Zur Abwechslung mal keine Frage, sondern ein kleiner Exkurs, da es hier für einige vielleicht auch von Interesse sein könnte und zumindest die Tagesschau es meiner Meinung nach eher unglücklich dargestellt hat:
Der Europäische Gerichtshof hat gestern zur Arbeitszeitrichtlinie 2003/88/EG geurteilt, dass sogenannte Rufbereitschaft eines Arbeitnehmers auch Arbeitszeit sein kann. Im zugrunde liegenden Fall betraf dies einen Reserve-Feuerwehrmann aus Belgien, der seine Zeit zu Hause verbringen durfte, auf Ruf des Arbeitgebers innerhalb von 8 Minuten auf seiner Dienststelle erscheinen musste. Dies ist allerdings keineswegs ein Dammbruch oder überhaupt ein Widerspruch zur deutschen Rechtsprechung. Denn auch das Bundesarbeitsgericht und das Bundesverwaltungsgericht, sowie die jeweiligen unteren Instanzen, halten eine Reaktionszeit von bis zu 20 Minuten gar nicht für Rufbereitschaft, sondern für Bereitschaftsdienst, der schon lange als Arbeitszeit anerkannt ist und grundsätzlich auch vergütet werden muss. Die 20 Minuten stellen auch keine feste Grenze dar - dies war lediglich die längste Zeit, über welche die Gerichte (meines Wissens nach) entschieden haben. Umgekehrt wurde bisher nur entschieden, dass eine Reaktionszeit von 45 Minuten durchaus Rufbereitschaft sein kann.
Sehr wichtig ist aber noch und das wird in der öffentlichen Berichterstattung, die ich verfolgt habe, nur bedingt deutlich, dass aus der Anerkennung als Arbeitszeit nicht folgt, dass diese automatisch vergütet werden muss. Der Europäische Gerichtshof kann und darf über den vergütungsrechtlichen Aspekt gar nicht entscheiden, da der Europäische Union dafür keine Zuständigkeit übertragen wurde. Dies hat der EuGH sogar selbst in seiner Urteilsbegründung aufgegriffen:
"49 Hierzu ist übereinstimmend mit dem vorlegenden Gericht darauf hinzuweisen, dass feststeht, dass die Richtlinie 2003/88 nicht die Frage des Arbeitsentgelts für Arbeitnehmer regelt, da dieser Aspekt nach Art. 153 Abs. 5 AEUV außerhalb der Zuständigkeit der Union liegt.
50 Somit haben die Mitgliedstaaten zwar das Recht, das Arbeitsentgelt der Arbeitnehmer im Geltungsbereich der Richtlinie 2003/88 entsprechend den Definitionen der Begriffe „Arbeitszeit“ und „Ruhezeit“ in Art. 2 der Richtlinie festzulegen, verpflichtet sind sie dazu aber nicht.
51 Die Mitgliedstaaten können somit in ihrem nationalen Recht bestimmen, dass das Arbeitsentgelt eines Arbeitnehmers für die „Arbeitszeit“ von dem für die „Ruhezeit“ abweicht, und dies sogar so weit, dass für letztere Zeiten gar kein Arbeitsentgelt gewährt wird."
Die der Entscheidung zugrunde liegende Richtlinie, die hierzulande im Arbeitszeitgesetz umgesetzt wurde, bezweckt vielmehr in erster Linie den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer durch die Anordnung von Ruhezeiten und die Vorgabe von Maximalarbeitszeiten.
Die Arbeits- und Verwaltungsgerichte wiederum halten es für zulässig Bereitschaftszeiten nur begrenzt zu vergüten. In den betroffenen Branchen gibts es in den Arbeits- und/oder Tarifverträgen üblicherweise einen Passus wie z.B. dass Bereitschaftsdienste nur zu 1/5 als Arbeitszeit gewertet und dementsprechend vergütet werden. Diese Rechtsprechung, die meiner bescheidenen Meinung nach zumindest teilweise kritikwürdig, aber mit dem geltenden Recht gut vereinbar ist, wird durch das EuGH Urteil also gerade nicht in Frage gestellt.
Vielleicht fand das ja der ein oder andere ganz interessant, auf Nachfragen kann ich gerne antworten.