Solange Pyrotechnik in den Händen von betrunkenen Menschen ist, die damit auf andere Menschen werfen, gehört diese nicht ins Stadion. Für romantische Stadiongeschichten habe ich ja ein Herz und kann es vielleicht auch verstehen, wenn das für jmd "dazugehört". Ich selbst bin äußerst leidenschaftlicher Footballfan, bleibe sonntagnachts bis 4Uhr morgens wach, um die Spiele zu sehen und schaue mir die anderen Spiele im Verlauf der Woche an. Ich muss keine Fackeln schwenken oder Böller zünden, um das Gefühl des völligen Mitfieberns zu bekommen, aber wie Cubano schon schrieb bin ich in der Tat in einer anderen Fankultur großgeworden. Beim Basketball gibt es gar keine Zäune, Zuschauer sitzen quasi direkt auf dem Spielfeld, direkt hinter der Bank des Gegner, nur einen Armschwung von diesen entfernt. Riot-Police sieht mensch bei Sportereignissen nur unglaublich selten und wenn dann auch nur außerhalb von Stadien. Und wer mal ein Sportereignis in den USA genossen hat weiß, dass dort mindestens soviel Stimmung ist wie bei einem Fußballspiel in Europa. Nur eben nicht auf agressive Art und Weise. In Deutschland konzentrieren sich die Fans auf den Gegner (sportlichen Gegner, gegnerische Fans, Schiedsrichter, Bullizei, wer auch immer gerade da ist). Das ist für mich weiterhin die Krux an der Geschichte. Würden Bengalos im Block bleiben und nicht auf Gegner gefeuert werden, wäre die Sache überhaupt nicht verwerflich.
Smonan, wurde denn in der Generation deines Vaters der gegnerische Gästeblock mit Pyrokrams beworfen? Gab es damals schon Plexiglasscheiben, die Fangruppen voneinander getrennt hat? Ich glaube nicht. Klar gab es mal gelegentlich Schlägereien und bei besonderen Rivalitäten ging es vermutlich auch mal heiß her, aber der Respekt vor dem Anderen war damals garantiert noch ausgeprägter.
Ich habe keine Ahnung, ob die Gewalt im Fußball zugenommen hat. Von der Quantität bestimmt nicht, von der Qualität aber vermutlich schon. Ich kann mich nicht erinnern, dass vor 7 Jahren "Fans" einer Mannschaft ihren eigenen Spielern mit dem Tod gedroht haben, dass Stadien gestürmt wurden, dass Bengalos aufs Spielfeld, Spieler und gegnerische Fans geworfen wurden. Den meisten Hooligans geht es sicherlich auch gar nicht um den Sport auf dem Rasen. Sie sind eher zufällig in einer Fanszene, was sie ins Stadion lockt ist die Lust an Gewalt, Zerstörung, Angstverbreitung. Das sind dann größtenteils Menschen, die entweder den Kick suchen oder denen das martialische Gruppengefühl einer hassenden Meute das Gefühl gibt, mal jemand zu sein, etwas zu sein, Teil eines Ganzen, eine Stimme die gehört wird, einer Bewegung, über die berichtet wird - dieses Gefühl steht dann im Gegensatz zur Bedeutungslosigkeit mit der sich viele Anhänger dieser Gruppe im Alltag konfrontiert sehen.
Und das sind nunmal die, die unberechenbar sind. Mag sein, dass die meisten Ultras dort ihre atemberaubenden Choreos im Stadion abfeiern wollen, dass sie ihr Team, dem sie schon seit Kindesalter treu sind, über 90 Minuten anschreien und anfeuern wollen. Aber dann kann ich diesen Ultras nur sagen, dass sie sich von den minderbemittelten Idioten in ihren Reihen, denen egal ist, wer spielt, lossagen müssen. Ultras kennen sich doch untereinander, sie wissen doch, aus welchen Gründen ihre Bekannten zu den Spielen gehen. Ich wette, dass die straffälligsten unter ihnen die wenigste Leidenschaft für ihren Verein haben. Das ist auf politischen Demonstrationen auch immer so. Die Leute, die anfangen mit Steinen zu werfen, sind diejenigen, die mit der Demo (und deren Grund) an sich am wenigstens zu tun haben. Und diese kleinen Minderheiten machen jeweils immer wieder alles kaputt.
Die gewaltausübenden Hools, das sollten diejenigen sein, auf die die Ultras sauer sind. Das sind diejenigen arroganten Arschlöcher, die sowohl die friedliche Atmosphäre eines Fußballspiels, als auch die kraftvollen Choreos der Ultras meinetwegen mit Bengalos zerstören. Hauptsache das Spiel endet in Chaos, Zerstörung und Gewalt, für die Anliegen der 70.000 anderen Menschen im Stadion haben die paar Hundert kein Interesse.