Um die Diskussion einmal mit Hilfe einer kleinen Allegorie zum Recht zu bereichern:
Das Recht bzw. die Urteilsfindung in einem einzelnen Verfahren kann man durchaus mit einem Fußballspiel vergleichen. Du bist als Richter der Trainer einer Mannschaft, die Spieler sind das Gesetz und die Taktik ist die Gesetzesauslegung und Urteilsbegründung, die du wählst. Ziel eines Spiels ist grundsätzlich der Sieg d.h. ein Urteil, das nicht nur angesichts seines Tenors, sondern auch angesichts seiner Begründung allen Instanzen standhält. Die meiner Ansicht nach hauptsächlich moralischen Kategorien "richtig" und "falsch" möchte ich an dieser Stelle gerne vermeiden. Am besten darstellen kann man das Recht für Nichtjuristen meiner Erfahrung nach immer am Strafrecht.
Nun stellen wir uns einmal einen ganz unproblematischen Fall vor. A und B streiten sich ein wenig, B schlägt A mit der Faust ins Gesicht. Dies entspricht für den Richter ungefähr der ersten DFB-Pokalrunde von Bayern München. Die Spieler sind denen der Gegner so überlegen, das eine Niederlage fast ausgeschlossen ist. Natürlich wählt man auch hier eine zumindest halbwegs durchdachte Taktik, aber letztendlich kann dir der Gegner nicht nennenswert gefährlich werden, es gibt auch keine Gegenspieler, die in deinen Plänen besonders berücksichtigt werden müssen. Am Ende des Spiels steht dann erwartungsgemäß ein klarer Sieg in Form einer einfachen Körperverletzung.
Leider ist nicht jedes Spiel so einfach. A will B erschießen, der immer um 20 Uhr aus einem bestimmten Lokal kommt. Am Tattag kommt jedoch zufällig zunächst nicht B, sondern C aus dem Lokal. Diesen erschießt A in der Annahme es handele sich um B. Immer noch kein Grund für einen Manager unruhig zu werden, aber der Gegner ist jetzt schon stärker. Sagen wir mal Dortmund gegen einen Zweitligisten. In Betracht kommt nämlich, dass der für die Annahme eines Totschlags/Mordes erforderliche Vorsatz durch die Verwechselung entfallen sein könnte. Daher muss an dieser Stelle schon genau und präzise an der eigenen Taktik für das Spiel gearbeitet werden. Die Schwachstellen des Gegners müssen analysiert und überwunden werden. Nur auf Grund der eigenen Aufstellung ist dieses Spiel jedenfalls noch nicht zwangsläufig gewonnen. Doch auch hier kann sich der Favorit bei passabler Vorgehensweise in den meisten Fällen durchsetzen.
In anderen Fällen wird es nochmals schwieriger. A will B erschießen, der sich gerade mit C unterhält. A versiert B an und schießt. Jedoch trifft seine Kugel leider den C, der sofort verstirbt. An dieser Stelle haben wir bereits ein Erstligaduell. Nicht nur die Taktik, sondern bereits die eigene Aufstellung d.h. die gesetzlichen Regelungen, die man zur Grundlage seines Urteils nehmen will, ist fraglich. In Betracht kommt insoweit entweder eine Verurteilung wegen Totschlags/Mordes an C oder eine Verurteilung wegen versuchten Totschlags/Mordes an B in Tateinheit mit fahrlässiger Tötung des C. Sobald man sich für eine bestimmte Aufstellung entschieden hat, ist aber noch die Taktik fraglich. Der Gegner kann das Spiel durchaus gewinnen, wenn man sich hier nicht etwas ausdenkt, das das gegnerische Team vor zu große Probleme stellt. Man muss genau, präzise und einfallsreich sein und das Beste aus seiner Aufstellung herausholen.
Schließlich gibt es natürlich auch noch die Spitzenspiele und die Champions League. Ein Beispiel kann ich hier leider nicht mehr einfach so darstellen, da das rechtlich etwas zu kompliziert werden würde. Jedenfalls ist in diesen Spielen vor Spielbeginn vollkommen ungewiss, wer am Ende den Sieg holt. Der Gegner ist stark, oftmals kommt es auf Feinheiten in Aufstellung und Taktik an, die über Sieg und Niederlage entscheiden. Man darf sich nicht den kleinsten Fehler erlauben, sondern muss alles aufbieten, was man zur Verfügung hat, um das Spiel zu gewinnen. Und ja, es kann auch mal vorkommen, dass man solche Spiele am Ende verliert. Nicht weil man nicht gewinnen wollte, sondern einfach weil man etwas nicht bedacht hat und der Gegner am Ende leider besser war. Das ist einfach nur menschlich und kommt vor. Vielleicht war der Gegner sogar vor Spielbeginn besser aufgestellt und man dachte, dass man mit der eigenen Taktik trotzdem am Ende den Gegner aushebeln könnte.
Würde man gar keine Spiele verlieren, bräuchte man - um wieder kurz auf unser Rechtssystem zurückzukommen - auch keinen Instanzenzug. Wäre das Recht so einfach, dann würde eine einzige Instanz ausreichen und man hätte alles schnell ausgeurteilt. Dem ist aber nicht so, selbst Guardiola, Klopp und Mourinho verlieren ab und zu ihre Spiele (die Häufigkeit wollen wir an dieser Stelle aber bitte nicht als Indikator nehmen). Nur sehr, sehr selten ist es aber so, dass man nicht gewinnen will. In einigen Ländern mag es in den unteren Ligen mag es so sein, dass sich der eigene Präsident zu sehr in die eigene Aufstellung und Taktik einmischen will. Wie wir alle wissen, geht so etwas selten gut. Im deutschen Profifußball würde ich bereits das als absolute Ausnahme ansehen. Noch seltener passiert aber das, was hier teilweise impliziert wird. Nämlich, dass sich entweder der Präsident der ganzen Liga in Aufstellung und Taktik einmischt, oder dass man sogar absichtlich verlieren will. Ich kann mir das persönlich nicht vorstellen, zumal man sich dadurch nicht gerade für eine Vertragsverlängerund und Gehaltserhöhung empfiehlt. Vermutlich ist man in solchen extremen Ausnahmefällen eher selber in dubiose illegale Geschäfte wie Sportwetten gegen die eigene Mannschaft verstrickt.
Der absolute Regelfall für eine Niederlage bleibt aber, dass man einfach ein kleines Detail nicht bedacht hat, vielleicht unglücklich aufgestellt hat, oder dass die eigene Taktik, die man nach besten Wissen und Gewissen erarbeitet hat, am Ende einfach nicht aufgegangen ist, weil der Gegner zu stark dagegengehalten hat.