kam, das man behauptete, das die offiziell angegebenen Gehälter nur der sichbare Teil, der Rest über dunkle Kanäle fließen würde. Und das ich deshalb nach wie vor keine haftungstechnisch relevante Position im Verein übernehmen würde, weil ich dann auch nicht für meine dunklen Machenschaften zur Rechenschaft gezogen werden könnte. Ich würde sozusagen McCarthy als Schlachtvieh opfern.
Der Artikel hatte, obwohl alles an den Haaren herbeigezogen war, Erfolg. Er trug Unruhe ins Umfeld und ließ die Behörden tätig werden. Das Finanzamt setzte eine Prüfung an. Der Ligaausschuss bat den Verein um Offenlegung von Verträgen und Finanztransaktionen, die Spieler mußte eidessstattliche Erklärungen zu ihren Einkünften abgeben. Und es hat Auswirkungen auf aktuelle Spielerverhandlungen. Die Verhandlungen mit den vier Neuzugängen kamen sofort zum Stocken. Spielerberater machten einen großen Bogen um den Verein und rieten ihren Schützlingen, nicht ihren Ruf zu gefärden.
Ich reiste nach England. Diesmal fuhr ich mit Auto und Fähre. Ich wollte die Zeit zum Nachdenken haben. Der Verein hatte Erfolg. Zuviel Erfolg, die Neider standen Schlange. Nicht nur in der Liga. Eben diese Manager, die mich verhöhnt und verspottet hatten, wollten nicht, das unsere Philosophie erfolgreich war. Und auch wenn jeder von diesen Neidern nur ein kleines Lüftchen verursachte, zusammen war es ein deftiger Gegenwind. Der Verein zog schon jetzt mehr Aufmerksamkeit auf sich, als sämtliche anderen Vereine der Amateurligen zusammen. Ein breites Publikum interessierte sich für "the projekt", wie es eine Sportzeitschrift in einer Dokureihe genannt hatte.
Ich grübelte, was ich tun sollte. Meine Frau begleitete mich, und sie war es auch, die die Entscheidung traf. "Du darfst Dich nicht verstecken", sagte sie. Ich sah sie erstaunt an. Sie nickte: "Ja, ich weiß, dass Du meinetwegen davor zurückschreckst dieses Projekt zu Deinem zu machen. Aber diese Rumhampelei, wird nichts einfacher machen. Du willst diese Aufgabe, es juckt Dir doch schon seit Monaten in den Fingern. Also mache es offiziell. Du bekommst 4 Tage die Woche von mir frei. Die anderen drei Tage bist Du für mich da. Und keine Verhandlung. An diesen Tagen schleichst Du Dich auch Nachts nicht an den Computer. Und wir machen zusammen Urlaub. Ohne Rücksicht auf den Verein. Ich habe mich mit Frau Sonsara angefreundet. Sie haben ein kleines Gästehaus in der Nähe von Gravesend, dies würden sie uns vermieten, damit wir uns dort einrichten können."
Ich war verblüft. "Wie lange denkst Du schon darüber nach?" Sie lachte: "So lange wie das Ganze schon dauert. Ich dachte mir halt, irgendwann wird er mutig genug sein mich zu fragen. Aber Du legst Dich lieber mit Wettmafia oder der Fifa an als Deiner Frau ein kleine Frage zu stellen". Sie grinste frech: "Und außerdem habe ich jetzt eine Menge Gefallen bei Dir gut. Glaub mir, ich werde sie einfordern." Mir schwante, das ich jetzt gleich zwei für mich ungünstige Deals eingehen mußte. "Ich werde es mir überlegen. Ich weiß nicht ob ich wieder so tief in das Ganze eintauchen sollte. Eigentlich gefällt es mir, nicht in der Verantwortung zu stehen sondern nur zu helfen." Sie schüttelte unwillig den Kopf: "Das kannst du nicht tun. Dies ist kein Spiel. Die Frau von McCarthy hatte mich zum Tee eingeladen. Ihr Mann wächst die Verantwortung über den Kopf. Der ganze Verein wächst gerade. Alles muß professioneller werden, wachsen, dazu der Medienrummel. Du hast etwas ins Rollen gebracht, das über den Möglichkeiten des Vereins liegt. Du bist der Einzige, der weiß wie sie gesund wachsen können, Du hast die Kontakte und Du kennst die Fallen und Schlupflöcher die ein Verein auf dem Weg in höhere Gefilde umschiffen oder nutzen muss. Läßt Du sie jetzt alleine, stehen sie nachher schlechter da, als wenn es Dich nie gegeben hätte." Ich nickte: "Aber denkst Du wirklich ich sollte eine solche Aufgabe in der fünften Liga übernehmen. Wir haben dort keinen Schutz. Zu meiner Liverpooler Zeit hatten wir Macht und Einfluß. Liverpool hat den Einfluß. Wir waren in der Lage die Liga unter Druck zu setzen. Wir hatten Medien, die uns gewogen waren. Hier in der fünften Liga haben wir nicht mal Rechtsanwälte im Verein." Sie schaute mich an, beinah wütend: "Na und? Du hast es angefangen. Alter Mann, was hast Du denn zu verlieren. Willst Du lieber im Selbstmitleid auf Deiner Terasse sitzen und Dich überflüssig fühlen? Ich habe Dich geheiratet, weil Du stolz, verantwortungsbewußt und unbeugsam warst und ich möchte nicht auf meine alten Tage feststellen, dass ich mich geirrt habe." Nun hatte sie mich bei der Ehre. Am liebsten hätte ich weitergestritten, um des Streiten willens und um die Entscheidung aufzuschieben. Aber es machte einfach keinen Sinn. Mein Entschluß stand fest: "Gut, ich mache es. Aber es wird ein harter Weg."
Der Frage nach dem "ob" folgte nun die Frage nach dem "wie". Nein, Manager wollte ich mit 4 Tagen die Woche nicht werden. McCarthy machte seinen Job gut. Sportlicher Direktor, das klang gut. Wenn McCarthy akzeptierte, war ich sein direkter Vorgesetzter und konnte die Verantwortung von seinen Schultern nehmen, ohne ins Tagesgeschehen einzugreifen. Ich würde also die grobe Ausrichtunge und die langfristige Planung übernehmen und McCarthy mit Rat und Tat zur Seite stehen, wenn Not am Mann war. Ich würde, befreit vom Tagesgeschehen den Umbau vorantreiben können. Sponsoren gewinnen, Öffentlichkeitsarbeit professionlisieren, Vermarktung aufbauen, die Jugendarbeit ausbauen. Aber! Es gibt immer ein "aber". Das "aber" hieß, was wäre wenn McCarthy ginge. Würde die Arbeitsteilung auch mit einem anderen Manager/Trainer gut gehen. Wohl kaum. Also mußte ich diese Bedingung in den Vertrag einbauen. Ging McCarthy, würde ich auch gehen. Dies würde sowohl McCarthy als auch den Verein zu einem langfristigen, von kurzfristigen Erschütterungen weniger beeinflußten Handeln zwingen, dass wir für zukünftige Krisen brauchten. Denn es kommt immer der Moment, wo Fußball ungerecht ist und die Saison mieserabel läuft, die gekauften Spieler Flops sind und am Ende auch mal ein Abstieg steht.