Zu der Autofahnenabknickaktion kann mensch mehrere Meinungen haben. Natürlich ist es in erster Linie Sachbeschädigung und somit eine Straftat, wenn auch im sehr geringen Maße. Auf der anderen Seite steht die Fahne für die Leute, die sie nicht aus Langeweile oder purem Vandalismus abbrechen symbolisch für ein Konzept (Staat und Nationalismus), von dem sie sich unterdrückt fühlen. Was ist Nationalismus? Beim genauen darüber Nachdenken hat Nationalismus genau 1 positive Funktion: er wirkt identitätsstiftend. Das ist oft sehr wichtig für Menschen, dass sie wissen, wo sie herkommen, dass ein Gemeinschaftsgefühl entsteht und sie einen quasi Platz in der weiten Welt haben. Ansonsten ist an Nationalismus bei genauerer Betrachtung nichts Positives. Auch die eine positive Eigenschaft wurde in der Geschichte sehr sehr oft missbraucht, es wurde nicht eine Einheit, sondern eine sich nach außen wehrhafte, verschworene Schicksalsgemeinschaft suggeriert, die eine Art Privileg darstellt. Über Nationalismus wird sehr oft erreicht, dass ein Mensch, der aus einem Land kommt, besser ist als Menschen, die aus anderen Ländern kommen. Für einige Menschen, die Nationalismus entschieden ablehnen, ist es aber völlig unerheblich wo ein Mensch geboren wurde, er bleibt Menschen. Letztendlich beruhen Fremdenfeindlichkeit ("Khedira und Özil sind keine Deutschen"), Völkerunterdrückung, Rassenhass ("Balotelli ist kein Italiener"/"Owomoyela ist keine Deutscher") und die allermeisten Kriege auf übersteigertem Nationalismus (auch der Anspruch auf bestimmte Resourcen oder Gebiete [Böhmen, Elsass-Lothringen] wird mit dem Anspruch einer Nation an diesen Dingen begründet, weil es dem einen Land mehr zustehen soll als dem anderen). Also, die identitätsstiftende Funktion des Nationalismus wurde einfach zu oft missbraucht, um diesem Konzept dem Staatenkampfes etwas Postives abzugewinnen für viele Leute.
Dazu kommt dann noch, dass die Fahne für ein Land steht, von dem sich der ein oder andere Fahnenknicker auch unterdrückt fühlen mag. Das werden die meisten hier nicht verstehen, die sich dem Land und dem sogenannten Staatsapparat angepasst haben oder die in ihrer freien Entfaltung von diesem nicht behindert werden. Abseits des Mainstream ist dieses Land aber in vielen Dingen nicht unbedingt tolerant zu anders denkenden Menschen oder Menschen, die ein anderes Lebenskonzept verfolgen, als das vom Staat geforderte (zwanghaftes Arbeiten, dadurch zwanghafte Unterstützung des Kapitalismus/ Deutschland als kriegführender und kriegunterstützender Staat - nur um mal 2 Beispiele zu nennen).
Der Sport, in dem Nationen gegeneinander antreten, fördert nunmal Nationalismus. Dessen sind sich viele nicht unbedingt bewusst. Das heißt nicht, dass jetzt jeder zum willenlosen Tier in der Masse wird, der andere Nationen aufs Blut hasst. Aber es findet eine Abgrenzung zu anderen Menschen statt, die einfach nur in einem anderen Land geboren wurden. Hass entsteht nicht zwangsläufig, aber der erste Schritt, eine Differenzierung des Menschen nach Nation, ist vollbracht. Das merkt mensch doch hier im Forum auch, wenn beispielsweise Spieler, die die Hymne nicht mitsingen, kritisiert werden, weil sie sich nicht mit "Deutschland identifizieren" können. Einige von denen hätten dann gerne den Rauswurf dieser Spieler aus der Mannschaft. Es wird also zur Privilegierung hochstilisiert, für Deutschland spielen zu dürfen, die Staatsbürgerschaft alleine reicht nicht aus, der Spieler muss das Land lieben, für das er spielt. Das ist Nationalismus. (Davon abgesehen, dass die deutsche Hymne von einem erklärten Antidemokraten, Antisemiten und Sozialdarwinisten getextet wurde. Dass die Hymne gerade nach dem Anschluss der Ex-DDR jahrelang äußerst umstritten war und eigentlich eine neue her sollte, wissen die meisten ja heute gar nicht. Aber ich will jetzt keine sinnlose Hymnendiskussion vom Zaune brechen, das braucht kein Mensch.)
Jedenfalls gibt es gute Gründe, etwas gegen Nationalismus zu haben, weil er schnell entarten kann oder eben auch als Mittel zum Zweck eingesetzt werden kann (und das ist so unglaublich oft passiert, dasses leider fast schon Normalität ist). In den USA gibt es einen sehr ausgeprägten Nationalismus und dieses America-first-Gefasel ist der Grund für soviel Ungerechtigkeit, soviel Unterdrückung, viele Kriege und viele Tote, dass ich mich als Antinationalisten sehe. Der kleine Vorteil der Identitätsstiftung (der auch anders erreicht werden könnte) wird von so vielen Nachteilen überschattet und leider geht die Liebe zu einem Land oft Hand in Hand mit Hass gegenüber anderen Ländern. Da, wo das nicht der Fall ist, ist Nationalismus noch voll in Ordnung, aber seien wir mal ehrlich: wie groß ist der Schritt, der vollbracht werden muss?
Aber zurück zum Thema: Ich gehe davon aus, dass Griechenland heute gewinnt und Polen den Russen ein Unentschieden abringen kann. Ich denke, die Polen sind ganz gut euphorisiert und die Russen waren zwar stark, aber nun auch nicht überdominant. Griechenland hat mir in der 2. Hälfte letzte Woche gut genug gefallen, dass ich ihnen einen Sieg gegen Tschechien zutraue. Zumal die Voraussetzungen für Griechenland ideal sind: die Tschechen müssen nach der Blamage letzte Woche sehr offensiv beginnen und das Spiel machen, das kommt den abwartend agierenden Griechen zu Gute. Ich hoffe auf unterhaltsame Spiele! Übertragen ARD und ZDF eigentlich die Spiele auch als Online-Livestream? Ich war jetzt jeden Abend in einer Bar (hab ja keinen Fernseher) muss aber heute noch nebenbei arbeiten.