Es ist ein natürliches Bedürfnis sich zu outen. Das hat mir ein ehemaliger Mitspieler am College in den USA erzählt, der sich geoutet hat. In unseren Kabinengesprächen, im Unileben, bei gemeinsamen Unternehmungen, quasi überall wo wir als Team zusammengekommen sind, ging es zum größten Teil um Frauen. Fast jeder hat mit irgendwelchen Frauengeschichten geprahlt, von Parties und Abenteuern erzählt usw. Das ist gang und gäbe und wird hierzulande auch nicht anders sein. Männer sind nunmal weitestgehend primitiv in diesem Alter und als College-Sportler hat man auch oft leichte Gelegenheiten Frauen abzuschleppen.
Jedenfalls hat dieser bestimmte Mitspieler (war 2nd String Outside Linebacker, hat 240 Pfund gewogen, ist 6-3 groß, was etwa 1.90m entspricht?! jedenfalls ein extrem harter Kerl) bei den Erzählungen auch immer kräftig mitgemacht und sich, wie sich später rausstellte, seine ganzen Geschichten ausgedacht. Jedenfalls waren wir auf Teamfeiern und er ist nie mit einem Mädchen nach hause gegangen. Nicht, dass das irgendwie schlimm war, er hat auch immer erzählt, er hätte eine Freundin usw, aber er hat sich dabei äußerst unwohl gefühlt. Das ist mir aber erst im Nachhinein klargeworden. Jedenfalls hat er sich dann, nach seinem Freshman-Year, als es ins Spring-Camp ging, geoutet, weil er Selbstmordgedanken hatte. Das hat ihm der Uni-Psychologe geraten, der ihn auch begleitet hat. Wohlgemerkt ist Homosexualität in den USA, besonders im Süden, immernoch etwas anderes als in Deutschland. Sowas wie den Christopher Street Day wird es dort in Jahren noch nicht geben. Es gab auch erstmal ein bisschen Gebrubbel, als er sich geoutet hat, er hat dann aber erzählt, dass er vor der Wahl stand mit dem Football aufzuhören, um nicht mehr so zu tun, als wäre er nicht er selbst oder Selbstmord zu begehen. Er hatte sich dann für Selbstmord entschieden, denn seine Liebe zum Football war zu groß. Das konnte wie gesagt glücklicherweise verhindert werden. Diese Belastung, diese Kraft und diese Liebe zum Spiel hat dann jeden so beeindruckt, dass niemand auch nur ein schlechtes Wort verlor. Er war nachwievor voller Bestandteil des Teams, schaffte es sogar in die starting line-ups und spielte völlig befreit auf. Öffentlich geoutet hat er sich nie, aber es war auf dem ganzen Campus so eine Art offenes Geheimnis. Niemand hat ihn ausgebuht, es gab keine kritischen Zuschriften an unseren Coach (außer von einer Neo-Nazi-Vereinigung, aber darauf haben wir geschissen).
Später führte es dazu, dass ein Basketballer ebenfalls seine Homosexualität geoutet hat.
Ich finde, man sollte sich von solch primitiven Menschen, die in deutschen Fußballstadien Menschen dafür fertig machen, dass sie nicht heterosexuell sind, nicht davon abschrecken lassen, den psychischen Druck von einzelnen Spielern zu nehmen. Vielleicht ist es gängige Praxis, dass innerhalb der Kabine offen mit dem Thema umgegangen wird. Das würde ja schon absolut reichen, der psychische Druck, sich dauernd vor seinen Teamkollegen in die Tasche lügen zu müssen, wäre weg. Aber trotzdem sollte sich der DFB ganz klar zum Schutz der Spieler vor homophoben Übergriffen bekennen. Das können sie bei rassistischen Äußerungen doch auch. Wo ist der Unterschied zwischen Rassismus und Homophobie?