Inter regnum ludium II
@t.oelpel:
Ach doch, die Glückwünsche nehm ich trotzdem dankend an!

Und ja, so richtig "sauber" und integer ist Gerards "Flucht" nicht, aber hey, so kennt und
haß liebt man ihn.
Stepanovics Spruch hab ich nicht umsonst schon mal als Update-Zitat hier mißbraucht. Das ist eine der wichtigsten Lektionen im Leben. Ich hab ihn damals dafür gefeiert, wie lapidar er diesen Satz rausgehauen hat.
@Bayernfahne:
Ach so!
Na gut, dessen Abwanderungstendenzen konnte ich leider nicht wegzaubern. Und da er bereits ein sehr einflußreicher Spieler war, konnte ich sein Gemecker auch nicht ignorieren.

Gärtner ist und bleibt einer der prägenden Spieler in diesem Save - ob er bei einer späteren Station auch nochmal im Kader auftaucht, kann ich nicht sagen.
Beim nun folgenden Verein wird er allerdings ganz definitiv keine Rolle spielen, das muss ich so klar sagen.

@Muffi:
Honved hätte ich extrem spannend gefunden (allein schon dafür, dass sie die Nummer 10 nicht mehr vergeben wegen Ferenc Puskas

), aber ich muß Dich enttäuschen. Es wird weder Honved noch Sochaux. Genaugenommen isses gar keiner von der Liste.
Und danke für die netten Worte.

In den ersten zwei, drei Wochen nach meinem Rückzug aus Winterthur - ich bin erstmal wieder zurück nach Luxemburg gezogen, mein Onkel hat ja ein großes Haus - klingelt noch ab und zu mein Smartphone.
Aber es sind sowieso eigentlich immer die gleichen Nasen, die was von mir wollen - Reporter, meist von Boulevardzeitungen, die dringend noch eine Story für die Lücke auf Seite 9 brauchen, irgendwas leichtes ohne allzugroßen Aufwand, das den geneigten Leser nicht allzusehr von der halbnackten Aushilfsgrazie auf der gegenüberliegenden Seite ablenkt.
Nachdem ich zum gefühlt hundertsten Mal die immergleichen hirnschreddernden Fragen beantwortet habe ("Wie fühlen Sie sich jetzt, genau 34 Tage nach Ihrem Rücktritt?", "Hat dieses katastrophale erste Saisonviertel emotionale Wunden hinterlassen?"), beschließe ich eines Morgens, dass es jetzt reicht.
Tabula rasa! Ich beschließe, zum nächstbesten Handyladen zu tigern und mir ein neues Smartphone, vor allem jedoch eine neue SIM-Karte zu besorgen.
Und zwar zum einen, weil ich die Faxen dicke von den Reportern habe - zum anderen auch, weil dann hoffentlich das Auf und Ab mit einer gewissen jungen Dame aufhört, die sich inzwischen seit mehreren Jahren nicht entscheiden kann, ob sie nun wieder Kontakt aufnehmen will oder nicht oder was.
Ich hab inzwischen bestimmt zwanzig mal Nachrichten von ihr erhalten - gerne mitten in der Nacht. Und wenn ich drauf geantwortet hab, kam wieder wochenlang nix zurück.
Reicht mir, echt jetzt!
Ich schlappe also zum Telefonhändler meines Vertrauens und drei Tage später sind zumindest die fernmündlichen Brücken in meine Vergangenheit abgebrochen.
Am nächsten Morgen - es ist inzwischen Winter geworden und draußen hat es über Nacht knöchelhoch Schnee hingeworfen - nehm ich mir einen Kaffee und ein paar Kekse, schlurfe in den Wintergarten und setze mich in den bequemen Ohrensessel, den mein Onkel dort platziert hat, jedoch aus unerfindlichen Gründen nie nutzt.
Bequem hier.
So und was nu?
Da ich die letzten Wochen nicht nur zum Rumsitzen und Telefonkaufen genutzt habe, sondern mir auch ein paar Gedanken gemacht habe, was ich eigentlich will, hab ich zumindest eine Idee für die nächsten Monate im Kopf.
Ich sortier die Gedanken nochmal.
Also ... erstens: ich möchte schon gerne weiter als Trainer arbeiten, die letzten Jahre waren die bisher aufregendsten meines Lebens, das Kribbeln vor einem Spiel und die sich plötzliche lösende Spannung nach einem Sieg möchte ich keinesfalls missen.
Zweitens: irgendwelche erstklassigen Angebote werd ich wohl kaum bekommen und wenn doch, dann wohl bestenfalls Schleudersitze. Ich möchte aber etwas, wo ich in Ruhe arbeiten und etwas aufbauen kann und wo ich nicht nach drei Monaten wieder Geschichte bin, nur weil der Punkteschnitt knapp unter 2,8 liegt.
Drittens: ich habe noch viel zu lernen. Sehr viel!
Viertens: die vier Jahre in Winterthur haben mein Bankkonto mit einem beruhigend dicken Polster gefüllt, so dass ich selbst bei großzügigen Ausgaben mehrere Jahre nicht arbeiten müßte, wenn ich nicht will.
Ich kann mir also Zeit lassen und auf eine passende Gelegenheit warten.
Das alles zusammengenommen gibt es eigentlich nur eine logische Schlußfolgerung.
Als erstes rufe ich bei einigen Zweit- und Erstligisten in der "näheren Umgebung" an. Was natürlich jetzt nicht Jeunesse Esch oder Swift Hesperingen bedeutet, sondern eher VfL Bochum, FC Sochaux oder Heracles Almelo - also Vereine in den Nachbarländern, die mir zum Beispiel vom Namen her sympathisch sind oder ein ästhetisch wertvolles Wappen haben.
Ich habe überall die gleiche Bitte vorzutragen - ich möchte hospitieren.
Idealerweise jeweils einen Monat lang möchte ich den jeweiligen Trainern über die Schulter schauen und lernen.
Mir kommt zugute, dass ich nicht mehr komplett unbekannt bin und so bin ich mit meinen Anfragen erfolgreicher, als ich es für möglich gehalten hätte und nach zwei Tagen ausgiebigen Telefonierens bis in den Sommer hinein ausgebucht.
Als nächstes informiere ich meinen Onkel, dass ich mich auf eine längere Reise begeben werde und bitte ihn, die Dinge, die nicht in meinen großen Koffer passen, in meinem Zimmer lassen zu dürfen.
Danach gehts los: Europareise mit Bildungsauftrag.
Im Dezember bin ich in Sochaux, im Januar in Bochum, im Februar in Innsbruck, im März in München (bei 1860), im April in Le Havre, im Mai in Anderlecht und im Juni schließlich führt mich mein Weg in den Norden, nach Kopenhagen.
Überall werde ich freundlich aufgenommen und soweit möglich auch in den Alltag eingebunden.
Das Hauptziel der Reise - nämlich so viele Eindrücke wie möglich zu gewinnen und Ideen zu sammeln - erreiche ich dabei mühelos.
Aus "Bildungssicht" ist sie ein voller Erfolg.
Der zweite, nicht ganz so offensichtliche Zweck meiner Rundreise stellt sich allerdings als veritabler Tiefschlag heraus.
Ich hatte nämlich insgeheim gehofft, dass sich irgendwo auf dieser Reise die ideale Gelegenheit auftun würde - irgendein immens interessanter, aufstrebender Verein mit ruhigen Umfeld und mit zufällig gerade eingetretenem Trainermangel, der genauso zufällig nach einem Trainer mit durchwachsener Vita sucht, um in die zweite oder erste Liga aufzusteigen und wenn möglich an frühere Erfolge anzuknüpfen.
Bei den hunderten Menschen mit Fussballbezug, die ich in dem halben Jahr kennengelernt habe, war leider keiner dabei, der mir hinter vorgehaltener Hand unter dem Siegel der Verschwiegenheit flüsternd meinen neuen Traumarbeitgeber mitgeteilt hätte.
War möglicherweise auch ein bißchen blauäugig.
Wir schreiben inzwischen den ersten Juli und ich verabschiede mich von den Verantwortlichen des FC Kopenhagen, danke ihnen nochmals für ihre Gastfreundschaft und die äußerst lehrreichen vier Wochen und fahre dann mit dem Taxi zum Hauptbahnhof.
Habe irgendwie eine ungünstige Zeit erwischt, wie mir scheint - denn der Bahnhof ist schwarz vor Menschenmassen, die in alle verfügbaren Himmelsrichtungen hasten.
Eigentlich will ich einfach nur zu Gleis drei, aber in meiner Bewegungsfreiheit durch meinen überschweren rollenden Begleiter (also den Koffer) eingeschränkt werde ich mehrfach hin- und hergeschoben, abgedrängt und zweimal fast von Koffertaxis überfahren.
Von den dutzenden verschiedener Gerüche und Geräusche in verschiedensten Stadien der Erträglichkeit ganz zu schweigen.
Kurz gesagt: es ist die Hölle.
Mit letzter Kraft schaffe ich es, mich in eine Lücke zwischen einen Fotoautomaten und einer Telefonzelle zu retten, wo ich erst einmal durchatme und mein Smartphone zücke, um mich vielleicht mit Hilfe einer Navi-App zu Gleis Drei durchzuschlagen.
Aber es dauert keine drei Sekunden, da ist es mit der trügerischen Ruhe auch hier wieder vorbei.
"Da sind Sie ja! Ich hab Sie schon überall gesucht!", ertönt es in englisch direkt vor meinem gesenkten Kopf mit den ins Smartphone glotzenden Augen eine helle weibliche Stimme.
Ich blicke auf - und direkt in ein fröhliches herzförmiges Gesicht aus dem Malbuch für "attraktive skandinavische Gesichter", komplett mit roten Wangen, Stupsnase und blauen Augen, umrahmt von den blondesten blonden langen Haaren, die man sich an einer Dänin nur vorstellen kann. Anfang dreißig vielleicht, würde ich schätzen - aber ich verschätze mich bei sowas sowieso immer.
Ob sie von hier stammt, kann ich natürlich nur vermuten - ist mir aber gerade völlig egal.
Erstens brauch ich alle Selbstbeherrschung, um bei diesem Anblick nicht wie ein Idiot zu grinsen - und zweitens bin ich viel zu verwirrt ob der Ansprache, die mir gerade zuteil wurde, um mir auch noch Gedanken darüber zu machen, ob die vor mir stehende Erscheinung lokal verwurzelt oder nur auf der Durchreise ist.
"Öh ... 'xcuse me - Sie haben MICH gesucht? Wieso?", stammele ich völlig überrumpelt.
Die junge Frau lacht.
"Na weil wir zum Beispiel verabredet waren - vor einer Viertelstunde an Gleis drei."
Ich muß wohl immer noch aus der Wäsche gucken wie ein Leguan, der gerade aus der Nachtstarre erwacht ist - jedenfalls runzelt sie kurz die Stirn und setzt ein wenig zögerlicher und mit leichten Anzeichen von Unsicherheit hinzu:
"Svea Jensen ... wir haben ... vorgestern telefoniert und Sie kommen hierher, um mit meinem Vater wegen des Jobs zu ...."
Sie wird immer leiser und langsamer, das fröhliche Lächeln schwindet langsam aus ihrem Gesicht und macht einer tiefen Verlegenheit Platz.
"Sie sind gar nicht Daniel Ganther, oder?"
Ich reiße überrascht die Augen auf - Ganther war mal Trainer bei US Esch und Swift Hesperingen! Das letzte, was ich von ihm gehört habe, ist allerdings, dass er letzten Herbst in Hesperingen entlassen wurde.
Frau Jensen hat mich also mit Ganther verwechselt, na super. Aber immerhin klärt sich damit meine Verwirrung, wieso ich sie nicht kenne.
(Was ich übrigens jetzt schon bedaure - sie ist einfach hinreißend!)
"Oh wie peinlich, bitte entschuldigen Sie vielmals, das ist ja so ..."
Ihr Smartphone klingelt und sie geht mit einem weiteren "Entschuldigen Sie bitte..." ran.
"Svea Jensen, Guten Tag?"
Eine männliche Stimme, die Worte kann ich nicht verstehen - Sveas Gesicht verdüstert sich etwas, gute Nachrichten können es nicht sein.
"Das ist ... sehr schade, Herr Ganther. Und besonders schade, dass Sie uns das erst jetzt mitteilen. Aber gut, nicht zu ändern. Viel Erfolg, auf Wiederhören."
Ihre Stimme klingt kein Stück mehr glockenhell, viel eher könnte man Angst bekommen, dass sie gleich durch den Hörer kriecht und den Herrn Ganther am anderen Ende der Leitung schüttelt, weil er sie so schnöde versetzt hat.
In meinem Kopf rattert derweil die ganze Zeit eine Frage...
Kaum hat die schöne nicht-mehr-komplett-Unbekannte aufgelegt, sprudelt es aus mir heraus.
"Nicht sehr nett von diesem Menschen, Sie so kurzfristig zu versetzen!"
Sie nickt zustimmend - und zwar so nachdrücklich, dass die leicht gelockten Haare für einen Moment wie wütende Schlangen um sie herumzischen. Sie sieht wütend aus, möglicherweise auch ein bißchen verzweifelt, das kann ich schwer einschätzen, ich kenne sie ja kaum. Eigentlich gar nicht.
Während ich gebannt ihre Haare beobachte und ihr Gesicht zu lesen versuche, strafft sie sich plötzlich.
"Na gut, dann eben anders, irgendwas findet sich. - Entschuldigen Sie nochmal meinen Fauxpas, ich werde Sie nicht länger belästigen. Guten Tag!"
'Neeeeein!', schreit mich eine innere Stimme schrill an. 'Lass sie bloß nicht gehen, die siehst Du sonst nie wieder! Mach was!'
Hastig öffne ich den Mund.
"Frau Jensen, darf ich Ihnen eine Frage stellen, bevor Sie gehen?"
Sie hat sich schon halb zum Gehen gewandt, bleibt jedoch nun stehen und schaut mich ein wenig verwundert an.
"Ja sicher, was haben Sie denn auf dem Herzen?"
"Darf ich fragen welcher Art die Tätigkeit ist, die Sie diesem Herrn Ganther anbieten wollten?"
Sie runzelt die Stirn.
"Ich wüßte nicht, was Sie das angeht. Das ist eine Sache zwischen..."
Ich mache eine Handbewegung, um sie unterbrechen.
"Ich frage, weil es gut möglich ist, dass ich an der Tätigkeit interessiert bin. Sie waren mit Daniel Ganther, dem Fussballtrainer, verabredet, richtig? Mit DEM Daniel Ganther, der seit etwa zehn Jahren als Trainer in Luxemburg arbeitet, der unter anderem zwei Jahre bei US Esch und drei bei Alliance Aischdall gearbeitet hat und der im letzten Oktober nach reichlich zwei Jahren bei Swift Hesperingen in Luxemburg gehen mußte und seitdem vereinslos ist, korrekt?"
Sie legt den Kopf ein wenig schief und schaut mich mit großen Augen an.
"Das ist alles richtig, ja. Aber woher wissen Sie so viel über diesen Menschen?"
Ich kann mir ein Grinsen nicht verkneifen, während ich antworte:
"Sagen wir es so - wenn der Job, den Herr Ganther anzutreten so unhöflich abgelehnt hat, das Trainieren einer Herrenfussballmannschaft ist, bin ich definitiv daran interessiert, mich darüber mit Ihrem Vater zu unterhalten.
Angenehm, Sie kennenzulernen, Frau Jensen." Ich strecke die Hand aus.
"Mein Name ist Gerard Lavayeux."
Den Namen des Vereins lass ich mal noch offen - hauptsächlich, weil ich im Zug schreibe und das Logo für das neue Kapitel noch nicht fertig ist.

Und nein, es ist nicht der FC Kopenhagen.
Ich muß gestehen, dass ich mit meiner Regel, mich nicht aktiv zu bewerben, brechen mußte, weil sich nur noch absolute Topvereine bei mir gemeldet haben.
Ich hatte Interviewangebote von Feyenoord, Inter und AC, Werder, HSV, Chelsea, Altetico, Valencia etc ... alles Vereine, die ich nicht als realistisch ansehe, nicht mal im Ansatz.
Die kleineren Vereine, die mehr Sinn ergeben hätten, haben sich nicht gemeldet, leider.
Und dann hab ich nach einer halben Saison des Durchklickens Ende Juni das Logo eines Kopenhagener Vereins in der Liste offener Posten entdeckt und war sofort Feuer und Flamme.
Zumal ich auch sofort einen passenden Songtitel für die Kapitelüberschrift hatte. Und das ist ja wohl das Wichtigste an dieser Story, oder?

Nächste Woche kommt dann die Vereinsvorstellung, bin mal gespannt, ob jemand den richtigen Verein errät.

Erstmal schönes Wochenende an alle!
