Danke Rossi, da spricht mit vieles aus dem Herzen.
Das Gebashe hier geht mir irgendwie auch leicht auf die Nerven. Die Mannschaft ist stark, aber die Leistungsdichte nunmal so hoch, dass niemand Europameister werden muss. Das kann einfach nicht verlangt werden. Italien ist glücklich ins Halbfinale gekommen, Spanien ist sehr glücklich ins Finale gekommen. Es sind oft nur ganz kleine Nuancen, die den Unterschied machen. Die deutsche Mannschaft besteht jetzt nicht aus den Überspielern, mit denen jede Mannschaft an die Wand gespielt werden muss. Wäre die Mannschaft schlechter gewesen als Italien, hätte ich es ja noch verstanden, aber das war gestern ein Duell auf Augenhöhe. Deutschland hat kapitale Defensivfehler begangen, Hummels, der bisher eine recht beeindruckende EM gespielt hat, sieht ganz alt aus, Badstuber köpft den Ball aus welchen Gründen auch immer nicht weg, Lahm läuft Harakiri bei einem langen Ball (obwohl der mir etwas leid tat, denn nach der Ecke ist auch niemand zurückgekommen, es ist ja nicht so, dass Italien einen Blitzkonter gefahren hätte, es war sich bloß jeder zu fein wieder nach hinten zu kommen). Das sind keine Konzeptfehler von Löw, das kann ihm nicht zum Vorwurf gemacht werden, dass Deutschland gestern verloren hat.
Was die Wechsel und die Aufstellungen angeht. Das irritiert mich auch. Schon beim Griechenland-Spiel habe ich die Wechsel als unnötig empfunden (eventuell Podolski und Özil ne Pause geben, aber Gomez rauszunehmen empfand ich als unnötig). Problematisch ist auch, dass das Spiel gegen Griechenland einfach keine Aussagekraft hat. Klar war Reus dort stark, genau wie Özil, aber es war auch die bis dahin schwächste Mannschaft, gegen die Deutschland spielen musste. Ich bin kein Freund von Turnierrotation. Ein wenig kann nicht schaden, aber bei jedem Spiel auf den Überraschungsmoment zu spekulieren ist in meinen Augen wenig sinnvoll.
Als ich Kroos Namen gestern gesehen habe, habe ich auch gestutzt. Ich glaube, das System gestern war einfach zu kompliziert. Wenn es zu ausgefuchst ist, bringt es nichts, weil es kein Spieler kapiert in der Kürze der Zeit. Kroos ist definitiv kein Spieler für die Außen, dafür ist er zu langsam und unbeweglich. So richtig Außen war er ja auch nicht, aber Boateng ist nunmal auch kein Außenverteidiger und erst recht keiner, der die freigewordenen Räume besetzen kann. Das System verstehe ich bis jetzt nicht. Müller ist defensiv gar nicht mal so übel und Pirlo hätte auch durch Özil aus dem Spiel genommen werden können (was dieser ja vor dem 1:0 sträflichst unterlassen hat).
Nebenbei finde ich die Konzentration auf Pirlo auch überhyped. Der ist auf einmal einmal der weltbeste Mittelfeldspieler seit 2 Wochen. Seine Klasse ist bekannt, aber in meinen Augen ist er jetzt nicht der Überspieler, der es wert ist, ein ganzes System auf ihn auszurichten. Und erst recht nicht den eigentlichen Vorteil gegenüber Italien, also das Flügelspiel, einfach mal aufzugeben, indem dort ein Spieler, der auf dem Flügel nichts zu suchen hat (Özil ist auch so einer), aufgestellt wird. Das ist in meinen Augen dann schon ein gewaltiger Fehler von Löw, aber nochmal: der hat mit den Gegentoren nichts zu tun und es hätte ja auch leicht anders ausgehen können, dann wäre Löw wieder der Taktik-Gott gewesen.
Gomez' Spielstil ist eben der des Vollstreckers. Soll er 30 Tore schiessen, 40 Assists machen, 50 mal am eigenen Fünfer grätschen und 60km laufen? Wie viel läuft denn ein Cassano? Ich zitiere mal aus einem kicker-Interview (gestrige Ausgabe): "Willkommen im Leben des Mario Gomez". Egal was er macht, er macht es falsch.
Nochmals danke. Wie mit Gomez umgegangen wird, ist einfach ekelig. Der tut mir mittlerweile echt ein bisschen leid. Da kämpft er sich bei Bayern durch, wird zum Weltklassestürmer mit einer unglaublichen Torquote, ist überall in Europa gefürchtet und wird bewundert und dann geht mensch in der Nationalmannschaft so mit ihm um. Ich bin nicht dafür, ihn unter Artenschutz zu stellen, aber wenn jemand wie Gomez seit 2 Jahren in fast jedem Spiel ein Tor schießt, dann macht der irgendwas richtig gut. Er ist nicht jemand, der sich Chance um Chance herausspielt, er ist nicht jemand, der im Mittelfeld als Ballkombinierer in Erscheinung tritt und er ist auch nicht jemand, der besonders auffällig spielt. Gomez ist bis zum gegnerischen Strafraum ein verschwendeter Feldspieler. Aber das weiß mensch doch mittlerweile. Zum Kombinieren gibt es doch genug spielstarke Spieler im Mittelfeld + Lahm. Da sind Schweinsteiger, Khedira, Özil, Müller, Reus/Podolski, die ein Mittelfeld spielerisch auseinandernehmen können und eigentlich nur eins tun müssen: den Pass in die Spitze spielen. Denn im gegnerischen Strafraum gibt es in Europa keinen besseren als Gomez. Klar hatte Gomez gestern nicht viele Chancen, aber das ist doch völlig egal, die hat er nie, weil er nie besonders am Spiel beteiligt wird. Völlig egal, wenn dann in der 72. Minute irgendwie so ein Ball Richtung Strafraum segelt (und davon gab es gestern in der Schlussphase einige), dann ist irgendein Körperteil von Gomez da, um den Ball einzuschieben. Warum vertraut mensch Gomez nicht einfach mal? Klose hätte doch ab der 65. Minute als 2. Stürmer kommen können, aber ich nehme doch meinen Weltklassestürmer nicht raus, wenn ich 2:0 hinten liege. Gomez beherrscht eine einzige Sache: Tore schießen. Das mag nicht modern sein, dafür kann er das eben wirklich, daran sollte nun niemand mehr zweifeln. Entweder eine Mannschaft hat Glück wie Deutschland vor 2 Jahren, dass die Außenspieler Tore ohne Ende machen mit jemandem wie Klose vorne drin, der sie gerne unterstützt oder eine Mannschaft richtet eben ihr Offensivkonzept darauf aus, den Kerl, der vorne jede 3. Torchance reinmacht, mit guten Bällen zu füttern.
Gomez ist die Zukunft im deutschen Sturm, es wird Zeit, dass er richtig integriert wird und ihm das Vertrauen entgegengebracht wird, das er bei Bayern mit vielen Toren, auch in wichtigen Spielen, zurückgezahlt hat.