Ich habe mir vergangenen Monat die erste Season von "The Walking Dead" vom Entwickler "Telltale Games" zugelegt und vorvorgestern angefangen zu spielen. Ich muss sagen: Was für ein geiles Spiel!
Es handelt sich um ein Adventure im Comic- / Cell Shading-Look, das auf der gleichnamigen Graphic Novel von Robert Kirkman basiert. Die Novel habe ich nicht gelesen, aber die ersten beiden Staffeln der Serie im Fernsehen gesehen. Die Intensität und die Stimmung der Serie greift das 5-episödige Videospiel perfekt auf. Man fühlt sich praktisch wie einer der Charaktere aus der Serie, nur, dass man im selben Kosmos neue Geschichten und Charaktere kennenlernt und vor neue Herausforderungen gestellt wird. Letztere sind besonders interessant, denn ein großer Teil der Intensität und des Storytellings lebt von den Entscheidungen, die man immer wieder treffen muss, die weitgreifenden Einfluss auf das Spielgeschehen nehmen und den Handlungsverlauf vollkommen verändern können.
Ein Beispiel (Achtung:
Spoiler!):
Die Gruppe, mit der man reist, hungert, es gibt kaum noch Vorräte - man muss die Rationen verteilen und zu allem Überfluss herrscht zwischen den Mitgliedern auch noch Zwist. Wer bekommt eine Ration? Die Kinder zuerst? Der unliebsame Konkurrent, um ihn zum Stillschweigen zu bringen? Dessen Tochter, die sich als Anführerin empfindet? Die gute Freundin? Die gute Seele der Gruppe? Der Neuling? Oder der Typ mit dem Wohnmobil, in der Hoffnung, dass er den Gefallen erwidert und einen mitnimmt, sobald der Motor repariert ist? Wie auch immer man sich entscheidet, das Gruppengefüge verändert sich und die Charaktere werden das, was man in Zusammenhang mit ihnen getan hat nicht vergessen, sondern sich immer wieder daran erinnern und dies in zukünftigen Konversationen berücksichtigen.
Anderes Beispiel (Achtung:
Spoiler!):
Szenerie ist ein Wald. Ein Kerl tritt in eine Bärenfalle und aufgrund seines Geschreis findet man ihn. Gleichzeitig lockt er aber auch Zombies an und es bleibt keine Zeit, die Falle zu knacken und ihn rasch zu befreien. Was tun? Ihn einfach liegen lassen und sich aus dem Staub machen? Oder vielleicht sein Bein mit einer Axt abhacken und ihn zum Lager tragen?
Diese Entscheidungen sind manchmal echt hart und mich persönlich haben sie bisweilen emotional mitgenommen. Dadurch ist die Atmosphäre sehr dicht. Es gibt allerdings auch negative Punkte, wenn man denn so möchte. Die Episoden sind nicht besonders lang. Ich bin momentan in der vierten Episode und habe pro Episode in etwa 3-4 Stunden gebraucht. Spielerisch ist das Spiel nicht sonderlich anspruchsvoll - die Adventure-Passagen sind durch Probiererei schnell geknackt, die wenigen Quicktime-Events stellen spätestens durch direktes Neuladen keine Herausforderung dar. Trotzdem sind gerade diese Quicktime-Events sehr stimmig umgesetzt und haben mir durchaus ein Panik-Gefühl a la Resident Evil vermittelt.
Im Grunde genommen ist "The Walking Dead" so eine Art spielgewordene Fernsehserie. Die tatsächlich spielerischen Anteile sind leicht zu meistern und sollen den Spieler in gewisser Weise nur vorantreiben und zum nächsten Entscheidungspunkt schleusen. In den Gesprächen, den Antwortmöglichkeiten und den Konsequenzen wird das Spiel erst interessant. Es ist wie eine Serie, die man beeinflussen kann und bei der man stets mit Spannung erwartet, was sich aus den getroffenen Entscheidungen ergibt. Die Grafik und die Musik tragen ihr übriges zum stimmigen Gesamt-Gefühl bei. "The Walking Dead" ist für knapp 30 Euro plattformübergreifend zu haben. Wer ein mitreißendes, außergewöhnliches Spielerlebnis im Zombie-Kosmos mit ausgeprägter Charakterentwicklung und enormer Entscheidungsfreiheit sucht, ist hier genau richtig. Fans der Serie machen beim Kauf sowieso nichts falsch.