Ach du.... ein Religionsthread

Im Internet über Religion zu reden ist auch irgendwie eine Droge. Mit Bekannten oder Freunden kommt zumindest bei mir das Thema so selten auf, weil es irgendwie doch eine ganz private Sache ist, die man zu 99% einfach akzeptiert, egal ob Muslime, Christ oder Scientologe (ok, die vielleicht nicht

). Aber sobald man online zugange geht, findet man sich beim ziellosen Browsen immer wieder schon nach kurzer Zeit in religiösen Diskussionen wieder. Als ob nicht jeder einzelne Aspekt schon zigtausendmal durchgekaut und jedes Argument zu Tode geführt wurde...
Ich bin katholisch getauft, hab meine Kommunion erhalten und gehe Weihnachten in die Kirche. Die Firmung hab ich mir schon geschenkt. Letztens sollte ich dann den Kirchenvorstand für den Bezirk wählen, da bekam ich Post von meiner Probstei. Super, kann ich nix mit anfangen. Was macht so ein Kirchenvorstand? Hier im Umkreis wurden zuletzt eine ganze Handvoll katholischer Kirchen geschlossen, viele gehen da nur hin, weils da an den Feiertagen watt für umme zu mampfen gibt. Aus meiner Sicht ist die Institution Kirche ein Relikt aus Zeiten, in denen die Menschen weder lesen noch argumentieren konnten. Sie ist das absolut beste Beispiel für den alten Spruch "Wissen ist Macht". Selbige lag früher bei den Geistigen, und ist dank Gutenberg heute allen zugänglich. Und wenn man dann mal drüber nachdenkt, ist das alles viel Hokuspokus um nichts. Von mir aus kann jeder glauben was er will: Himmel, Hölle, Sündenfall. Es soll nur keiner davon anfangen, anderen Leuten da einen vom Storch zu erzählen und zu predigen, dass es nur einen richtigen Weg gibt. Die katholische Kirche hat mehr oder weniger Demokratie, Freiheit und Fortschritt für über ein halbes Jahrtausend in Europa an die Wand gefahren. Die sollen sich darauf besinnen, im Sinne der christlichen Nächstenliebe zu handeln. All das Geld, das im Vatikan schlummert, könnte so vielen Menschen helfen. Aber die brauchen ja ihren Weihrauch, ihre Goldkelche und ihre Talare. Beschweren sich über sinkende Mitgliederzahlen, aber erlauben ihren Vertretern nicht zu heiraten. Ich würde niemals jemanden wegen seines Glaubens anfeinden oder auslachen. Aber Kirche und Glauben sind zwei Dinge, die kaum weiter voneinander entfernt stehen könnten. Das ist wie Fußball und American Football. Das eine ist wohl mal aus dem anderen entstanden, aber heutzutage spielen sie nicht mal mehr mit demselben Ball. Ich kann auch zutiefst gottesfürchtig sein, während ich im Tabernakel meine Socken aufbewahre und zum Frühstück Hostien mit Messwein runterspüle.
Gläubig bin ich eher nicht. Es ist mir vollkommen verständlich, warum Menschen glauben; ich würde es nur zu gerne auch. Die meisten tiefgläubigen Menschen, die ich kennen gelernt habe (viele mit polnischen Wurzeln im Übrigen) ruhen in sich selbst. Unglaublich abgeklärte und nette Menschen, die mit sich komplett im Einklang sind. Kein bisschen einfältig oder leichtgläubig, einfach nur religiös. Gehen in die Kirche und all das Brimbamborium. Wenn es Leuten hilft und Sicherheit gibt, dann gerne. Und genau da sollte es dann auch aufhören. Seelsorge und Altruismus. Ansonsten brauche ich keine Debatten, weder über die Kirche, noch von ihr geführt. Wenn sie Leute wie Desmond Tutu oder Sophie Scholl hervorbringt, dann kann ich nur gratulieren, denn die wahren christlichen Motive sind großartig. Leider hat die Institution Kirche damit nicht so viel zu tun. Da geht es eben auch nur ums Geld.
Zum Islam kann ich nur sagen, dass die lange dem Christentum weit überlegen waren, in so ziemlich allen Belangen. Jetzt radikalisieren sich Splittergruppen, und ein Thema wird Fokus einer zum Teil höchst uninformierten Diskussion, das eigentlich niemals Thema einer solchen Auseinandersetzung hätte werden dürfen: Disparität. Es ist eine ähnliche Religion mit vielen dem Christentum alles andere als unbekannten Motiven, und dennoch wird überall davon geredet, was denn "den Islam" so ausmacht, wie "diese Muslimen" ticken und was im Koran steht. Passiert das in einem geregelten Diskurs, dann ist es Religionsforschung. Aber was seit 9/11 abgeht, ist doch im Grunde keine Sensibilisierung gegenüber dem Thema, sondern eine Entfremdung. So zumindest fühlt es sich für mich an. Da braucht es keinen Thilo Sarrazin oder Lutz Bachmann, damit in den Leuten der Fremdenhass hochkocht. Anstatt zu verstehen, wird vielerorts einfach nur "gelabert", und subtil sogar verurteilt. Hab letztens wieder im Zug so einen Spezi am Rande wahrgenommen. Für den war die Motivation der Paris-Attentäter allzu offensichtlich: Drölfzig Jungfrauen im Paradies. Ich wollte schon aufstehen und einfach mal nett nachfragen, ob er sein Bild-Abo online abgeschlossen hat, oder gleich bei der nächsten Springer-Druckerei seine Exemplare frisch vom Band kauft. Mittlerweile bin ich es einfach leid, immer wieder die gleichen Floskeln zu hören. Den Koran habe ich nie gelesen, und ich werde es auch nie tun. Die Bibel hab ich nämlich auch nicht gelesen, und warum auch? Was in diesen Büchern steht, hat keinen Bezug zur modernen Welt. Wer dem nachfolgen möchte, oder daraus Trost bezieht, nurzu. Verwaschene Psalme, die von der selbstlosen Hingabe für den Nächsten bis hin zum rücksichstlosen Glaubenskrieg nahezu jede Interpretation zulassen, geben mir mal gar nüscht. Islam und Christentum sollten, wie alle Religionen der Welt, Seite an Seite stehen, praktiziert im Privaten, aber zugänglich für jeden Interessierten. Jedwede Religion ist abstrus, und das Gedankengut per Definition das Gegenteil von rationell. Da sollte man nicht beurteilen, was mehr Sinn ergibt, sondern jedem sein Schippchen lassen. Ansonsten baut am Ende keiner seine Sandburg, weil sich alle an den Haaren ziehen. Nur dass dann keine Erzieherin kommt und die Streithähne in die Ecke stellt, sondern der Sandkasten einfach weggebombt wird. Ich habe eine Heidenangst, dass uns die Dummheit und Ignoranz mancher Entscheidungsträger, bzw. der Leute mit dem Daumen auf dem Knopf, in ein frühes Grab schickt. Als ich die Bilder aus Syrien gesehen habe und hörte, dass Putin und Hollande schon die ersten Einsätze fliegen lassen, standen mir die Tränen in den Augen. Es macht sich echt das Gefühl in mir breit, dass wir nur noch einen Franz Ferdinand brauchen, um die Welt zur Hälle zu jagen. Wenns denn eine gibt
