Der mit Abstand beste Artikel zu dem Spiel bisher kommt aus dem Amerikanischen Raum, wer hätte das gedacht?
http://espnfc.com/blog/_/name/espnfcunited/id/5431?cc=5739Es war schon erstaunlich, wie divenhaft sich Barca dem eigenen Schicksal ergeben hat. Da ist der Messi auf der Bank, um nicht am eigenen Denkmal zu kratzen?! Jedenfalls ist es für mich als Ex-Sportler irgendwie unverständlich, wie er nicht dabei sein konnte, es sei denn, seine Verletzung ist schlimmer geworden, aber dafür gibt es keine Anhaltspunkte. Mensch gewinnt als Team und geht als Team unter, was Messi da heute gemacht hat, finde ich wirklich erbärmlich, vor allem in Hinblick auf seine Leistung am Wochenende, wo er wieder besser in Form zu sein schien.
Dante fand ich übrigens ebenso schwach. Eine Erkältung ist in meinen Augen (und das ist wirklich meine persönliche Meinung, die niemand teilen muss!) kein Grund, an solch einem Spiel nicht teilzunehmen. Der angenehme Nebeneffekt war natürlich, dass es keine Gelbsperre im Finale für einen der Akteure gibt (es wäre sehr schade gewesen, wenn Schweinsteiger und Martinez gegen Dortmund gefehlt hätten). Trotzdem kann ich es aus der Perspektive des ehrgeizigen Sportlers nicht nachvollziehen, wie jemand darauf verzichten kann, sein Team ins Finale bringen zu wollen um jeden Preis.
Die Leistung der Bayern fand ich in der ersten Hälfte relativ schwach. Das Passspiel war grottig, die Konter wurden nicht ordentlich zu Ende gefahren, es gab zuviel Raum für die Angreifer und auch Martinez stand das ein oder andere Mal relativ ungünstig. Hervorgeragt hat aus meiner Sicht Ribéry, der Martinez defensiv zurechtgewiesen hat und unglaublich gute Defensivarbeit geleistet hat. Ribéry ist ein Spieler mit unschätzbarem Wert für die Bayern. Ich habe gerade einen FM-Spielstand im Jahre 2015 und Guardiola setzt Ribéry nicht mehr in der Mannschaft ein, ich fürchte auch, dass er bald seine Karriere beendet. Wenn es bei Bayern im "real life" genauso laufen sollte, hoffe ich, dass die Bayern ihn irgendwie im Dunstkreis der Mannschaft behalten. Der Franzose hat erkannt, was nötig ist, um große Titel zu gewinnen. Was für eine Wandlung im Vergleich zu der Situation vor ein paar Jahren, als er eigentlich noch zu Real wollte und sich um die Defensive genauso viel gekümmert hat, wie Hoeneß um seine Steuern

Die 2. Hälfte zu bewerten ist schwer, denn natürlich war Barca völlig konsterniert. Piqué hat gezeigt, dass er ein großartiger Abwehrspieler ist, im Prinzip hat er gegen die Bayern ganz alleine verteidigt. Dass er das Eigentor geschossen hat, ist natürlich Pech, ansonsten eine großartige Leistung von ihm. Die Kapitulationserklärung erfolgte dann mit der Auswechslung von Xavi und Iniesta. Das war irgendwie auch eine Resignation. Das vormals übermächtige Barca tat mir nach dem 2. Gegentor irgendwie leid. Das war schon in gewisser Weise eine Demütigung und auch wenn ich Xavi Recht gebe, dass dies jetzt nicht gleich die Einleitung einer neuen Ära ist, muss doch festgestellt werden, dass sich Bayern einen gewaltigen Namen gemacht hat. Bayern ist jetzt in der Situation, dass fast jeder Spieler, den sie wollen, zu ihnen kommen möchte und sie ihn sich auch leisten können. Die Bundesliga gewinnt durch diesen Sieg der Bayern nochmals enorm an Bedeutung, denn Spieler können sich hier ins Rampenlicht spielen, da nun international sehr viel mehr auf diese Liga geachtet wird. Auch die TV-Verträge dürften sich zu gegebener Zeit erhöhen. Ich sehe eine Menge Vorzeichen dafür, dass die Saat für eine neue Ära ausgelegt wurde, auch wenn ich mich, wie gesagt, Xavis eher zurückhaltenden Worten für die Zukunftsprognose anschließen würde.
Es ist schon unglaublich, was aus dem deutschen Fußball geworden ist. Ich verfolge den Sport so ziemlich ab 2000 relativ intensiv, habe also das Desaster bei der EM 2000 mitbekommen und die relativ uninspirierte Leistung im Jahre 2002 zur WM. Auch 2004 habe ich erlebt und mich zwischenzeitlich eher für englischen Fußball, als für deutschen interessiert, obwohl ich so ziemlich zu dieser Zeit nach Deutschland gekommen bin, bzw absehbar war, dass ich hierhin ziehe. Den Ursprung für die Entwicklung des deutschen Fußballs hat für mich ein Mann gelegt, der heute auch manchmal im Bild zu sehen war: Matthias Sammer. Klinsmann und Löw mögen eine Spiel- und Motivationskultur geprägt haben, aber Sammer hat den deutschen Fußball nachhaltig verändert.
Er war der Mann im Schatten, der eine vorher nicht existente, effektive Nachwuchsförderung ausgebaut hat. Ich habe mich in den letzten Wochen zu dem Thema mit Fachliteratur von Sportwissenschaftlern zu dem Thema belesen, die unisono zu dem Ergebnis gekommen sind, dass Sammer ein im Prinzip stark an die DDR angelehntes Nachwuchsförderungssystem eingeführt hat, das einen geschlossenen Kreis in einem durchlässigen Förderungssystem ergibt. Dieses System wurde mit modernsten Aspekten der Trainingsmethodik wie die Persönlichkeitsförderung angereichert und beschert nun einen sehr effektiven Flow von Jungspielern. Gündogan, Götze, Reus, Müller, Badstuber, Kroos, Boateng die Benders, Holtby, Draxler, Khedira, Ter Stegen, Kirchhoff, Jung, Rode, Volland und Leno.
Die Basis des Erfolges der deutschen Mannschaften sind die Spieler aus dieser Jugendförderung. Wo würden die Bayern stehen ohne Müller, Kroos, Badstuber und auch Boateng? Wo Dortmund ohne Reus, Götze, Gündogan, Bender und Hummels? Die ganze Genialität dahinter wird einem erst bewusst, wenn mensch sich in anderen europäischen Top-Teams umsieht:
einzig Barcelona kann auch eine ähnlich gute Jugendarbeit aufbauen.
Real? Özil, Ronaldo, DiMaria, Benzema, Higuain...einzig Xabi Alonso, Ramos und Casillas kommen aus spanischer Jugendarbeit.
Manchester United? Die sind noch am ehesten vergleichbar. Rooney, Ferdinand, Welbeck, Carrick, Scholes und wenn mensch so will Gibbs.
ManCity? Kaum der Rede wert. Milan? Montolivo, vllt noch Balotelli und El Shaarawy. Einzig Juve scheint noch auf einheimische Nachwuchsarbeit setzen zu können und damit Erfolg zu haben, aber die mussten selbst einsehen, dass sie gegen die Bayern chancenlos waren.
Ich will jetzt nicht zum Abheben animieren. Allerdings habe ich das Gefühl, dass viele Dinge überhaupt nicht die Anerkennung bekommen, die sie verdienen. Die eine Sache ist Sammers Nachwuchsförderung, die eine Kopie der DDR-Nachwuchsförderung ist. Die andere Sache ist der unaufhaltsame Aufstieg von Borussia Dortmund, der hollywoodreif ist. Ich gebe zu, dass ich Dortmund selbst etwas skeptisch gegenüberstehe, weil ich auch viele Gesten dieses Vereins für geschickte PR-Strategie halte. Allerdings hat Dortmund eine Wandlung erlebt, die unheimlich beispielhaft ist. Vor 7 Jahren war der Club noch faktisch pleite. Heute steht er im Finale der Champions League, hat dabei größtenteils auf billige Spieler gesetzt, in Potenzial, statt in vorhandene Klasse investiert und einen Trainer geholt, der vor 3-4 Jährchen noch nichts anderes kannte als Abstiegskampf und 2. Liga. Dazu zieht dort mit Aki Watzke jemand im "Hintergrund" die Fäden, der im Prinzip die berühmte Hoeneß-Losung, von 6 Millionen Umsatz auf 300 Millionen Umsatz in 30 Jahren überspitzt gesagt in kürzerer Zeit geschafft hat. Natürlich hatte Dortmund 2005 mehr als 6mio€ Umsatz, aber auch Hoeneß unterschlägt gerne, dass einer Steigerung von 200 auf 300mio€ Umsatz erst in den letzten 7 Jahren stattgefunden hat. Watzke hat nun innerhalb von 7 Jahren einen Verein, der am Boden lag, sowohl sportlich, als auch finanziell, in kürzester Zeit zu einem kometenhaften Aufstieg verholfen. Die Entscheidungen, die dort in Dortmund in den letzen Jahren getroffen wurden, hatten eine atemberaubende Präzision. Dabei seien exemplarisch Barrios und Lewandowski genannt, die beide aus dem buchstäblichen Nichts zu großen Leistungsträgern in großen Mannschaften wurden. Da seien die Transfers von Bender, Gündogan, Hummels, Subotic, Piszceck, Kuba und Reus genannt, obwohl letzterer natürlich relativ sicher war. Die wichtigste Verpflichtung war aber wohl Jürgen Klopp. Ein Mann, der offenbar durch nichts eingeschüchtert wird. Kameras machen ihm nichts aus, Druck durch große Spiele kennt er nicht und das schlägt sich auch in seinem Handling der Mannschaft nieder. Dazu versteht der Mann offenkundig etwas von Taktik und Spielerentwicklung. Was er aus Weidenfeller, Kehl, Hummels und Sahin gemacht hat, ist beispiellos. Die sind nicht nur als Spieler gereift, sondern auch als Menschen. Fast jeder Transfer von Dortmund in den letzten Jahren hatte Hand und Fuß. Da wurden Spieler verpflichtet, die charakterlich, spielerisch und leistungsmäßig zueinander passen. Eine Mammutaufgabe, die ohne die stringente Jugendförderung eines Matthias Sammer nicht möglich gewesen wäre, denn diese Förderung hat den Pool von möglichen Spielern für Dortmund massiv erweirtet.
Chapeau, Dortmund! Ich habe vermutlich einen klitzekleinen Tick mehr Sympathien für die Bayern, weil mir deren "Weltbeherrschermentalität" im sportlichen Sinne irgendwie liegt. Aber wären die Bayern mit ihrer Seriösität und dem "Harte Schale-Weicher Kern"-Dualismus nicht, würde ich mich vermutlich noch mehr für Dortmund begeistern können. Jedenfalls imponiert mir die anti-spießige Lebens- und Spielart der Dortmunder sehr, auch wenn ich weiß, dass viele Bemühungen in diese Richtung aufgesetzte PR sind.
Die Bayern wirken insgesamt kälter, weniger menschlich, dafür ultra-professionell und unglaublich effizient. Sie verkörpert klassische, klischeebehaftet "deutsche Tugenden" in Reinform. Das solide Arbeiten, die wirtschaftlich solide Basis, der kalkulierte Erfolg, eine Spur Überlegensheitsanspruch (Zyniker würden von Herrenmenschentum sprechen) und eine aus der Überlegenheit geborene Herzlichkeit, die milde Gaben auf der einen Seite - und raubtierhaftes Verhalten auf der anderen Seite unter einen Hut bekommt. Mit ihrer ultimativen Gewinnermentalität passen sie, wie gesagt, eher zu meiner Sportlerphilosophie.
Hier im Forum bezeichnet jemand (ich weiß leider nicht mehr genau, wer) den Transfer von Sammer öfter als den wichtigsten, den die Bayern in den letzten Jahren getätigt haben. Dem stimme ich zu, würde im Zuge dessen die Liste der wichtigsten Transfers noch um ein paar Namen erweitern:
- Martinez. Ich habe hier bereits im Sommer geschrieben, dass Martinez mehr eine Prestige-Verpflichtung, denn eine kalkulierte Entscheidung ist. Barca und Real waren an ihm dran, Bayern hat ihn bekommen. Nun hat Bayern Barca mit 7:0 (!!) aus dem Halbfinale gefegt und die Vorhersage, dass dieser Wechsel für ein Konkurrenzbewusstsein steht, der signalisiert, dass die Bayern mit Barca und Real auf Augenhöhe sind, scheint sich bewahrheitet zu haben. Mehr noch, Martinez hat eine unheimlich wichtige Rolle eingenommen. Mit Schweinsteiger zusammen bildet er das Zentrum eines unglaublich guten Mittelfeldes. Martinez ist der Unterschied zur letzten Saison. Martinez ist der Unterschied zwischen den Vize-Bayern und den möglichen Triple-Bayern. Der "deutscheste aller Spanier" füllt die wichtigste Position im modernen Fußball aus: den zentralen Mittelfeldspieler. Martinez ist erst 24 Jahre alt und seine Entwicklung kann nur nach oben zeigen.
- Dante und Mandzukic. Eher belächelte Transfers, die das Team nur auffüllen, und in der Breite verstärken sollten. Beide haben sich als Stammspieler durchgesetzt. Dante sogar, als Badstuber noch spielen konnte. Dieser musste ja, als Alaba verletzt war, auf die linke Verteidiger-Seite ausweichen (die einzige Achillesferse der Bayern). Kaum vorstellbar, wie genial das Duo Badstuber und Dante sein könnte. Mandzukic war auch eher als 2. oder 3. Option hinter Gomez und Pizarro eingeplant. Auch hier hat Gomez' Verletzung dafür gesorgt, dass Mandzukic Spielzeit bekam. Und er hat im Prinzip das Bayern-Spiel sehr sehr entscheidend mitgeprägt. Seine Laufbereitschaft und Defensivstärke war es, die unheimlich inspirierend auf andere gewirkt haben muss. Auch heute war Mandzukic teilweise in der Position des rechten oder linken Verteidigers zu finden, wenn Lahm oder Alaba gerade etwas weiter vorne waren. Er weicht auf Flügel aus, attackiert tiefe Spielmacher und kann jemanden wie Pirlo aus dem Spiel nehmen. 2 echte Glücksgriffe für die Bayern.
- Shaqiri. Ok, das mag eine von Sympathie geprägte Nennung sein. Mag sein, dass ich Shaqiris Einfluss für die Bayern überinterpretiere. Auch heute hat er keine Sekunde gespielt. Trotzdem habe ich das Gefühl, dass er gegen Dortmund auf dem rechten Flügel weitaus besser passen würde, als Robben. Die Dortmunder kennen Robben, der hatte gegen die Schwarz-Gelben bisher nur schlechte Spiele und hat in Schmelzer und dem aufrückenden Mittelfeldspieler bisher immer seine Meister gefunden. Shaqiri würde da deutlich mehr Überraschungsmoment liefern und Schmelzer auch vor ein physisches Problem stellen. Auch wenn ich nicht glaube, dass Heynckes sich auf das Experiment "Shaqiri gegen Dortmund" einlassen wird, so würde ich es gerne sehen. Der Schweizer scheint einen guten Charakter zu haben und augenscheinlich hat er das Talent, ein großer Spieler zu werden. Ich fresse einen Besen, wenn Xherdan Shaqiri in 3-4 Jahren nicht zum Leistungsträger-Core der Bayern gehören wird.
Jedenfalls hatte ich noch nie soviel Spaß beim Fußball-Gucken wie in den letzen Wochen. Das liegt nicht an irgendeiner Form von Patriotismus, sondern viel mehr daran, dass es unheimlich logisch erscheint, dass Bayern und Dortmund im Finale um die Fußballkrone aufeinandertreffen. Es ist eine Art Gerechtigkeitssinn, der dadurch befriedigt wird und es ist das Gefühl Teil eines großen Ganzen zu sein, das gerade seine Fahrt aufnimmt - dem Aufschwung des deutschen Fußballs.