Danke, Schiebulski. Kannst ja mal einen Antrag stellen
Ich selbst möchte das ungern machen
Tobias Paul starrt ungläubig auf den Ausdruck der E-Mail und den der Transfermarkt.de-Seite. Sein Kopf wandert hin und her.
Sollte das tatsächlich möglich sein?
Herzog sitzt ihm gegenüber und schaut nachdenklich zur Decke.
„Das könnte alles verändern. Alles.“, sagt er leise mehr zu sich als zu seinem Sportdirektor.
Die Situation im Verein und damit natürlich vor allem die Situation zwischen dem Präsidium und dem Trainer Way ist nach der Saisoneröffnung ein wenig zum Stillstand gekommen. Herzogs Hintergrundaktivitäten haben ihn zunächst in die Pole Position gebracht und Way kaltgestellt. Kein Transfer würde mehr ohne die Zustimmung des Präsidenten erfolgen und er war nicht gewillt, auch nur einen einzigen Spieler abzunicken, der nicht seinen Ansprüchen genügte. Keine Jugendspieler mehr, die vielleicht mal etwas werden konnten oder vielleicht auch nicht. Keine Spieler irgendwelcher ausländischer Ligen mehr, die dort eine Handvoll guter Spiele absolviert hatten und jetzt als das Goldene Kalb angepriesen wurden. Keine Spieler mehr, die nicht mindestens zehn Länderspiele in ihrer Vita verzeichnet hatten. Dass sich Herzog damit auf die gleiche Position begeben hat wie in der letzten Saison, bevor er zähneknirschend mit Way die Einigung erzielen musste, dass dieser die Transfers gestaltet, war ihm natürlich klar. Der Unterschied ist aber: Heute ist Remscheid ein Erstligist, heute hat Herzog diese ersten schlimmen Erfahrungen verabredet und heute sieht die Vertragssituation der Spieler so aus, dass am Ende nur noch neun Spieler im A-Kader stehen würden. Alle anderen hatten Verträge, die am 30.6.2017 endeten. Und Way sollte sich sicher sein, dass davon nur die wenigstens verlängert werden würden. Das würde er ihm schon klarmachen. So musste Way mitziehen, ob er wollte oder nicht. Nicht mal er, der unberechenbare Prolet, würde es darauf ankommen lassen, in der nächsten Saison mit Nachwuchskräften aus der Jugend aufzulaufen.
Das einzige, was dieser Situation Dynamik verleihen konnte, war ein großer Transfer durch ihn, den Präsidenten. Und ohne irgendeine Beteiligung des Trainers.
‚Und jetzt könnte es soweit sein‘, denkt Herzog und senkt den Blick auf die beiden Blätter in Pauls Händen. Er weiß auswendig, was auf ihnen gedruckt ist.
Das erste Blatt, der Ausdruck der E-Mail, sagt unmissverständlich:
‚Sehr geehrter Herr Herzog! Auf diesem Wege möchte ich für meinen Mandanten, Mario Götze, die Möglichkeit ausloten, bei Ihrem Verein eine baldestmögliche Anstellung zu finden. Seine Vita finden Sie im Anhang als pdf. Bitte melden Sie sich bei mir, falls das Interesse zu gemeinsamen Zusammenarbeit besteht.‘
Den Anhang zu öffnen, ist bei einem solchen Angebot natürlich Blödsinn, denn jeder, der auch nur unregelmäßig die Bundesliga verfolgt, ist über Mario Götze im Bilde. Seit Jahren sorgt er bei der Borussia aus Dortmund für Furore. Bei einem aktuellen Marktwert von 20 Millionen, so sagt es zumindest transfermarkt.de, dürfte das zwar kein ganz billiges Vergnügen werden, aber auch dafür hatte Herzog schon gesorgt.
Gleich nach Erhalt der Mail hatte er seine Investoren kontaktiert und sie über den möglichen Transfer informiert. Selbst die drei gesetzten Herren wussten etwas mit dem Namen anzufangen und haben Herzog grünes Licht gegeben. Im Grunde besteht für diesen Transfer keine Obergrenze.
Jetzt sitzt er also hier, zusammen mit Tobias Paul, und überlegt, wie die Verhandlungen am besten zu führen sind.
„Im Grunde ist die Situation nicht schwierig“, äußert Paul erstaunlich abgeklärt. „Offenbar WILL Götze zu unserem Verein, warum sonst sollte der Berater uns kontaktieren. Unsere Verhandlungsposition ist daher ziemlich gut.“
Recht hat er, der Gute.
Der Mann stellt sich als Ralf Kaschinsky vor. Der Agent von Mario Götze.
Heute ist der erste Verhandlungstag.
Alexander Herzog und Tobias Paul sitzen in Herzogs Büro. Hier ist die Gefahr, dass Way oder Opdam unangemeldet hereinplatzen, am geringsten. Sicherheitshalber hat Herzog heute Morgen auch noch hinter Way hergeschnüffelt und ihm ein Sixpack feinstes Pils in den Besprechungsraum gestellt. Das dürfte ihn einige Zeit beschäftigen.
Kaschinsky betritt mit großer Selbstsicherheit den Raum. Seine Erscheinung ist dabei eher starunwürdig: leicht fleckige Jeans, ein senffarbender Wollpulli mit V-Ausschnitt und darüber eine petrolfarbene Windjacke mit abgewetzten Handgelenkbündchen. Die Haare trägt Kaschinsky im Stile einer Nichtfrisur, halblang und einfach irgendwie seitlich gekämmt.
Herzog, der seinen besten Anzug trägt, beschließt, nichts auf den ersten Eindruck zu geben. Freundlich reicht er Kaschinsky die Hand und blickt über dessen Schulter.
„Wo ist denn Ihr Schützling, Herr Kaschinsky? Wir würden ihn gerne persönlich kennenlernen.“
„Ach, der Mario“, lächelt der Agent entschuldigend und drückt Herzogs Hand in der Art, wie sich Stahlwerker wohl verabschieden würden. „Der will die Zeit lieber nutzen und sich auf seine mögliche neue Aufgabe hier vorbereiten.“
„Wow.“, entfährt es Paul. „Das er das nötig zu haben glaubt.“
„Wie meinen?“, fragt Kaschinsky an Herzog vorbei. Paul hebt aber nur die Hände und nimmt am kleinen Konferenztisch Platz. Herzog und Kaschinsky tun es ihm gleich.
„Nun?“, fragt Kaschinsky schließlich. Eine deutliche Ruhrgebietsfärbung seiner Stimme ist unmöglich zu überhören und Herzog fühlt sich auf unangenehme Weise an seinen Angestellten Henning Way erinnert. Er verscheucht dieses automatisch aufsteigende Gefühl hochschießender Magensäure sofort. Das kann er hier nicht gebrauchen.
„Herr Kaschinsky, ich möchte Ihnen zunächst sagen, dass wir – mein lieber Sportdirektor Tobias Paul und ich – sehr erfreut über Ihre E-Mail waren. Die Möglichkeit der Zusammenarbeit möchten wir sehr gerne wahrnehmen.“
Kaschinsky nickt Paul kurz zu und lächelt Herzog dann an. „Ja, dat is ja dann schoma super.“
„Richtig“, antwortet Herzog nach einer erneuten Säureattacke, die er mit einem schnellen Schluck Wasser verscheuchen konnte. „Ich möchte Ihnen gerne beginnend erklären, wie wir uns die Zusammenarbeit mit Mario vorstellen. Tobias?“
Herzog blickt Paul auffordernd an, der sogleich einen A4-Zettel aufdeckt.
„Herr Kaschinsky, auch ich möchte mich kurz für Ihr Interesse und Ihre Bereitschaft bedanken, uns die Gelegenheit zu geben und unsere Pläne für Mario in unserem Verein darzulegen.“
Paul räuspert sich kurz, offenbar in dem Versuch, jetzt besonders kompetent zu wirken.
„Mario ist von uns vorgesehen als absolutes Zugpferd. Er soll mit seiner Klasse dem gesamten Team Auftrieb geben und uns damit in der Bundesliga so etablieren, dass wir in der Folge weitere Spieler seines Kalibers für uns gewinnen können. Seine Position…“
„Äh – wat is?“, wirft Kaschinsky mit ungläubigem Blick ein. „Wat woll se? Wat soll der Mario hier machen?“
Paul, sichtlich irritiert und seiner gesamten mühsam aufgebauten Eloquenz beraubt, blickt hilfesuchend zu Herzog.
Der aber scheint ebenso verwundert.
„Nun, Herr Kaschinsky, Marios Qualitäten sind uns sehr wohl bekannt. Natürlich soll der Verein von diesen Fähigkeiten direkt profitieren, sowohl in Form von Punkten wie auch in gesteigerter Reputation im In- und Ausland. Das sollte Sie doch kaum überraschen.“, fügt er noch an.
Kaschinsky blickt von Herzog zu Paul und zurück. Dann nickt er.
„Sicher. Mir war nur gerade nich ganz klaa, wat se damit gemeint haben. Aber ja, wenn se sagen, dat der Mario dat Zeuch dazu hat, dann bin ich der Letzte, der da widerspricht.“
Paul ist die Erleichterung anzumerken und gerade will er weitermachen mit seiner Ausführung, als Herzog fragt: „Hat Sie irgendetwas an unseren Planungen irritiert, Herr Kaschinsky?“
Der Agent schüttelt aber den Kopf. „Nee, is schon gut. Allerdings frach ich mich, wie dat gehen soll. Immerhin haben se auf Marios Position gute Transfers getätigt, von den Spielern, die sowieso schon da warn, ganz zu schweigen.“
„Wollen Sie damit andeuten, die Konkurrenzsituation auf Marios Position gibt Ihnen zu denken?“, fragt Herzog schnell.
„Dafür habe ich bereits einen Plan ausgearbeitet, Herr Kaschinsky“, sagt Paul mit beschleunigter Stimme. Kaschinsky, der gerade etwas sagen wollte, blickt ihm interessiert in die Augen und hebt die Augenbrauen.
„Selbstverständlich konnten wir bei unserer Transferplanung nicht davon ausgehen, dass Sie uns kontaktieren werden. Nichtsdestotrotz ist das Transferfenster auch in die andere Richtung geöffnet. Wenn Sie also der Meinung sind, die Konkurrenz für Mario ist zu umfangreich, dann dünnen wir diese Konkurrenz eben aus.“
Kaschinsky schaut Paul nach dessen Vorschlag lange schweigend an. Dann nickt er und ein Lächeln geht über sein Gesicht.
„Okay, nur damit ich dat richtich versteh: Sie wolln mein Mario als Zuchpferd anstellen und damit nich genuch, woll se ihm auch noch eine Komfortzone schaffen und Spieler, die ihm eventuell ma den Stammplatz, den er ja sicher haben wird, vor der Nase wechschnappen, wechtransferiern.“
Paul und Herzog blicken sich kurz an, dann nicken beide.
„Ja, das ist unser Angebot.“
Kaschinsky grinst jetzt breit. „Damit können wa leben. Lasse se uns über die Finanzen redn.“
Herzog und Paul grinsen jetzt ebenfalls. Das wird Way mächtig ärgern, dass die beiden gerade an ihrem Meisterstück arbeiten und alles auf einen Erfolg hindeutet!
6. Spieltag
SC Freiburg – FC RemscheidAuswärts mit der offensiven Heimtaktik – na und?! Am Ende prügeln wir uns richtig mit 13:18 Torversuchen, dabei allerdings 0:5 CCC. Entsprechend schaut das Endergebnis aus, begünstigt allerdings auch durch einen glatten Feldverweis für Daniel Caligiuri in der 49. Minute.
7. Spieltag
FC Remscheid – VfB StuttgartEin echtes Highlight, denn wir spielen gegen den amtierenden deutschen Meister. Dessen 4-2-3-1 kommt in der Offensive mit Großkreutz, Verratti, Zhirkov und dem besten deutschen Stürmer der letzten Jahre, Julian Schieber. Demnach stelle ich meine 4-3-3-Kontertaktik dagegen. Allerdings besteht meine Innenverteidigung aus den Reservisten Bosnjak und Corstjens, da sowohl Papadopoulos wie auch Cahill verletzt zuschauen müssen. In der 28. Minute gesellt sich dann auch noch Julian Koch dazu. Ich bringe Volker Lamertz für die defensive Achter-Position, ziehe Kondogbia in die Innen- und Bosnjak auf die Außenverteidigung. Das Spiel gestalten wir trotz dessen mehr als offen, haben sogar mehr und bessere Chancen, aber wie so oft, wenn man gegen einen abgezockten Gegner spielt, kassieren wir in der 86. Minute den Ausgleich und in der zweiten Minute der Nachspielzeit den unverdienten Rückstand.