PostNord-ligaen – 22. SpieltagHögmo hatte recht: wir waren eindeutig das dominanteste Team der Liga und würden zurecht aufsteigen, davon war ich felsenfest überzeugt. Es gab absolut keinen Grund, warum wir nicht auch so auftreten sollten. Klaboe, der hauptverantwortlich für die Ausgestaltung der Trainingspläne war, legte den Fokus auf hohes Pressung und vertikale Umschaltaktion. Gemeinsam standen wir beim Abschlusstraining am Rand des Platzes und beobachteten das Team bei den vorgegebenen Übungen.
„Merkst du was Jólly?“, fragte Joakim. Ich grunzte nur fragend.
„Ich habe die Übung vor 12 Minuten erklärt. Wir mussten nicht einmal eingreifen.“Und er hatte recht. Offensichtlich hatten alle Spieler des Kaders verstanden, dass wir kurz davorstanden, uns für die Mühen der Saison zu belohnen. Das hatte wohl auch Högmo erkannt, der in diesem Moment staunend zu uns trat.
„Seht ihr, das habe ich gemeint, als ich von Falken sprach. Diese Jungs wollen den Gegner vom Wochenende am liebsten sofort erlegen.“ Klaboe und ich verdrehten zeitgleich die Augen, bei der schwulstigen Redeart unseres sportlichen Leiters. Doch in seine Lobeshymnen konnte ich nur mit einsteigen.
„Absolut. Ich könnte ohne Probleme morgen zwei Mannschaften ins Rennen schicken und beide würde abliefern, gemessen an den Trainingsleistungen.“ Da dies laut Statuten nicht erlaubt war, musste ich mich dann doch auf 11 + 7 Spieler festlegen. Ich ging mit der in meinen Augen stärksten Elf ins Saisonfinale:

Was folgte, war das mit Abstand stärkste Spiel der gesamten Saison. Spitzbübisch grinste mir Klaboe zu, als Hasan Duman mit dem 3:0 den Deckel auf die Partie legte. Vorausgegangen war eine feine Kombination über 4 Stationen, ehe Drage flach von links in den Strafraum passte, wo der herannahende Duman vom Elfmeterpunkt locker rechts unten einschob.
„Bringen deine Übungen ja wirklich was“, sagte ich zu Klaboe gewandt mit einem Augenzwinkern. Und ob sie das hatten. Bereits die ersten beiden Tore durch Kjelsrud Johansen und Duman fielen nach ähnlichem Muster: Ballgewinn, schnelle Pässe auf die Außen und dann flach in den Strafraum kombinieren. Es war genau der Fußball den ich mir wünschte, jedoch bislang nicht glaubte von dieser Mannschaft bekommen zu können.
Wie falsch ich lag, zeigte mir das 4:0 in der 78. Minute: Solberg und Asheim gewannen im Pressing den Ball auf rechts. Mit einem gezielten Pass ließ Solberg 4 Gegner ins Leere laufen und schickte den eingewechselten Harletun in den Strafraum. Der vollendete vollkommen freistehend flach ins lange Eck. Es war eine Machtdemonstration meiner Mannschaft, die es bei 4:0 beließ und hinten nichts anbrennen ließ.
Nach dem Spiel kam Högmo direkt zur Trainerbank, sein Gesicht machte einen wütenden Eindruck und ich wollte schon zu einer Tirade ansetzen, da entspannten sich seine Züge.
„Jólly, ich könnte heute nicht glücklicher sein. Das war phänomenal“, sagte Högmo mit weiten Gesten. Ich konnte normalerweise gut mit Lob umgehen, ohne mich darin zu baden. Doch solche Worte von einem Mann, der scheinbar nur schwer zufriedenzustellen war, gingen runter wie Öl. Noch dazu, da Högmo DER Mann in Norwegen war, der Jahrelang den Fußball auf Ebene Nationalmannschaft prägte.
Ich fasste mich und wagte eine in meinen Augen nicht allzu kühne Prognose:
„Stell den Sekt schonmal kalt. Und sprich mit dem Verband – nächste Woche brauchen wir die Schale hier.“Beinahe augenblicklich veränderte sich seine Miene und er wirkte beinahe zurückhaltend:
„Abwarten. Ich wünsche es mir auch, aber erstmal muss die Mannschaft erneut liefern.“ Mit diesen Worten und einem Schulterklopfen verließ er Klaboe und mich.
Lange noch schaute ich den Schritten des Alten nach. In Momenten wie diesen verwirrte mich seine Art zutiefst. Von himmelhochjauchzend zu Tode betrübt in weniger als zwei Minuten. Überhaupt schien Högmo voll von Gegensätzen, die sich mitunter im Minutentakt zeigten. In einem Moment ist er verständnisvoll, dann wieder strikt in seiner Meinung und doch nicht altersstarrsinnig. Mal väterlich, dann distanziert. Es gefiel mir nicht, dass unser Verhältnis in solchen Wellen verlief.
Ich wischte die Gedanken zunächst beiseite, jetzt war es Zeit diesen Moment zu genießen, doch es würde eine erneute Aussprache zwischen uns stattfinden müssen, darüber war ich mir Klaren.
